Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.05.2015, Az. VI ZR 63/14

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 11235

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]/14

Verkündet am:

12. Mai
2015

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]:
nein
BGHR:
ja
[X.] § 84a
Zum Auskunftsanspruch gemäß § 84a [X.].
BGH, Urteil vom 12. Mai 2015 -
VI [X.]/14 -
OLG [X.]

LG Osnabrück

-

2

-

Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. April
2015
durch den Vorsitzenden [X.] Galke,
den
[X.] Wellner, die
[X.]innen [X.] und von [X.] und den [X.] Offenloch

für Recht erkannt:
Die Revision gegen
das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 23. Januar 2014 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten um einen Auskunftsanspruch aus §
84a Abs.
1 [X.].
Die Beklagte ist Anbieterin von Generika und vertreibt das Arzneimittel "Allopurinol [X.]", das den Wirkstoff Allopurinol enthält.
Der [X.], dieses Medikament von seinem Hausarzt verschrieben bekommen und infolge seiner Einnahme eine toxisch epidermale Nekrolyse mit Augen-
und Schleimhautbeteiligung erlitten zu haben.
Er nimmt die Beklagte deshalb
auf Auskunft über sämtliche ihr bekannten Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechsel-wirkungen,
bekannt gewordenen
Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen, soweit die Erkenntnisse das Stevens-Johnson-Syndrom und die toxisch epidermale Nekrolyse mit Augen-
und Schleimhautbeteiligung, Schluckbeschwerden, Hautausschlag, Fieber und allgemeine Schwäche betref-1
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fen, sowie über sämtliche diesbezüglichen Schadensmeldungen in Anspruch. Er wirft der [X.] insbesondere vor, der Beipackzettel des Medikaments habe nicht hinreichend auf die mit der Einnahme des Medikaments verbunde-nen Gefahren und Nebenwirkungen hingewiesen, sondern die Gefahr der Haut-
und Überempfindlichkeitsreaktionen nur unzureichend und verharmlosend dar-gestellt.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte zur Auskunftserteilung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zuge-lassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, der -
hinreichend bestimmte
-
Auskunftsantrag sei begründet. Dem Kläger stehe ein entspre-chender Anspruch aus §
84a [X.] zu. Dafür
reiche aus, dass die Tatsachen, welche die Annahme der Verursachung eines Schadens im Sinne des §
84 Abs.
1 [X.] durch Anwendung des Arzneimittels begründen, schlüssig darge-legt würden und feststünden und die Verursachung eines relevanten Schadens durch Einnahme des Medikaments nach den konkreten Umständen jedenfalls plausibel erscheine.
Dies sei im Streitfall anzunehmen. Dass der Kläger das Medikament der [X.] eingenommen habe, stehe nach den gemäß §
529
Abs.
1 Nr.
1 ZPO bindenden Feststellungen des [X.]s fest. Nach dem äußeren Handlungsablauf und insbesondere im Hinblick
auf den zeitlichen Zu-3
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-

4

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sammenhang zwischen der Einnahme des Medikaments
der [X.]
einer-seits
und dem Auftreten der erheblichen gesundheitlichen Komplikationen in Form einer toxisch epidermalen Nekrolyse andererseits erscheine es plausibel und nach der Lebenserfahrung naheliegend, dass die gesundheitlichen Beein-trächtigungen durch die Einnahme des Medikaments verursacht oder zumindest mitverursacht worden seien. Dafür spreche auch, dass bei der Einnahme des Medikaments entsprechende Nebenwirkungen abstrakt möglich seien.
Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger vor der Einnahme des Medikaments der [X.] auch das Medikament "Diclo dispers"
mit dem Wirkstoff Diclofenac eingenommen habe, das ähnliche Nebenwirkungen haben könne. Denn die gesundheitlichen Folgen seien nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammen-hang mit der Einnahme von "Diclo dispers"
aufgetreten, sondern erst, nachdem der Kläger "Diclo dispers"
abgesetzt und über mehrere Tage das von der [X.] vertriebene Medikament eingenommen gehabt hätte.
Dies gelte umso mehr, als nach den Informationen des [X.] [X.] vom Juli 2011 und Februar 2012 der im Medikament der [X.] enthaltene Wirkstoff Allopurinol zu den Wirkstoffen gehöre, denen ein hohes Risiko für das Auftreten schwerer Hautreaktionen wie der toxisch epidermalen Nekrolyse beigemessen werde, während der Wirkstoff Diclofenac
hierzu ([X.]) nicht gezählt werde.
Der Auskunftsanspruch sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die begehrte Auskunft im konkreten Fall zur Feststellung, ob ein Schadensersatz-anspruch nach §
84 [X.] bestehe, nicht erforderlich sei. Zwar habe der Kläger inzwischen durchaus Kenntnis von den allgemeinen Risiken und Nebenwirkun-gen des Wirkstoffs Allopurinol und wisse, dass bei Verwendung des von der [X.] vertriebenen Medikaments als schädliche Nebenwirkung ein Ste-vens-Johnson-Syndrom und als Maximalvariante eine toxisch epidermale
Nekrolyse auftreten könne. Dem Kläger gehe es aber insbesondere um Ersatz 5
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eines Schadens infolge einer angeblich nicht den Erkenntnissen der medizini-schen Wissenschaft entsprechenden Fach-
oder Gebrauchsinformation nach §
84 Abs.
1 Nr.
2 [X.]. Hierzu benötige er die begehrten Informationen hin-sichtlich des Medikaments in seiner konkreten Zusammensetzung und Darrei-chungsform, nicht nur hinsichtlich des in ihm vorhandenen Wirkstoffs.
Schließlich scheitere der geltend gemachte Auskunftsanspruch auch nicht daran, dass ein Schadensersatzanspruch ersichtlich ausscheide. Zwar entfalle ein Auskunftsanspruch, wenn feststehe, dass ein Schadensersatzan-spruch nach §
84 [X.] offensichtlich nicht gegeben sei. Davon sei im Streitfall aber nicht auszugehen.
Weder könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger das Medikament der [X.] nicht bestimmungsgemäß gebraucht habe, noch sei bereits absehbar, dass es in jedem Fall an der erforderlichen Kausalität zwischen eventuellen Unzulänglichkeiten der Packungsbeilage ei-nerseits und dem entstandenen Schaden andererseits fehle.

II.
Das angefochtene Urteil hält
revisionsrechtlicher
Nachprüfung
stand.
Die Annahme des Berufungsgerichts, dem Kläger stehe ein Auskunftsanspruch aus §
84a Abs.
1 [X.] zu, beruht nicht auf Rechtsfehlern.
1. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.]
(Urteil vom 20.
November 2014 -
C-310/13, VersR
2015, 499
Rn. 25
ff.
-
Novo [X.]; vgl. auch Senatsbeschluss vom 6. Mai 2013 -
VI
ZR 328/11, [X.], 904) steht die Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts-
und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ABl. [X.]) dem Aus-6
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kunftsanspruch nach § 84a [X.] nicht entgegen
(vgl. auch Senatsurteil vom 12.
Mai 2015 -
VI
ZR 328/11, zum Abdruck in [X.] vorgesehen).
2. Nach §
84a Abs.
1 [X.] kann der Geschädigte von dem [X.] Unternehmer Auskunft über die diesem bekannten Wirkungen, Neben-wirkungen und Wechselwirkungen sowie die ihm bekannt gewordenen [X.] von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen und sämtliche weite-ren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkun-gen von Bedeutung sind, verlangen. Der Auskunftsanspruch ist gegeben, wenn
Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel
den Schaden verursacht hat, es sei
denn,
die Auskunft ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach §
84 [X.] besteht, nicht erforderlich. Das Berufungsgericht hat diese Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs
aus §
84a [X.] rechtsfehlerfrei bejaht.
a) In revisionsrechtlich
unbedenklicher Weise ist es zum Ergebnis ge-langt, es lägen Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass das Medika-ment der [X.] einen Schaden verursacht hat

84a Abs.
1 Satz 1 Halbs.
1 [X.]).
aa)
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats reicht ein geäu-ßerter unbestimmter Verdacht nicht aus, um
einen Auskunftsanspruch nach §
84a Abs.
1 [X.] zu begründen; andererseits ist aber auch nicht der [X.] für die Kausalität zwischen der Anwendung des Medikaments und dem Eintritt des Schadens zu führen. Dem [X.] wird von §
84a Abs.
1 Satz 1 Halbs.
1 [X.] vielmehr eine Plausibilitätsprüfung aufgetragen, ob die vorgetra-genen Tatsachen den Schluss auf eine Ursache/Wirkung-Beziehung zwischen dem vom auf Auskunft in Anspruch genommenen Unternehmer in
Verkehr ge-brachten Arzneimittel und dem individuellen Schaden des auskunftsersuchen-9
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-

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den Anwenders ergeben (Senatsurteil vom 26. März 2013 -
VI
ZR 109/12, [X.], 1000 Rn.
36 mwN). Wer nach §
84a Abs.
1 Satz 1 [X.] Auskunft begehrt,
muss danach in einem ersten Schritt
Tatsachen darlegen und gegebe-nenfalls
beweisen, die eine solche Annahme begründen können ([X.], NJW 2007, 3584, 3585;
[X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], §
84a Rn.
11 f.; [X.] in [X.]/[X.]/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2. Aufl., §
27 Rn.
140, 143; [X.] in Dieners/[X.], Handbuch des [X.], §
13 Rn.
71;
[X.], [X.] 2005, 35, 36; [X.], [X.], S.
335). Diese Tatsachen müssen sodann in einem zweiten Schritt die Ursächlichkeit des Arzneimittels für den Schaden des [X.] plausibel erscheinen lassen. Das Beweismaß der Plausibilität stellt dabei geringere Anforderungen an das Maß der Überzeugung des Tatrichters
als der Vollbeweis
(vgl. [X.], NJW-RR 2011, 1319, 1321; [X.], [X.] 2005, 35, 36; [X.], Die Informationsrechte geschädigter Arzneimittelverbrau-cher, S. 336 f.; [X.] in Dieners/[X.], aaO Rn.
64; [X.]/[X.] in
Kü-gel/[X.], aaO Rn.
14; [X.] in [X.]/[X.]/Fleischfresser, aaO Rn.
140, 143; [X.]/[X.], [X.], §
84a Anm.
2 [Stand: 92. Ergänzungs-lieferung 2004]).
bb)
Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgegangen.
Die Revision macht
ohne Erfolg
geltend, die Beurteilung
des Be-rufungsgerichts, es sei zumindest plausibel und nach der Lebenserfahrung na-heliegend, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des [X.] durch die Einnahme des Medikaments der [X.] jedenfalls mitverursacht wurden, sei "nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls"
unzutreffend.
(1) Die tatrichterliche Beweiswürdigung unterliegt nur einer einge-schränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. [X.] [X.] ist -
soweit entsprechende Fehler gerügt werden (§
559 Abs.
2 ZPO)
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nur, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfah-rungssätze verstößt (st. Rspr.;
vgl. nur Senatsurteil vom 20. Mai 2014 -
VI
ZR 187/13, [X.], 1130 Rn. 28 mwN).
Im Rahmen des §
84a Abs.
1 Satz 1 Halbs.
1 [X.] gilt dies nicht nur hinsichtlich der vom Tatrichter festgestellten Indiztatsachen, sondern auch in Bezug auf die Plausibilitätsprüfung selbst. Denn
die revisionsrechtliche Überprüfung ist nicht deshalb anderen Maßstäben unterworfen, weil der Gesetzgeber geringere Anforderungen an das Beweis-maß stellt (vgl. zu §
287 ZPO:
Senatsurteile vom 13.
August 2013 -
VI
ZR 389/12, [X.], 1274 Rn.
13; vom 24. Juni 2008 -
VI
ZR 234/07, [X.], 1370 Rn. 18; vom 19. April 2005 -
VI
ZR 175/04, [X.], 945, 946).
(2) Den vorgenannten Anforderungen wird das Berufungsurteil gerecht.
(a) Das Berufungsgericht hat mit dem zeitlichen Zusammenhang zwi-schen der Medikamenteneinnahme und dem Auftreten gesundheitlicher Folge-erscheinungen sowie dem Umstand, dass diese Folgeerscheinungen abstrakt möglich sind und sogar von der [X.] selbst im Beipackzettel des Arznei-mittels beschrieben werden, tatsächliche Anhaltspunkte für eine Ursächlichkeit bzw. Mitursächlichkeit der Medikamenteneinnahme für die gesundheitlichen Folgen festgestellt.
Dass der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Me-dikamenteneinnahme und dem Auftreten gesundheitlicher Beeinträchtigungen einen bedeutsamen Umstand im Rahmen der Plausibilitätsprüfung darstellt, ist allgemein anerkannt
(vgl. [X.], NJW-RR 2011, 1319, 1322; KG, [X.] 2010, 207, 209; [X.], [X.] 2009, 567, 568; [X.] in Dieners/[X.], Handbuch des [X.], §
13 Rn.
66; [X.] in [X.], [X.], Nr.
243 Rn.
71 [Stand: Februar 2011]; [X.] in Fuhr-mann/[X.]/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2.
Aufl., §
27 Rn.
145; [X.]/[X.] 14
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in [X.]/[X.], [X.], §
84a Rn.
12; [X.] in [X.]/[X.], Produzentenhaftung, 3812, S.
21 [Stand: März 2013]; [X.], [X.] 2005, 35 f.; [X.], [X.] 2007, 232, 235; [X.], Die Informationsrechte geschädigter Arzneimittelverbraucher, [X.]). Bedenken gegen die Berücksichtigung der
abstrakten
Schadenseignung des Medikaments in diesem Zusammenhang bestehen ebenfalls nicht
(vgl. [X.], aaO; [X.], [X.], 789, 791; KG, aaO; [X.], aaO; [X.] in [X.], aaO
Rn.
71
f.;
[X.]/[X.], Medizinrecht, 2.
Aufl., § 84a [X.] Rn.
2; [X.], aaO, 234 f.; [X.], [X.], 253, 255 f.; einschränkend [X.] in Dieners/[X.], aaO Rn. 70; Wagner, [X.] 2008, 370, 375 f.). Dem steht nicht entgegen, dass für das Eingreifen der Kausalitätsvermutung des §
84 Abs.
2 Satz 1 [X.] die Feststellung einer konkreten Schadenseignung Voraus-setzung ist (vgl. Senatsurteil vom 26. März 2013 -
VI
ZR 109/12, [X.], 1000 Rn.
16 f.). Denn der Auskunftsanspruch nach §
84a [X.] ist im Vorfeld
der Geltendmachung
eines Schadensersatzanspruchs nach §
84 [X.] relevant und soll gerade auch dazu dienen, dem Geschädigten die Informationen
zu-gänglich zu machen, deren Darlegung
für das Eingreifen der
Kausalitätsvermu-tung des §
84 Abs.
2 [X.] erforderlich ist
(BT-Drucks. 14/7752, [X.]; [X.] in Dieners/[X.], aaO Rn.
63; [X.] in [X.]/[X.]/Fleischfresser, aaO Rn. 138; FAKomm-MedR/[X.], 3.
Aufl., §
84a [X.] Rn.
1; [X.] in [X.], aaO Rn.
69; [X.], aaO, 233).
(b)
Entgegen der
Auffassung
der Revision ist die Würdigung
des Beru-fungsgerichts, eine Schadensverursachung durch das Medikament der [X.] sei aufgrund der festgestellten Tatsachen plausibel und lebensnah, nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil der Kläger mit "Diclo dispers"
ein weiteres Arz-neimittel eingenommen hat, das dieselben, beim Kläger aufgetretenen Neben-wirkungen haben kann wie das Medikament
der [X.]. Denn diesen [X.] hat das Berufungsgericht im Rahmen seiner Plausibilitätsprüfung [X.]
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drücklich berücksichtigt. Es hat insoweit
insbesondere ausgeführt, "Diclo dis-pers"
sei vor
der Einnahme des Medikaments der [X.]
abgesetzt worden, weshalb es
beim Kläger an einem engen
zeitlichen Zusammenhang zwischen der
Anwendung von "Diclo dispers"
und dem
Auftreten seiner
gesundheitlichen Beschwerden fehle. Darüber hinaus konnte das Berufungsgericht seine Plausi-bilitätsannahme
auch auf den Umstand stützen, dass nach den Informationen des [X.] Medizinprodukte der im Medikament der [X.] enthaltene Wirkstoff Allopurinol zu den Wirkstoffen gehört, denen ein hohes Risiko für das
Auftreten schwerer Hautkrankheiten wie der toxisch epidermalen Nekrolyse beigemessen wird, während der in "Diclo dispers"
ent-haltene Wirkstoff Diclofenac hierzu bislang nicht gezählt wird.
(c)
Schließlich greift auch die
von
der
Revision
in diesem Zusammen-gang erhobene Rüge nicht, das Berufungsgericht habe den Gesichtspunkt
übergangen, dass dem Kläger nach Aussage seines erstinstanzlich als Zeugen vernommenen Hausarztes
im Jahr 2007 schon einmal Allopurinol 300 mg ver-schrieben worden sei, ohne dass Nebenwirkungen aufgetreten seien.
Zwar macht sich eine Partei
ihr günstige Umstände, die im Rahmen der Beweisauf-nahme zutage treten, regelmäßig zumindest hilfsweise zu eigen (st. Rspr.;
vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 14. Januar 2014 -
VI
ZR 340/13, [X.], 632 Rn.
11 mwN). Das Berufungsgericht hatte die
im Jahr 2007 erfolgte Verschrei-bung von Allopurinol
300
mg
im Rahmen seiner Beweiswürdigung aber schon deshalb nicht ausdrücklich zu erwähnen, weil
ihr
offensichtlich keine Relevanz zukommt. Denn den von der Revision als übergangen gerügten Ausführungen lässt sich allein
entnehmen, dass dem Kläger das Medikament verschrieben worden war, nicht hingegen, dass er es seinerzeit auch angewendet hatte.
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b)
Darüber hinaus
ist der Auskunftsanspruch des [X.] auch nicht nach §
84a Abs.
1 Satz 1 Halbs.
2 [X.] unter dem Gesichtspunkt der [X.] Erforderlichkeit ausgeschlossen.
Die Erforderlichkeit der Auskunft
im Sinne des §
84a Abs.
1 Satz 1 Halbs.
2 [X.] ist grundsätzlich bereits dann gegeben, wenn die Möglichkeit besteht, dass die begehrten Auskünfte der Feststellung eines [X.] dienen können; sie fehlt, wenn die begehrte Auskunft nicht geeignet ist, die beweisrechtliche Stellung des Anspruchstellers in Bezug auf einen sol-chen Schadensersatzanspruch zu stärken. Die Darlegungs-
und Beweislast für die mangelnde Erforderlichkeit trifft den pharmazeutischen Unternehmer
([X.] vom 26. März 2013 -
VI
ZR 109/12, aaO
Rn.
41, 43 mwN).
aa)
Auf dieser Grundlage ist das Berufungsgericht zutreffend zum Er-gebnis gelangt, dass der Umstand, dass der Kläger von den allgemeinen Risi-ken und Nebenwirkungen des Wirkstoffs Allopurinol nunmehr Kenntnis hat und weiß, dass bei Verwendung des Medikaments der [X.] als schädliche Nebenwirkung ein Stevens-Johnson-Syndrom und -
als Maximalvariante
-
eine toxisch epidermale Nekrolyse auftreten kann, nicht zum Wegfall der [X.] der begehrten Auskunft führt.
Davon
könnte nämlich nur dann
ausge-gangen werden, wenn von vornherein feststünde, dass für den
Kläger aufgrund seines Vorwissens mit der
begehrten
Auskunft in Bezug auf die Feststellung eines Schadensersatzanspruchs aus §
84 [X.] ein Mehrwert nicht mehr [X.] ist. Dies hat das Berufungsgericht zutreffend verneint.
(1)
Ohne Rechtsfehler stützt
sich das Berufungsgericht dabei auf den Umstand, dass die vom Kläger begehrte Auskunft für einen Schadensersatzan-spruch infolge eines
[X.]s
aus §
84 Abs.
1 Satz 1, Satz 2 Nr.
2 [X.] relevant sein kann.
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21
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(a)
Entgegen der Auffassung
der Revision
dient die Auskunft nach §
84a [X.] nicht
nur dazu, dem Geschädigten die Geltendmachung eines Schadens-ersatzanspruchs aus §
84 Abs.
1 Satz 1, Satz 2 Nr.
1 [X.] zu ermöglichen. Der Anwendungsbereich des §
84a [X.] erstreckt sich vielmehr auch auf die [X.] von Ansprüchen aus §
84 Abs.
1 Satz 1, Satz 2 Nr.
2 [X.].
Zwar mag dem Wortlaut des §
84a Abs.
1 Satz 2 [X.] nicht eindeutig zu entnehmen sein, ob sich der Auskunftsanspruch auf alle dem pharmazeutischen Unternehmer bekannten Wirkungen, Nebenwirkungen
und Wechselwirkungen sowie ihm [X.] gewordenen Verdachtsfälle von Neben-
oder Wechselwirkungen bezieht oder nur auf solche, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher [X.] im Sinne des §
84 Abs.
2 Satz 2 Nr.
1 [X.] von Bedeutung sein [X.].
Der
Wortlaut des §
84a Abs.
1 Satz
1 [X.] spricht aber für eine weite Aus-legung
der Vorschrift. Denn
hier wird
auf den Schadensersatzanspruch aus §
84 [X.] insgesamt und nicht nur auf den Fall des §
84 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 [X.] Bezug genommen. Dies wird bestätigt durch die Gesetzesmaterialien. Ausweislich der amtlichen Begründung des der Einführung des §
84a [X.] zu-grunde
liegenden Gesetzentwurfs ist Ziel des Auskunftsanspruchs, dem Be-troffenen alle
Tatsachen und Erkenntnisse zu verschaffen, die es ihm ermögli-chen, die Voraussetzungen eines ihm zustehenden Schadensersatzanspruchs darzulegen und zu beweisen (vgl. BT-Drucks. 14/7752, [X.] f.). Ein Hinweis, dass der Auskunftsanspruch nur hinsichtlich solcher Umstände bestehen soll, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkung und damit für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aus §
84 Abs.
1 Satz 1, Satz
2 Nr.
1 [X.] relevant sind, findet sich dort nicht. Ein Grund für eine solche Beschränkung des Auskunftsanspruchs ist auch nicht ersichtlich.
(b)
Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellun-gen kann nicht
von vornherein
ausgeschlossen werden, dass die vom Kläger begehrten Informationen
für
die Feststellung eines Schadensersatzanspruchs
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13

-

aus §
84 Abs.
1 Satz 2 Nr.
2 [X.]
für ihn von zusätzlichem Nutzen sind. Zum einen bezieht sich die begehrte Auskunft
-
wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt
-
auf das Medikament der [X.] in seiner konkreten Zusammen-setzung
und Darreichungsform, wohingegen das bisherige Wissen des [X.] im Wesentlichen nur den darin enthaltenen Wirkstoff betrifft. Zum anderen [X.] sich aus den bei der [X.] vorhandenen Informationen
Konsequenzen für den im Rahmen des §
84 Abs.
1 Satz 2 Nr.
2 [X.] relevanten Stand der medizinischen Wissenschaft ergeben. Denn die dafür maßgeblichen wissen-schaftlichen Erkenntnisse ergeben sich gerade auch aus der ärztlich-klinischen Praxis ([X.] in Kullmann/[X.]/[X.]/[X.], Produzentenhaftung, 3810, S. 114 [Stand: Februar 2013]) und den dort beobachteten Gefahren des [X.] (vgl. [X.] in Kullmann/[X.]/[X.]/[X.], aaO, [X.] f. [Stand: Februar 2013]; [X.], [X.], §
84 Rn.
15 [Stand: November 2007]; [X.] in [X.]/[X.]/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2.
Aufl., §
27 Rn.
64; [X.]/[X.] in [X.]/[X.],
[X.], §
84 Rn.
101 f.;
vgl. auch Senatsurteil vom 24.
Januar 1989 -
VI
ZR 112/88, [X.] 106, 273, 278 ff.). Es ist deshalb jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich aus den bei der [X.] vorhandenen Informationen ergibt, dass die Kennzeichnung, Fach-
oder Gebrauchsinformation des Medikaments -
etwa im Hinblick auf die Häufigkeit von Nebenwirkungen, die dem beim Kläger aufgetretenen Krank-heitsbild entsprechen
-
nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissen-schaft genügte.
Ob dem letztlich tatsächlich so ist, ist aus der derzeitigen Sicht
des [X.] in der Tat -
wie die Revision meint
-
"spekulativ". Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs aus § 84a [X.] ist es aber gerade
auch, dem
Ge-schädigten in Bezug auf den Schadensersatzanspruch nach §
84 [X.] eine gesicherte Erkenntnis-
und Beurteilungsgrundlage zur Verfügung zu stellen
(vgl. BT-Drucks. 14/7752, [X.]).
-

14

-

(2)
Im Übrigen kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich aus den vom Kläger begehrten Informationen schädliche Wirkungen des Medikaments der [X.] ergeben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen, etwa im Hinblick auf ein über die bislang bekannte Gefahr hinausgehendes Risiko von Nebenwirkungen, die dem beim Kläger aufgetretenen Krankheitsbild entsprechen. Das Wissen des [X.] über
abstrakte Risiken des Wirkstoffs ohne genaue Kenntnis ihrer [X.] bei Einnahme des konkreten Medikaments macht die begehrte Auskunft mithin auch im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch nach §
84 Abs.
1 Satz 1, Satz 2 Nr.
1 [X.] nicht überflüssig.
bb) [X.] ist weiter die Annahme des Berufungsge-richts, an der Erforderlichkeit der begehrten Auskunft fehle es nicht deshalb, weil ein Schadensersatzanspruch des [X.] aus §
84 [X.] von vornherein ausgeschlossen wäre.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine Auskunft nach §
84a [X.] zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach §
84 [X.] besteht, auch dann nicht erforderlich, wenn offensichtlich ist, dass der Geschädigte keinen Anspruch aus §
84 Abs.
1 [X.] hat (Senatsurteil vom 26. März 2013 -
VI
ZR 109/12, [X.], 1000 Rn.
42; ferner [X.] in Kullmann/[X.]/[X.]/[X.], Produzentenhaftung, 3812, S.
22 [Stand: März 2013]; [X.] in [X.]/[X.]/Fleischfresser,
Arzneimittelrecht, 2.
Aufl., §
27 Rn.
147; [X.], [X.] 2005, 35, 38). Zutreffend hat das Berufungsge-richt
einen
Schadensersatzanspruch
aus §
84 [X.] im Streitfall nicht für
offen-sichtlich ausgeschlossen erachtet.
(1)
Offensichtlich ausgeschlossen ist ein Schadensersatzanspruch des [X.] aus §
84 [X.] zunächst nicht deshalb, weil von einem bestimmungs-24
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15

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widrigen Gebrauch
des Medikaments durch den Kläger auszugehen wäre. Nach
den von der Revision unbeanstandet gebliebenen und daher im Revisi-onsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts liegt ein be-stimmungswidriger Gebrauch gerade nicht vor.
(2)
Entgegen der Auffassung der Revision kann ein Schadensersatzan-spruch aus §
84 [X.] auch nicht mit der Begründung verneint werden, der Klä-ger habe vor Anwendung des Medikaments der [X.] die Packungsbeilage gelesen
und
dabei zur Kenntnis genommen, dass das Risiko einer toxisch epi-dermalen Nekrolyse mit Augenbeteiligung bestehe, das Medikament aber den-noch eingenommen.
Dies folgt schon daraus, dass ein Anspruch aus §
84 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 [X.] nicht davon abhängt, ob der Geschädigte das
Risiko von Nebenwirkungen kannte. Aber auch ein Anspruch gemäß
§
84 Abs.
1 Satz
2 Nr.
2 [X.] ist unter diesem Gesichtspunkt nicht von vornherein ausge-schlossen. Zwar setzt der Schadensersatzanspruch nach dieser Bestimmung voraus, dass die unzureichende oder fehlerhafte Information für die Anwendung des Medikaments ursächlich war
(vgl. etwa [X.] in Dieners/[X.], Handbuch des [X.], §
13 Rn.
20 ff.; [X.] in [X.]/[X.]/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2.
Aufl., §
27 Rn.
69; [X.] in Kullmann/[X.]/
[X.]/[X.], Produzentenhaftung, 3812, S. 17
ff.
[Stand: März 2013]; [X.], [X.], §
84 Rn.
15 [Stand: November 2007]; [X.]/[X.], Medizin-recht, 2.
Aufl., §
84 Rn.
22). Doch hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der Kläger in einer deutlich anderen Entscheidungssitu-ation befunden hätte, wenn die Risikohinweise hätten verstärkt werden müssen. Dass er -
oder bereits der das Medikament verordnende Arzt
-
sich
in diesem Fall anders entschieden hätte und dies
-
unter Inanspruchnahme gegebenen-falls
eingreifender
Beweiserleichterungen (vgl.
[X.] in
Dieners/[X.],
aaO
Rn.
22;
[X.] in [X.]/[X.]/Fleischfresser, aaO; [X.]
in [X.]/[X.], aaO; [X.], aaO; [X.]/[X.],
aaO)
-
im 28
-

16

-

Schadensersatzprozess auch wird beweisen können, lässt sich nicht von vorn-herein
ausschließen. Vielmehr wird dies maßgeblich davon abhängen, welches Gewicht dem gegebenenfalls
vorliegenden [X.] zukommt, was wiederum erst nach Vorliegen der vom Kläger begehrten Informationen
beurteilt werden kann.
(c)
Schließlich
macht die Revision ohne Erfolg geltend, ein [X.] aus §
84 [X.] sei auch deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil nicht nachzuweisen sei, dass die beim Kläger eingetretenen [X.] Beeinträchtigungen durch das
Medikament der [X.] verursacht [X.] seien. Die Klärung dieser Frage ist dem [X.]
(vgl. Senatsurteil vom 12. Mai 2015 -
VI
ZR 328/11, zum Abdruck in [X.] vorgesehen).
Galke
Wellner
[X.]

von [X.]
Offenloch

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.05.2013 -
2 O 1963/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 23.01.2014 -
1 [X.] -

29

Meta

VI ZR 63/14

12.05.2015

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.05.2015, Az. VI ZR 63/14 (REWIS RS 2015, 11235)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11235

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