1. Senat | REWIS RS 2010, 2676
ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT Hinzufügen
Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Ordnungsmittel bei mitbestimmungswidrigem Verhalten des Arbeitgebers
Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren kann zur Durchsetzung einer Unterlassungsverpflichtung gegen den Arbeitgeber nicht Ordnungshaft für den Fall angedroht und verhängt werden, dass ein festgesetztes Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann.
Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des [X.] vom 16. Oktober 2008 - 5/9 [X.] 239/07 - teilweise aufgehoben.
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts [X.] vom 27. Juli 2007 - 5 [X.] - hinsichtlich des Tenors zu 2) teilweise abgeändert.
Der Tenor zu 2) wird zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zu Ziffer 1 wird der Beteiligten zu 2) ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 Euro angedroht.
Der weitergehende Antrag des Betriebsrats wird zurückgewiesen.
A. Die Beteiligten streiten noch darüber, ob der Arbeitgeberin zur Durchsetzung einer vom Betriebsrat erlangten gerichtlichen Unterlassungsverpflichtung Ordnungshaft angedroht werden kann.
Bei der Arbeitgeberin gilt eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit, die bestimmt, dass die Arbeitnehmer ihre Anwesenheitszeiten an den im Betrieb aufgestellten Terminals zu erfassen haben. Nachdem zwischen den Beteiligten Streit darüber entstanden war, ob auch Mitarbeiter mit einem erheblichen Anteil reisender Tätigkeit an der Zeiterfassung teilnehmen müssen, leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren ein. Er hat beantragt,
|
1. |
der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, während der Geltung der Betriebsvereinbarung „Jahresarbeitszeit“ vom 7. September 2000 Mitarbeiter ohne Zustimmung des Betriebsrats aus der Zeiterfassung herauszunehmen, es sei denn, es handelt sich hierbei um leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 [X.]; |
2. |
für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zu Ziffer 1 der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 Euro anzudrohen, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, zu vollziehen an den Geschäftsführern [X.] und Y F. |
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
Arbeitsgericht und [X.] haben den Anträgen stattgegeben. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Arbeitgeberin hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen, soweit sich die Arbeitgeberin gegen die Androhung der Ordnungshaft wendet.
B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet.
I. Im Rahmen des [X.] ist nur zu prüfen, ob die im Beschluss des [X.]s erfolgte Androhung von Ordnungshaft zu Recht erfolgt ist. Im Übrigen ist die Entscheidung des [X.]s rechtskräftig und damit einer rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung entzogen.
II. Die Androhung von Ordnungshaft ist zu Unrecht erfolgt. Zwar sieht der gemäß § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbare § 890 Abs. 1 ZPO vor, dass für den Fall, dass ein Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft verhängt werden kann. Diese Möglichkeit scheidet jedoch nach der in § 85 Abs.1 Satz 3 ArbGG enthaltenen Maßgabe als Sanktion gegenüber einem grob betriebsverfassungswidrigen Verhalten eines Arbeitgebers (§ 23 Abs. 3 [X.]) von Gesetzes wegen aus. Diese spezialgesetzliche Beschränkung von Zwangsmaßnahmen ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch bei der Durchsetzung des allgemeinen Unterlassungsanspruchs des Betriebsrats zu beachten, der im Gegensatz zu dem auf § 23 Abs. 3 [X.] beruhenden Unterlassungsanspruch nicht einmal einen groben Pflichtenverstoß des Arbeitgebers verlangt (vgl. [X.] 3. Mai 1994 - 1 [X.] - zu II B III der Gründe, [X.]E 76, 364). Da die Zwangsmaßnahmen bei einer „einfachen“ Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten nicht weitgehender sein können als bei einer groben Pflichtverletzung des Arbeitgebers, ist die für § 23 Abs. 3 [X.] geltende Beschränkung auch beim allgemeinen Unterlassungsanspruch zu beachten ([X.] 29. April 2004 - 1 [X.] - zu B V der Gründe, [X.]E 110, 252; 24. April 2007 - 1 [X.] - Rn. 24, [X.]E 122, 127). Für den aus dem [X.] nach § 77 Abs. 1 [X.] folgenden Unterlassungsanspruch gilt nichts anderes.
|
Schmidt |
|
Koch |
|
Linck |
|
|
|
Berg |
|
M. Zumpe |
Meta
05.10.2010
Beschluss
Sachgebiet: ABR
vorgehend ArbG Darmstadt, 27. Juni 2007, Az: 5 BV 7/07, Beschluss
§ 85 Abs 1 ArbGG, § 890 Abs 1 ZPO, § 23 Abs 3 BetrVG, § 77 Abs 1 BetrVG
Zitiervorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 05.10.2010, Az. 1 ABR 71/09 (REWIS RS 2010, 2676)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 2676
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
7 ABR 137/09 (Bundesarbeitsgericht)
Mitbestimmung bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern - Pflicht des Arbeitgebers zur Namensmitteilung
1 ABR 77/10 (Bundesarbeitsgericht)
Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bei der Anordnung von Arbeit während festgelegter Pausenzeiten
1 ABR 62/08 (Bundesarbeitsgericht)
Mitbestimmung bei Versetzungen - Vertragsstrafe zugunsten Dritter
1 ABR 45/18 (Bundesarbeitsgericht)
Mitbestimmung des Betriebsrats - Festlegung der Arbeitszeit - Einstellung von Leiharbeitnehmern - Umfang der Rechtskraft
1 ABR 121/09 (Bundesarbeitsgericht)
Unterlassungsanspruch - Mitbestimmung bei der Einführung von Ethikrichtlinien - Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats