Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.03.2010, Az. IX ZB 110/09

9. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8515

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Gegenstand

Insolvenzverfahren: Hilfsweise gestellter Insolvenz- und Restschuldbefreiungsantrag des Schuldners für den Fall der Zulässigkeit und Begründetheit des Gläubigerantrags


Leitsatz

Einem Schuldner ist es verwehrt, sich gegen den Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hauptsächlich mit dem Einwand zu verteidigen, der Antrag sei unzulässig oder unbegründet, und nur hilfsweise für den Fall, dass das Insolvenzgericht den Antrag des Gläubigers für zulässig und begründet hält, einen eigenen Insolvenzantrag verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 4. Mai 2009 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die weitere Beteiligte zu 1 (Gläubigerin) stellte am 7. März 2008 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. In der schriftlichen Anhörung zu diesem Antrag wies das Insolvenzgericht den Schuldner mit Verfügung vom 13. März 2008 auf die Möglichkeit hin, binnen drei Wochen ab Zustellung einen eigenen Insolvenzantrag verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen. Der Schuldner reagierte mit Schreiben vom 29. März 2008, in dem er das Vorliegen eines Insolvenzgrundes bestritt und im Übrigen Folgendes ausführte:

"Vorsorglich stelle ich Antrag auf Restschuldbefreiung. Für den Fall, dass das Gericht den Antrag für begründet erachtet, stelle ich einen eigenen Insolvenzantrag. In meinem Fall handelt es sich, wenn es überhaupt ein Fall ist, um eine Verbraucherinsolvenz. Deshalb bitte ich um Zusendung des besonderen Merkblattes. Da ich weniger als 20 Gläubiger habe und als Angestellter arbeite, erfülle ich die Voraussetzungen von § 304 [X.]. Deshalb bitte ich ggf. um Aussetzung des Verfahrens gemäß § 306 I [X.]."

2

Im weiteren Verlauf des Eröffnungsverfahrens holte das Insolvenzgericht ein Gutachten zu den Eröffnungsvoraussetzungen ein. Der Sachverständige kam hierin zu dem Ergebnis, dass Zahlungsunfähigkeit vorliege und aufgrund der Einzahlung eines [X.] durch die weitere Beteiligte zu 1 die Verfahrenseröffnung erfolgen könne. Mit Verfügung vom 17. Oktober 2008 übersandte das Insolvenzgericht das Gutachten dem Schuldner. Im Übersendungsschreiben wies es darauf hin, dass zwar nach dem Ergebnis des Gutachtens ein Eröffnungsgrund vorliege, eine Eröffnung aber nur im Fall der Einzahlung des Kostenvorschusses erfolge. Einige Tage später teilte der Sachverständige dem Gericht mit, dass der Kostenvorschuss schon am 14. Oktober 2008 eingezahlt worden sei. Mit [X.]uss vom 26. November 2008 hat das Insolvenzgericht das Verfahren auf Antrag der Gläubigerin eröffnet. Im Eröffnungsbeschluss hat es festgestellt, dass ein Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung nicht vorliege.

3

Eine sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Eröffnungsbeschluss, in der er auf seinen früher vorsorglich gestellten [X.] und den dort bedingt gestellten [X.] hingewiesen hat, hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seine Anträge auf Aussetzung des eröffneten Verfahrens zur Durchführung eines [X.]sverfahrens und Stellung eines Antrags auf Restschuldbefreiung weiter.

II.

4

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 34 Abs. 2, § 289 Abs. 2 Satz 1 [X.] statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO), bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Eine Aussetzung des Verfahrens, um dem Schuldner Gelegenheit zu geben, einen eigenen Insolvenzantrag zu stellen, kommt nicht in Betracht.

5

1. Das Beschwerdegericht meint, der Schuldner habe keinen zulässigen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, weil er auf den Hinweis des Insolvenzgerichts nach § 20 Abs. 2 [X.] in erster Linie beantragt habe, den Gläubigerantrag abzuweisen, nur "vorsorglich" einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt habe und einen eigenen Insolvenzantrag nur für den Fall, dass das Gericht den Antrag für begründet erachte. Ein nur bedingter oder befristeter Insolvenzantrag sei unzulässig. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Gläubiger den Antrag von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder der Schuldner ihn von der Stundung der Verfahrenskosten abhängig mache. Da ein zulässiger [X.] Sachentscheidungsvoraussetzung für einen zulässigen [X.] sei, müsse der nur vorsorglich gestellte Antrag auf Restschuldbefreiung als unzulässig angesehen werden.

6

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.

7

a) Als Prozesshandlungen sind Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich bedingungsfeindlich ([X.], 190, 194 Rn. 12; [X.] ZIP 2000, 2031, 2033; Graf-Schlicker/[X.], [X.] 2. Aufl. § 13 Rn. 2; HK-[X.]/Kirchhof, 5. Aufl. § 13 Rn. 4; HmbKomm-[X.]/Wehr, 3. Aufl. § 13 Rn. 4; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 13 Rn. 77; [X.] in Kübler/[X.], [X.] § 13 Rn. 71; [X.], [X.] 13. Aufl. § 13 Rn. 7). Zwar gilt auch für [X.] die weitere auf Prozesshandlungen allgemein anzuwendende Regel (vgl. [X.], 390, 398; [X.], [X.]. v. 11. Juli 1996 - [X.], [X.], 1516, 1521; v. 25. Februar 2003 - [X.], NJW-RR 2003, 1145, 1146; [X.]/[X.], ZPO 28. Aufl. § 253 Rn. 1; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO § 253 Rn. 2; Hk-ZPO/[X.], 3. Aufl. § 253 Rn. 4), dass sie an eine bloße innerprozessuale Bedingung geknüpft werden und deshalb hilfsweise für den Fall zur Entscheidung gestellt werden können, dass ein bestimmtes innerprozessuales Ereignis eintritt ([X.] aaO; Graf-Schlicker/[X.], aaO; HK-[X.]/Kirchhof aaO; [X.], aaO Rn. [X.]). Von einer solchen bloß innerprozessualen Bedingung, die etwa vorliegt, wenn der Antrag auf Verfahrenseröffnung an die Stundungsbewilligung geknüpft wird, ist aber nicht auszugehen, wenn der Schuldner den mit einem [X.] auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbundenen [X.] nur hilfsweise für den Fall stellt, dass das Insolvenzgericht den Antrag eines Gläubigers für zulässig und begründet hält. Ein Vorrangverhältnis, wie es innerhalb eines bestehenden [X.] bei einer eventuellen Klagehäufung dann als unbedenklich angesehen wird, wenn die Antragstellung vom Ergebnis der Sachentscheidung des Gerichts über den [X.] abhängig sein soll (vgl. [X.], [X.]. v. 16. Mai 1984 - [X.], NJW 1984, 2937, 2938), kommt zwischen verschiedenen [X.]n nicht in Betracht. Der Schuldner muss sich deshalb entscheiden, ob er dem Gläubigerantrag entgegentritt oder ob er sich dessen Antrag mit einem eigenen unbedingten Antrag anschließt. Er kann nicht in erster Linie geltend machen, gar nicht insolvent zu sein, und nur hilfsweise, für den Fall, dass das Insolvenzgericht die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens feststellt, einen eigenen Insolvenzantrag stellen. Es ist widersprüchlich und stellt keine bloße innerprozessuale Verknüpfung dar, wenn der Schuldner auf den Gläubigerantrag einwendet, ein Insolvenzgrund liege nicht vor, in zweiter Linie jedoch einen eigenen Antrag stellt, mit dem er vorträgt, ein Eröffnungsgrund sei doch gegeben, sofern das Insolvenzgericht den Gläubigerantrag für begründet erachte.

8

Über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners kann nur einheitlich entschieden werden; die Grundsätze des prozessualen Vorrangs sind nicht anwendbar ([X.] EWiR 2001, 537, 538 gegen [X.] aaO). Mehrere gleichzeitig anhängige [X.] sind spätestens mit Verfahrenseröffnung miteinander zu verbinden (HmbKomm-[X.]/Wehr, aaO § 13 Rn. 18; [X.] in Kübler/[X.], aaO § 13 Rn. 78); geschieht dies nicht, sind die übrigen Anträge, auf die keine Eröffnung erfolgt ist, für erledigt zu erklären ([X.], aaO § 13 Rn. 74). Anträge, über die mangels Verbindung nicht entschieden worden ist, werden unzulässig ([X.]Z 162, 181, 186; [X.], [X.]. v. 3. Juli 2008 - [X.], Z[X.] 2008, 924 Rn. 8).

9

b) Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Schuldner aufgrund eines Hinweises nach § 20 Abs. 2 [X.] vor die Wahl gestellt wird, entweder seine Einwendungen gegen den Gläubigerantrag zu verfolgen oder selbst einen [X.] zu stellen (vgl. zu dem Hinweis [X.]Z 162, 181, 183 ff; [X.], [X.]. v. 3. Juli 2008, aaO S. 925 Rn. 15 ff; v. 7. Mai 2009 - [X.], Z[X.] 2009, 1171, 1172 Rn. 6). Der Schuldner muss sich eindeutig entscheiden, ob er es auf die Entscheidung über den Antrag des Gläubigers ankommen lässt oder ob er von der Möglichkeit eines [X.]s Gebrauch macht. Im Hinblick darauf hat der Senat es abgelehnt, die knapp bemessene Ausschlussfrist des § 287 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf den [X.] zu übertragen. Dem Schuldner soll durch eine angemessene richterliche Frist, die im Bedarfsfall noch verlängert werden kann, ausreichend [X.] gegeben werden, den Rat eines Rechtsanwalts oder Wirtschaftsprüfers dazu einzuholen, ob er dem Gläubigerantrag entgegentreten oder sich diesem anschließen will, um Restschuldbefreiung zu erlangen ([X.]Z 162, 181, 185 f). Wenn der Schuldner den [X.] hilfsweise stellen könnte, wäre er dieses [X.] enthoben und es hätte für die Einräumung einer längeren Frist keine Notwendigkeit bestanden. Zu berücksichtigen ist weiterhin die vom Gesetz vorgesehene Verknüpfung zwischen dem [X.] und dem [X.]. Diese hat ihren Sinn darin, dass der Schuldner in seinem [X.] den Eröffnungsgrund einräumt und sich bereit erklärt, sein verbleibendes Vermögen den Gläubigern zur gemeinschaftlichen Befriedigung zur Verfügung zu stellen ([X.], [X.]. v. 8. Juli 2004 - [X.] 209/03, Z[X.] 2004, 974, 975 [X.]). Der Schuldner, der nur hilfsweise einen [X.] stellt, räumt gerade nicht den Eröffnungsgrund ein.

c) Hier erfüllten die Erklärungen des Schuldners in dem Schreiben vom 29. März 2008 nicht die Voraussetzungen eines unbedingt gestellten Insolvenzantrags. Er ließ ausdrücklich offen, ob die Voraussetzungen für ein Verbraucherinsolvenzverfahren gegeben waren. Das Insolvenzgericht hat im Eröffnungsbeschluss mit Recht festgestellt, ein Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung liege nicht vor. Weiterer gerichtlicher Hinweise bedurfte es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht, weil der Schuldner bereits unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hatte, keinen unbedingten Insolvenzantrag stellen zu wollen. Den Hinweis auf die bevorstehende Verfahrenseröffnung auf Antrag des Gläubigers erhielt der Schuldner, der zu diesem [X.]punkt noch mit einem [X.] hätte reagieren können (vgl. [X.], [X.]. v. 3. Juli 2008, aaO S. 925 Rn. 18), mit der Übersendung des Gutachtens.

2. Eine Aussetzung des Verfahrens, um dem Schuldner Gelegenheit zu geben, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Antrag des Gläubigers einen [X.] zu stellen, kam aus mehreren Gründen nicht in Betracht. Zum einen kann nach Verfahrenseröffnung kein zulässiger Eröffnungsantrag mehr gestellt werden ([X.], [X.]. v. 18. Mai 2005 - [X.] 189/03, [X.], 444; v. 3. Juli 2008 aaO [X.] Rn. 8). Zum anderen sind die Vorschriften über die Aussetzung im Insolvenzverfahren unanwendbar ([X.], [X.]. v. 27. Juli 2006 - [X.] 15/06, [X.], 642; v. 14. Januar 2010 - [X.] 72/08; MünchKomm-[X.]/Ganter, aaO § 4 Rn. 15; I. [X.]/[X.], aaO § 4 Rn. 2). Auch für die Anwendung des § 306 Abs. 1 Satz 1 [X.] war nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Raum mehr.

Ganter     

        

Raebel     

        

Kayser

        

[X.]     

        

Grupp     

        

Meta

IX ZB 110/09

11.03.2010

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Köln, 4. Mai 2009, Az: 1 T 106/09, Beschluss

§ 13 InsO, § 20 Abs 2 InsO, § 287 Abs 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.03.2010, Az. IX ZB 110/09 (REWIS RS 2010, 8515)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8515

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