Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.10.2014, Az. 3 B 21/14

3. Senat | REWIS RS 2014, 1980

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Gegenstand

Gültigkeit einer in Polen erworbenen Fahrerlaubnis in Deutschland


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 17. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.

2

Der Kläger wendet sich gegen die vom Beklagten mit Bescheid vom 20. Januar 2010 getroffene Feststellung, dass seine in [X.] erworbene Fahrerlaubnis in der [X.] keine Gültigkeit habe. Der Kläger, dem in [X.] mehrfach seine Fahrerlaubnisse wegen [X.] entzogen worden waren, erwarb am 27. August 2009 in [X.] eine Fahrerlaubnis der [X.]; im dort ausgestellten Führerschein ist als Wohnsitz der [X.] Ort [X.] eingetragen. Als der Beklagte davon Kenntnis erhielt, stellte er gestützt auf § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV fest, dass diese Fahrerlaubnis den Kläger nicht berechtige, Kraftfahrzeuge in [X.] zu führen. Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Der [X.]n Fahrerlaubnis des [X.] bleibe zwar nicht auf der Grundlage von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV, jedoch wegen eines Verstoßes gegen das unionsrechtliche Wohnsitzerfordernis gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV die Anerkennung versagt. Nach der vom Senat bei der Gemeinde [X.] eingeholten Auskunft sei der Kläger dort mit befristeten Aufenthalten vom 31. Januar 2008 bis zum 21. August 2008 und vom 16. Juni 2009 bis zum 14. September 2009 gemeldet gewesen. Damit lägen aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen vor, dass der Kläger im [X.], dem Jahr der [X.], seinen ordentlichen Wohnsitz entgegen der Eintragung im Führerschein nicht in [X.], sondern in [X.] gehabt habe. Die für das [X.] dokumentierte Aufenthaltsdauer von 91 Tagen reiche für die Annahme eines ordentlichen Wohnsitzes in [X.] im Sinne von Art. 12 der Richtlinie 2006/126/[X.] nicht aus. Der Kläger habe weder im Verwaltungs- noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nähere Angaben zu einem längeren Aufenthalt in [X.] im [X.] gemacht.

3

1. Die Rüge, das Berufungsurteil beruhe auf einem Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, weil das Gericht keine weiteren Erkundigungen dazu eingeholt habe, ob sich der Kläger vor und nach den im Melderegister der [X.] [X.] ausgewiesenen [X.]en in [X.] aufgehalten habe, ist unbegründet. Der geltend gemachte Verstoß gegen die Pflicht des Gerichts zur Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor. Einen entsprechenden Beweisantrag hat der auch in den Vorinstanzen anwaltlich vertretene Kläger nicht gestellt. Eine solche Beweiserhebung musste sich dem Berufungsgericht entgegen der Annahme des [X.] auch nicht aufdrängen. Der Kläger hat weder im Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - selbst dann noch nicht, als die vom Berufungsgericht eingeholte [X.] Meldebescheinigung vorlag - substanziiert geltend gemacht, über die in dieser amtlichen Auskunft angegeben [X.]en hinaus seinen ordentlichen Wohnsitz in [X.] gehabt zu haben. Vielmehr hatte sich der Kläger, was das Berufungsgericht auch berücksichtigen durfte, gegenüber der [X.] Meldebehörde zum 16. Juni 2009 nach [X.] ab und zum 1. September 2009 wieder in [X.] angemeldet. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass es dem Fahrerlaubnisinhaber obliegt, wenn er trotz der das Gegenteil ausweisenden Aufenthaltsbescheinigung darauf beharrt, das Wohnsitzerfordernis eingehalten zu haben, substanziierte und verifizierbare Angaben zu Beginn und Ende seines Aufenthalts im Ausstellermitgliedstaat im Zusammenhang mit der [X.] sowie zu den beruflichen und persönlichen Bindungen zu machen, die im maßgeblichen [X.]raum zu dem im Führerschein angegebenen Wohnort bestanden (Urteil vom 30. Mai 2013 - BVerwG 3 C 18.12 - BVerwGE 146, 377 Rn. 30). Soweit es ein Beteiligter unterlässt, zur Klärung der ihn betreffenden, insbesondere der für ihn günstigen Tatsachen beizutragen, gebietet es auch der Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO nicht, allen nur denkbaren Möglichkeiten nachzugehen (a.a.[X.] Rn. 32).

4

2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

5

Als klärungsbedürftig bezeichnet der Kläger die Fragen, ob eine Gesamtaufenthaltsdauer von 295 Tagen, bezogen auf einen Gesamtzeitraum von 20,5 Monaten als ausreichend zur Erfüllung des Wohnsitzprinzips im Sinne von Art. 12 der Richtlinie 2006/126/[X.] angesehen werden könne oder - insoweit von den konkreten Umständen abstrahierend - ob ein über die Mindestfrist hinausgehender [X.]raum, selbst wenn er unterbrochen sein sollte, nicht gleichwohl die Zielsetzung der 185-Tage-Frist erfüllen könne.

6

Doch fehlt es insofern an der Klärungsbedürftigkeit in einem (weiteren) Revisionsverfahren. Auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung und ausgehend von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Aufenthaltszeiten des [X.] in [X.] unterliegt es keinem Zweifel, dass die Anforderungen, die nach den Artikeln 7 und 12 der Richtlinie 2006/126/[X.] („[X.]") an das Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat zu stellen sind, hier zum maßgeblichen [X.]punkt der [X.] nicht erfüllt waren. Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/126/[X.] darf ein Führerschein nur an Bewerber ausgestellt werden, die im Hoheitsgebiet des den Führerschein ausstellenden Mitgliedstaates ihren ordentlichen Wohnsitz haben oder aber - was im Fall des [X.] nicht in Rede stand - nachweisen können, dass sie während eines [X.] von sechs Monaten dort studiert haben. Nach Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie gilt als ordentlicher Wohnsitz der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher oder beruflicher Bindungen oder - im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Beziehungen - wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr wohnen. Ein solches Wohnsitzerfordernis kannte auch bereits die [X.] („[X.]"). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass diese Voraussetzung zum [X.]punkt der Erteilung der Fahrerlaubnis erfüllt sein muss (vgl. u.a. [X.], Beschluss vom 9. Juli 2009 - [X.]. [X.]/08, [X.] - NJW 2010, 217 Rn. 51: „zum [X.]punkt der Ausstellung dieses Führerscheins"); davon geht auch § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV aus. Somit ist hier in Bezug auf die geforderte Aufenthaltsdauer auf den 27. August 2009 abzustellen. Daraus folgt zugleich, dass der dem Kläger von der [X.] [X.] für die [X.] vom 31. Januar 2008 bis zum 21. August 2008 bescheinigte Aufenthalt außer Betracht bleiben muss, der bereits mehr als ein Jahr zuvor beendet war. Soweit der Kläger auf die Zielsetzung der 185-Tage-Frist abstellt, die aus seiner Sicht dazu dient, es der Fahrerlaubnisbehörde zu ermöglichen, ausreichende Erkenntnisse über den Führerscheinbewerber zu sammeln, was im Hinblick auf den zurückliegenden Aufenthalt auch bei ihm möglich gewesen sei, übergeht er, dass Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/[X.] für die Bejahung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat nicht nur einen Aufenthalt von 185 Tagen, sondern einen Aufenthalt von 185 Tagen im Kalenderjahr verlangt. Selbst wenn man insofern nicht - wie das Berufungsgericht - allein auf das [X.] abstellen würde, sondern vom Tag der [X.] als dem maßgeblichen zeitlichen Bezugspunkt 365 Tage zurückrechnete, ergäbe sich für diesen [X.]raum kein Aufenthalt des Klägers in [X.] mit einer Dauer von 185 Tagen. Daran änderte sich selbst dann nichts, wenn man annähme, dass ein ordentlicher Wohnsitz bereits mit dem [X.]punkt der Aufenthaltsnahme begründet werden kann, wenn sich eine Person an einem Ort, an dem sie über persönliche und gegebenenfalls zusätzlich über berufliche Bindungen verfügt, in einer Weise niederlässt, die es als gesichert erscheinen lässt, dass sie dort während des Kalenderjahres an 185 Tagen wohnen wird (offen gelassen im Urteil des Senats vom 30. Mai 2013 a.a.[X.] Rn. 23). Hinzu kommt, dass die vom Kläger vertretene Auffassung dem Zusammenhang der in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/[X.] getroffenen Regelung mit Art. 7 Abs. 5 dieser Richtlinie nicht Rechnung trägt; nach dieser Bestimmung kann jede Person nur Inhaber eines einzigen Führerscheins sein (vgl. zur Bedeutung dieser Regelung u.a. [X.], Urteil vom 26. Juni 2008 - [X.]. [X.]/06 bis [X.]/06, [X.] u.a. - Slg. 2008, [X.] Rn. 67). Auch aus diesem Grund muss die örtliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Erteilung einer Fahrerlaubnis klar und eindeutig abgrenzbar sein. Das aber wäre bei der vom Kläger befürworteten Einbeziehung eines zeitlich deutlich abgetrennten früheren Aufenthalts im Ausstellermitgliedstaat in die 185-Tage-Frist des Art. 12 der Richtlinie 2006/126/[X.] nicht hinreichend gewährleistet.

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Meta

3 B 21/14

22.10.2014

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 17. Januar 2014, Az: 16 A 1292/10, Urteil

Art 7 EGRL 126/2006, Art 12 EGRL 126/2006, EWGRL 439/91, § 28 Abs 4 S 1 Nr 2 FeV 2010

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.10.2014, Az. 3 B 21/14 (REWIS RS 2014, 1980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1980

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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