Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.03.2010, Az. IV B 28/09

4. Senat | REWIS RS 2010, 8165

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Grundsätzliche Bedeutung - Untervollmacht umfasst Empfangsvollmacht - Wirksame Zustellung an Unterbevollmächtigten


Leitsatz

1. NV: Die (Prozess-)Vollmacht ermächtigt, sofern dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, auch zur Erteilung einer Untervollmacht.

2. NV: Die Untervollmacht kann ebenso wie die Vollmacht formlos erteilt werden.

3. NV: Die Zustellung an den Unterbevollmächtigten ersetzt die Zustellung an den Bevollmächtigten.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und [X.]eschwerdeführer (Kläger) sind [X.]hegatten, die zusammen zur [X.]inkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger unterhielt in den Streitjahren (1994 bis 1997) einen landwirtschaftlichen [X.]etrieb, dessen Gewinn nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a des [X.]inkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung ([X.]StG) ermittelt wurde. Seit dem 1. November 1994 erzielt der Kläger [X.]innahmen aus der Kompostierung von [X.]ioabfall für den [X.] über die [X.] Die [X.]innahmen gab der Kläger in den Steuererklärungen der Streitjahre nicht an.

2

Nach [X.]ekanntwerden des Sachverhalts erließ der [X.]eklagte und [X.]eschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) für die Streitjahre geänderte [X.]inkommensteuerbescheide und erfasste die Gewinne aus der Kompostierung gemäß § 13a [X.]bs. 8 Nr. 1 [X.]StG bei den [X.]inkünften aus Land- und Forstwirtschaft.

3

Im Laufe des dagegen angestrengten [X.] wechselten die Kläger den steuerlichen [X.]erater. Nunmehr bevollmächtigten sie [X.] mit der Vertretung in ihren steuerlichen [X.]ngelegenheiten. Die schriftlich beim [X.] eingereichte Vollmacht erstreckte sich daneben auch auf den [X.]mpfang der Verwaltungsakte und Mitteilungen des [X.].

4

Noch vor [X.]rlass der [X.]inspruchsentscheidung teilte [X.] dem [X.] mit, dass die [X.]insprüche zur weiteren [X.]earbeitung an die zentrale Informationsabteilung für Steuern und Recht abgegeben worden seien. Da das Mandat erst kürzlich von der [X.] übernommen worden sei, bat die [X.] um Fristverlängerung zur Stellungnahme.

5

Der weitere Schriftverkehr im [X.]inspruchsverfahren wurde sodann ausschließlich mit der [X.] geführt.

6

Die [X.]inspruchsentscheidung vom 11. Oktober 2006 wurde der [X.] am 13. Oktober 2006 mit [X.] zugestellt. Die [X.] leitete die [X.]inspruchsentscheidung mit Fax vom 20. Oktober 2006 an die [X.] z. Hd. [X.] weiter. [X.] ist der für [X.] zuständige Steuerberater.

7

Dagegen haben die Kläger, nunmehr vertreten durch die [X.], am 16. November 2006 per Telefax Klage erhoben. Die [X.] erteilte ihrerseits [X.] Untervollmacht zur Vertretung der Kläger im Prozess.

8

Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen. Die einmonatige Klagefrist gemäß § 47 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) habe mit der Zustellung der [X.]inspruchsentscheidung an die [X.] am 13. Oktober 2006 begonnen und sei am 13. November 2006 abgelaufen. Die erst am 16. November 2006 erhobene Klage sei daher verfristet.

9

Der Wirksamkeit der Zustellung der [X.]inspruchsentscheidung an [X.] stehe nicht entgegen, dass die dem [X.] vorliegende schriftliche [X.]mpfangsvollmacht auf die [X.] laute. [X.] sei das Mandat von der [X.] übertragen worden. Da [X.] während des gesamten weiteren [X.] der [X.]nsprechpartner des [X.] gewesen sei, habe dieses davon ausgehen können, dass auch die abschließende [X.]inspruchsentscheidung an [X.] zu richten gewesen sei. Die durch das Verhalten der [X.] entstandene [X.]nscheinsvollmacht werde nicht durch die schriftliche [X.]mpfangsvollmacht überlagert.

Gegen die Nichtzulassung der Revision wenden sich die Kläger mit der vorliegenden [X.]eschwerde. Sie beantragen, die Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache (§ 115 [X.]bs. 2 Nr. 1 [X.]O), zur Fortbildung des Rechts (§ 115 [X.]bs. 2 Nr. 2 1. [X.]lternative [X.]O) und zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 [X.]bs. 2 Nr. 2  2. [X.]lternative [X.]O) zuzulassen.

Entscheidungsgründe

II. Die [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche [X.]edeutung (§ 115 [X.]bs. 2 Nr. 1 [X.]O).

a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche [X.]edeutung, wenn ihre [X.]eantwortung durch den [X.] ([X.]) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2005 [X.]/04, [X.]/NV 2006, 543, unter 1. der Gründe; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. [X.]ufl., § 115 Rz 23, m.w.N.). Ein im allgemeinen Interesse liegendes [X.]edürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte zu Unsicherheiten in der [X.]eantwortung der Rechtsfrage führen und eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den [X.] erforderlich machen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Januar 2004 [X.]/01, [X.]/NV 2004, 783; Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 115 Rz 28).

b) Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine durch das [X.]uftreten eines [X.]erufsträgers entstandene [X.]nscheinsvollmacht gegenüber den Finanzbehörden eine vom Steuerpflichtigen schriftlich erteilte Vollmacht überlagert, oder ob eine schriftlich erteilte Vollmacht von den Finanzbehörden vorrangig zu beachten ist, hat keine grundsätzliche [X.]edeutung.

aa) Der Klärungsfähigkeit der so formulierten Rechtsfrage steht bereits entgegen, dass die [X.]evollmächtigung der [X.] nach den Feststellungen des [X.] nicht auf einer [X.]nscheinsvollmacht, sondern auf einer [X.] der [X.] beruht.

Eine [X.]nscheinsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene das Handeln des Vertreters nicht kennt, es aber bei [X.] hätte erkennen und verhindern können, und das [X.] annehmen durfte, dass der Vertretene das Handeln des vermeintlichen Vertreters billigt ([X.] in Tipke/[X.], [X.]bgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 80 [X.] Rz 10, m.w.N. zur Rechtsprechung). Im Streitfall hatten die Kläger aber Kenntnis von dem Handeln der [X.]. Denn sie mussten sich die Kenntnis ihres [X.]evollmächtigten [X.] zurechnen lassen. Nach den Feststellungen des [X.] hat die [X.] der [X.] die weitere [X.]useinandersetzung mit dem [X.] im Einspruchsverfahren übertragen. Diese [X.]usführungen können nur dahin verstanden werden, dass die [X.] die ihr auf Grund der Vollmacht zustehende Vertretungsmacht auf die [X.] übertragen hat. Die [X.] war auf Grund der ihr eingeräumten Vollmacht auch ermächtigt, [X.] eine [X.] zu erteilen. Die Vollmacht ermächtigt gemäß § 80 [X.]bs. 1 Satz 2 der [X.]bgabenordnung ([X.]) zu [X.] das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, sofern sich aus dem Inhalt nicht etwas anderes ergibt. [X.]ufgrund dieser weiten Ermächtigung ist davon auch das Recht zur Erteilung einer [X.] umfasst (vgl. zum Umfang der insoweit vergleichbaren Prozessvollmacht: Loose in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 62 [X.]O Rz 19). Der von den Klägern der [X.] erteilten Vollmacht, deren Inhalt das [X.] festgestellt hat, ist eine entsprechende Einschränkung nicht zu entnehmen. Ebenso wie die Vollmacht kann auch die [X.] formlos erteilt werden (§ 80 [X.]bs. 1 Satz 3 [X.]). Dass die [X.] ohne entsprechende Unterbevollmächtigung im Verwaltungsverfahren aufgetreten ist, wird von ihr weder behauptet, noch lässt sich dies den Verfahrensakten entnehmen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass sowohl das [X.] als auch das [X.] irrtümlich von dem Vorliegen einer [X.]nscheinsvollmacht ausgegangen sind.

bb) [X.]usgehend von dem Vorliegen einer [X.] kommt der Rechtssache auch deshalb keine grundsätzliche [X.]edeutung zu, weil die Frage der Wirksamkeit der Zustellung der Einspruchsentscheidung an [X.] eindeutig im Sinne der Vorentscheidung zu beantworten ist.

Wählt das [X.], wie im Streitfall, die [X.]ekanntgabe der Einspruchsentscheidung mittels Zustellung, muss diese gemäß § 7 [X.]bs. 1 Satz 2 des [X.] ([X.]) an den [X.]evollmächtigten gerichtet werden, wenn dieser eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Da [X.] eine schriftliche Vollmacht zu den [X.]kten des [X.] gereicht hatte, war die Zustellung der Einspruchsentscheidung grundsätzlich an sie und nicht an die Kläger zu richten. Mit der Zustellung der Einspruchsentscheidung an [X.] ist dem [X.] gemäß § 7 [X.]bs. 1 Satz 2 [X.] aber Genüge getan. Denn mit der Erteilung der [X.] hat [X.] zugleich ihre Empfangsvollmacht auf [X.] übertragen. Die Zustellung der Einspruchsentscheidung an [X.] ist deshalb der [X.] zuzurechnen, sie gilt mithin i.S. des § 7 [X.]bs. 1 Satz 2 [X.] als an [X.] gerichtet.

2. [X.]us den [X.]usführungen unter 1. folgt zugleich, dass eine Revisionszulassung ebenfalls nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 [X.]bs. 2 Nr. 2  1. [X.]lternative [X.]O) und zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 [X.]bs. 2 Nr. 2  2. [X.]lterna-tive [X.]O) in [X.]etracht kommt.

Meta

IV B 28/09

23.03.2010

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 27. Januar 2009, Az: 6 K 4404/06, Urteil

§ 62 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 80 Abs 1 AO, § 7 Abs 1 S 2 VwZG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 23.03.2010, Az. IV B 28/09 (REWIS RS 2010, 8165)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8165

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX B 48/21 (Bundesfinanzhof)

Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung gegenüber dem Prozessbevollmächtigten; Prüfung der Klagefrist durch den Rechtsanwalt


X B 139/10 (Bundesfinanzhof)

Empfangsvollmacht bei einheitlichen Feststellungen in Form einer Rechtsscheinsvollmacht - Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage


I R 37/10 (Bundesfinanzhof)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Öffentliche Zustellung - Höhere Gewalt


III B 108/15 (Bundesfinanzhof)

Unrichtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung - Zeitpunkt der Zustellung eines Einschreibens mit Rückschein - Keine Revisionszulassung


VIII R 8/08 (Bundesfinanzhof)

Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten bei Auslandsaufenthalt


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.