Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.02.2002, Az. 1 StR 5/02

1. Strafsenat | REWIS RS 2002, 4517

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Nachschlagewer[X.]: ja[X.]St: neinVeröffentlichung: ja______________________StPO § 244 Abs. 2Hält der Tatrichter zur Beurteilung der Glaubhaftig[X.]eit der Angaben eines [X.] die Zuziehung eines Sachverständigen für geboten, wird er sich der [X.] Psychologen bedienen, wenn "normalpsychologische" [X.] und Den[X.]prozesse in Rede stehen. Das gilt auch für den Fall in-telle[X.]tueller Minderleistung eines Zeugen. Der besonderen Sach[X.]unde [X.] bedarf es allenfalls dann, wenn die Zeugentüchtig[X.]eit dadurch [X.] gestellt ist, daß der Zeuge an einer geistigen Er[X.]ran[X.]ung leidet odersonst Hinweise darauf vorliegen, daß die Zeugentüchtig[X.]eit durch a[X.]tuelle [X.] Ursachen beeinträchtigt sein [X.]ann.[X.], Beschluß vom 19. Februar 2002 - 1 StR 5/02 - [X.]/02vom19. Februar 2002in der [X.] -wegensexuellen Miûbrauchs von Kindern u.a.- 3 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 19. Februar 2002 gemû§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:Die Revision des Ange[X.]lagten gegen das Urteil des [X.] vom 10. O[X.]tober 2001 wird mit der [X.] als unbe-grt verworfen, [X.] der Aussprucr die [X.] im Urteil des [X.] vom 5. Mrz 1998 an-geordneten Maûregel hinsichtlich der Sperrfrist fr die [X.] neuen Fahrerlaubnis entfllt.Der Beschwerdefrer hat die Kosten seines Rechtsmittels unddie der Neben[X.]lrin im Revisionsverfahren entstandenen not-wendigen Auslagen zu tragen.[X.]:Das [X.] hat den Ange[X.]lagten wegen sexuellen Miûbrauchs [X.] in sechs Fllen, in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung, unterEinbeziehung der Strafe aus dem Urteil des [X.] vom5. Mrz 1998 zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, ihn im b-rigen freigesprochen und die im Urteil des [X.] ausgespro-chene Maûregel aufrechterhalten. Die hiergegen gerichtete Revision des [X.] bleibt im wesentlichen ohne Erfolg.- 4 -1. Die [X.]. Das [X.] war nicht ge-halten, zur Beurteilung der Glaubwrdig[X.]eit der Gescigten und der Glaub-haftig[X.]eit ihrer Aussage neben der psychologischen [X.] nocheinen weiteren, psychiatrischen [X.] hinzuziehen, um ihrer Auf-[X.]lrungspflicht z(§ 244 Abs. 2 StPO).Die Revision hebt darauf ab, [X.] die Gescigte als sog. Frrtmit Herzproblemen und Wassersucht zur Welt [X.]am und geistig behindert ist.Sie hatte "im Zusammenhang mit den Geburtsumst" einen Herzfehlerund eine Hirnblutung ([X.], 17). Das [X.] hat sich der Hilfe eineraussagepsychologischen [X.] bedient, die die inzwischen17jrige Gescigte exploriert hat und auch auf die Angaben der Mutter zuLebenslauf, Persönlich[X.]eit und Kran[X.]heitsgeschichte zurc[X.]greifen [X.]onnte. [X.] zu dem Ergebnis ge[X.]ommen, [X.] die Gescigte [X.]örperlich altersgerechtentwic[X.]elt sei, hinsichtlich Ort, Zeit und Situation der Befragung [X.]eine [X.] hatte und r eine gute Konzentrationsfig[X.]eit verf, [X.] als geistig behindert einzustufen sei. Bei dem [X.] habe [X.] sehr schlechtes Ergebnis erzielt; Lesen und Schreiben habe sie in [X.] erlernt, verfir ein vergleichsweise gutes Frageverstisund einen recht guten Wortschatz. Hinsichtlich ihres schluûfolgernden [X.] sei ihre Leistungsfig[X.]eit als sehr begrenzt anzusehen und im [X.] mit der eines Klein[X.]indes vergleichbar. Hieraus resultiere insofern eineVerminderung ihrer Aussagetchtig[X.]eit, als die Eindeutig[X.]eit ihrer Äuûerungendurch intelle[X.]tuelle und sprachliche Schwchen beeintrchtigt werde. [X.] [X.]önne aufgrund festgestellter Einprs- und Erinnerungsschwchennicht von der [X.] ihrer jeweiligen [X.] werden. Trotz dieser gravierenden Einschr[X.]ungen [X.]önne ihr nicht [X.] abgesprochen werden. Sofern sie sich an [X.] 5 -lebnisse habe erinnern [X.], habe sie diese inhaltlich sehr verlûlich wie-dergegeben; sie sei nicht suggestibel und neige nicht zum Fabulieren. Ange-sichts der erheblichen Begabungsschwchen seien die Mlich[X.]eiten der Zeu-gin zum erfolgreichen Erfinden oder Verflschen von Aussagen auf ein Mini-mum reduziert. Gleiches gelte fr eine etwaige Übernahme von Inhalten, dienur durch Gesprche oder durch die Medien vermittelt worden seien.Auf der [X.]undlage einer umfangreichen und grlichen Wrdigung[X.]ommt die Straf[X.]ammer danach zu dem Ergebnis, [X.] die Angaben der [X.] glaubhaft seien.Bei dieser Sachlage war das Tatgericht nicht gezwungen, von sich aus,ohne Antrag der Verfahrensbeteiligten oder Anregung der psychologischen[X.], noch einen Psychiater hinzuzuziehen. Hlt der Tatrichterzur Beurteilung der Glaubwrdig[X.]eit eines Zeugen und der Glaubhaftig[X.]eit sei-ner Angaben die Zuziehung eines [X.] fr geboten, wird er sichder Hilfe eines forensisch erfahrenen Psychologen bedienen, wenn finor-malpsychologischefl Wahrnehmungs-, Gchtnis- und Den[X.]prozesse in [X.]. Das gilt auch fr den Fall intelle[X.]tueller Minderleistung eines Zeugen.Der besonderen Sach[X.]unde eines Psychiaters bedarf es allenfalls dann, wenndie Zeugentchtig[X.]eit dadurch in Frage gestellt ist, [X.] der Zeuge an einergeistigen Er[X.]ran[X.]ung leidet oder sonst Hinweise darauf vorliegen, [X.] dieZeugentchtig[X.]eit durch a[X.]tuelle psychopathologische Ursachen beeintrchtigtsein [X.]ann. Die Beurteilung solcher [X.]ran[X.]hafter Zustsetzt besondere me-dizinische Fach[X.]enntnisse voraus (vgl. [X.]St 23, 8, 12 f.; [X.]R StPO § 244Abs. 4 Satz 1 Glaubwrdig[X.]eitsgutachten 4; Steller/[X.], Praxis derRechtspsychologie, Sonderheft 1, November 2000, [X.], 112 ff.). Nach den[X.]steht [X.]ein Anhalt dafr, [X.] die Gescigte im [X.] 6 -oder ster, insbesondere zum Zeitpun[X.]t der Hauptverhandlung, an einer a[X.]-tuellen geistigen Er[X.]ran[X.]ung gelitten haben [X.]te, die Auswir[X.]ungen auf ihreZeugentchtig[X.]eit tte haben [X.]. Die [X.]ran[X.]heitswertigen Umst, [X.] die Revision abhebt, u.a. die Hirnblutung, lagen nach den getroffenen [X.] der Zeugin vor ([X.]). Der Senat entnimmt demZusammenhang der [X.], [X.] sie zu einer dauerhaften Scigungder Zeugin gefrt haben, die sich u.a. in einer [X.] manife-stiert hat. Aus dem Urteil ergibt sich nicht, [X.] dies auf dem weiteren [X.] der Zeugin - bis zu ihrem 17. Lebensjahr - zu irgendwelchen weiterenAuffllig[X.]eiten gefrt tte, welche sich auf einen a[X.]tuellen [X.] zurc[X.]fren lieûen. Das [X.] [X.]onnte deshalb nach [X.] Werdegangs der Zeugin davon ausgehen, [X.] dirte [X.] ihr Gutachtr finormalpsychologischefl Wahrnehmungs-, Gchtnis-und Den[X.]prozesse zu erstatten und nicht a[X.]tuelle psychopathologische Frage-stellungen zu beurteilen hatte (vgl. zum [X.]enzbereich: [X.]St 23, 8, 15; Stel-ler/[X.] aaO). [X.] stand hier nicht die Schuldfig[X.]eit eines Ange-[X.]lagten, sondern die Glaubhaftig[X.]eit der [X.]on[X.]reten Aussage einer Zeugin inRede. Die Auffassung der Revision liefe darauf hinaus, geistig behinderte [X.], deren dauerhafte Beeintrchtigung auf einen in der Vergangenheit [X.], abgeschlossenen hirnorganischen Prozeû zurc[X.]geht, stets auch psych-iatrisch und gegebenenfalls nicht nur aussagepsychologisch begutachten zulassen. Das verlangt die Auf[X.]lrungspflicht nicht. Vielmehr ist das stets eineFrage des Einzelfalles und der jeweiligen Umst.Im vorliegenden Fall war bei der Bestimmung des [X.] der von Amtswegen gebotenen Auf[X.]lrungsbemweiter zu berc[X.]sichtigen, [X.] dieAussage der Gescigten in einem ersichtlich bedeutsamen Teil durch einanderes Beweismittel besttigt worden war. Der Zeuge [X.], Halbbruder der- 7 -Gescigten, hatte Einzelheiten zum Geschehensrahmen einer der Tatenbe[X.]undet, die mit den Angaben der Gescigten in stimmigem Ein[X.]lang ste-hen.All dem entspricht, [X.] auch sonst [X.]ein Verfahrensbeteiligter einen[X.]und gesehen hat, die Hinzuziehung eines Psychiaters zu [X.] Gegen Schuld- und Strafausspruch ist auch aus sachlich-rechtlichen[X.]ichts zu erinnern (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Bildung der [X.], die grundstzlich Sache des Tatrichters ist und [X.]einer ins einzelnegehenden [X.] Richtig[X.]eits[X.]ontrolle unterliegt, ist frei [X.] [X.]ann die Aufrechterhaltung des im Urteil des [X.] vom 5. Mrz 1998 enthaltenen Maûregelausspruchs nicht uneinge-schr[X.]t Bestand haben. Im Hinblic[X.] auf den in den [X.]rgeleg-ten Zeitablauf muû der Ausspruch hinsichtlich der angeordneten Sperrfrist frdie Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis entfallen; diese hat sich [X.] erledigt. Aufrechtzuerhalten ist lediglich die Anorr [X.] der Fahrerlaubnis (vgl. [X.] StV 1983, 14; NStZ 1996, 433).Scfer Nac[X.] Boetticher Schluc[X.]ebier Hebenstreit

Meta

1 StR 5/02

19.02.2002

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.02.2002, Az. 1 StR 5/02 (REWIS RS 2002, 4517)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 4517

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