Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.06.2000, Az. I ZR 193/98

I. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 1939

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[X.] DES VOLKESURTEILI ZR 193/98Verkündet am:15. Juni 2000FühringerJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.] 2 -Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 15. Juni 2000 durch [X.] Dr. Erdmannund [X.], [X.], [X.] und Raebelfür Recht erkannt:Auf die Revision der Beklagten wird das [X.]eil des [X.], Kammer 16 für Handelssachen, vom 17. Juli 1998 ab-geändert.Die Klage wird abgewiesen.Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.Von Rechts [X.]:Die Beklagte betreibt Kaufhäuser, in denen sie auch Leistungen [X.] anbietet. Sie ließ Mitte Dezember 1996 vor dem Hinter-grund des Beitragsentlastungsgesetzes vom 1. November 1996, nach dem [X.] der gesetzlichen Krankenkassen an [X.] mit Ab-lauf des 31. Dezember 1996 wegfiel, bundesweit nachstehende Anzeige er-scheinen:- 3 -- 4 -Die Beklagte richtete darüber hinaus im Dezember 1996 bundesweit einInformationsschreiben an niedergelassene Augenärzte, in dem sie unter Be-zugnahme auf die bevorstehende Leistungsänderung der gesetzlichen Kran-kenkassen gegenüber den gesetzlich Versicherten erklärte:"Bei Vorlage einer Verordnung für 2 Brillengläser liefert die [X.]-Augenoptik nach wie vor eine komplette Brille. Das heißt also- auf Kundenwunsch zuzahlungsfrei - zwei Gläser und eine Bril-lenfassung aus unserem [X.]-Sortiment."Anfang 1997, nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung, verhielt sich [X.] gegenüber ihren Kunden wie werblich angekündigt.Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren [X.], hat die vorstehende Werbeaussage, das genannte Informations-schreiben und das werbungsgemäße Verhalten der Beklagten beanstandet [X.] auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Klägerin geht von einer [X.] Abgabe von Brillenfassungen an Mitglieder gesetzlicher Kranken-kassen aus und sieht hierin zum einen eine unzulässige Zugabe zu den [X.], zum anderen in der angegriffenen Werbung einen Fall des übertriebe-nen, wettbewerbswidrigen Anlockens. Die Klägerin meint, daß die [X.] des [X.] zum 1. Januar 1997 dazuführe, den Brillenerwerb durch [X.] in ein gegenständlich vomFestpreis der Krankenkassen begrenztes Hauptgeschäft über den Erwerb unddas Einschleifen der Brillengläser und ein weiteres Geschäft über den [X.] -Die Klägerin hat beantragt,die Beklagte unter Androhung von [X.] zu verurteilen, es zuunterlassen,1. unter der Headline "[X.] bleibt beim [X.]" und/oder"[X.] bleibt auch ... (es folgt Jahreszahl) beim [X.]" mitder Angabe zu werben oder durch Augenärzte werben zu [X.]) "Für Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen ist bei [X.] von 2 Brillengläsern eine Brillenfassung aus unserem[X.]-Sortiment im Festbetrag enthalten" und/oder b) "Bei Vorlage einer Verordnung für 2 Brillengläser liefert die[X.]-Augenoptik nach wie vor eine komplette Brille. [X.] also - auf Kundenwunsch zuzahlungsfrei - zwei Gläserund eine Brillenfassung aus unserem [X.]-Sortiment"und/oder1. Brillen, bestehend aus Fassung und handwerklich eingearbeitetenGläsern, an den Kunden, ohne ihm die Fassung gesondert zu [X.], abzugeben.Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß [X.] 6 -Mit der ([X.] verfolgt die Beklagte ihren [X.] weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.Entscheidungsgründe:Die nach § 566a ZPO zulässige Sprungrevision hat Erfolg. Die Klage istunbegründet.[X.] Das [X.] hat in der beanstandeten Anzeigenwerbung, der ge-nannten [X.] und der Abgabe der so beworbenen Brillen einen [X.] gegen die Zugabeverordnung gesehen. Dazu hat es ausgeführt:Entgegen der Auffassung der Beklagten sei nach der [X.] das Tatbestandsmerkmal einer neben der Ware ange-kündigten und gewährten besonderen Leistung erfüllt. Hauptgeschäft sei [X.] - entsprechend der den Versicherten bekannten Leistungsbeschrän-kung - der Erwerb von zwei Brillengläsern gegen entsprechende Vorlage einerVerordnung. Die Beklagte bewerbe und gewähre demnach neben der durch [X.] der Brillengläser erbrachten Leistung Brillenfassungen ohne beson-dere Berechnung und nur im Zusammenhang mit dem Erwerb der Gläser. [X.] Angebot der Beklagten sei geeignet, Kunden zum Abschluß eines Ge-schäfts gerade mit ihr zu bewegen; denn nur in diesem Fall seien für einenKunden die Kosten einer Brillenfassung vermeidbar, die er bei deren Erwerb inanderen Optikergeschäften nach der Kostenschätzung zu tragen [X.] -Mit diesen Erwägungen kann das landgerichtliche [X.]eil nicht [X.] bleiben; denn das Unterlassungsbegehren der Klägerin gegen die [X.] findet in § 2 i.V. mit § 1 [X.] keine Stütze.1. Eine Zugabe liegt vor, wenn eine Leistung ohne besondere Berech-nung neben einer entgeltlich angebotenen Hauptware gewährt wird, der Erwerbder Nebenleistung vom Abschluß des Geschäfts über die Hauptware abhängigist und dabei in der Weise ein innerer Zusammenhang besteht, daß die Ne-benleistung mit Rücksicht auf den Erwerb der Hauptware gewährt wird und [X.] wegen dieser Abhängigkeit objektiv geeignet ist, den Kunden in seinerEntschließung zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen. Eine Zugabe kanndanach immer nur eine von der Hauptware verschiedene, zusätzlich in [X.] gestellte oder gewährte Nebenleistung sein. Werden dagegen die beidenin Rede stehenden Waren oder Leistungen vom Verkehr als eine Einheit ange-sehen, ist eine Zugabe begrifflich ausgeschlossen (st. Rspr.; [X.], 368,371 f. - Handy für 0,00 DM, m.w.N.). Dies hat das [X.] nicht verkannt.2. Das [X.] hat angenommen, der angesprochene Verkehr ver-stehe die streitgegenständliche Werbung dahin, daß die Gläser die Hauptwareund die Brillenfassung eine von dieser verschiedene Nebenware sei. [X.] liegt nicht allein auf tatsächlichem Gebiet, sondern beruht offensicht-lich auf einem bestimmten Verständnis des einschlägigen [X.]. Die Schlußfolgerung, die das [X.] hieraus zieht, steht nicht imEinklang mit der Lebenserfahrung und ist als Fehler des materiellen Rechtsauch im Verfahren der Sprungrevision (§ 566a Abs. 3 Satz 2 ZPO) zu berück-sichtigen (vgl. [X.], 101, 104 - [X.] Stollen I; [X.], [X.]. v. 10.7.1997- I ZR 201/95, [X.], 486, 487 = [X.], 301 - Geburtstags-Angebot). Der hier maßgebende Letztverbraucher wertet den Gegenstand der- 8 -angegriffenen Werbung als ein einheitliches Angebot. Der Senat hat in [X.] vom 28. November 1996 "Brillenpreise II" ([X.], GRUR 1997,767, 770 = [X.], 735) - in anderem rechtlichen Zusammenhang - bereitsentschieden, daß die sozialversicherungsrechtliche Leistungsabgeltung [X.] in ihrer unterschiedlichen Eintrittspflicht für Gläser einerseits, Bril-lenfassungen andererseits, die Verkehrsauffassung nicht präge. Daran hat [X.] durch das Beitragsentlastungsgesetz vom 1. November 1996 ([X.] [X.]. 1631) nichts geändert. Schon mit dem Gesundheitsreformgesetz vom20. Dezember 1988 ([X.] I S. 2477) ist nach der sozialversicherungsrechtli-chen Leistungsseite die einheitliche Ware Brille aus [X.] ihren Hauptbestandteilen unterschiedlich behandelt worden (anders noch§ 182 Abs. 1 Nr. 1b, § 182a Satz 1c, § 182g RVO), auch mit dem Ziel, bei [X.] dem Wettbewerb durch das Zuschußsystem mehr Raum zu ge-ben. Es ist vom [X.] nicht festgestellt worden und auch nicht ersichtlich,daß die zum 1. Januar 1997 durch die weitere Leistungsbeschränkung lediglichvertiefte sozialversicherungsrechtliche Differenzierung das Verkehrsverständ-nis beeinflußt (vgl. auch [X.], [X.]. [X.], [X.]. S. 7- [X.], zur [X.] bestimmt; OLG Frankfurt [X.], 951,953). Der Hinweis auf die sozialversicherungsrechtliche Leistungsseite im [X.] der Bildmontage der beanstandeten Anzeige ist kein Ausdruck einer Auf-spaltung des beworbenen einheitlichen Angebotes, sondern konkretisiert die-ses nur.I[X.] Das angefochtene [X.]eil läßt sich auch nicht mit anderer Begründungaufrechterhalten (§ 563 ZPO).1. Ein Verstoß gegen § 1 UWG durch ein verdecktes Koppelungsange-bot scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte hier nicht mehrere [X.] 9 -ren rechtlich zu einem Gesamtangebot verbunden, sondern nur eine, aus un-selbständigen Bestandteilen zusammengesetzte Hauptware so beworben undfeilgeboten hat.2. Das [X.] hat von seinem Standpunkt aus folgerichtig die [X.] offengelassen, ob die beanstandeten Handlungen der Beklagten als über-triebenes Anlocken nach § 1 UWG zu untersagen sind. Auch das ist jedochentgegen der vom [X.] ([X.], 374) im vorausge-gangenen Verfügungsverfahren vertretenen Auffassung zu verneinen; denn dieangegriffene Werbung der Beklagten ist nicht geeignet, in übertriebener, [X.] Weise Kunden anzulocken (ebenso bereits [X.], [X.]. v. 13.1.2000- I ZR 271/97, [X.]. S. 8 f. - [X.]).a) Die Anlockwirkung, die von einem attraktiven Angebot ausgeht, istgrundsätzlich nicht wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des [X.]. Ein wettbewerbswidriger Anlockeffekt kann erst durch den [X.] zusätzlicher, unsachlicher Mittel entstehen. Kennzeichen solcher Mittel ist,daß sie nicht Preiswürdigkeit oder Qualität des Angebotes steigern, [X.] von einer preis- und qualitätsbewußten Prüfung verschiedener [X.] durch werbendes Herausstellen [X.] Vergünstigungen [X.] ([X.], [X.]. v. 28.4.1994 - I ZR 68/92, [X.], 743, 745 = WRP1994, 610 - Zinsgünstige [X.] durch [X.]; [X.]. v.25.9.1997 - [X.], [X.], 500, 502 = [X.], 388 - Skibin-dungsmontage; [X.], 368, 375 - Handy für 0,00 DM).b) Mit Recht wendet sich die Revision gegen den Vorwurf der Klägerin,daß die beanstandete Werbung der Beklagten für den zuzahlungsfreien Er-werb von Brillen durch Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen mit [X.] 10 -sungen aus einem für diesen Zweck vorgehaltenen Sortiment sich eines zu-sätzlichen, unsachlichen Anreizes bediene. Auch der Annahme einer lei-stungsfremden Vergünstigung als Lockmittel steht bereits entgegen, daß [X.] angegriffene Werbeaussage ebenso wie die ältere [X.]-Werbung desAugenoptikerhandwerkes auf die Lieferung von Brillen an [X.] alseinheitliches Angebot bezieht. Es ist nicht zu mißbilligen, wenn die [X.] bei Belieferung von [X.]n mit ärztlich verordneten Sehhilfengewährten Festbeträge der Kassen kalkulatorisch unterschreiten zu könnenglaubte und im Rahmen dieser Vergütung auch die in der sozialversicherungs-rechtlichen Versorgung ausgesparten Brillengestelle zuzahlungsfrei an ihreversicherten Kunden mitliefern wollte. Die vom [X.]([X.], 374, 375) angenommene "Sogwirkung" der fortgesetzten [X.]-Werbung vor dem geänderten sozialversicherungsrechtlichen [X.] nach allem zwar zutreffen. Es handelte sich nach den Umständen abergleichwohl um nicht mehr als den zulässigen Ausdruck der Leistungsstärke,welche die Beklagte für sich in Anspruch nimmt und mit der sie auch werbendarf (ebenso bereits [X.], [X.]. [X.], [X.]. S. 9 - [X.]).- 11 -II[X.] Auf die Sprungrevision der Beklagten war demnach das angefochte-ne [X.]eil abzuändern und die Klage abzuweisen (§§ 564, 565 Abs. 3 ZPO). [X.] des Rechtsstreits hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die unterlegene Klägerinzu tragen.Erdmann[X.] [X.]Büscher Raebel

Meta

I ZR 193/98

15.06.2000

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.06.2000, Az. I ZR 193/98 (REWIS RS 2000, 1939)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1939

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