Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2013, Az. VII ZR 58/12

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 7113

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZR 58/12
vom
21. März 2013
in dem Rechtsstreit

-
2 -

Der VII. Zivilsenat des [X.] hat am 21.
März
2013 durch [X.], die Richterin [X.] und [X.] Eick, Kosziol und Dr. Kartzke
beschlossen:
Der Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revi-sion wird stattgegeben.
Der Beschluss des 27. Zivilsenats des [X.] vom 13. Januar 2012 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufge-hoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Streitwert

Gründe:
I.
Der klagende Insolvenzverwalter verlangt Restwerklohn, nachdem die Beklagte einen Pauschalpreisvertrag gekündigt hat.
Die Insolvenzschuldnerin (nachfolgend nur: Schuldnerin) und die beklag-te Auftraggeberin
schlossen am 14./20.
Dezember
2006 einen Werkver-
trag über Roh-
und Gerüstbauarbeiten, dem die VOB/B zugrunde lag. Die 1
2

-
3 -

Schuldnerin
gab ein Angebot mit [X.] über 209.113,80

Vertragsparteien einigten sich auf eine Pauschalvergütung
von 171.500

Nachdem die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens [X.] hatte, kündigte die Beklagte den Vertrag am 9.
März
2007 gemäß §
8 Nr.
2 Abs.
1 VOB/B und forderte die Schuldnerin auf, eine prüfbare Schlussrechnung vorzulegen. Mit der
Schlussrechnung vom 20.
März
2007 rechnete die Schuld-nerin nach [X.] ab. Die Beklagte erhob keine Einwendungen gegen die Prüffähigkeit der Rechnung. Später berief sie sich auf Baumängel.
Der Insolvenzverwalter hat mit der auf Zahlung von 71.031,27

t-werklohn nebst Zinsen gerichteten Klage unter anderem geltend gemacht, dass die Schuldnerin und die Beklagte einen Detailpauschalvertrag geschlossen [X.]. Das [X.] hat mit der Ladungsverfügung vom 27.
Mai
2011 folgen-den Hinweis erteilt:
"Nach
vorläufiger Auffassung des Gerichts dürfte zwar die Prüffä-higkeit der vorgelegten Rechnung -
im Hinblick auf
§
16 III Nr.
1 VOB/B -
nicht mehr zu prüfen sein. Die Rechnung wirft aber [X.] an der Schlüssigkeit der Klage auf. Ein erster Blick lässt vermu-ten, dass hier die erbrachten Leistungen nach [X.] [X.] wurden. Das wäre im Hinblick auf den [X.] natürlich unzutreffend. Die Klage wäre insoweit unschlüssig

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 28.
Juni
2011 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.
Juli
2011 eine korrigierte Schlussrechnung
vom 4.
Juli
2011 über 50.525,37

überreicht. Das [X.] hat die Klage [X.] förmlicher Abnahme als derzeit unbegründet abgewiesen.
Das Berufungsgericht
hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt er sein Zahlungsverlangen in Höhe von 50.525,37

3
4
5
6

-
4 -

II.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Mangels geeigneter Schluss-rechnung habe das [X.] die Klage im Ergebnis zu Recht als derzeit un-begründet abgewiesen. Die mit der Klageschrift vorgelegte Rechnung entspre-che nicht den Anforderungen an eine Abrechnung nach einem gekündigten Pauschalpreisvertrag. Dass es sich um einen Detailpauschalvertrag handele, entbinde den Kläger nicht von der Darstellung der [X.]. Auf den Hinweis des [X.]s vom 27.
Mai
2011 wäre es dem Kläger möglich gewesen, rechtzeitig eine der [X.] entsprechende Abrechnung vorzulegen. Der Verstoß gegen das Gebot rechtzeitigen Vorbringens gemäß §
282 Abs.
1, §
296
Abs.
2 ZPO führe zur Zurückweisung in erster Instanz. Die Vorlage einer
neuen Rechnung in der Berufungsinstanz bleibe ausgeschlossen (§
531 Abs.
1 ZPO).
Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz nachge-schobene Vortrag sei auch gemäß §
531 Abs.
2 Nr.
3 ZPO verspätet. Nach dem Hinweis des [X.]s habe der Kläger ausreichend [X.] zu entspre-chendem Vortrag gehabt, diese aber nicht genutzt.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] führt gemäß §
544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Bleibt wie im vorliegenden Fall ein An-griffsmittel einer [X.] deswegen unberücksichtigt, weil der Tatrichter es in [X.] fehlerhafter Anwendung einer Präklusionsvorschrift wie des §
531 ZPO zu Unrecht zurückgewiesen hat, so ist zugleich das rechtliche Gehör der [X.] verletzt
(Art.
103 Abs.
1 GG; siehe [X.], Beschlüsse vom 17.
Juli
2012

[X.], [X.], 3787 Rn.
9; vom 15.
August
2012

VIII
ZR
256/11, BeckRS 2012, 19868 Rn.
14, jeweils m.w.N.).
7
8
9

-
5 -

a) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Kläger mit dem Vortrag in der korrigierten Schlussrechnung gemäß §
531 Abs.
1 ZPO ausgeschlossen ist. Angriffs-
und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen sind, bleiben nach dieser Vorschrift ausgeschlossen. Die Bestimmung ist nur anwendbar auf Angriffs-
und Verteidigungsmittel, die in erster Instanz nach §
296 Abs.
1 oder 2 ZPO oder nach §
340 Abs.
3 Satz 3 i.V.m.
§
296 Abs.
1 ZPO zurückgewiesen oder nicht zugelassen worden sind. Davon hat das [X.] im Streitfall jedoch keinen Gebrauch gemacht. Es hat lediglich gemäß §§
156, 296a ZPO von der Wiedereröffnung der mündli-chen Verhandlung abgesehen. Ist erstinstanzliches Vorbringen unberücksichtigt geblieben, ohne nach den vorgenannten Bestimmungen präkludiert worden zu sein, so ist §
531 Abs.
1 ZPO nicht anwendbar (Musielak/Ball, ZPO, 9.
Aufl., §
531 Rn.
4; Hk-ZPO/[X.], 5.
Aufl., §
531 Rn. 2; zu §
528 Abs.
3 ZPO
a.F. siehe [X.], Urteil vom 10.
März
1983 -
VII ZR 135/82, NJW 1983, 2030 unter [X.]).
Das Berufungsgericht durfte §
282 Abs.
1 ZPO i.V.m.
§
296 Abs.
2 ZPO auch nicht selbst anwenden, weil
das im Rechtszug übergeordnete Gericht nach der Rechtsprechung des [X.] weder eine von der Vor-
instanz unterlassene Zurückweisung nachholen noch die Zurückweisung auf eine andere als die von der Vorinstanz angewandte Vorschrift stützen darf
([X.], Urteile vom 22.
April
1982
-
VII
ZR
160/81, [X.]Z 83, 371, 378; vom 13.
Dezember 1989 -
VIII ZR 204/82, NJW 1990, 1302 unter [X.]; vom 4.
Mai 2005 -
XII
ZR
23/03, NJW-RR 2005, 1007 unter 2
b
bb; vom 22.
Februar
2006 -
IV ZR 56/05, [X.]Z 166, 227 Rn.
12).
b) Die Nichtberücksichtigung der korrigierten Schlussrechnung verstößt auch deshalb gegen Art.
103 Abs.
1 GG, weil eine Zurückweisung als verspätet im Hinblick auf §
531 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 ZPO nicht in Betracht kam. Der Kläger 10
11
12

-
6 -

hat die Forderung im ersten Rechtszug aufgrund eines Verfahrensfehlers des [X.]s nicht rechtzeitig substantiiert. Das [X.], welches weitere Erläuterungen des Rechnungsinhalts für geboten erachtete, hätte dem Kläger einen unmissverständlichen Hinweis erteilen
müssen. Das Gericht genügt [X.] Hinweispflicht gemäß §
139 Abs. 1,
§
278 Abs. 3 ZPO
nur dann, wenn es die [X.]en auf den noch fehlenden Sachvortrag, den es als entscheidungser-heblich ansieht, unmissverständlich hinweist und den [X.]en die Möglichkeit eröffnet, ihren Vortrag sachdienlich zu ergänzen ([X.], Urteile
vom 21.
Januar
1999 -
VII
ZR
269/97, [X.], 510 = [X.] 1999, 151 unter [X.]; vom 11.
Februar
1999 -
VII
ZR
399/97, [X.]Z 140, 365, 371; [X.] in: [X.]/
Koeble, Kompendium des Baurechts, 3.
Aufl., 20.
Teil Rn.
12).
Das [X.] hat dem nicht Rechnung getragen. Es hat dem Kläger einen missverständlichen Hinweis erteilt, indem es die Auffassung vertreten hat, dass eine Abrechnung nach [X.] im Hinblick auf den [X.] nicht in Betracht komme. Das ist so nicht richtig. Da die [X.] einen Detailpauschalvertrag geschlossen haben, kam in Betracht, dass der Kläger den gekündigten Vertrag nach [X.] abrechnen konnte, indem er diese lediglich im Verhältnis zu dem vereinbarten Pauschalpreis herabsetzte. Die [X.]en haben einen Detailpauschalvertrag geschlossen, indem sie die sich aus dem Einheitspreisangebot ergebende Gesamtsumme auf eine Pau-schale reduziert haben. Mangels anderer Anhaltspunkte kam in Betracht, dass diese Preisreduzierung sich gleichmäßig auf alle Positionen auswirkte ([X.], Urteile vom 4.
Juli
1996 -
VII ZR 227/93, [X.], 846 unter [X.]; vom 20. April 2000 -
VII ZR 458/97, [X.], 1498 = NZBau 2000, 424 unter B [X.] a; [X.], aaO, 9. Teil Rn. 19). Es lag also nahe, dass der Kläger den [X.] mit den um einen gleichbleibenden Prozentsatz reduzierten [X.] konnte. Der Hinweis des [X.]s war geeignet, den 13

-
7 -

Kläger insoweit zu verwirren, weil allgemein eine Abrechnung nach Einheits-preisen kategorisch ausgeschlossen worden ist.
Mit der korrigierten Schlussrechnung hat der Kläger die Einheitspreise im Verhältnis zu dem vereinbarten
Pauschalpreis herabgesetzt. Dies musste vom Berufungsgericht berücksichtigt werden.
c) Der angefochtene Beschluss beruht auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs des [X.]. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsge-richt zu einem dem Kläger günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es die Schlussrechnung von 4.
Juli
2011 berücksichtigt hätte.
14
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8 -

3. Der Senat hat von der durch §
563 Abs.
1 Satz 2 ZPO eröffneten Mög-lichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an einen anderen Spruchkörper des Be-rufungsgerichts zurückzuverweisen.

[X.]
[X.]
Eick

Kosziol

Kartzke

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.07.2011 -
62 O 4799/10 -

OLG München, Entscheidung vom 13.01.2012 -
27 U 3426/11 Bau -

16

Meta

VII ZR 58/12

21.03.2013

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2013, Az. VII ZR 58/12 (REWIS RS 2013, 7113)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7113

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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