Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.08.2011, Az. 3 A 2/10

3. Senat | REWIS RS 2011, 3746

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Gegenstand

Ersatzanspruch des Bundes bei Leistungen eines Landes entgegen einer rechtswidrigen Weisung


Leitsatz

Der Bund kann im Rahmen der Haftung für nicht ordnungsgemäße Verwaltungsführung nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 GG keinen Ersatz von Leistungen (hier Pflegeleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz) verlangen, die entgegen einer rechtswidrigen Weisung des Bundes, aber im Einklang mit der materiellen Rechtslage bewilligt worden sind.

Tatbestand

1

Mit ihrer Klage verlangt die [X.] vom beklagten [X.] den Ersatz von Bundesmitteln. Nach Ansicht der Klägerin hat das Land seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung von Mitteln der Lastenausgleichsverwaltung verletzt, weil das im Auftrag des Landes tätige [X.] der beigeladenen Landeshauptstadt [X.] von 1995 bis 2004 Empfängern von [X.], die Mitglied in einer Pflegeversicherung waren, Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach dem [X.] ([X.]) gewährt hat.

2

Nach Einführung der Pflegeversicherung zum 1. April 1995 hatte der Präsident des [X.] in einem [X.] zur Durchführung des Pflege-Versicherungsgesetzes (PflegeVG) - Leistungsgewährung - vom 3. Februar 1995 (im Folgenden: [X.]) erläutert, wie sich das Verhältnis von Leistungen der Pflegeversicherung zur Pflegezulage und zum Freibetrag wegen Pflegebedürftigkeit nach dem [X.] darstelle. Unter [X.]. 2.4 ist zur Erstbewilligung solcher Leistungen ausgeführt:

"Ab April 1995 kommt die Gewährung einer Pflegezulage bzw. eines Freibetrages wegen Pflegebedürftigkeit nach § 267 [X.] an [X.]--Empfänger, die Mitglied in der [X.] Pflegeversicherung oder privat pflegeversichert sind, nicht mehr in Betracht. Mit Rücksicht auf den Vorrang der Pflegeversicherung sind Berechtigte, die Pflegezulage bzw. einen Freibetrag zur [X.] begehren, an ihre Pflegekasse bzw. ihre private Pflegeversicherung zu verweisen. Wird von Personen, die pflegeversichert sind, eine Pflegezulage bzw. ein Freibetrag wegen Pflegebedürftigkeit beim [X.] beantragt, ist der Antrag wegen des Vorrangs der Pflegeversicherung und der Gleichartigkeit des Begriffs der Pflegebedürftigkeit abzulehnen."

3

Im Rahmen der Fachaufsicht stellte der Präsident des [X.] Mitte 2007 fest, dass die Beigeladene zwischen April 1995 und 2004 in 16 Fällen gleichwohl Mitgliedern der Pflegeversicherung Pflegezulagen und Freibeträge wegen Pflegebedürftigkeit nach dem [X.] bewilligt hatte. Diese Feststellungen teilte er dem beklagten Land mit, woraufhin die Beigeladene weitere 20 Fälle einräumte.

4

Die Klägerin hat den Beklagten mit Schreiben vom 3. August 2009 zur Zahlung der zu Unrecht gewährten Leistungen in Höhe von 373 602,74 € aufgefordert. Der Beklagte hat seine Haftung mit Schreiben vom 23. Oktober 2009 abgelehnt.

5

Am 20. April 2010 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Der Beklagte sei nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 [X.] zum Ersatz der Pflegezulagen und Freibeträge verpflichtet, weil das [X.] der Beigeladenen mit der Gewährung der Leistungen in allen 36 Fällen gegen den Vorrang der Pflegeversicherung nach dem [X.] ([X.]) und eine entsprechende Weisung des Präsidenten des [X.] im [X.] verstoßen habe, die unbedingt auszuführen gewesen sei. Die Verstöße habe der Beklagte vorgerichtlich bereits eingeräumt. Die zuständigen Bediensteten hätten ihre Pflichten vorsätzlich verletzt. Es habe sich nicht um ein bloßes Versehen oder Augenblicksversagen gehandelt, sondern um einen über Jahre regelmäßig wiederkehrenden Serienfehler, der ein gravierendes Organisationsversagen der Beigeladenen belege. Im Übrigen sei ein Verschulden entgegen der bisherigen Rechtsprechung des [X.] nicht erforderlich. Insofern sei die zu Art. 104a Abs. 5 [X.] entwickelte Haftungskernrechtsprechung zu überprüfen. Denn nach der Rechtsprechung des [X.] genüge einfache Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns; eine Beschränkung auf evidente oder grobe Rechtsverstöße könne Art. 104a Abs. 5 [X.] nicht entnommen werden. Jedenfalls hätten die Amtswalter des [X.]es die Verstöße zumindest billigend in Kauf genommen, wie Einzelfälle der Bewilligungen zeigten. [X.] man einen Rechtsirrtum an, so sei jedenfalls von grober Fahrlässigkeit auszugehen, weil der Irrtum bei einer Orientierung am [X.] vermeidbar gewesen wäre. Bei Zweifeln am Inhalt oder an der Richtigkeit der Weisung hätte auf dem Dienstweg eine Klarstellung oder Entscheidung des [X.] herbeigeführt werden müssen. Die Pflichtverletzungen hätten auch zu einem Schaden geführt, weil bei rechtmäßigem Verhalten die Leistungen erspart worden wären.

6

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 373 602,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. April 2010 zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Er meint, die Leistungen nach dem [X.] seien in allen Fällen ordnungsgemäß gewährt worden. Die Gewährung wäre nur dann ausgeschlossen gewesen, wenn den Antragstellern tatsächlich Leistungen aus der Pflegeversicherung gezahlt worden wären, was nicht der Fall gewesen sei. Weitergehende Leistungen nach dem [X.] seien unberührt geblieben; insofern habe das [X.] eine [X.] erfüllt. Soweit das Fünfte Rundschreiben anders laute, sei es nicht maßgeblich, wenn Antragsteller entsprechend den gesetzlichen Vorschriften beschieden worden seien. An der Haftungskernrechtsprechung des [X.] sei festzuhalten, solange das in Art. 104a Abs. 5 Satz 2 [X.] vorausgesetzte Ausführungsgesetz nicht erlassen sei. Eine Haftung komme daher nur bei Vorsatz in Betracht, der in keinem der Fälle vorliege. Auch von einem Organisationsverschulden, für das nicht stärker gehaftet werde als für ein Individualverschulden, könne nicht ausgegangen werden.

9

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Sie weist darauf hin, dass Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach dem [X.] ein anderes gesetzliches Ziel hätten als Pflegeversicherungsleistungen. Sie sollten als Teil der [X.] der Abgeltung von Schäden und Verlusten infolge der Vertreibung und Zerstörung in der [X.] und Nachkriegszeit dienen und dabei auch die [X.] Lebensgrundlage der Berechtigten sichern. Das Fünfte Rundschreiben zur Pflegeversicherung sei unklar, ein daran anknüpfender Rechtsirrtum jedenfalls nicht ohne Weiteres vermeidbar gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Sie ist allerdings zulässig.

a) Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet.

Eine verfassungsrechtliche Streitigkeit liegt nicht vor. Ob eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art ist, richtet sich danach, ob der geltend gemachte Klaganspruch in einem Rechtsverhältnis wurzelt, das entscheidend vom Verfassungsrecht geprägt ist. Bei Streitigkeiten zwischen dem [X.] und einem Land richtet sich die Beurteilung danach, ob der Klaganspruch in dem verfassungsrechtlichen Grundverhältnis zwischen [X.] und [X.] oder aber in einem engeren Rechtsverhältnis wurzelt, das durch Normen des einfachen Rechts geprägt wird (Urteil vom 24. Januar 2007 - [X.] 3 A 2.05 - [X.]E 128, 99 Rn. 15 m.w.[X.]).

Die Klägerin berühmt sich eines Ersatzanspruchs aus der Haftung für nicht ordnungsgemäße Verwaltungsführung gemäß der hier allein in Betracht zu ziehenden Bestimmung des Art. 104a Abs. 5 [X.]. Ein derartiger Anspruch wurzelt in dem Rechtsverhältnis, das durch die Pflichten zur Durchführung der streitigen Aufgaben begründet wird. Das ist hier die Pflicht der Länder nach § 305 [X.], in Konkretisierung des Art. 120a Abs. 1 Satz 1 [X.] im Auftrage des [X.]es Leistungen nach dem [X.] zu gewähren, wobei sie, wie es hier geschehen ist, Gemeinden und Gemeindeverbände mit der Durchführung der Vorschriften beauftragen können (§ 305 Abs. 2 [X.]). Dieses Auftragsverhältnis ist verwaltungsrechtlicher und also einfachgesetzlicher Natur. Auch die einzig denkbare Anspruchsgrundlage wurzelt im einfachen Recht. Die sog. [X.], die das [X.]esverwaltungsgericht zu Art. 104a Abs. 5 [X.] entwickelt hat, betrifft keine Anspruchsgrundlage verfassungsrechtlicher Art. Ungeachtet ihrer Grundlegung in einer Bestimmung des Grundgesetzes handelt es sich um die richterrechtliche Ausfüllung einer Lücke, die im einfachen Gesetzesrecht besteht, weil das in Art. 104a Abs. 5 Satz 2 [X.] vorgesehene Ausführungsgesetz fehlt (Urteil vom 24. Januar 2007 a.a.[X.] Rn. 16).

b) Das [X.]esverwaltungsgericht ist gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO im ersten Rechtszug zuständig. Die in ständiger Rechtsprechung entwickelte Einschränkung der Vorschrift auf Streitigkeiten, die sich ihrem Gegenstand nach einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entziehen (Urteil vom 24. Januar 2007 a.a.[X.] Rn. 18; Beschluss vom 13. August 1999 - [X.] 2 VR 1.99 - [X.]E 109, 258 <260 f.>), ist erfüllt. Der geltend gemachte Ersatzanspruch ist durch eine besondere Finanzbeziehung zwischen [X.] und [X.] im Anwendungsbereich des [X.]es geprägt, die sich zwischen der öffentlichen Hand und dem Einzelnen nicht ergeben könnte.

2. Die Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Ersatzanspruch nicht zu, weil ihr bei der gebotenen normativen Betrachtung kein Schaden entstanden ist.

a) Gemäß Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 [X.] haften der [X.] und die Länder im Verhältnis zueinander für eine ordnungsgemäße Verwaltung. Auf diese Bestimmung kann sich die Klägerin berufen. Zwar hat der [X.]esgesetzgeber den Verfassungsauftrag des Art. 104a Abs. 5 Satz 2 [X.], durch Gesetz mit Zustimmung des [X.]esrates das Nähere zu bestimmen, bislang nicht erfüllt. Damit wird dem Grundsatz des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 [X.] indes die vom Verfassungsgesetzgeber gewollte unmittelbare Wirksamkeit nicht genommen. Die infolge des Fehlens des Ausführungsgesetzes bestehende Lücke ist vielmehr im Wege des [X.] zu schließen. Eine unmittelbare Geltung ist Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 [X.] dabei aber nur für einen [X.] zu entnehmen, hinter dem auch das vorgesehene Ausführungsgesetz nicht zurückbleiben könnte (stRspr, vgl. zuletzt Urteil vom 24. Januar 2007 a.a.[X.] Rn. 20 m.w.[X.]). An dieser Rechtsprechung ist gegen die Einwände der Klägerin festzuhalten. Der Streitfall gibt im Übrigen keinen Anlass, diese Rechtsprechung zu überdenken.

b) Der Schadensersatzanspruch in Fällen nicht ordnungsgemäßer Verwaltungsführung eines [X.] setzt ein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln der für das Land handelnden [X.] in Ausübung eines öffentlichen Amtes voraus, das zu einem Schaden des [X.]es geführt hat ([X.], Urteil vom 18. Mai 1994 - [X.] 11 A 1.92 - [X.]E 96, 45 <50 ff.>; s. auch [X.], Beschluss vom 7. September 2010 - 2 [X.] - NVwZ 2010, 1549 m.w.[X.]). Keiner Entscheidung bedarf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob das Land ein gesteigerter Vorwurf treffen und welche Schuldform gegebenenfalls vorliegen muss, um die Haftung in [X.] zu begründen. Festzuhalten ist jedenfalls daran, dass ein Verschulden erforderlich ist. Eine Ausdehnung der Haftung auf unverschuldet rechtswidriges Verwaltungshandeln kommt nicht in Betracht, weil eine solche Verschärfung den [X.] überschreiten würde ([X.], Urteil vom 24. Januar 2007 a.a.[X.] Rn. 25). Zu Unrecht beruft sich die Klägerin zur Begründung ihrer gegenteiligen Ansicht auf den Beschluss des [X.]esverfassungsgerichts vom 7. September 2010 (a.a.[X.] Rn. 112). Dort ist nicht zur Haftungsrechtsprechung des [X.]esverwaltungsgerichts, sondern zum Gesetzgebungsauftrag des Art. 104a Abs. 5 Satz 2 [X.] gesagt, der Gesetzgeber könne eine verschuldensunabhängige Haftung begründen, er sei bei der Ausgestaltung des Ausführungsgesetzes nicht auf evidente oder grobe Rechtsverstöße beschränkt. Nicht entscheidungserheblich ist auch die in der Rechtsprechung der Senate des [X.]esverwaltungsgerichts bislang uneinheitlich beantwortete Frage, ob grobe Fahrlässigkeit genügt (vgl. Urteil vom 24. Januar 2007 a.a.[X.] Rn. 22). In jedem Fall ist hier die Haftung zu verneinen. Zwar waren die Bewilligungen von Pflegeleistungen durch die für das beklagte Land handelnde Beigeladene pflichtwidrig, weil sie gegen eine Weisung des [X.]es verstießen. Der Klägerin ist es aber verwehrt, die aus den weisungswidrigen Bewilligungen erwachsenden Ausgaben als Vermögensnachteil ersetzt zu verlangen; denn die Weisung wi[X.]prach der objektiven Rechtslage. Im Einzelnen:

c) Die Gewährungen von Pflegezulage und Freibeträgen wegen Pflegebedürftigkeit im Rahmen der Unterhaltshilfe nach § 267 [X.] in den Jahren 1995 bis 2004 standen im Wi[X.]pruch zu einer Anweisung des Präsidenten des [X.]esausgleichsamtes im [X.]. Dort war unter [X.]. 2.4 angeordnet, ab April 1995 Anträge auf Erstbewilligung abzulehnen, wenn der Antragsteller pflegeversichert war. Für die [X.] als Adressaten des Rundschreibens war hinreichend klar erkennbar, dass die Ablehnung allein wegen des Bestehens der Mitgliedschaft in einer Pflegekasse oder privaten Pflegeversicherung - also unabhängig vom Bezug von Versicherungsleistungen - ausgesprochen werden sollte. Deshalb wird in der [X.]. 2.4 auf einen vermeintlich ohne Einschränkung bestehenden Vorrang der Pflegeversicherung verwiesen und auf die angenommene Gleichartigkeit des Begriffs der Pflegebedürftigkeit im [X.] und im [X.]. Daraus wird das Rechtsverständnis deutlich, die zuständige Pflegekasse oder Pflegeversicherung habe exklusiv über den Anspruch auf Pflegeleistungen zu entscheiden, sodass eine Gewährung solcher Leistungen nach dem [X.] an Mitglieder einer Pflegeversicherung aus Rechtsgründen prinzipiell nicht in Betracht komme.

d) Gemessen an den gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 267 [X.] erfolgten die weisungswidrigen [X.] durch die Beigeladene jedoch in Übereinstimmung mit der objektiven Rechtslage; die Weisung im [X.] war unrichtig. Die Klägerin hat nichts vorgebracht, was dies infrage stellen würde.

Im fraglichen Zeitraum war im Rahmen der Unterhaltshilfe - einer Form der Kriegsschadenrente (§ 263 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) - gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 [X.] eine Pflegezulage zu gewähren, wenn die Berechtigten infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen so hilflos waren, dass sie nicht ohne fremde Wartung und Pflege bestehen konnten. Unter denselben Voraussetzungen konnten sie nach § 267 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c [X.] bei der Einkommensberechnung den Ansatz eines Freibetrags beanspruchen. Dass in den streitigen Fällen die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegezulagen und Freibeträgen vorlagen, zieht die Klägerin nicht in Zweifel. Sie meint lediglich in Übereinstimmung mit [X.]. 2.4 des [X.]s, die Empfänger hätten derartige Leistungen wegen ihrer Mitgliedschaft in der [X.] oder einer privaten Pflegeversicherung im Sinne der §§ 20 ff. [X.] von vornherein nicht beanspruchen können. Das trifft nicht zu: [X.] wirkte lediglich, dass Pflegebedürftige Pflegegeld oder eine Pflegesachleistung nach den Vorschriften des [X.] oder vergleichbare Leistungen von einem privaten Versicherungsunternehmen erhielten (§ 267 Abs. 1 Satz 6 und § 267 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c [X.]), also tatsächlich bezogen. Ein Bezug von Leistungen war aber - wie die Klägerin ebenfalls nicht in Abrede stellt - in keinem der streitigen Fälle gegeben.

Die bloße Mitgliedschaft in der [X.] oder einer privaten Pflegeversicherung genügte danach nicht, um Berechtigten Pflegezulage oder Freibetrag nach dem [X.] zu verweigern. Das ergibt sich sowohl aus den anspruchsbegründenden Vorschriften selbst, die zeitgleich mit dem [X.] erlassen worden sind (vgl. Art. 1 und 20 des Gesetzes zur [X.] Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit - [X.] - vom 26. Mai 1994, [X.] 1014), wie auch aus der Konkurrenzregelung in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]. Dort wird jeweils auf den tatsächlichen Erhalt oder die Gewährung von Leistungen abgestellt (ebenso die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit, BTDrucks 12/5262, [X.]). Nach § 13 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 [X.] (sowohl in der Ursprungsfassung als auch i.d.[X.] Ersten [X.]-Änderungsgesetzes vom 14. Juni 1996, [X.] 830) blieben weitergehende Leistungen zur Pflege nach dem [X.] unberührt. Dazu zählen auch Leistungen, die auf abweichenden Anspruchsvoraussetzungen beruhen. Solche - nämlich großzügigere - Voraussetzungen sieht das [X.] im Hinblick auf Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit vor. Zwar ist im Zuge des Pflege-Versicherungsgesetzes eine Vereinheitlichung der bundesrechtlichen Regelungen über Leistungen bei Pflegebedürftigkeit angestrebt worden (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BTDrucks 12/5262 [X.] ). Diese Angleichung wurde im [X.] jedoch nicht nachvollzogen. Der in § 14 [X.] definierte Begriff der Pflegebedürftigkeit, der die Vereinheitlichung der Leistungsvoraussetzungen hätte bewirken können, gilt für das [X.] weder unmittelbar noch entsprechend. Das [X.] hat vielmehr in § 267 (vgl. Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c) einen von § 14 [X.] abweichenden, und zwar großzügigeren Begriff der Pflegebedürftigkeit beibehalten. Dies erklärt sich daraus, dass die Kriegsschadenrente, deren Teil die Unterhaltshilfe ist, nicht nur die [X.] Lebensgrundlage in [X.] sichern will, sondern auch einen entschädigungsrechtlichen Zweck verfolgt (vgl. [X.], [X.], [X.], [X.] - Praxishandbuch des Entschädigungs- und [X.]s, Band 6, Stand: April 2011, Abschn. [X.], § 261 bis § 292 [X.], [X.]), worauf die Beigeladene zutreffend hinweist.

Auch in der einschlägigen Literatur ist unbestritten, dass nur der Bezug von Versicherungsleistungen, nicht aber die bloße Mitgliedschaft in einer Pflegeversicherung den Anspruch auf andere Fürsorgeleistungen ausschließt (vgl. [X.], a.a.[X.] § 267 [X.] [X.]1; [X.], in: [X.], [X.] Kommentar Sozialversicherungsrecht, Band 2, Stand: April 2011, § 13 [X.] Rn. 9; [X.], in: [X.]., [X.]. Soziale Pflegeversicherung, 3. Aufl. 2010, § 13 Rn. 10 ff.; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], Kommentar, 3. Aufl. 2009, § 13 Rn. 15, 19; [X.], in: [X.]/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2009, § 13 [X.] Rn. 8; [X.]/[X.], Die Weiterentwicklung der [X.] Pflegeversicherung, [X.] 1997, 67).

e) Allerdings war die Anweisung in [X.]. 2.4 des [X.]s ungeachtet ihrer Unrichtigkeit oder Rechtswidrigkeit zu beachten. Sie war Teil einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift, die der Präsident des [X.]esausgleichsamtes gemäß Art. 85 Abs. 2 Satz 1 [X.] auf dem Gebiet der Ausgleichsleistungen zur Steuerung der nachgeordneten Ämter erlassen hatte. Hierzu war er gemäß § 319 Abs. 2 [X.] befugt, ohne einer Zustimmung des [X.]esrates zu bedürfen (Art. 120a Abs. 1 Satz 2 [X.]). Nach Art. 120a Abs. 1 Satz 1 [X.] kann auf dem Gebiet der Ausgleichsleistungen nach dem [X.] des [X.]es (§§ 228 ff.), in dem Unterhaltshilfe geregelt ist, gesetzlich bestimmt werden, dass sie teils durch den [X.], teils im Auftrage des [X.]es durch die Länder ausgeführt werden. Dies ist in § 305 Abs. 1 [X.] geschehen. Von diesen Befugnissen hat der Präsident des [X.]esausgleichsamtes mit dem [X.] Gebrauch gemacht.

An die in [X.]. 2.4 des [X.]s enthaltenen Weisungen waren die nachgeordneten Stellen ungeachtet dessen gebunden, dass die Weisung unrichtig war. In der Rechtsprechung des [X.]esverfassungsgerichts ist geklärt, dass die Länder die Weisungen des [X.]es unabhängig von ihrer Recht- und Zweckmäßigkeit zu befolgen haben. Sie können - vorbehaltlich äußerster Grenzen - nicht geltend machen, der [X.] übe seine Weisungsbefugnis inhaltlich rechtswidrig aus und greife dadurch in eine eigene Sachkompetenz der Länder ein (stRspr, [X.], Urteile vom 22. Mai 1990 - 2 [X.]/88 - [X.]E 81, 310 <331 ff.>, vom 10. April 1991 - 2 [X.]/91 - [X.]E 84, 25 <31> und vom 19. Februar 2002 - 2 [X.]/00 - [X.]E 104, 249 <264 ff.>; vgl. auch [X.], Urteile vom 24. Juli 2008 - [X.] 7 A 2.07 - NVwZ 2009, 599 <600> und vom 27. Januar 2010 - [X.] 7 A 8.09 - juris Rn. 22). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass [X.]. 2.4 die äußersten Grenzen der Befolgungspflicht überschritten hat. Dies machen auch weder der Beklagte noch die Beigeladene geltend.

Zu beachten hatten die Anweisung der Beklagte, aber ebenso die [X.] der Beigeladenen, die vom Beklagten gemäß § 305 Abs. 2 [X.] mit der Durchführung der Ausgleichsleistungsverwaltung beauftragt worden war und deren Amtshandlungen ihm insoweit zurechenbar sind (vgl. Urteile vom 18. Mai 1994 a.a.[X.] S. 56 und vom 30. November 1995 - [X.] 7 C 56.93 - [X.]E 100, 56 <60>).

f) Die objektive Missachtung der Weisung machte die Bewilligungen von Pflegeleistungen - ungeachtet der Unrichtigkeit der Weisung - der Klägerin gegenüber pflichtwidrig im Sinne des Art. 104a Abs. 5 [X.]. Im Rahmen des durch die Vorschrift gerade für die Auftragsverwaltung geschaffenen Haftungsregimes (vgl. Urteil vom 18. Mai 1994 a.a.[X.] S. 56) wird die Ordnungsmäßigkeit des Verwaltungshandelns durch jene Regeln mitbestimmt, die das konkrete [X.]-Länder-Verhältnis prägen. Dazu gehören auch die grundsätzlich unbeschränkten Einwirkungsbefugnisse des [X.]es nach Art. 85 [X.]. Nimmt der [X.], wie es hier geschehen ist, sein Direktions- und Weisungsrecht berechtigterweise in Anspruch, so muss sich seine Sachkompetenz auch in die Inhalte der Sachentscheidung nach außen durchsetzen können; denn sie ist Ausdruck einer nicht entäußerbaren Letztverantwortung für die Aufgabenerfüllung (vgl. [X.], Urteil vom 22. Mai 1990 a.a.[X.] S. 332). Dies zeigt sich etwa dort, wo die Ausübung von Ermessen mehrere rechtmäßige Entscheidungen im Außenverhältnis zulässt, aber auch im Falle rechtswidriger Weisungen. Auch in einem solchen Fall besteht keine entgegenstehende eigene Rechtsposition des [X.], die vom [X.] verletzt werden könnte; denn das Land besitzt keine eigene Verantwortung für die nach Weisung getroffene Sachentscheidung (vgl. [X.], Urteil vom 22. Mai 1990 a.a.[X.] S. 337 ff.; vgl. auch [X.], Urteil vom 27. Januar 2010 a.a.[X.]).

g) Der Klägerin ist aber kein ersatzfähiger Schaden entstanden. Die Rechtmäßigkeit der Gewährung der fraglichen Pflegezulagen und Freibeträge schließt es aus, Aufwendungen, die von der Klägerin infolge dieser Bewilligungen zu tragen waren, wegen des Verstoßes gegen eine rechtswidrige Weisung als Vermögensnachteil anzusehen, der im Rahmen des Art. 104a Abs. 5 [X.] zu ersetzen ist. Entsprechend heranzuziehen sind insofern die Grundsätze des bürgerlichen Schadensersatzrechts (zur [X.] nach § 254 [X.] vgl. [X.], Urteil vom 17. Oktober 2006 - 2 [X.]/04 und 2/04 - [X.]E 116, 271 und [X.], Urteil vom 24. Januar 2007 a.a.[X.] Rn. 33). Nach § 249 Abs. 1 [X.] ist der Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Nach der so genannten Differenztheorie ist damit aufgegeben, den [X.] zwischen der Vermögenslage, die sich bei ordnungsmäßiger Verwaltungsführung ergeben hätte, und derjenigen zu ersetzen, die sich infolge des weisungswidrigen Verhaltens tatsächlich ergeben hat (vgl. [X.], Urteil vom 25. März 1983 - [X.] - [X.]Z 87, 156 = juris Rn. 11; [X.], in: [X.] Kommentar zum [X.], Band 2, 5. Aufl. 2007, § 249 Rn. 16 m.w.[X.]). Jedoch kann bei der Ermittlung der hypothetischen Haushaltslage der Klägerin nicht, wie sie meint, allein darauf abgestellt werden, dass die [X.] bei weisungsgemäßer Bescheidung abgelehnt worden wären und die Klägerin Haushaltsmittel für Pflegeleistungen nicht hätte aufbringen müssen. Vielmehr ist eine wertend-normative Betrachtung vorzunehmen, bei der zu fragen ist, inwieweit die Rechtsordnung diese wirtschaftlichen Nachteile als ausgleichswürdig ansieht (vgl. [X.], a.a.[X.] Rn. 17 ff. m.w.[X.]; [X.], in: [X.], Kommentar zum [X.], Neubearbeitung 2005, [X.]. zu §§ 249 ff. Rn. 35 ff.). Danach ist hier ausschlaggebend, dass die beantragten Pflegeleistungen bei objektiv rechtmäßigem Verhalten hätten bewilligt werden müssen und bei Ablehnung hätten erfolgreich eingeklagt werden können. Dieser Zusammenhang ist bei der Ermittlung des hypothetischen Rechtsgüterstandes in dem Sinne einzustellen, dass sich die Klägerin nicht darauf berufen darf, der wirtschaftliche Erfolg eines dem Gesetz entsprechenden [X.] hätte durch die rechtswidrige Weisung an die bescheidende Stelle verhindert werden können. Das entspricht dem in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz, dass ein ersatzfähiger Schaden nicht besteht, wenn dem vermeintlich Geschädigten ein Vorteil entgeht, den er ausschließlich infolge rechtswidrigen Verwaltungshandelns erlangt hätte (vgl. [X.], Urteil vom 15. Januar 1981 - [X.] - [X.]Z 79, 223 = juris Rn. 23 m.w.[X.]).

Meta

3 A 2/10

25.08.2011

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: A

Art 85 GG, Art 104a Abs 5 S 1 GG, Art 120a Abs 1 GG, § 40 Abs 1 S 1 VwGO, § 50 Abs 1 Nr 1 VwGO, § 263 Abs 1 Nr 1 LAG, § 267 Abs 1 S 3 LAG, § 267 Abs 1 S 6 LAG, § 267 Abs 2 Nr 2 S 2 Nr 2 LAG, § 305 Abs 2 LAG, § 319 Abs 2 LAG, PflegeVG, § 13 Abs 3 SGB 11, § 14 SGB, § 249 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.08.2011, Az. 3 A 2/10 (REWIS RS 2011, 3746)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3746

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