Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.10.2013, Az. V ZB 69/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1583

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 69/13

vom

30. Oktober 2013

in der Abschiebungshaftsache

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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Oktober 2013 durch die Vorsitzende [X.]in Dr.
Stresemann,
die [X.] Dr.
Lemke und
Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und die [X.]innen Dr.
Brückner und [X.]
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 2.
Zivilkammer des [X.] vom 6. Mai 2013 aufge-hoben und festgestellt, dass der Vollzug der mit Beschluss des [X.] vom 11. Februar 2013 angeordneten Frei-heitsentziehung ab dem 11. Februar 2013
und der [X.] des [X.] vom 8. März 2013 sie in ihren Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der
Betroffenen werden in allen Instanzen der [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000

Gründe:
I.
Die Betroffene, eine [X.] Staatsangehörige, reiste am 9.
Februar
2013 zusammen mit ihrem Ehemann aus [X.] nach [X.] ein. Die dafür notwendigen Papiere besaß sie
nicht. Sie verfügte lediglich über eine am Vortag ausgestellte [X.] Asylbewerberbescheinigung. Sie wurde 1
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in [X.] vorläufig festgenommen. Bei einer [X.] stellte sich heraus, dass sie in [X.] einen Asylantrag gestellt hatte. Auf Antrag
der betei-ligten Behörde hat das Amtsgericht nach Anordnung der vorläufigen Freiheits-entziehung mit Beschluss vom 11. Februar 2013 [X.] zum Zweck der Zurückschiebung bis zum 10. März 2013 angeordnet. Mit Beschluss vom 8.
März 2013 hat es die Haft
bis zum 14. März 2013 verlängert.
Die gegen die Haftanordnung und den [X.] [X.] der Betroffenen, mit denen sie nach ihrer Zurückschiebung nach [X.] am 14. März 2013 die Feststellung
der Rechtswidrigkeit beantragt hat, hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihren Feststellungsantrag weiter.

II.
Nach Ansicht des [X.] lagen die Voraussetzungen für die Anordnung von [X.] und deren Verlängerung vor.

III.
Die
statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist be-gründet.
1. Zwar ist die Betroffene nicht bereits durch die Haftanordnung vom 11.
Februar 2013 in ihren Rechten verletzt worden. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde lag ein zulässiger Haftantrag nach § 417 FamFG vor;
insbesondere enthält er hinreichende, prüffähige Angaben zum Vorliegen der Zustimmung der Staatsanwaltschaft. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass 2
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die konsularische Vertretung des Heimatlandes der Betroffenen entgegen Art.
36 Abs. 1 Buchst. b [X.] von deren Inhaftierung nicht unverzüglich infor-miert worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 30.
Oktober 2013 -
V [X.], zur Veröff. best.).
2. Der Fortbestand der angeordneten Freiheitsentziehungsmaßnahme
ist aber noch
am selben Tag rechtswidrig geworden, da das Amtsgericht den sich im unmittelbaren [X.] an die Haftanordnung ergebenden Hinweisen für eine mögliche Haftunfähigkeit der Betroffenen nicht nachgegangen ist.
Nach § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird,
von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist.
Ergeben sich nach Anord-nung der Haft
für das Gericht hinreichende Anhaltspunkte, dass die Vorausset-zungen der Freiheitsentziehung möglicherweise nicht mehr vorliegen, hat es im Hinblick auf § 426 FamFG gemäß § 26 FamFG den Sachverhalt aufzuklären
(vgl. [X.], FamFG, 17. Aufl., § 426 Rn. 8). Unterlässt es das Gericht, in die gebotene Sachaufklärung
einzutreten, verletzt die weitere Freiheitsent-ziehung
den Betroffenen in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
Die Aufklärungspflicht erstreckt sich auch auf die Frage der Haftfähigkeit des Betroffenen, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Haftunfähigkeit vorliegen. Denn die Inhaftierung oder Aufrechterhaltung der Haft eines erkennbar haftunfähigen Betroffenen ist rechtswidrig (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2011 -
V [X.], juris Rn. 8).
Vor diesem Hintergrund hätte das Amtsgericht prüfen müssen, ob die Haftanordnung gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 FamFG wieder aufzuheben ist. Denn
in direktem zeitlichem [X.] an deren Erlass ergaben sich hier [X.] konkrete Anhaltspunkte
dafür, dass die Betroffene möglicherweise 6
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nicht haftfähig ist
und damit die Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung nicht vorlagen. Ihr Ehemann, der unmittelbar nach Erlass der Haftanordnung in einem Parallelverfahren von demselben Haftrichter angehört wurde, gab als Grund für die gemeinsame Einreise an, dass seine Frau sterbenskrank sei und ihr in [X.] lebender [X.] sie abgeholt habe, um sie in [X.] operieren zu lassen. Dieser Hinweis hätte das Amtsgericht veranlassen müssen, der [X.] der Haftfähigkeit der Betroffenen nachzugehen.
3. Aufgrund dieser Verletzung der Amtsermittlungspflicht ist der Be-schluss vom 8. März 2013 über die Verlängerung der [X.] rechtswidrig. Hier hätte der [X.] zudem weiteren Anlass für eine Aufklä-rung der Haftfähigkeit der Betroffenen gehabt,
da er unmittelbar vor der Anord-nung der Haftverlängerung von dem Ehemann
der Betroffenen -
im Rahmen des [X.] -
erneut auf eine bestehende Krebserkrankung seiner Ehefrau hingewiesen worden war.
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IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
81 Abs.
1, §
83 Abs.
2, §
430
FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 [X.], Art. 5 [X.]. Der Gegenstandswert be-stimmt sich nach § 128 Abs. 3 Satz 2, § 30 Abs. 2 [X.].
Stresemann
Lemke
Schmidt-Räntsch

Brückner
[X.]
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidungen
vom 11.02.2013 und 08.03.2013-
XIV B 7/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 06.05.2013 -
2 T 26/13 -

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Meta

V ZB 69/13

30.10.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.10.2013, Az. V ZB 69/13 (REWIS RS 2013, 1583)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1583

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V ZB 69/13

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