Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.12.2021, Az. VII R 61/20

7. Senat | REWIS RS 2021, 367

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Gegenstand

(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 14.12.2021 VII R 15/19 - Wiederaufleben einer Steuerforderung nach § 144 Abs. 1 InsO; Schuldbeitritt des direkten Vertreters nach § 48 Abs. 2 AO)


Leitsatz

1. NV: Bei einer Streitigkeit darüber, ob eine erloschene Abgabenschuld nach § 144 Abs. 1 InsO rückwirkend wieder aufgelebt ist, handelt es sich um eine Streitigkeit über die Verwirklichung eines Steueranspruchs i.S. von § 218 Abs. 2 AO.

2. NV: Unter der Geltung des Zollkodex konnte sich ein Dritter im Wege des Schuldbeitritts vertraglich verpflichten, für die nach Art. 201 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 Satz 1 ZK entstandene Zollschuld eines anderen einzustehen; § 48 Abs. 2 AO war neben Art. 195 ZK anwendbar.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 11.11.2020 - 4 K 1109/19 Z aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob Abgabenforderungen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --[X.]--) gegen die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) infolge einer Anfechtung nach § 144 Abs. 1 der Insolvenzordnung ([X.]) wieder aufgelebt sind.

2

Am 16.12.2014, 16.01., 16.03. und 16.04.2015 meldete die Klägerin, jeweils vertreten durch die [X.] als direkte Stellvertreterin gemäß Art. 5 Abs. 2  1. Anstrich des Zollkodex ([X.]), Waren zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an und beantragte gleichzeitig Zahlungsaufschub. Die Einfuhrabgaben überwies sie auf ein Geschäftskonto der [X.].

3

Das [X.] hatte der [X.] Zahlungsaufschub gewährt. Diese verfügte über zwei Aufschubkonten, eines für [X.] und ein weiteres für Einfuhrzölle. Die während eines Kalendermonats von der Zollstelle buchmäßig erfassten und aufgeschobenen Abgabenbeträge waren jeweils spätestens am 16. des Folgemonats zu entrichten. In dem Antrag zur Erteilung der Bewilligung hieß es den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) zufolge unter der Überschrift "14. bei Zahlungsaufschub für fremde Abgabenschulden" u.a.: "Sie verpflichten sich damit unwiderruflich, die jeweils angeschriebenen Beträge spätestens zum Fälligkeitstag für die Abgabenschuldner zu entrichten. (...) Bei verspäteter Zahlung werden Sie Verzugszinsen nach Art. 114 Abs. 1 U[X.] entrichten."

4

Ab Januar 2015 konnte die [X.] die fälligen Beträge nicht mehr fristgerecht zahlen. Daraufhin drohte das [X.] mit Schreiben vom 07.01. und vom 30.01.2015 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und den Widerruf der Bewilligung des Zahlungsaufschubs an und sperrte die Aufschubkonten. Die [X.] leistete daraufhin von Januar bis März 2015 diverse Zahlungen auf die offenen Verbindlichkeiten.

5

Am ...2015 beantragte der Geschäftsführer der [X.] die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.]. Das [X.] bestellte daraufhin mit Beschluss vom ...2015 einen vorläufigen Insolvenzverwalter und eröffnete mit Beschluss vom ...2015 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der [X.].

6

Mit Schreiben vom 21.08.2017 focht der Insolvenzverwalter die Zahlungen von Einfuhrzöllen und [X.] der [X.] an das [X.] aus der [X.] vom ... bis zum ...2015 in Höhe von insgesamt ... € nach § 129 Abs. 1 i.V.m. §§ 131 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 133 Abs. 1 [X.] an. Hinsichtlich der Anfechtung gemäß § 131 [X.] vertrat der Insolvenzverwalter die Auffassung, dass die [X.] aufgrund der Schreiben des [X.] vom 07.01. und vom 30.01.2015 alle Zahlungen ab dem 07.01.2015 zur Abwendung der Zwangsvollstreckung und zur Entsperrung der Aufschubkonten geleistet habe. Das [X.] habe insoweit inkongruente Deckungen erhalten. Durch die Zahlungen, die von einem kreditorischen Konto getätigt worden seien, sei die [X.] verkürzt worden. Dies habe zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt.

7

Das [X.] erkannte zunächst einen Anfechtungsanspruch nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] hinsichtlich der Zahlungen an, die innerhalb eines Monats vor Antragstellung, mithin ab dem ...2015, erfolgt waren, und zahlte ... € an die Insolvenzmasse zurück. Mit Schreiben an den Insolvenzverwalter vom 05.06.2018 erkannte das [X.] die Anfechtung in Höhe von weiteren ... € an, weil es nunmehr wie der Insolvenzverwalter davon ausging, dass die [X.] bereits am ...2015 zahlungsunfähig gewesen sei, und gewährte den entsprechenden Betrag an die Insolvenzmasse zurück. Der Anfechtung nach § 133 [X.] trat das [X.] weiterhin entgegen.

8

Mit Bescheid vom 31.10.2018 forderte das [X.] die Klägerin zur Zahlung von Einfuhrzoll und [X.] in Höhe von ... € auf. Der Bescheid enthielt im Betreff den Hinweis "Zahlungsaufforderung über Einfuhrabgaben" und verwies in der Erläuterung darauf, dass die [X.] als Aufschubnehmer die fälligen Abgaben trotz mehrfacher Aufforderung nicht entrichtet habe bzw. dass die Abgaben im Wege der Insolvenzanfechtung zurückgezahlt worden seien. In einer Anlage zum Bescheid wurden die zurückgeforderten Beträge den einzelnen Zollanmeldungen der Klägerin zugeordnet. Die Klägerin legte dagegen Einspruch ein.

9

Mit Einspruchsentscheidung vom 20.03.2019 reduzierte das [X.] die Zahlungsaufforderung auf ... € und führte zur Begründung aus, dass es versehentlich auch Beträge mit Fälligkeit zum ...2014 und zum ...2015 erneut angefordert habe, obwohl diese nicht im Rahmen der Insolvenzanfechtung an den Insolvenzverwalter ausgezahlt worden seien. Hinsichtlich der verbleibenden Beträge sei der Einspruch jedoch unbegründet; denn die Abgabenforderungen seien nach § 144 Abs. 1 [X.] wieder aufgelebt, weil der Insolvenzverwalter die Zahlungen der [X.] wirksam nach § 131 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 [X.] angefochten habe und weil die Leistungen nicht von einem Fremdgeld- oder Treuhandkonto der Insolvenzschuldnerin erbracht worden seien, sondern von deren Geschäftskonto.

Die dagegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Urteil ist in der [X.]ung für Wirtschaftsrecht ([X.]) 2021, 863 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, der [X.] vom 31.10.2018 sei nicht rechtmäßig. Sie habe das [X.] bereits im Einspruchsverfahren um einen Nachweis gebeten, dass die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter gerade auch die für die Klägerin gezahlten Einfuhrabgaben betroffen habe; bis heute sei dieser Nachweis nicht erbracht worden. Die Leistungen der [X.] an das [X.] seien auch nicht anfechtbar gewesen. Für den angenommenen Schuldbeitritt gebe es keine Anhaltspunkte; denn im Unionszollkodex (U[X.]) sei kein Schuldbeitritt geregelt und ein Rückgriff auf § 48 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) sei wegen des Anwendungsvorrangs und der Spezialität des Unionsrechts im Hinblick auf die in Art. 94 und Art. 109 Abs. 2 U[X.] getroffenen Regelungen nicht möglich. Das Interesse der Zollverwaltung an einer "zusätzlichen Sicherheit" reiche für die Annahme eines Schuldbeitritts nicht aus. Da somit kein Anfechtungsgrund gegeben sei, liege auch keine anfechtbare Leistung i.S. von § 144 Abs. 1 [X.] vor. Soweit das [X.] auf eine "Ziff. 14" der Aufschubkontobedingungen verweise, habe diese dem Aufschubkonto der [X.] nicht zugrunde gelegen; denn die unter dieser "Ziff. 14" in Bezug genommene Regelung des Art. 114 Abs. 1 U[X.] habe zum [X.]punkt der hier maßgeblichen Lieferungen noch gar nicht gegolten. Es sei auch nicht erkennbar, auf welches Dokument sich das [X.] in diesem Zusammenhang bezogen habe. Ungeachtet dessen sei der Anspruch, der sich aus § 144 [X.] ergebe, ohnehin ein zivilrechtlicher Anspruch, über den nicht durch [X.] entschieden werden könne; insoweit werde auf die Ausführungen des [X.] Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 13.12.2018 - 9 K 9117/16 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 674) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des [X.] vom 31.10.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2019 sowie das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von ... € nebst [X.] gemäß § 236 [X.] zu zahlen.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Der Nachweis, dass die strittigen ... € dem angefochtenen Betrag des Insolvenzverwalters der [X.] zuzuordnen seien, sei im finanzgerichtlichen Verfahren vor dem [X.] erbracht worden und daher als Tatsachenfeststellung der Revision nicht zugänglich. Die von der Klägerin zitierte Ziff. 14 der Aufschubbewilligung stamme aus der ab dem 01.05.2016 gültigen Bewilligung. Dieser Text sei jedoch auch Bestandteil der vor dem 01.05.2016 gültigen Bewilligung gewesen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Das Urteil des [X.] verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

1. Der Senat entscheidet gemäß §§ 121 Satz 1, 90 Abs. 2 [X.]O mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

2. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Die tatsächlichen Feststellungen des [X.] tragen nicht die Annahme, dass im Streitfall eine anfechtbare Leistung i.S. von § 144 [X.] vorgelegen hat.

a) Zutreffend ist allerdings die Annahme des [X.], dass es sich bei einer Streitigkeit darüber, ob eine erloschene Abgabenschuld nach § 144 Abs. 1 [X.] rückwirkend wieder aufgelebt ist, um eine Streitigkeit über die Verwirklichung eines Steueranspruchs i.S. von § 218 Abs. 2 [X.] handelt.

aa) Gewährt der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Erlangte zurück, so lebt gemäß § 144 Abs. 1 [X.] seine Forderung wieder auf.

Bereits der Wortlaut der Vorschrift legt nahe, dass es sich bei der Forderung, die von der Rechtsfolge des § 144 Abs. 1 [X.] erfasst wird, um die nämliche Forderung handelt, die aufgrund der zunächst erfolgten Leistung erloschen ist. Dafür sprechen zunächst das Verb "aufleben", das ausdrücklich an einen früheren Zustand anknüpft, und der Verbzusatz "wieder", der ebenfalls eine Rückbeziehung impliziert. In die gleiche Richtung weist das Possessivpronomen "seine"; denn wenn es in Bezug auf den Empfänger der anfechtbaren Leistung heißt, "seine" Forderung lebe wieder auf, dann verweist diese Formulierung ausdrücklich auf die ursprüngliche, zunächst erloschene Forderung, die aufgrund der Anfechtung wieder entsteht.

Ein solches Verständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 144 Abs. 1 [X.], der darauf abzielt, möglichst den Zustand wieder herzustellen, der ohne die anfechtbare Rechtshandlung bestand (vgl. [X.], Urteil vom 18.01.2007 - 12 [X.], [X.], 286; ebenso: [X.]/ [X.]/[X.], Insolvenzordnung, 15. Aufl., § 144 Rz 3a).

bb) Dementsprechend geht auch der [X.] ([X.]) davon aus, dass im Fall von Beiträgen, die ein Arbeitgeber für seine freiwillig gesetzlich versicherten Arbeitnehmer an eine gesetzliche Krankenkasse geleistet hat und die nach Anfechtung durch den Insolvenzverwalter an die Insolvenzmasse zurückgewährt werden, der Anspruch, der nach § 144 Abs. 1 [X.] wieder auflebt, ein beitragsrechtlicher Versicherungsanspruch ist (s. [X.]-Urteil vom 22.11.2012 - IX ZR 22/12, [X.], 81, Rz 12).

Ebenso hat der [X.] angenommen, dass im Fall der Tilgung von Steuerschulden durch eine insolvente GmbH nach Anfechtung dieser Leistung die "beglichenen Steuerforderungen" nach § 144 Abs. 1 [X.] wieder aufleben (s. [X.]-Beschluss vom 15.03.2012 - IX ZR 95/09, juris, Rz 5; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], 19. Aufl., § 144 Rz 3; MüKo[X.]/Kirchhof/ Piekenbrock, 4. Aufl., [X.] § 144 Rz 14; [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 144 Rz 3a; [X.] in: [X.], [X.], 6. Aufl., § 144 Rz 1; [X.] in [X.], [X.], § 144 Rz 12a).

War die angefochtene Forderung ursprünglich bedingt, befristet oder nicht einklagbar, dann soll sie dies auch nach dem Wiederaufleben nach § 144 Abs. 1 [X.] sein (so MüKo[X.]/Kirchhof/Piekenbrock, a.a.[X.], [X.] § 144 Rz 14). Ist mit der Erfüllung der [X.] die Verpflichtung eines Bürgen erloschen, so lebt mit dem Wiederaufleben der [X.] auch die Verpflichtung des Bürgen wieder auf ([X.]-Urteil vom 14.06.2016 - XI ZR 242/15, [X.]Z 210, 348, Rz 25); und eine Grundschuld, die wegen der Erfüllung gelöscht worden ist, soll im Wege der Grundbuchberichtigung an der früheren [X.] wieder eingetragen werden (so [X.]/[X.], a.a.[X.], § 144 Rz 3).

In gleicher Weise hat das [X.] ([X.]) entschieden, dass gemäß § 144 Abs. 1 [X.] mit der Erfüllung des Rückgewähranspruchs der Anspruch auf Arbeitsentgelt [X.] ([X.]-Urteil vom 26.10.2017 - 6 [X.] 511/16, [X.]E 161, 21, Rz 36). Das [X.] ([X.]) schließlich führt aus, der [X.] müsse zwar die ihm vom Insolvenzschuldner erbrachte Leistung zurückgewähren, behalte aber nach § 144 Abs. 1 [X.] "seine zunächst erfüllte, nunmehr wieder offene Forderung" ([X.]-Urteil vom 26.04.2018 - 7 [X.] 3/16, [X.], 2441, Rz 12).

cc) Für das Steuerrecht hat der erkennende Senat bereits zum alten Konkursrecht entschieden, § 39 der Konkursordnung regle die Frage des rechtlichen Schicksals einer Forderung für den Fall, dass der Empfänger einer anfechtbaren Leistung das Empfangene zurückgewähre, dahingehend, dass die Forderung wieder in [X.] trete; der Wortlaut der Norm lege die Auslegung nahe, dass die alte Forderung wieder auflebe, mithin keine neue Forderung entstehe (Senatsbeschluss vom 02.07.2002 - VII B 292/01, [X.] 2002, 1338).

In Bezug auf § 144 [X.] hat der erkennende Senat entschieden, dass zwar die Zahlung der Steuerschuld regelmäßig zu ihrem Erlöschen und damit zur Beendigung dieses [X.] führt, dass aber bei [X.], die in die [X.] fallen, dieses Steuerschuldverhältnis selbst bei fristgerechter Zahlung wegen der gesetzlich vorgesehenen [X.] des Insolvenzverwalters zunächst in der Schwebe bleibt. Die erfolgreiche Anfechtung und Rückgewähr nach § 143 [X.] bewirkt also gemäß § 144 [X.], dass die Steuerschuld rückwirkend wieder auflebt. Die Beendigung des [X.] ist insoweit auflösend bedingt (Senatsurteil vom 11.11.2008 - VII R 19/08, [X.], 303, BStBl II 2009, 342, unter II.2. am Ende). Damit wird deutlich, dass der Rechtsgrund einer anfechtbaren Leistung von der Insolvenzanfechtung unberührt bleibt (Senatsbeschluss vom 05.09.2012 - VII B 95/12, [X.], 325, [X.], 854, Rz 9). Bei den Ansprüchen, die nach § 144 [X.] wieder entstehen, handelt es sich folglich um die ursprünglichen Zahlungsansprüche (s. Urteil des [X.] --BFH-- vom 29.03.2017 - XI R 5/16, [X.], 465, [X.], 738, Rz 20; vgl. auch BFH-Urteil vom 22.11.2017 - XI R 14/16, [X.], 300, BStBl II 2018, 455, Rz 29).

[X.]) Dabei gilt die Rechtsfolge, dass mit der Rückgewähr einer anfechtbaren Leistung durch den Empfänger dessen Forderung gemäß § 144 Abs. 1 [X.] wieder auflebt, dem [X.] zufolge auch in anfechtungsrechtlichen [X.]; dass in diesem Fall der Schuldner der wieder auflebenden Forderung nicht mit dem Insolvenzschuldner identisch ist, ist dem [X.] zufolge unerheblich (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 81, Rz 12; vom 08.01.2015 - IX ZR 300/13, [X.], 485, Rz 17, und vom 04.02.2016 - IX ZR 42/14, [X.], 478, Rz 29; s.a. [X.] in: [X.], [X.] Kommentar zur Insolvenzordnung, 10. Aufl., § 144 Rz 3; [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., § 52 Rz 28).

ee) Dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr in anfechtbarer Weise geleisteter Steuern nach § 143 Abs. 1 [X.] kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 [X.] ist, über den durch [X.] nach § 218 Abs. 2 Satz 2 [X.] entschieden werden kann, sondern ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch (s. Senatsurteil vom 12.11.2013 - VII R 15/13, [X.], 309, [X.], 359, Rz 6), steht dem zu § 144 Abs. 1 [X.] gefundenen Ergebnis schon deshalb nicht entgegen, weil § 143 Abs. 1 [X.] --an[X.] als § 144 Abs. 1 [X.]-- keinen früheren Anspruch wieder aufleben lässt.

ff) Vor diesem Hintergrund ist eine Streitigkeit darüber, ob eine zunächst erloschene Steuerschuld gemäß § 144 Abs. 1 [X.] rückwirkend wieder auflebt, ob also der auflösend bedingte Grund für die Beendigung des [X.] weggefallen ist, eine Streitigkeit über die Verwirklichung eines Steueranspruchs i.S. von § 218 Abs. 2 [X.]. Über diese Streitigkeit ist daher durch [X.] zu entscheiden. Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner der wieder auflebenden Forderung nicht mit dem Insolvenzschuldner identisch ist, also in anfechtungsrechtlichen [X.].

Bei Erteilung des [X.]s muss daher ggf. auch geprüft werden, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 [X.] erfüllt sind, ob also die betreffende Leistung tatsächlich von der Finanzbehörde zurückgewährt worden ist und ob es sich um eine anfechtbare Leistung i.S. von §§ 129 ff. [X.] gehandelt hat.

b) Ob es sich im vorliegenden Streitfall bei den Zahlungen, die die [X.] auf die Schreiben des [X.] und vom 30.01.2015 hin geleistet hat, um anfechtbare Leistungen i.S. von § 144 Abs. 1 [X.] handelt, kann auf der Grundlage der vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht entschieden werden.

aa) Das [X.] hat die [X.]keit der von der [X.] geleisteten Zahlungen nach § 131 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 [X.] bejaht. [X.] ist danach eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der [X.] zu beanspruchen hatte, wenn (1.) die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, oder wenn (2.) die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur [X.] der Handlung zahlungsunfähig war.

Unklar ist im vorliegenden Streitfall, ob das [X.] 1 Nrn. 1 und 2 [X.] war. Gemäß § 38 [X.] sind Insolvenzgläubiger die persönlichen Gläubiger, die einen zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben.

bb) Im vorliegenden Streitfall tragen die tatsächlichen Feststellungen des [X.] die rechtliche Folgerung, dass das [X.] einen zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen die [X.] hatte, nicht.

(1) Zutreffend ist die Rechtsansicht des [X.], dass sich ein Dritter unter der Geltung des [X.] im Wege des Schuldbeitritts vertraglich verpflichten konnte, für die nach Art. 201 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 Satz 1 [X.] entstandene Zollschuld eines anderen einzustehen; § 48 Abs. 2 [X.] war neben Art. 195 [X.] anwendbar.

Wegen des grundsätzlichen Anwendungsvorrangs des Unionsrechts (Art. 288 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.]) kann auf Regelungen des nationalen [X.] dann, wenn der [X.] nicht ausdrücklich auf diese verweist oder den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, bestimmte Einzelheiten zu regeln, nur insoweit zurückgegriffen werden, als das nationale Recht nicht durch die Regelungen des [X.] verdrängt wird (vgl. etwa zum zollrechtlichen Vertretungsrecht Urteil des Gerichtshofs der [X.] Sony Supply [X.]hain Solutions vom 07.04.2011 - [X.]-153/10, [X.]:[X.]:2011:224, Rz 30, [X.]schrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2011, 149; s.a. [X.] in [X.], Zollrecht [Stand: 01.09.2011], Art. 1 [X.] Rz 23; [X.]/[X.], Zollkodex, 6. Aufl., Vor Art. 1 Rz 16).

Zwar ist § 48 Abs. 1 [X.] durch die entsprechende Regelung des Art. 231 [X.] verdrängt worden. Für § 48 Abs. 2 [X.], demzufolge Dritte sich vertraglich verpflichten können, für Leistungen aus dem Steuerschuldverhältnis einzustehen, gilt dies hingegen nicht; lediglich für die Bürgschaft erhielt Art. 195 [X.] eine Sonderregelung, die aber die Möglichkeit eines Schuldbeitritts (kumulative Schuldübernahme) nach § 48 Abs. 2 [X.] ebenfalls nicht ausschloss (gleicher Ansicht: [X.], Zollkodex und Abgabenordnung [2003], [X.]; [X.]. in [X.], Zollrecht [Stand: 01.08.2015], Art. 231 [X.] Rz 4; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]-- [Stand: 217. [X.].], Art. 230-231 [X.] Rz 9 f.; [X.] in [X.], § 48 [X.] Rz 5; [X.] in Gosch, [X.] § 48 Rz 12; zur Abgrenzung gegenüber einer befreienden Schuldübernahme s. im Hinblick auf § 37 des [X.] bereits Senatsurteile vom 30.04.1980 - VII R 57/77, [X.], 6; vom 10.02.1981 - VII R 54/77, und [X.], juris; vgl. auch [X.] in Tipke/[X.], § 48 [X.] Tz 7; [X.] in [X.], § 192 [X.] Rz 7).

Ob dies auch in Bezug auf Art. 109 U[X.] gilt (so [X.] in [X.]/[X.], U[X.], Art. 109 Rz 14; [X.] in [X.], Zollrecht, Art. 109 U[X.] Rz 17), muss der erkennende Senat für den vorliegenden Streitfall nicht entscheiden; denn der Schuldbeitritt ist ein punktuelles Ereignis, dessen rechtliche Wirksamkeit sich nach dem zum betreffenden [X.]punkt geltenden Recht bestimmt (vgl. auch Senatsurteil vom [X.] - VII R 38/18, [X.], 105, zum Beginn des [X.] bei Prozesszinsen).

(2) Somit konnte die [X.] einen Schuldbeitritt nach § 48 Abs. 2 [X.] in Bezug auf die Abgabenschulden der Klägerin erklären.

Das [X.] stützt jedoch seine Annahme, dass die [X.] eine entsprechende Erklärung tatsächlich abgegeben hat, auf "Ziff. 14 der Bewilligung des Zahlungsaufschubs" (s. S. 9 des [X.]-Urteils, unter 3.b [X.] (2) der Entscheidungsgründe). Diese "Ziff. 14" nimmt den Feststellungen des [X.] zufolge ausdrücklich auf Art. 114 Abs. 1 U[X.] Bezug (s. S. 3 des [X.]-Urteils). Diese Vorschrift ist jedoch erst zum 01.05.2016 in [X.] getreten (Art. 288 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 U[X.]). Die in "Ziff. 14" aufgeführte und auf Art. 114 Abs. 1 U[X.] beruhende Verpflichtung des Antragstellers zur Entrichtung der jeweils angeschriebenen Beträge kann daher nicht der zwischen der [X.] und dem [X.] getroffenen Vereinbarung über die Einrichtung der Aufschubkonten für den hier maßgeblichen [X.]raum vom ... bis zum ...2015 zugrunde gelegen haben.

Das [X.] wird im zweiten Rechtsgang klären müssen, welche Vereinbarung über den Zahlungsaufschub die [X.] und das [X.] für den hier maßgeblichen [X.]raum tatsächlich getroffen haben. Die Darlegung des [X.], den vor dem 01.05.2016 erteilten Bewilligungen habe eine entsprechende Regelung zugrunde gelegen, kann als neue, vom [X.] nicht festgestellte Tatsache im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden (§ 118 Abs. 2 [X.]O).

3. Nur ergänzend weist der erkennende Senat darauf hin, dass, soweit nach den dargelegten rechtlichen Grundsätzen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 [X.] im vorliegenden Streitfall erfüllt sind, die ursprünglichen, nach Art. 201 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 [X.] sowie § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes entstandenen [X.] und [X.] wieder aufleben. Die Zahlungsaufforderung nach Art. 108 U[X.] ändert daran nichts.

4. [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 61/20

14.12.2021

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 11. November 2020, Az: 4 K 1109/19 Z, Urteil

§ 48 Abs 2 AO, § 218 Abs 2 AO, § 38 InsO, § 129 InsO, § 131 Abs 1 Nr 1 InsO, § 131 Abs 1 Nr 2 InsO, § 143 InsO, § 144 InsO, Art 114 Abs 1 ZK, Art 114 Abs 1 EWGV 2913/92, Art 195 ZK, Art 195 EWGV 2913/92, Art 201 Abs 1 Buchst a ZK, Art 201 Abs 1 Buchst a EWGV 2913/92, Art 201 Abs 3 S 1 ZK, Art 201 Abs 3 S 1 EWGV 2913/92, Art 109 EUV 952/2013, § 37 AO, § 143 Abs 1 InsO, § 47 AO, Art 288 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.12.2021, Az. VII R 61/20 (REWIS RS 2021, 367)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 367

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XI ZR 242/15

IX ZR 300/13

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