Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.01.2016, Az. II R 29/14

2. Senat | REWIS RS 2016, 17457

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Gegenstand

(Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG bei Ausscheiden von Kommanditisten gegen Abfindung)


Leitsatz

Die Vereinbarung, dass die Kommanditisten einer grundbesitzenden KG bis auf einen gegen eine von der KG zu leistende Abfindung aus dieser ausscheiden und ihre Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH auf den verbleibenden Kommanditisten übertragen, erfüllt nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Der Grunderwerbsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG erst der Vollzug der Vereinbarung .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 27. März 2014  4 K 1355/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) sowie [X.] und [X.] waren Gesellschafter einer im Juni 2005 von ihnen gegründeten GmbH. Die GmbH war ohne Kapitalbeteiligung Komplementärin einer grundbesitzenden [X.], deren Kommanditisten zu gleichen Teilen die Klägerin, [X.] und [X.] waren. Die [X.] wird nach dem Gesellschaftsvertrag beim [X.]usscheiden eines Gesellschafters von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt.

2

Mit notariell beurkundetem [X.] übertrugen [X.] und [X.] ihre Geschäftsanteile an der GmbH mit Wirkung zum [X.]blauf des 31. Dezember 2011 auf die Klägerin. [X.]erner wurde in dem Vertrag vereinbart, dass [X.] und [X.] mit Wirkung zum selben Zeitpunkt aus der [X.] ausscheiden und die Klägerin als alleinige Kommanditistin in der [X.] verbleibt. [X.]ls Gegenleistung für die Übertragung der GmbH-[X.]nteile und zur Erfüllung der [X.]nsprüche von [X.] und [X.] gegen die [X.] auf [X.]usscheidungsguthaben vereinbarten die Gesellschafter, dass der aus mehreren Eigentumswohnungen bestehende Grundbesitz der [X.] in [X.], [X.] und N auf [X.] und [X.] übertragen werde. [X.]oweit für die Übertragung der Eigentumswohnungen nach § 12 des Wohnungseigentumsgesetzes Verwalterzustimmungen erforderlich waren, wurden diese vor dem 31. Dezember 2011 erteilt. Der Grundbesitz der [X.] in [X.]ch sollte in der [X.] verbleiben.

3

Der [X.]eklagte und Revisionskläger (das [X.]inanzamt ... --[X.][X.]--) stellte mit [X.]escheid vom 21. Dezember 2011 die [X.]esteuerungsgrundlagen für die am 23. November 2011 "beurkundete und verwirklichte Übertragung" von mindestens 95 % der [X.]nteile der [X.] gemäß § 17 [X.]bs. 3 [X.]atz 1 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrE[X.]tG) gesondert fest. Er berücksichtigte dabei auch den Grundbesitz in [X.], [X.] und N als Grundstücke, deren Werte der [X.]emessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen seien, und stellte ferner fest, dass der Erwerb gemäß § 6 [X.]bs. 2 GrE[X.]tG zu [X.]nteilen in Höhe von 33,34 % steuerbegünstigt ist. Der [X.]escheid erging nach § 164 [X.]bs. 1 der [X.]bgabenordnung ([X.]) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

4

Den [X.]ntrag der Klägerin vom 27. [X.]pril 2012, den [X.]escheid vom 21. Dezember 2011 aufzuheben, lehnte das [X.][X.] mit [X.]escheid vom 3. Mai 2012 ab. Der Einspruch blieb erfolglos. Das [X.][X.] vertrat weiterhin die [X.]nsicht, am 23. November 2011, an dem der Tatbestand des § 1 [X.]bs. 3 Nr. 1 GrE[X.]tG verwirklicht worden sei, habe der Grundbesitz in [X.], [X.] und N noch zum Vermögen der [X.] gehört.

5

Das [X.]inanzgericht ([X.]G) gab der Klage mit der [X.]egründung statt, durch den [X.] habe die Klägerin zwar die Tatbestandsmerkmale einer [X.]nteilsvereinigung nach § 1 [X.]bs. 3 Nr. 1 GrE[X.]tG verwirklicht. Der Grundbesitz in [X.], [X.] und N sei aber bei der [X.]emessung der Grunderwerbsteuer nicht zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für den Erlass eines [X.]eststellungsbescheids nach § 17 [X.]bs. 3 GrE[X.]tG seien somit nicht erfüllt. Das Urteil des [X.]G ist in Entscheidungen der [X.]inanzgerichte (E[X.]G) 2014, 1499 veröffentlicht.

6

Mit der Revision rügt das [X.][X.] die Verletzung des § 1 [X.]bs. 3 Nr. 1 GrE[X.]tG. Mit der Unterzeichnung der notariellen Urkunde vom 23. November 2011 sei der Tatbestand der [X.]nteilsvereinigung nach § 1 [X.]bs. 3 Nr. 1 GrE[X.]tG verwirklicht worden. Zu diesem für die [X.]esteuerung maßgebenden Zeitpunkt habe auch der Grundbesitz in [X.], [X.] und N zum Vermögen der [X.] gehört.

7

Das [X.][X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 [X.]bs. 2, 4 der [X.]inanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat den [X.]blehnungsbescheid vom 3. Mai 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 1. [X.]ugust 2012 im Ergebnis zu Recht aufgehoben und das [X.] verpflichtet, den [X.]eststellungsbescheid vom 21. Dezember 2011 aufzuheben.

1. Der [X.]eststellungsbescheid ist bereits deshalb rechtswidrig, weil der Tatbestand des § 1 [X.]bs. 3 Nr. 1 [X.] durch den [X.]bschluss des [X.] nicht verwirklicht wurde.

a) Nach dieser Vorschrift unterliegt u.a. ein Rechtsgeschäft, das den [X.]nspruch auf Übertragung eines oder mehrerer [X.]nteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der [X.]nteile der [X.] des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Die Vereinbarung, dass ein Gesellschafter einer Personengesellschaft aus dieser gegen eine von der Personengesellschaft zu leistende [X.]bfindung ausscheidet, erfüllt nicht die Voraussetzungen dieser Vorschrift. Eine solche Vereinbarung begründet keinen [X.]nspruch auf Übertragung eines [X.]nteils an der Personengesellschaft. Vielmehr wächst der [X.]nteil des ausscheidenden Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen den übrigen Gesellschaftern mit dem [X.]usscheiden gemäß § 738 [X.]bs. 1 [X.]atz 1 des [X.]ürgerlichen Gesetzbuchs ggf. i.V.m. § 105 [X.]bs. 3, § 161 [X.]bs. 2 des Handelsgesetzbuchs kraft Gesetzes zu. Dies kann zur Verwirklichung des Tatbestands der [X.]nteilsvereinigung gemäß § 1 [X.]bs. 3 Nr. 2 [X.] ohne vorausgegangenes schuldrechtliches Geschäft i.[X.]. des § 1 [X.]bs. 3 Nr. 1 [X.] führen. Ein [X.]nspruch auf Übertragung eines [X.]nteils an einer Personengesellschaft wird demgegenüber begründet, wenn die Übertragung der [X.]eteiligung eines Gesellschafters an der Personengesellschaft auf einen anderen Gesellschafter oder einen Dritten vereinbart wird (vgl. Urteil des [X.] --[X.][X.]H-- vom 25. November 2015 II R 35/14, abrufbar unter www.bundesfinanzhof.de).

b) Die Voraussetzungen des § 1 [X.]bs. 3 Nr. 1 [X.] sind somit aufgrund des [X.] nicht erfüllt. Durch diesen Vertrag wurde kein [X.]nspruch der Klägerin auf Übertragung der [X.]eteiligungen von [X.] und [X.] an der [X.] begründet. Vielmehr sollten [X.] und [X.] gegen eine von der [X.] zu leistende [X.]bfindung aus dieser ausscheiden. Das [X.] hat daher zu Unrecht auf diesen Zeitpunkt eine gesonderte [X.]eststellung der [X.]esteuerungsgrundlagen gemäß § 17 [X.]bs. 3 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.] vorgenommen. Der [X.]eststellungsbescheid kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die gesonderte [X.]eststellung auf den Zeitpunkt erfolgen sollte, zu dem [X.] und [X.] aus der [X.] ausgeschieden sind. Zum einen wird in dem [X.]escheid lediglich das Datum 23. November 2011 erwähnt. Zum anderen ist das [X.] sowohl in der Einspruchsentscheidung als auch im gerichtlichen Verfahren davon ausgegangen, dass die gesonderte [X.]eststellung auf diesen Tag erfolgt ist. Es hat daher im Einzelnen seine [X.]nsicht begründet, dass die Grundstücke in [X.], [X.] und N zu diesem Zeitpunkt der [X.] im grunderwerbsteuerrechtlichen [X.]inn noch zuzurechnen gewesen seien.

c) Die Voraussetzungen des § 17 [X.]bs. 3 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.] für den Erlass eines [X.]eststellungsbescheids auf den Zeitpunkt, zu dem [X.] und [X.] aus der [X.] ausgeschieden sind, sind im Übrigen nicht gegeben. Von dem Erwerbsvorgang nach § 1 [X.]bs. 3 Nr. 2 [X.] wird kein außerhalb des [X.]ezirks des [X.] liegendes Grundstück betroffen. Die Grundstücke in [X.], [X.] und N sind bei der [X.]emessung der Grunderwerbsteuer für den Erwerbsvorgang nach § 1 [X.]bs. 3 Nr. 2 [X.] nicht zu berücksichtigen.

aa) Ob ein Grundstück i.[X.]. des § 1 [X.]bs. 3 [X.] zum Vermögen einer Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 [X.]O. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung. Ein Grundstück "gehört" der Gesellschaft i.[X.]. des § 1 [X.]bs. 3 [X.], wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der [X.]teuerschuld für den nach § 1 [X.]bs. 3 [X.] der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 [X.]bs. 1, 2 oder 3 oder nunmehr auch 3a [X.] fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Umgekehrt folgt daraus, dass ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der [X.]teuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.[X.]. des § 1 [X.]bs. 1, 2, 3 oder 3a [X.] war ([X.][X.]H-Urteil vom 11. Dezember 2014 II R 26/12, [X.][X.]HE 247, 343, [X.][X.]t[X.]l II 2015, 402, Rz 18).

bb) [X.]ei der Verwirklichung des Tatbestands des § 1 [X.]bs. 3 Nr. 2 [X.] war der Grundbesitz in [X.], [X.] und N der [X.] grunderwerbsteuerrechtlich nicht mehr zuzurechnen. [X.]ei dem durch den [X.] begründeten [X.]nspruch von [X.] und [X.] auf Übertragung der Grundstücke handelt es sich um einen Erwerbsvorgang i.[X.]. des § 1 [X.]bs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] in [X.]oruttau, [X.], 17. [X.]ufl., § 1 Rz 110; [X.], [X.], Kommentar, 10. [X.]ufl., § 1 Rz 40; [X.], [X.], Kommentar, 5. [X.]ufl., § 1 Rz 153). Die für die Übertragung der Eigentumswohnungen erforderlichen Verwalterzustimmungen waren bereits vor dem 31. Dezember 2011 erteilt worden.

Im Hinblick auf den in der [X.] verbleibenden Grundbesitz in [X.]ch sind die Voraussetzungen des § 17 [X.]bs. 3 [X.]atz 1 Nr. 2 [X.] für den Erlass eines [X.]eststellungsbescheids nicht erfüllt, weil sich dieser Grundbesitz nicht außerhalb des [X.]ezirks des [X.] befindet. Das [X.] ist nach § 5 [X.]bs. 1 Nr. 2 i.V.m. [X.]nlage 3 lfd. Nr. 53 [X.]uchst. e der Verordnung über Organisation und Zuständigkeiten in der [X.]ayerischen [X.]teuerverwaltung vom 1. Dezember 2005 ([X.][X.]t[X.]l I 2006, 167) u.a. für die Grunderwerbsteuer für den [X.]ezirk des [X.]inanzamts [X.]ch zuständig. Der Grundbesitz in [X.]ch befindet sich somit nicht außerhalb des [X.]ezirks des [X.] (vgl. [X.] in [X.]oruttau, a.a.[X.], § 17 Rz 21). Eine widersprüchliche [X.]eurteilung der nach § 17 [X.]bs. 3 [X.] gesondert festzustellenden [X.]esteuerungsgrundlagen durch mehrere [X.]inanzämter ist ausgeschlossen. [X.]uf die Zuständigkeit für die [X.]eststellung der [X.] gemäß § 8 [X.]bs. 2 [X.] i.V.m. § 151 [X.]bs. 1 [X.]atz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 [X.]bs. 1 bis 3 des [X.]ewertungsgesetzes kommt es im Hinblick auf die [X.]rage, ob von dem Erwerbsvorgang nach § 1 [X.]bs. 3 [X.] ein Grundstück betroffen ist, das außerhalb des [X.]ezirks des [X.]inanzamts liegt, in dessen [X.]ezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, nicht an. Diese Werte sind nach § 17 [X.]bs. 3a [X.] nicht in die gesonderte [X.]eststellung nach § 17 [X.]bs. 3 [X.] aufzunehmen.

2. [X.] beruht auf § 135 [X.]bs. 2 [X.]O.

Meta

II R 29/14

20.01.2016

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Nürnberg, 27. März 2014, Az: 4 K 1355/12, Urteil

§ 1 Abs 3 Nr 1 GrEStG 1997, § 1 Abs 3 Nr 2 GrEStG 1997, § 17 Abs 3 S 1 Nr 2 GrEStG 1997, § 738 Abs 1 S 1 BGB, § 105 Abs 3 HGB, § 161 Abs 2 HGB, § 8 Abs 2 GrEStG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.01.2016, Az. II R 29/14 (REWIS RS 2016, 17457)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17457

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