Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.04.2010, Az. IX R 22/09

9. Senat | REWIS RS 2010, 7751

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Gegenstand

(Anteilsentnahme als Anschaffung i.S. von § 17 Abs. 2 EStG)


Leitsatz

Veräußert ein i.S. des § 17 EStG qualifiziert beteiligter Gesellschafter Anteile an der Kapitalgesellschaft, die er zuvor aus seinem Betriebsvermögen in sein Privatvermögen überführt hat, so tritt der Teilwert oder der gemeine Wert dieser Anteile nur dann an die Stelle der (historischen) Anschaffungskosten, wenn durch die Entnahme die stillen Reserven tatsächlich aufgedeckt und bis zur Höhe des Teilwerts oder gemeinen Werts steuerrechtlich erfasst sind oder noch erfasst werden können    .

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Erben und Testamentsvollstrecker des verstorbenen [X.] (Erblasser).

2

Der Erblasser war bereits vor 1980 unmittelbar und mittelbar zu 26,74 % an der [X.] (im Folgenden: GmbH) beteiligt. Die GmbH war Komplementärin der [X.] & Co. [X.] (im Folgenden: [X.]). Die Anteile des Erblassers an der GmbH waren zunächst Sonderbetriebsvermögen II des Erblassers bei der [X.]. Im Zuge der Gründung einer Beteiligungs- und Vermögensverwaltungsgesellschaft [X.]aA (im Folgenden: [X.]aA) am 13. Juni 1980, in die der Erblasser seine Anteile an der [X.] einbrachte, entnahm er seine Beteiligung an der GmbH in sein Privatvermögen. Der Teilwert betrug nach den Feststellungen der Großbetriebsprüfung 2.430.540 [X.]. Ein [X.] (2.430.540 [X.] abzüglich Nominalwert 14.000 [X.]) wurde wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Bestandskraft des Feststellungsbescheids der [X.] für das Jahr 1980 steuerlich nicht erfasst.

3

Mit Wirkung zum 1. September 1985 (Streitjahr) veräußerte der Erblasser seine unmittelbare Beteiligung an der GmbH (17,284 %, Nominalwert 14.000 [X.]) für 3 Mio. [X.] an die [X.]aA. Einen Veräußerungsgewinn gab der Erblasser in seiner Einkommensteuererklärung für das [X.] nicht an, weil er der Ansicht war, an der GmbH nicht wesentlich beteiligt gewesen zu sein.

4

Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) von der Anteilsveräußerung erfuhr, änderte er den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr und berücksichtigte darin einen Veräußerungsgewinn nach § 17 des Einkommensteuergesetzes i.d.[X.] (EStG) von 2.986.000 [X.] (3 Mio. [X.] Veräußerungspreis abzüglich Nominalwert der Anteile von 14.000 [X.]). Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das [X.] nach dem Erlass weiterer, den vorliegenden Streitpunkt nicht betreffender Änderungsbescheide zurück.

5

Die Klage mit dem Begehren, einen Veräußerungsgewinn als Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis (3 Mio. [X.]) und dem Entnahmewert (2.430.540 [X.]) in Höhe von 569.460 [X.] zu berücksichtigen, war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1293 veröffentlichten Urteil die Auffassung, der Entnahmewert trete an die Stelle der Anschaffungskosten. Dies gelte auch dann, wenn die Entnahme steuerrechtlich nicht erfasst worden sei. Denn § 17 EStG erfasse keine Wertveränderungen im Betriebsvermögen. Die Vorschrift bilde keine Korrekturnorm, durch die das [X.] nachträglich eine unterbliebene Besteuerung des [X.]s in früheren [X.] nachholen oder ausgleichen könne.

6

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung von § 17 EStG. Es seien die gleichen Grundsätze anzuwenden wie bei der Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage. Ein Entnahmewert statt der Anschaffungskosten sei nur dann anzusetzen, wenn die stillen Reserven steuerlich erfasst worden seien.

7

Das [X.] beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Indem das [X.] den Veräußerungsgewinn als Differenz von Veräußerungspreis und (nicht steuerlich erfasstem) Entnahmewert ermittelt, verletzt es § 17 Abs. 2 EStG.

1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Erblassers gehört nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von 17,284 % der Anteile an der GmbH, weil er innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der GmbH mit 26,74 % zu mehr als ein Viertel (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG) beteiligt war. Darüber streiten die Beteiligten nicht (mehr).

2. Der Gewinn ist nach § 17 Abs. 2 EStG --wie vom [X.] zutreffend ermittelt-- mit 2.986.000 DM der Betrag, um den der Veräußerungspreis von 3 Mio. DM den --als "historische" Anschaffungskosten anzusetzenden-- Nominalwert der Anteile von 14.000 DM ([X.]) übersteigt (vgl. zu den historischen Anschaffungskosten Urteil des [X.] --BFH-- vom 1. März 2005 [X.], [X.], 285, [X.], 398).

Die Anschaffungskosten werden entgegen der Auffassung des [X.] nicht durch den Teilwert der in das Privatvermögen entnommenen Anteile gebildet.

a) Der in § 17 Abs. 2 EStG verwendete Begriff "Anschaffungskosten" ist [X.] des § 6 EStG und des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) auszulegen. Anteile an einer Kapitalgesellschaft werden angeschafft, wenn sie   entgeltlich erworben   werden (vgl. zum Begriff der Anschaffung BFH-Urteil vom 19. August 2008 [X.], [X.], 484, [X.], 13, m.w.N.). Erwirbt der Steuerpflichtige z.B. Anteile durch Gründung der Kapitalgesellschaft, so besteht die Gegenleistung (der Anschaffungspreis) in den gesellschaftsrechtlichen Bar- und Sacheinlagen (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1984 VIII R 36/83, [X.], 228, [X.] 1985, 320; vgl. zu Einzelheiten z.B. [X.], in: [X.][X.], EStG, § 17 Rz [X.]; [X.]/[X.], § 17 EStG [X.]; [X.] in [X.], EStG, 8. Aufl., § 17 Rz 205; [X.]/[X.], EStG, 28. Aufl., § 17 Rz 157).

b) Überführt der Steuerpflichtige Anteile an einer Kapitalgesellschaft aus seinem Betriebs- in sein Privatvermögen, erwirbt er sie mangels [X.] nicht und schafft sie deshalb auch nicht [X.] von § 255 Abs. 1 HGB an. Dieser Vorgang erfüllt mithin nicht das Tatbestandsmerkmal "Anschaffungskosten" in § 17 Abs. 2 EStG.

aa) Allerdings wird die Entnahme der Anteile aus dem Betriebsvermögen als anschaffungsähnlicher Vorgang mit der Folge angesehen, dass an die Stelle der "historischen" Anschaffungskosten der Entnahmewert (Teilwert, § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) tritt (BFH-Urteil vom 24. Juni 2008 [X.], [X.], 367, [X.] 2008, 872, unter [X.], m.w.N. aus dem Schrifttum).

bb) Dies gilt aber --wie bei der vergleichbaren Bemessung der Absetzungen für Abnutzung nach der Entnahme eines abnutzbaren Wirtschaftsguts (vgl. dazu BFH-Urteil vom 3. Mai 1994 IX R 59/92, [X.], 422, [X.] 1994, 749)-- nur dann, wenn durch die Entnahme die stillen Reserven tatsächlich aufgedeckt und bis zur Höhe des [X.] oder gemeinen Werts steuerrechtlich erfasst sind oder noch erfasst werden können. Denn nur in diesem Fall besteht ein Grund, die Geltungsanordnung des Gesetzes über den klaren Wortlaut hinaus teleologisch zu reduzieren und Wertansätze unter den Begriff der Anschaffungskosten zu subsumieren, die an sich nicht mit einem Erwerb der Anteile zusammenhängen. Ist nämlich ein Entnahmegewinn im Betriebsvermögen steuerrechtlich erfasst worden, käme es zu einer   Doppelberücksichtigung   der Wertsteigerungen, wenn die Anteile später veräußert werden und der Gewinn als die Differenz von Veräußerungspreis und (historischen) Anschaffungskosten ermittelt würde. Um eine derartige Doppelberücksichtigung zu vermeiden, tritt der Teilwert (oder der gemeine Wert) an die Stelle der historischen Anschaffungskosten (BFH-Urteil in [X.], 367, [X.] 2008, 872, a.E.; so auch [X.]/R. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 17 EStG Rz 207, Stichwort: Anteilsbewertung bei Entnahme aus einem Betriebsvermögen, und [X.], in: [X.][X.], EStG, § 17 Rz [X.] a.E.).

cc) Sind aber die stillen Reserven tatsächlich nicht erfasst worden und können sie --aus welchen Gründen auch [X.] nicht mehr erfasst werden, so kann es zu keiner Doppelberücksichtigung kommen. Einer einschränkenden Auslegung des § 17 Abs. 2 EStG bedarf es nicht. Die Wertsteigerungen werden entsprechend der gesetzlichen Intention allein durch § 17 EStG der Besteuerung unterworfen. Dabei zielt § 17 EStG entgegen der Vorinstanz (wie diese auch [X.] in [X.] 1998, 1173) nicht nur auf Wertsteigerungen im Privatvermögen. Als Folge der Typisierung durch einen fest bestimmten Zeitrahmen (Fünfjahreszeitraum) unterwirft § 17 Abs. 1 EStG alle [X.] der Besteuerung, wenn der Steuerpflichtige innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der [X.] wesentlich beteiligt war. Woher die veräußerten Anteile stammen, ob sie --wie hier-- aus dem Betriebsvermögen entnommen, als ursprünglich einbringungsgeborene entstrickt oder nachträglich --auch nach Absinken der Beteiligung zu einer [X.] erworben wurden, ist unerheblich (so explizit BFH-Urteil in [X.], 367, [X.] 2008, 872, unter [X.]). Nur dort, wo Wertsteigerungen bereits der Besteuerung unterworfen wurden, muss § 17 EStG über seinen Wortlaut hinaus teleologisch reduziert werden, damit es zu keiner Doppelberücksichtigung stiller Reserven kommen kann.

3. Da das [X.]-Urteil diesen Maßstäben nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Sache ist spruchreif und die Klage abzuweisen. Denn abgesehen von der Gewinnermittlung sind die übrigen Bestandteile des Steuertatbestandes außer Streit.

Meta

IX R 22/09

13.04.2010

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 14. Mai 2009, Az: 15 K 2503/07 E, Urteil

§ 6 Abs 1 Nr 4 EStG 1985, § 17 Abs 1 EStG 1985, § 17 Abs 2 EStG 1985, § 255 Abs 1 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.04.2010, Az. IX R 22/09 (REWIS RS 2010, 7751)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7751

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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