Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.03.2010, Az. IX ZB 110/09

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8549

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[X.]BESCHLUSS [X.]/09 vom 11. März 2010 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja[X.] §§ 13, 20 Abs. 2, § 287 Abs. 1 Einem Schuldner ist es verwehrt, sich gegen den Antrag eines Gläubigers auf Eröff-nung des Insolvenzverfahrens hauptsächlich mit dem Einwand zu verteidigen, der Antrag sei unzulässig oder unbegründet, und nur hilfsweise für den Fall, dass das Insolvenzgericht den Antrag des Gläubigers für zulässig und begründet hält, einen eigenen Insolvenzantrag verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen. [X.], [X.]uss vom 11. März 2010 - [X.]/09 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Ganter und [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und [X.] am 11. März 2010 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 4. Mai 2009 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 5.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Die weitere Beteiligte zu 1 (Gläubigerin) stellte am 7. März 2008 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. In der schriftlichen Anhörung zu diesem Antrag wies das Insolvenzgericht den Schuldner mit Verfügung vom 13. März 2008 auf die Möglichkeit hin, binnen drei Wochen ab Zustellung einen eigenen Insolvenzantrag verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen. Der Schuldner reagierte mit [X.] vom 29. März 2008, in dem er das Vorliegen eines Insolvenzgrundes bestritt und im Übrigen Folgendes ausführte: 1 - 3 - "Vorsorglich stelle ich Antrag auf Restschuldbefreiung. Für den Fall, dass das Gericht den Antrag für begründet erachtet, stelle ich einen eigenen Insolvenzantrag. In meinem Fall handelt es sich, wenn es über-haupt ein Fall ist, um eine Verbraucherinsolvenz. Deshalb bitte ich um Zusendung des besonderen Merkblattes. Da ich weniger als 20 Gläubi-ger habe und als Angestellter arbeite, erfülle ich die Voraussetzungen von § 304 [X.]. Deshalb bitte ich ggf. um Aussetzung des Verfahrens gemäß § 306 I [X.]." Im weiteren Verlauf des Eröffnungsverfahrens holte das Insolvenzgericht ein Gutachten zu den Eröffnungsvoraussetzungen ein. Der Sachverständige kam hierin zu dem Ergebnis, dass Zahlungsunfähigkeit vorliege und aufgrund der Einzahlung eines [X.] durch die weitere Beteiligte zu 1 die Verfahrenseröffnung erfolgen könne. Mit Verfügung vom 17. Oktober 2008 übersandte das Insolvenzgericht das Gutachten dem Schuldner. Im Über-sendungsschreiben wies es darauf hin, dass zwar nach dem Ergebnis des Gut-achtens ein Eröffnungsgrund vorliege, eine Eröffnung aber nur im Fall der [X.] erfolge. Einige Tage später teilte der Sachver-ständige dem Gericht mit, dass der Kostenvorschuss schon am 14. Oktober 2008 eingezahlt worden sei. Mit [X.]uss vom 26. November 2008 hat das Insolvenzgericht das Verfahren auf Antrag der Gläubigerin eröffnet. Im [X.] hat es festgestellt, dass ein Antrag des Schuldners auf Rest-schuldbefreiung nicht vorliege. 2 Eine sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Eröffnungsbe-schluss, in der er auf seinen früher vorsorglich gestellten Restschuldbefrei-ungsantrag und den dort bedingt gestellten Eigenantrag hingewiesen hat, hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seine Anträge auf Aussetzung des eröffneten Verfahrens zur Durchführung eines [X.] und Stellung eines Antrags auf Restschuldbefreiung [X.]. 3 - 4 - I[X.] Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 34 Abs. 2, § 289 Abs. 2 Satz 1 [X.] statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO), bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Eine Aussetzung des [X.], um dem Schuldner Gelegenheit zu geben, einen eigenen Insolvenzan-trag zu stellen, kommt nicht in Betracht. 4 1. Das Beschwerdegericht meint, der Schuldner habe keinen zulässigen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, weil er auf den Hinweis des Insolvenz-gerichts nach § 20 Abs. 2 [X.] in erster Linie beantragt habe, den Gläubigeran-trag abzuweisen, nur "vorsorglich" einen Antrag auf Restschuldbefreiung ge-stellt habe und einen eigenen Insolvenzantrag nur für den Fall, dass das [X.] den Antrag für begründet erachte. Ein nur bedingter oder befristeter Insol-venzantrag sei unzulässig. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Gläubiger den Antrag von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder der Schuldner ihn von der Stundung der Verfahrenskosten abhängig mache. Da ein zulässiger Eigenantrag Sachentscheidungsvoraussetzung für einen zulässigen [X.] sei, müsse der nur vorsorglich gestellte Antrag auf Restschuldbefreiung als unzulässig angesehen werden. 5 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand. 6 a) Als Prozesshandlungen sind Anträge auf Eröffnung des Insolvenzver-fahrens nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich bedingungsfeindlich ([X.] 167, 190, 194 Rn. 12; [X.] ZIP 2000, 2031, 2033; Graf-Schlicker/ [X.], [X.] 2. Aufl. § 13 Rn. 2; HK-[X.]/Kirchhof, 5. Aufl. § 13 Rn. 4; HmbKomm-[X.]/Wehr, 3. Aufl. § 13 Rn. 4; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 13 Rn. 77; [X.] in Kübler/[X.], [X.] § 13 Rn. 71; 7 - 5 - [X.], [X.] 13. Aufl. § 13 Rn. 7). Zwar gilt auch für [X.] die weitere auf Prozesshandlungen allgemein anzuwendende Regel (vgl. [X.] 132, 390, 398; [X.], [X.]. v. 11. Juli 1996 - [X.] ZR 226/94, [X.], 1516, 1521; v. 25. Februar 2003 - [X.] ZR 240/00, NJW-RR 2003, 1145, 1146; [X.]/[X.], ZPO 28. Aufl. § 253 Rn. 1; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO § 253 Rn. 2; Hk-ZPO/[X.], 3. Aufl. § 253 Rn. 4), dass sie an eine bloße innerprozessuale Bedingung geknüpft werden und deshalb hilfsweise für den Fall zur Entschei-dung gestellt werden können, dass ein bestimmtes innerprozessuales Ereignis eintritt ([X.] aaO; Graf-Schlicker/[X.], aaO; HK-[X.]/Kirchhof aaO; [X.], aaO Rn. [X.]). Von einer solchen bloß innerprozessualen Bedingung, die etwa vorliegt, wenn der Antrag auf Verfahrenseröffnung an die [X.] geknüpft wird, ist aber nicht auszugehen, wenn der Schuldner den mit einem Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbundenen [X.] nur hilfsweise für den Fall stellt, dass das Insolvenzge-richt den Antrag eines Gläubigers für zulässig und begründet hält. Ein Vorrang-verhältnis, wie es innerhalb eines bestehenden [X.] bei einer eventuellen Klagehäufung dann als unbedenklich angesehen wird, wenn die Antragstellung vom Ergebnis der Sachentscheidung des Gerichts über den [X.] abhängig sein soll (vgl. [X.], [X.]. v. 16. Mai 1984 - [X.], NJW 1984, 2937, 2938), kommt zwischen verschiedenen Insolvenzan-trägen nicht in Betracht. Der Schuldner muss sich deshalb entscheiden, ob er dem Gläubigerantrag entgegentritt oder ob er sich dessen Antrag mit einem eigenen unbedingten Antrag anschließt. Er kann nicht in erster Linie geltend machen, gar nicht insolvent zu sein, und nur hilfsweise, für den Fall, dass das Insolvenzgericht die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfah-rens feststellt, einen eigenen Insolvenzantrag stellen. Es ist widersprüchlich und stellt keine bloße innerprozessuale Verknüpfung dar, wenn der Schuldner auf den Gläubigerantrag einwendet, ein Insolvenzgrund liege nicht vor, in zweiter - 6 - Linie jedoch einen eigenen Antrag stellt, mit dem er vorträgt, ein [X.] sei doch gegeben, sofern das Insolvenzgericht den Gläubigerantrag für begründet erachte. Über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners kann nur einheitlich entschieden werden; die Grundsätze des pro-zessualen Vorrangs sind nicht anwendbar ([X.] EWiR 2001, 537, 538 gegen [X.] aaO). Mehrere gleichzeitig anhängige [X.] sind [X.] mit Verfahrenseröffnung miteinander zu verbinden (HmbKomm-[X.]/ Wehr, aaO § 13 Rn. 18; [X.] in Kübler/[X.], aaO § 13 Rn. 78); ge-schieht dies nicht, sind die übrigen Anträge, auf die keine Eröffnung erfolgt ist, für erledigt zu erklären ([X.], aaO § 13 Rn. 74). Anträge, über die man-gels Verbindung nicht entschieden worden ist, werden unzulässig ([X.] 162, 181, 186; [X.], [X.]. v. 3. Juli 2008 - [X.] ZB 182/07, Z[X.] 2008, 924 Rn. 8). 8 b) Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Schuldner aufgrund eines Hinweises nach § 20 Abs. 2 [X.] vor die Wahl gestellt wird, entweder seine Einwendungen gegen den Gläubigerantrag zu verfolgen oder selbst einen Ei-genantrag zu stellen (vgl. zu dem Hinweis [X.] 162, 181, 183 ff; [X.], [X.]. v. 3. Juli 2008, aaO S. 925 Rn. 15 ff; v. 7. Mai 2009 - [X.] ZB 202/07, Z[X.] 2009, 1171, 1172 Rn. 6). Der Schuldner muss sich eindeutig entscheiden, ob er es auf die Entscheidung über den Antrag des Gläubigers ankommen lässt oder ob er von der Möglichkeit eines Eigenantrags Gebrauch macht. Im Hinblick [X.] hat der Senat es abgelehnt, die knapp bemessene Ausschlussfrist des § 287 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf den Eigenantrag zu übertragen. Dem Schuldner soll durch eine angemessene richterliche Frist, die im Bedarfsfall noch verlän-gert werden kann, ausreichend [X.] gegeben werden, den Rat eines Rechtsan-walts oder Wirtschaftsprüfers dazu einzuholen, ob er dem Gläubigerantrag ent-9 - 7 - gegentreten oder sich diesem anschließen will, um Restschuldbefreiung zu er-langen ([X.] 162, 181, 185 f). Wenn der Schuldner den Eigenantrag [X.] stellen könnte, wäre er dieses [X.] enthoben und es hätte für die Einräumung einer längeren Frist keine Notwendigkeit bestanden. Zu be-rücksichtigen ist weiterhin die vom Gesetz vorgesehene Verknüpfung zwischen dem [X.] und dem [X.]. Diese hat ihren Sinn darin, dass der Schuldner in seinem Eigenantrag den [X.] einräumt und sich bereit erklärt, sein verbleibendes Vermögen den Gläu-bigern zur gemeinschaftlichen Befriedigung zur Verfügung zu stellen ([X.], [X.]. v. 8. Juli 2004 - [X.] ZB 209/03, Z[X.] 2004, 974, 975 [X.]). Der Schuldner, der nur hilfsweise einen Eigenantrag stellt, räumt gerade nicht den Eröffnungsgrund ein. c) Hier erfüllten die Erklärungen des Schuldners in dem Schreiben vom 29. März 2008 nicht die Voraussetzungen eines unbedingt gestellten [X.]. Er ließ ausdrücklich offen, ob die Voraussetzungen für ein Verbrau-cherinsolvenzverfahren gegeben waren. Das Insolvenzgericht hat im [X.] mit Recht festgestellt, ein Antrag des Schuldners auf Rest-schuldbefreiung liege nicht vor. Weiterer gerichtlicher Hinweise bedurfte es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht, weil der Schuldner bereits unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hatte, keinen unbedingten Insolvenzantrag stellen zu wollen. Den Hinweis auf die bevorstehende Verfah-renseröffnung auf Antrag des Gläubigers erhielt der Schuldner, der zu diesem [X.]punkt noch mit einem Eigenantrag hätte reagieren können (vgl. [X.], [X.]. v. 3. Juli 2008, aaO S. 925 Rn. 18), mit der Übersendung des Gutach-tens. 10 - 8 - 2. Eine Aussetzung des Verfahrens, um dem Schuldner Gelegenheit zu geben, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Antrag des Gläubigers ei-nen Eigenantrag zu stellen, kam aus mehreren Gründen nicht in Betracht. Zum einen kann nach Verfahrenseröffnung kein zulässiger Eröffnungsantrag mehr gestellt werden ([X.], [X.]. v. 18. Mai 2005 - [X.] ZB 189/03, [X.], 444; v. 3. Juli 2008 aaO [X.] Rn. 8). Zum anderen sind die Vorschriften über die Aussetzung im Insolvenzverfahren unanwendbar ([X.], [X.]. v. 27. Juli 2006 - [X.] ZB 15/06, [X.], 642; v. 14. Januar 2010 - [X.] ZB 72/08; MünchKomm-[X.]/Ganter, aaO § 4 Rn. 15; [X.] [X.]/[X.], aaO § 4 Rn. 2). Auch für die Anwendung des § 306 Abs. 1 Satz 1 [X.] war nach Eröffnung des [X.] kein Raum mehr. 11 Ganter Raebel [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 26.11.2008 - 75 IN 113/08 - [X.], Entscheidung vom [X.]/09 -

Meta

IX ZB 110/09

11.03.2010

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.03.2010, Az. IX ZB 110/09 (REWIS RS 2010, 8549)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8549

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