Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23.07.2019, Az. 3 AZR 357/17

3. Senat | REWIS RS 2019, 5175

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Gegenstand

Betriebliche Altersversorgung - Anpassung - Gesamtversorgung - Zurückweisungsbeschluss


Leitsatz

§ 552a ZPO gilt auch im Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29. Juni 2017 - 7 [X.] - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Der Streitwert wird auf 414,72 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Revision der [X.] wird nach § 552a ZPO zurückgewiesen. Danach kann das Revisionsgericht, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat, diese durch Beschluss - mithin ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 4 ZPO) - zurückweisen. Diese Vorschrift ist anwendbar und ihre Voraussetzungen liegen vor.

2

I. § 552a ZPO ist im Revisionsverfahren vor dem [X.] anwendbar.

3

1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG gelten im Verfahren vor dem [X.], soweit das Arbeitsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Revision entsprechend. Das erfasst auch § 552a ZPO, da das Arbeitsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt (im Ergebnis ebenso [X.], 282 mwN zum Streitstand).

4

a) Eine solche andere Bestimmung ist insbesondere nicht in § 74 Abs. 2 ArbGG getroffen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift muss die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung unverzüglich erfolgen. Die Vorschrift setzt also die Notwendigkeit zur Bestimmung eines Termins voraus. Sie regelt dagegen nicht, ob ein Termin anzuberaumen ist. Insofern unterscheidet sich die Norm von § 553 Abs. 1 ZPO, der ausdrücklich anordnet, dass Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen „ist“, soweit die dort genannten Ausnahmen nicht vorliegen.

5

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 74 Abs. 2 Satz 2 ArbGG. Dieser lässt ausdrücklich § 552 Abs. 1 ZPO und damit die Vorabprüfung einer Revision auf ihre Zulässigkeit unberührt. Das schließt indirekt auch die in § 552 Abs. 2 ZPO vorgesehene Verwerfung der Revision durch Beschluss ein. Demgegenüber findet § 552a ZPO weder in § 74 Abs. 2 ArbGG noch an anderer Stelle im Arbeitsgerichtsgesetz Erwähnung. Dies lässt jedoch keinen Umkehrschluss zu. Vielmehr steht § 74 Abs. 2 Satz 2 ArbGG im untrennbaren Zusammenhang mit der allein für das Verfahren beim [X.] bedeutsamen Bestimmung des § 74 Abs. 2 Satz 3 ArbGG. Dort wird bestimmt, dass ein Verwerfungsbeschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen [X.] ergeht. Im Übrigen enthält § 74 Abs. 2 Satz 2 ArbGG lediglich eine unnötige Klarstellung ([X.] 9. Aufl. § 72 ArbGG Rn. 11). Derartige Klarstellungen hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Revisionsverfahren vor dem [X.] auch an anderer Stelle vorgenommen, etwa wenn er die Verweisung auf § 566 ZPO über die Sprungrevision in § 72 Abs. 5 ArbGG ausdrücklich ausschließt, obwohl mit § 76 ArbGG ohnehin eine eigenständige und damit vorgehende Regelung der Sprungrevision getroffen ist.

6

2. Für die Anwendbarkeit von § 552a ZPO im Revisionsverfahren vor dem [X.] spricht zudem der Zweck der Norm. Der besteht darin, bei mehrfachen Zulassungen der Revision durch die Berufungsgerichte zur selben Rechtsfrage nach deren grundsätzlicher Klärung ein aufwendiges Revisionsverfahren einschließlich einer mündlichen Verhandlung zu vermeiden, wenn die Zulassungsfrage im Sinne des Berufungsgerichts beantwortet ist und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. Es soll möglich sein, aussichtslose Revisionen, deren Durchführung keinen Ertrag für die Fortentwicklung des Rechts mehr verspricht, ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen. Damit soll die revisionsrichterliche Arbeitskraft effizienter eingesetzt und zugleich dem Interesse der Parteien, insbesondere des [X.], an einer zügigen Durchführung des Revisionsverfahrens entsprochen werden (vgl. [X.]. 15/3482 S. 19). Diese Erwägungen treffen ohne Weiteres auch auf das Revisionsverfahren vor dem [X.] zu. Sie decken sich mit dem besonderen arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgebot in § 9 Abs. 1 ArbGG, das für alle Rechtszüge und damit auch im Revisionsverfahren gilt.

7

3. Nicht entscheidend ist, dass der historische Gesetzgeber bei der Schaffung des § 552a ZPO die Situation beim [X.] im Blick hatte ([X.]. 15/3482 S. 18 f.). Eine gesetzgeberische Konzeption, die Bestimmung nicht auf das Verfahren beim [X.], wo vergleichbare Überlegungen gelten, zu übertragen, ist dem nicht zu entnehmen. Der Gesetzgeber hat auch nicht - was in diesem Fall nahegelegen hätte - die Geltung des § 552a ZPO im arbeitsgerichtlichen Verfahren ausdrücklich ausgeschlossen ([X.] 9. Aufl. § 72 ArbGG Rn. 11). Dies hat er für die vergleichbaren im Berufungsverfahren geltenden Vorschriften des § 522 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO in § 66 Abs. 2 Satz 3 ArbGG getan.

8

II. Die Voraussetzungen des § 552a ZPO sind erfüllt. Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg und die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 552a Satz 1 ZPO).

9

1. Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die Parteien streiten über die Anpassung einer Gesamtversorgung. Anwendbar auf ihr Rechtsverhältnis sind die „Bestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes“ (im Folgenden [X.]). Danach ist eine Gesamtversorgung vorgesehen. § 6 der Ausführungsbestimmungen (im [X.]) [X.] bestimmt in Ziffer 1, dass die Gesamtversorgungsbezüge so angepasst werden wie die gesetzlichen Renten. Ziffer 3 der Vorschrift lautet ua.:

        

„Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge … nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des [X.] dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlußfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.“

Die Beklagte beschloss unter Anwendung dieser Regelung für das [X.], die Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten zum 1. Juli 2015 für diesen Stichtag um [X.] zu erhöhen. Nach der Entscheidung der [X.] sollten entweder die Gesamtversorgungsbezüge um [X.] erhöht und sodann die - erhöhte - gesetzliche Rente sowie eine zur betrieblichen Altersversorgung der [X.] gehörende Versorgungskassenrente abgezogen werden oder, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger war, lediglich die Pensionsergänzung um [X.] erhöht werden. Dagegen wurden die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 2015 um 2,09717 vH erhöht.

In der vorliegenden Sache geht es darum, ob die Beklagte eine Anpassung der Gesamtversorgung entsprechend der Steigerung der gesetzlichen Renten schuldet. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der [X.].

b) Die Revision der [X.] hat von vornherein keine Aussicht auf Erfolg (vgl. zu diesem Erfordernis [X.]. 15/3482 S. 19).

Der Senat hat über vergleichbare Fälle bereits mit Urteilen vom 25. September 2018 (- 3 [X.] - ua.) entschieden. Er hat angenommen, die Handhabung der [X.] sei schon deshalb nicht mit den Bestimmungen des [X.] vereinbar, weil sich die Beklagte nicht mehr an einer Erhöhung der Gesamtversorgung orientiere, sondern an der Erhöhung einer einzelnen Rentenleistung. Da die Beschlussfassung einheitlich zu beurteilen sei, habe die Beklagte nicht wirksam von der Regelung der [X.] Ziff. 3 [X.] Gebrauch gemacht. Es verbleibe daher bei der in [X.] Ziff. 1 [X.] vorgesehenen Erhöhung der Gesamtversorgung entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Rente.

Mit Urteil vom 11. April 2019 (- 3 [X.] -) hat der Senat Gegenargumente der [X.] für nicht durchgreifend erachtet. Er ist dabei davon ausgegangen, dass es nicht lediglich eine formale Argumentation darstellt, ein Abweichen von der Erhöhung der Gesamtversorgung als von der Versorgungsordnung nicht gedeckt anzusehen. Typisch für eine Gesamtversorgung sei die Sicherung eines bestimmten Versorgungsniveaus. Die Beschlussfassung der [X.] sei schon deshalb einheitlich zu beurteilen, weil [X.] Ziff. 3 [X.] die Reaktion auf eine bestimmte Situation gestatte und die in der Versorgungsordnung vorgesehene Entscheidung dieser Situation insgesamt gerecht werden sollte.

Gründe, von dieser Beurteilung abzuweichen, bestehen nicht. Rechenfehler bei der Berechnung der Klageforderung macht die Beklagte nicht geltend.

2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

a) Für die Beurteilung der Frage, ob ein Zulassungsgrund vorliegt, kommt es auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Revisionsinstanz, nicht auf den Zeitpunkt der Zulassung der Revision durch das [X.] an. Ansonsten könnte § 552a ZPO seine Zwecke nicht erfüllen (vgl. [X.]. 15/3482 S. 19; [X.] 19. Juli 2011 - [X.] - Rn. 2; 20. Januar 2005 - I ZR 255/02 - zu II 1 der Gründe).

b) Zulassungsgründe sind nicht gegeben.

aa) Klärungsbedürftige Rechtsfragen iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG liegen nicht vor, nachdem der Senat die maßgeblichen Rechtsfragen durch die angeführten Urteile geklärt hat (zum Wegfall der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage bei Klärung durch das [X.] [X.] 27. März 2012 - 3 [X.] 1389/11 - Rn. 18 ff.).

bb) Eine Divergenz iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG besteht ebenfalls nicht. In Betracht kommt allenfalls eine Abweichung der mit der Revision angegriffenen Entscheidung von den Urteilen des Hessischen [X.]s vom 22. November 2017 (- 6 [X.] - und - 6 [X.]/17 -). Zu den maßgeblichen Rechtsfragen sind aber zwischenzeitlich die genannten Entscheidungen des [X.]s ergangen. Das schließt nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG eine Divergenz aus.

cc) Verfahrensfehler iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG hat die Beklagte nicht gerügt.

III. Mit Beschluss der drei berufsrichterlichen Mitglieder des Senats vom 6. Mai 2019 wurde den Parteien nach § 552a Satz 2 iVm. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO ein entsprechender Hinweis erteilt und der [X.] eine Frist zur Stellungnahme bis zum 17. Juni 2019 gesetzt. Sie hat keine Stellungnahme abgegeben.

Der Hinweisbeschluss vom 6. Mai 2019 konnte durch die drei berufsrichterlichen Mitglieder ergehen. Dieser kann grundsätzlich nicht nur durch das Gericht, sondern auch durch den Vorsitzenden allein erlassen werden (§ 552a Satz 2 iVm. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO), sodass eine Beschlussfassung durch alle entscheidungsbefugten [X.] nicht erforderlich war. Es war deshalb zulässig, den Hinweisbeschluss auch als Senat in der für Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung vorgesehenen Besetzung von drei berufsrichterlichen Mitgliedern (§ 72 Abs. 6 iVm. § 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; dazu [X.] 2. Juni 1954 - 2 [X.]/53 - [X.]E 1, 13) zu erlassen (wie hier GMP/Müller-Glöge 9. Aufl. § 74 Rn. 89; [X.]/[X.] Stand Juni 2019 § 72 Rn. 66).

IV. Die Entscheidung über die Zurückweisung der Revision wurde - wie von § 552a Satz 1 ZPO gefordert - einstimmig unter Heranziehung der ehrenamtlichen [X.] getroffen. Durch das Erfordernis der Einstimmigkeit soll sichergestellt werden, dass alle entscheidungsbefugten Revisionsrichter von der Aussichtslosigkeit der Revision und vom Mangel des [X.] überzeugt sind und jedenfalls im Ergebnis dem Berufungsgericht folgen ([X.]. 15/3482 S. 19). [X.] in der Sache ist beim [X.] der Senat unter Einschluss der ehrenamtlichen [X.]. Daher hat der Zurückweisungsbeschluss unter Einbeziehung der ehrenamtlichen [X.] zu ergehen (im Ergebnis ebenso [X.], 282, 283; [X.] 9. Aufl. § 72 ArbGG Rn. 12; [X.]/[X.]/[X.] 4. Aufl. § 72 Rn. 73; [X.]/[X.] Stand Juni 2019 § 72 Rn. 66; GMP/Müller-Glöge 9. Aufl. § 74 Rn. 89).

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

    Wemheuer    

        

        

        

    Schmalz     

        

    Holler     

                 

Meta

3 AZR 357/17

23.07.2019

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hamburg, 2. November 2016, Az: 3 Ca 94/16, Urteil

§ 72 Abs 5 ArbGG, § 552a S 1 ZPO, § 552a S 2 ZPO, § 522 Abs 2 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23.07.2019, Az. 3 AZR 357/17 (REWIS RS 2019, 5175)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1392 NJW 2019, 3603 REWIS RS 2019, 5175

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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