Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2014, Az. B 8 SO 15/13 R

8. Senat | REWIS RS 2014, 230

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Gegenstand

Sozialhilfe - Unterkunft und Heizung - Umzugskosten - kein Anspruch auf Erteilung einer Zustimmung zu den Umzugskosten ohne Vorliegen eines konkreten Wohnungsangebotes


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist die Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme von Kosten eines Umzugs.

2

Die 1932 geborene Klägerin bezieht laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem [X.] - ([X.]). Sie bewohnt eine Ein-Zimmer-Wohnung in [X.] Eine Nichte und ein Neffe der Klägerin wohnen 4 bzw 5 km von der Klägerin entfernt, ebenfalls im Stadtgebiet von [X.] Die Klägerin teilte der Beklagten im Juli 2009 mit, sie beabsichtige umzuziehen. Ein konkretes Wohnungsangebot konnte sie nicht vorlegen. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Zusicherung zur Übernahme von Kosten für einen Umzug innerhalb von [X.] ab (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 3.11.2009).

3

Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <[X.]> [X.]reiburg vom [X.]; Urteil des Landessozialgerichts <[X.]> Baden-Württemberg vom 20.12.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, die Entscheidung, ob ein Umzug notwendig iS des § 29 Abs 1 Satz 7 und 8 [X.] (in der bis zum 31.12.2010 geltenden [X.]assung ; seit 1.1.2011 § 35 Abs 2 Satz 5 und 6 [X.] ) und dessen Kosten zu übernehmen seien, könne nicht ohne konkretes Wohnungsangebot erfolgen, weil geprüft werden müsse, ob die neue Wohnung angemessen sei. Sofern die Beklagte die Zustimmung bei Vorlage eines konkreten [X.] verweigere, könne die Klägerin einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Im Übrigen stehe die Zustimmung zur Übernahme von Umzugskosten grundsätzlich im Ermessen der Beklagten.

4

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 29 Abs 1 Satz 7 und 8 [X.] a[X.] bzw § 35 Abs 2 Satz 5 und 6 [X.] n[X.] und trägt zur Begründung vor, das [X.] habe gegen seine Amtsermittlungspflicht verstoßen, weil es die Notwendigkeit des Umzugs nicht geprüft, sondern diese bereits mangels konkreten [X.] verneint habe. Dies sei jedoch mit dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Grundgesetz ) nicht zu vereinbaren; denn gerichtlicher (Eil-)Rechtsschutz sei regelmäßig nicht innerhalb der kurzen Zeitspanne zu erlangen, in der ein Vermieter ein Wohnungsangebot aufrechterhalte. Im Übrigen lasse sich auch durch Nebenbestimmungen zur Zusicherung erreichen, dass die Kosten der neuen Unterkunft angemessen seien.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] und den Gerichtsbescheid des [X.] sowie den Bescheid der Beklagten vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr zuzusichern, die Umzugskosten für einen Umzug in eine Wohnung, die in der Nähe der Wohnungen ihrer Nichte und ihres Neffen in der Stadt [X.] liegt und hinsichtlich der Kosten angemessen iS des § 35 Abs 2 Satz 1 [X.] ist, gemäß § 35 Abs 2 Satz 5 [X.] dem Grunde nach zu übernehmen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidung des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der [X.]lägerin ist unbegründet (§ 1 70 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ); sie hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Zusicherung zur Übernahme von Umzugskosten in der geforderten (abstrakten) [X.]orm.

9

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.11.2009 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, [X.]osten für einen Umzug innerhalb von [X.] zu übernehmen bzw die Übernahme zuzusichern, wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat. Da es der [X.]lägerin nur um die Verpflichtung der Beklagten zum Erlass einer Zusicherung zur Übernahme von Umzugskosten geht, verfolgt sie ihr Begehren zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 1 Satz 2 SGG, § 56 SGG) gegen die für die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bis 31.12.2012 sachlich und örtlich zuständig gewesene (§ 97 Abs 1, § 98 Abs 1 [X.]II iVm § 1 Abs 1, § 2 des Gesetzes zur Ausführung des [X.] Sozialgesetzbuch <[X.] XII> des Landes Baden-Württemberg vom 1.7.2004, Gesetzblatt 469, 534) und auch seit 1.1.2013 zuständige Beklagte (§ 46b Abs 1 [X.]II iVm § 2a [X.] XII in der [X.]assung des [X.], GBl 301). Zur Auslegung des Landesrechts war das Gericht mangels eigener Auslegung durch das [X.] befugt.

Die [X.]lägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte Zusicherung. Als Rechtsgrundlage hierfür kommt nur § 34 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ([X.]) in Betracht, wonach Gegenstand einer von der zuständigen Behörde schriftlich zu erteilenden Zusicherung ua der spätere Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts sein kann. Die Anwendung des § 34 Abs 1 Satz 1 [X.] ist, anders als das [X.] meint, nicht durch § 29 Abs 1 Satz 7 und 8 [X.]II a[X.] bzw § 35 Abs 2 Satz 5 und 6 [X.]II ausgeschlossen; vielmehr konkretisieren diese Normen lediglich den Inhalt einer möglichen Zusicherung nach § 34 Abs 1 Satz 1 [X.] (insoweit missverständlich zum Verhältnis von § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - <[X.]> zu § 34 [X.]: [X.], Urteil vom [X.] - B 4 AS 28/09 R - und [X.] [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.]6). Ein Anspruch auf eine Zusicherung als ein der eigentlichen Leistungsbewilligung vorgeschalteter Verwaltungsakt (so zu Recht [X.], Urteil vom 6.4.2011 - B 4 [X.]/10 R - Rd[X.]3; [X.], Urteil vom [X.] - B 4 AS 28/09 R - Rd[X.] 24) besteht wegen des [X.] in § 34 Abs 1 Satz 1 [X.] nur, wenn der Gegenstand des zuzusichernden Verwaltungsakts und der zugrunde liegende Sachverhalt bereits im Zeitpunkt der behördlichen Erklärung hinreichend konkretisiert sind ([X.] [X.] 3-1300 § 34 [X.]; [X.] in von [X.]/Schütze, [X.], 8. Aufl 2014, § 34 Rd[X.] 3b [X.]). Daran fehlt es hier. Weder steht fest, in welche Wohnung die [X.]lägerin ziehen will - der Begriff des Umzugs umfasst auch dessen Ziel (vgl [X.]E 106, 135 ff Rd[X.]5 = [X.]-4200 § 22 [X.]) - noch (als logische [X.]olge der fehlenden Zielwohnung), in welcher Höhe [X.]osten für einen Umzug voraussichtlich anfallen werden.

Anders als die [X.]lägerin meint, können die in ihrem [X.]lageantrag formulierten Nebenbestimmungen (§ 32 [X.]) der begehrten Zusicherung nicht zur hinreichenden Bestimmtheit verhelfen, wobei offen bleiben kann, ob insoweit § 32 Abs 1 [X.] oder Abs 2 [X.] den Zulässigkeitsmaßstab bilden würde bzw die Aufzählung der Arten der Nebenbestimmungen in § 32 Abs 2 [X.] bis 5 [X.] abschließend ist. Denn auch Nebenbestimmungen zu einem Verwaltungsakt müssen ihrerseits inhaltlich bestimmt, klar, verständlich und widerspruchsfrei sein ([X.]E 62, 32, 37 = [X.]100 § 71 [X.]). Daran fehlt es hier schon deshalb, weil es sich beim Begriff der "kostenangemessenen Wohnung" selbst um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der seinerseits der Auslegung bedarf (vgl zu § 22 [X.] nur: [X.]E 97, 254 ff Rd[X.]7 ff = [X.]-4200 § 22 [X.] 3; [X.] [X.]-4200 § 22 [X.] 73 Rd[X.]9 ff). Noch viel mehr gilt dies für "in der Nähe der Wohnungen ihrer Nichte und ihres Neffen", nicht zuletzt, weil beide in unterschiedlichen Stadtteilen von [X.] wohnen.

In der vorliegenden [X.]orm verlangt die [X.]lägerin eigentlich nur die gerichtliche Vorabklärung einzelner Anspruchselemente in einem gesonderten "Zustimmungsverfahren" oder Zusicherungsverfahren der Beklagten, obwohl sie den entsprechenden [X.]lageantrag ausdrücklich nicht gestellt hat. Darauf besteht indes trotz des in § 29 Abs 1 Satz 7 und 8 [X.]II a[X.] bzw § 35 Abs 2 Satz 5 und 6 [X.]II n[X.] verwendeten Begriffs der "Zustimmung" kein Anspruch. Dieser hat keine andere rechtliche Bedeutung als die Zusicherung in § 22 [X.] (vgl BT-Drucks 15/1516, [X.] zu § 22 Abs 2 [X.] a[X.]). Gemeint ist also nicht eine Zustimmung zum Umzug, geschweige denn zum Auszug. Sinn und Zweck beider Regelungen ist es nur, den Leistungsberechtigten vor finanziellen Verpflichtungen zu schützen, die durch den Sozialhilfeträger nicht übernommen bzw erstattet werden ([X.]alterbaum in [X.]/[X.], [X.]II, [X.] § 35 [X.]II Rd[X.] 60, Stand Juni 2012; zu § 22 [X.] [X.]rauß in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 22 Rd[X.] 305, Stand Oktober 2012). Dieses Ziel ist, wie der Gesetzgeber in § 22 [X.] durch die Wortwahl "Zusicherung" deutlicher gemacht und insoweit rechtstechnisch zutreffend formuliert hat, nur zu erreichen, wenn sich die Behörde rechtlich verbindlich zur Übernahme bestimmter [X.]osten bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage verpflichtet; die bloße Zustimmung zu einem bestimmten Verhalten im Vorfeld des eigentlich kostenbegründenden Ereignisses (hier: Auszug als notwendige Bedingung für einen Umzug und das Entstehen von Umzugskosten), also zu einem bloßen Regelungselement bzw einer Vorfrage, gibt dem Leistungsberechtigten diese Sicherheit gerade nicht (so im Ergebnis zum [X.] bereits [X.], Urteil vom 6.4.2011 - B 4 [X.]/10 R - Rd[X.]7). [X.] ein Hilfebezieher, einen Anspruch auf Übernahme bestimmter [X.]osten zu haben, so ist der Streit hierüber - ggf im einstweiligen Rechtsschutz - unmittelbar bei dieser [X.]rage auszutragen (so zur [X.]rage der Angemessenheit von laufenden Unterkunftskosten [X.] [X.]-4200 § 22 [X.] Rd[X.] 20). Genau dies, nicht das Vervielfältigen eines Rechtsstreits durch die gerichtliche [X.]lärung von Vorfragen und Anspruchselementen, entspricht vorliegend dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art 19 Abs 4 GG. Die Vorabklärung von einzelnen Anspruchsvoraussetzungen durch einen Verwaltungsakt der Behörde ist gesetzlich nur in Ausnahmefällen vorgesehen (zB beim [X.]urzarbeitergeld in § 99 Abs 3 [X.] - <[X.]I>; dazu [X.] [X.]-4300 § 173 [X.] Rd[X.]6) oder darüber hinaus allenfalls in besonders gelagerten Einzelfällen zulässig, wenn sie den Interessen sowohl der Behörde als auch des Leistungsempfängers entspricht ([X.]E 114, 302 ff Rd[X.] 23 [X.] = [X.]-3520 § 1a [X.]). Wie ausgeführt, ist dies gerade nicht der [X.]all.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 8 SO 15/13 R

17.12.2014

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 8. März 2010, Az: S 6 SO 5923/09, Gerichtsbescheid

§ 34 Abs 1 S 1 SGB 10, § 29 Abs 1 S 7 Halbs 1 SGB 12 vom 02.12.2006, § 29 Abs 1 S 8 SGB 12 vom 27.12.2003, § 35 Abs 2 S 5 Halbs 1 SGB 12, § 35 Abs 2 S 6 SGB 12, § 32 SGB 10, Art 19 Abs 4 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2014, Az. B 8 SO 15/13 R (REWIS RS 2014, 230)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 230

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