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Keine Erstattung der Kosten eines Online-Schriftdolmetschers für hörbehinderten Schüler an einen überörtlichen Träger der Sozialhilfe
Es ist keinerlei Anspruchsgrundlage ersichtlich, wonach ein Schüler gegen den Freistaat Bayern einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen Online-Schriftdolmetscher besäße. (Rn. 35) (red. LS Alexander Tauchert)
2Selbst wenn man einen Anspruch des Schülers gegen den Beklagten auf Reduzierung der Klassenstärke bzw. Bereitstellung von Lehrpersonal bejahen würde, ließe sich dieser Anspruch nicht nach § 93 Abs. 1 S. 1 SGB XII auf den Kläger als Sozialhilfeträger überleiten. Es mangelt hier an der "Überleitungsfähigkeit". (Rn. 36) (red. LS Alexander Tauchert)
3Mit der Übernahme der Kosten eines Online-Schriftdolmetschers besorgt ein überörtlicher Träger der Sozialhilfe ein „eigenes Geschäft“, indem er dem Schüler nach den gesetzlichen Vorgaben des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch Eingliederungshilfe gewährt hat. (Rn. 38) (red. LS Alexander Tauchert)
4Der überörtliche Träger der Sozialhilfe hat zugleich mit der Gewährung von Eingliederungshilfe auch kein in die Zuständigkeit des beklagten Bundeslandes fallendes, fremdes Geschäft besorgt. Denn die Kostentragung für einen Online-Schriftdolmetscher fällt nicht in die Zuständigkeit des Beklagten als Träger des schulischen Personalaufwands. (Rn. 43) (red. LS Alexander Tauchert)
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger verfolgt als überörtlicher Träger der Sozialhilfe im Berufungsverfahren die Erstattung der Kosten eines Online-Schriftdolmetschers für einen hörbehinderten Schüler gegenüber dem Beklagten im Wege der allgemeinen Leistungsklage weiter.
1. Der 2001 geborene Schüler M. L. besitzt aufgrund einer im ersten Lebensjahr erlittenen Meningitis beidseitig nahezu kein Gehör. Seit 2002 ist er daher mit sog. Cochlea-Implantaten (elektronischen Hörprothesen) ausgestattet. Bis Anfang April 2014 besuchte er die private Internationale Schule A. in einer Klasse mit 15 Schülern. Die Kosten des Schulbesuchs (Schulgeld, Fahrtkosten) trugen zunächst seine Eltern und zuletzt der Kläger. Nachdem der Beklagte nicht bereit war, die Kosten eines weiteren Besuchs der Privatschule zu übernehmen, wechselte M. L. im Einvernehmen mit dem Beklagten in die 6. Klasse des staatlichen S.-Gymnasiums in K., das jedoch weder das Schulprofil „Inklusion“ aufwies noch dieses entwickelt hatte. Der Aufnahme von M. L. hatte zuvor der Landkreis G. als Sachaufwandsträger ebenfalls zugestimmt und „bauliche Änderungen im Hinblick auf die Schallreduzierung“ unter dem Vorbehalt in Aussicht gestellt, dass sich diese Änderungen „auf ein Klassenzimmer beschränken lassen.“
Nach dem Schulwechsel bemühten sich die Eltern von M. L. um seine Beschulung in einer Klasse mit maximal 10 Schülern, da eine größere Klassenstärke für ihn infolge der Hintergrundgeräusche („Hörstress“) sehr belastend sei und er dem Unterricht daher nur schwer folgen könne. Die Belastungen hätten zudem zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Form starker Migräneanfälle geführt. Dem Wunsch der Eltern auf Reduzierung der Klassenstärke auf maximal 10 Schüler wurde in der Folge keine Rechnung getragen. M. L. besuchte im Schuljahr 2014/2015 erfolgreich die 7. Jahrgangsstufe in einer Klasse mit insgesamt 23 Schülern.
2. Am 15. September 2014 beantragten die Eltern von M. L. beim Kläger als überörtlichem Sozialhilfeträger ambulante Eingliederungshilfe für Behinderte in Form der Übernahme der Kosten eines sog. Online-Schriftdolmetschers während des schulischen Unterrichts. Mit dessen Hilfe sei es möglich, das im Unterricht von der Lehrkraft Gesprochene in Echtzeit visuell auf einen Laptop oder ein Tablet zu übertragen. Die Lehrkraft spreche dabei in ein Mikrofon. Das über das Internet übertragene Gesprochene werde anschließend von einem „Dolmetscher“ in Textform niedergelegt und an den Computer bzw. das Tablet des Schülers gesendet, der das Gesprochene auf seinem Display ablesen kann.
Auf entsprechende Anfrage des Klägers teilte das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst mit, dass sich der Beklagte an den Kosten des Online-Schriftdolmetschers für M. L. nicht beteiligen werde. Ein Online-Schriftdolmetscher erbringe keine pädagogische Leistung, sondern eine spezifische Form der Kommunikationsunterstützung für den betroffenen Schüler. Hilfen zur Verständigung mit der Umwelt beträfen alle Lebensbereiche und könnten nicht nur auf den temporär beschränkten schulischen Kontext bezogen werden. Demzufolge handele es sich bei einem Online-Schriftdolmetscher um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe innerhalb des Sozialrechts. Eine Kostenbeteiligung des Staatsministeriums als Träger des Personalaufwands der Schule sei nicht möglich.
Daraufhin gewährte der Kläger mit Bescheid vom 21. November 2014 M. L. zunächst bis zum Ende des ersten Schulhalbjahrs 2014/2015 die Übernahme der „Kosten für die individuelle Schulbegleitung durch einen Distanzschriftdolmetscher“ im Umfang von bis zu 11 Schulstunden wöchentlich. Diesen Bescheid übermittelte er zugleich dem Staatsministerium mit dem Hinweis, dass der schulische Bedarf von M. L auch durch andere Maßnahmen, insbesondere durch die Einrichtung einer kleineren Klasse gedeckt werden könnte. Der Beklagte werde deshalb um Mitteilung gebeten, ob er in seine Zuständigkeit fallende Maßnahmen ergreifen oder sich an den Kosten beteiligen werde. Dies wies der Beklagte mit Schreiben vom 22. Dezember 2014 erneut zurück. Mit weiterem Bescheid vom 4. Februar 2015 wurde die Hilfegewährung im Umfang von 12 Stunden wöchentlich bis zum Ende des Schuljahres 2014/2015 verlängert.
3. Am 17. Februar 2015 erhob der Kläger zum Verwaltungsgericht Augsburg Klage mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von insgesamt 5.597,76 € für Leistungen des Online-Schriftdolmetschers für die Monate Dezember 2014 und Januar 2015 zuzüglich 4% Zinsen gemäß § 108 SGB X zu erstatten.
Der Kläger habe dem Schüler M. L. als nachrangig zuständiger, überörtlicher Träger der Sozialhilfe Eingliederungshilfeleistungen für Behinderte erbracht. Diese Kosten seien ihm auf der Grundlage des Rechtsinstituts der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. nach § 93 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu erstatten. M. L. besitze einen vorrangigen Anspruch gegen den Beklagten auf inklusive Beschulung an dem vom Sorgeberechtigten unter Beteiligung des Beklagten ausgewählten Bildungsort (S.-Gymnasium in K.). Durch eine einfach durchzuführende Maßnahme, nämlich die Reduzierung der Klassenstärke, wäre es dem Beklagten möglich, den Bedarf des Schülers an adäquater Beschulung sicherzustellen. Eine Beschulung in einer kleinen Klasse sei von verschiedenen Fachstellen als im Interesse des Schülers wirksamste Maßnahme empfohlen worden. Allein durch das Verhalten des Beklagten als „Schulkostenträger“ sei ein Bedarf für die Inanspruchnahme eines Online-Schriftdolmetschers entstanden. Für die Gewährung einer Hilfe, die dem Kernbereich pädagogischer Arbeit zuzurechnen sei, liege die Zuständigkeit beim Schulkostenträger, nicht hingegen bei der Sozialhilfe. Überdies verpflichte das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (BayEUG) zur inklusiven Beschulung.
Demgegenüber beantragte der Beklagte Klageabweisung. Seitens des Aufwandsträgers seien zugunsten von M. L. verschiedene Fördermaßnahmen veranlasst worden, insbesondere durch Erhöhung bzw. Zuweisung von zusätzlichen Budgetstunden. Der Beklagte sei nicht verpflichtet, eine den Wünschen der Eltern bzw. den Bedürfnissen des Schülers entsprechende Klasse mit einer optimalen Klassenstärke von nicht mehr als 10 Schülern einzurichten. Etwas anderes ergebe sich weder aus der UN-Behindertenrechtskonvention noch dem Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz. Schließlich zähle der Einsatz eines Online-Schriftdolmetschers nicht zum Kernbereich pädagogischer Arbeit. Insoweit bestehe eine ausschließliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers.
4. Unter Bezugnahme auf einschlägige fachärztliche Atteste und Stellungnahmen ließ M. L. am 9. Juli 2015 beim Verwaltungsgericht Augsburg beantragen, den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine Schulklasse der 8. Jahrgangsstufe mit maximal 10 Schülerinnen bzw. Schülern unter Übernahme der hierfür notwendigen Schul- und Personalaufwendungen einzurichten. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. August 2015 (Az.: Au 3 E 15.1046) ab, da M. L. keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe. Ein allgemeiner Anspruch von Schülern und Eltern auf eine bestimmte Klassenbildung bestehe nicht. Darüber hinaus könne ein spezifischer, mit der Hörbehinderung zusammenhängender Rechtsanspruch von M. L. den die schulische Inklusion betreffenden Vorschriften des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes und der UN-Behindertenrechtskonvention nicht entnommen werden. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 4. September 2015 (Az.: 7 CE 15.1791 BeckRS 2015, 52501) zurück. Auf die Gründe der genannten Entscheidungen wird Bezug genommen.
5. Mit Urteil vom 1. Dezember 2015 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die Klage auf Kostenerstattung ab, ließ jedoch zugleich die Berufung gegen sein Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.
Dem Kläger komme kein Anspruch auf Erstattung der für den Einsatz eines Online-Schriftdolmetschers entstandenen Aufwendungen zu. Er könne sich nicht auf die (sozialrechtlichen) Erstattungs- oder Ersatzregelungen stützen.
Ungeachtet der Frage des nach § 114 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zulässigen Rechtswegs scheide ein Erstattungsanspruch auf der Grundlage von §§ 102 ff. SGB X bereits deshalb aus, weil es sich bei dem Beklagten als Träger des schulischen Personalaufwands nicht um einen Sozialleistungsträger im Sinne von § 12 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) handele. Sicherstellung und Finanzierung der Personalausstattung öffentlicher Schulen in Bayern stellten keine Sozialleistung im Sinne von §§ 11, 28 ff. SGB I dar. Ebenso komme ein auf den Kläger kraft Gesetzes übergegangener Anspruch aus §§ 115, 116 SGB X nicht in Betracht, da der Beklagte weder Arbeitgeber des Schülers sei noch ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch des Schülers gegen den Beklagten auf Ersatz eines Schadens bestehe. Gleichfalls griffen zugunsten des Klägers die speziellen sozialhilferechtlichen Kostenersatz- und Kostenerstattungsregelungen der §§ 102 ff. bzw. 106 ff. SGB XII nicht ein.
Weiter könne der Kläger auch keinen auf ihn nach § 93 Abs. 1, 2 SGB XII übergegangenen Anspruch von M. L. gegen den Beklagten geltend machen. Zwar habe der Kläger als überörtlicher Sozialhilfeträger die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme eines Online-Schriftdolmetschers für den in Rede stehenden Zeitraum Dezember 2014 und Januar 2015 dem Beklagten durch Übersendung eines Abdrucks des Bescheids vom 21. November 2014 zur Kenntnis gebracht. Eine derartige Anzeige wirke indes nicht „anspruchsbegründend“ sondern allenfalls „anspruchsüberleitend“. Nur ein bestehender Anspruch eines Empfängers von Sozialhilfeleistungen gegen einen Dritten könne nach § 93 Abs. 1 SGB XII übergeleitet werden. An einem derartigen, unmittelbaren Anspruch von M. L. gegen den Beklagten auf Übernahme der Kosten eines Online-Schriftdolmetschers fehle es jedoch. Ein Anspruch von M. L., der keine Förderschule sondern ein allgemeines Gymnasium besuche, gegen den Beklagten als schulrechtlichen Personalaufwandsträger leite sich weder aus verfassungsrechtlichen Bestimmungen noch aus den Vorschriften des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes ab. Dies gelte auch in Bezug auf diejenigen Vorschriften, die die inklusive Beschulung behinderter Schülerinnen und Schüler an allgemeinen Schulen zum Gegenstand hätten, auch in Verbindung mit der UN-Behindertenrechtskonvention.
Dem Kläger stehe auch kein Aufwendungsersatzanspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683, 684 BGB analog zu. Der Kläger habe mit der Übernahme der Kosten des Online-Schriftdolmetschers kein „Geschäft“ des Beklagten besorgt. Vielmehr falle die Übernahme der Kosten ausschließlich in die Zuständigkeit des Klägers als überörtlicher Träger der Sozialhilfe. Für die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Kläger und Beklagtem könne die Rechtsprechung zur Kostenübernahme von Schulbegleitern herangezogen werden, zumal der Kläger im vorliegenden Zusammenhang selbst von den „Kosten für die individuelle Schulbegleitung durch einen Distanzschriftdolmetscher“ spreche. Maßgeblich für die Zuordnung zum Zuständigkeitsbereich des Sozialhilfe- bzw. Jugendhilfeträger einerseits und „der Schule“ andererseits sei, ob die Schulbegleitung in ihrer konkreten Ausgestaltung ganz oder teilweise dem „Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule“ zuzurechnen sei oder zumindest die „pädagogische Arbeit“ unterstütze oder sich außerhalb dieses Aufgabenbereichs etwa im Bereich bloßer alltäglicher Verrichtungen bewege. Lediglich im letztgenannten Fall liege die Zuständigkeit ausschließlich beim Sozialhilfeträger.
Für den vergleichbaren Fall eines gehörlosen Schülers, der im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zur inklusiven Beschulung außerhalb einer Förderschule eines „Integrationshelfers in Form eines Gebärdendolmetschers“ bedurfte, habe das Hessische Landessozialgericht entschieden (B.v. 17.6.2013 - L 4 SO 60/13 B ER, BeckRS 2013, 71635), dass insoweit keine Zuständigkeit des Schulträgers, sondern eine ausschließliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers bestehe. Der Gebärdendolmetscher übersetze den Unterrichtsinhalt simultan und ermögliche dem behinderten Schüler die Wahrnehmung des Unterrichtsinhalts. Er sei in dieser Funktion somit eher einem Hörgerät vergleichbar, als einem Pädagogen. Die pädagogische Leistung als solche werde von den Lehrern des Schülers selbst geleistet. Der Sozialhilfeträger könne daher nicht auf eine Zuständigkeit der Schule verweisen. Dem schließe sich die erkennende Kammer an.
Der Kläger habe im vorliegenden Fall auch nicht deshalb ein Geschäft des Beklagten besorgt, weil die Erforderlichkeit eines Online-Schriftdolmetschers entfallen wäre, wenn der Beklagte durch Zuweisung weiterer Lehrkräfte die Voraussetzung für die Bildung einer kleineren Klasse geschaffen hätte. Von der Besorgung eines Geschäfts des Beklagten durch den Kläger könnte allenfalls dann ausgegangen werden, wenn der Beklagte zur Zuweisung weiteren Lehrpersonals verpflichtet gewesen wäre. Letzteres treffe jedoch nicht zu, wie das Verwaltungsgericht Augsburg und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im einstweiligen Rechtsschutzverfahren betreffend den Schüler M. L. bereits entschieden hätten. Mithin habe der Kläger durch Übernahme der Kosten des Online-Schriftdolmetschers kein fremdes Geschäft besorgt, sondern ausschließlich eine eigene Aufgabe wahrgenommen.
Ferner besitze der Kläger auch keinen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten auf Ersatz der Kosten des Online-Schriftdolmetschers. Der richterrechtlich entwickelte allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch diene der Rückabwicklung von Vermögensverschiebungen, wenn im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden seien. In der Ausformung des sog. „Abwälzungsanspruchs“ sei für ihn kennzeichnend, dass ein nicht oder „schwächer“ verpflichteter Sozialleistungsträger anstelle des eigentlich verpflichteten oder „stärker“ verpflichteten Nicht-Sozialleistungsträgers einem leistungsberechtigten Dritten, der die Leistung aber nur einmal fordern kann, Leistungen erbracht und hierfür kein Rechtsgrund bestanden habe. Da eine Verpflichtung des Beklagten, sei es durch Übernahme der Kosten eines Online-Schriftdolmetschers oder durch Aufstockung des Lehrpersonals zur Schaffung einer kleineren Klasse, nicht bestanden habe, könne ein Anspruch hierauf ebenfalls nicht gestützt werden.
6. Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg wendet sich der Kläger mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung. Seiner Auffassung nach besitze er entweder einen auf ihn übergegangenen vorrangigen Anspruch des Schülers M. L. gegen den Freistaat Bayern nach § 93 Abs. 1, 2 SGB XII oder einen Aufwendungsersatz- bzw. Herausgabeanspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683, 684 BGB analog.
Dem Schüler M. L. komme ein Anspruch gegen den Beklagten als schulischen Personalaufwandsträger zu. Insoweit räume das Verwaltungsgericht ein, dass M. L. bei einer Reduzierung der Klassenstärke auf ein bestimmtes Maß in der Lage gewesen wäre, dem Unterricht ohne die Unterstützung eines Online-Schriftdolmetschers zu folgen, ferner, dass eine Verringerung der Schülerzahl in der Klasse nur durch den Einsatz weiterer, bislang an der Schule nicht vorhandener Lehrkräfte hätte bewirkt werden können. Die Bereitstellung weiterer Lehrkräfte stelle eine in den Kernbereich pädagogischer Arbeit und damit in den Aufgabenbereich des Beklagten fallende Maßnahme dar und sei „nach Rechtsprechung und Literatur“ vom schulrechtlichen Personalaufwandsträger zu gewähren. Erst dadurch, dass der Beklagte untätig geblieben sei, habe der Kläger das entstandene Defizit durch Finanzierung des Online-Schriftdolmetschers ausgleichen müssen. Würde im vorliegenden Fall keine Verpflichtung des Beklagten anerkannt werden, führte dies dazu, dass schulische Maßnahmen im Zuge der Inklusion in das Belieben des Beklagten gestellt würden. Mangelnde schulische Personalausstattung müsste durch vom Kläger zu finanzierende Maßnahmen wie beispielsweise die Stellung von Schulbegleitern oder den Einsatz eines Online-Schriftdolmetschers kompensiert werden. Dies führe den Grundgedanken der in Art. 2 Abs. 2 BayEUG formulierten schulischen Inklusion ad absurdum. M. L. besitze einen Anspruch auf Beschulung in einer Regelschule einschließlich der Veranlassung der dafür erforderlichen Maßnahmen aus Art. 41 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 BayEUG. Dieser Anspruch sei „in Höhe der Ersatzaufwendungen“ gemäß § 93 Abs. 1 SGB XII auf den Kläger übergegangen.
Darüber hinaus besitze der Kläger einen Anspruch auf Aufwendungsersatz aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag. Mit der Übernahme der Kosten für den Online-Schriftdolmetscher habe er ein fremdes Geschäft wahrgenommen, obwohl für die Behebung behinderungsbedingter Nachteile eine Zuständigkeit des Beklagten bestanden habe. Ein fremdes Geschäft liege deshalb vor, weil die räumliche, sächliche und personelle Ausstattung einer Schule in die Zuständigkeit des Beklagten falle. Ihm obliege es, eine Lernumgebung zu schaffen, die es auch einem behinderten Schüler ermögliche, die Lerninhalte aufzunehmen. Hätten der Beklagte dieser Pflicht bei M. L. Rechnung getragen, wäre dieser in der Lage gewesen, dem Unterrichtsinhalt ohne fremde Hilfe zu folgen. Mithin stehe vorliegend keine originäre Maßnahme der Eingliederungshilfe in Rede. Um seinen gesetzlichen Auftrag zur inklusiven Beschulung zu erfüllen, hätte der Beklagte durch eine entsprechende räumliche und personelle Ausstattung - kleinere Klassenstärke in einem möglichst ruhigen Raum - den behinderungsbedingten Bedarf von M. L. decken können. Daher müsse von einem „Geschäft“ des Beklagten ausgegangen werden, das der Kläger durch die von ihm finanzierte Maßnahme besorgt habe. Er sei in diesem Zusammenhang auch verpflichtet gewesen, das fremde Geschäft des Beklagten zu besorgen, da auf Seiten von M. L. ein Hilfebedarf bestanden habe, der durch den Online-Schriftdolmetscher habe geschlossen werden können. Diese Pflicht zur Besorgung eines fremden Geschäfts bestehe selbst dann, wenn man einen subjektiven Anspruch des Schülers auf Bildung einer kleineren Klasse verneine. Denn Inklusion gebiete dem Beklagten, einem behinderten Schüler die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten wie einem Nichtbehinderten. Weder M. L. noch dem Kläger könne ferner das Kostenargument entgegengehalten werden, wenn und soweit die Bildung einer kleineren Klasse erforderlich und angemessen sei, dem Schüler eine ihm angemessene Bildung zu ermöglichen. Es sei nicht Aufgabe des Sozialhilfeträgers, ein funktionierendes Schulsystem zu finanzieren. Insoweit genüge der Kläger mit der Übernahme der Kosten des Online-Schriftdolmetschers lediglich seiner Verpflichtung gegenüber dem Schüler M. L., weil der Beklagten seinen Pflichten als Schulträger nicht nachgekommen sei.
Schließlich komme dem Kläger als nachrangig verpflichtetem Sozialhilfeträger entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu.
Der Kläger beantragt daher:
1. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 1.12.2015 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Monate Dezember 2014 und Januar 2015 einen Betrag in Höhe von gesamt 5.597,76 € zuzüglich Zinsen von 4% gemäß § 108 SGB X zu erstatten.
Die Landesanwaltschaft Bayern beantragt für den Beklagten:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Zur Begründung verweist sie auf die für zutreffend erachteten Gründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Für den geltend gemachten Erstattungsanspruch bestehe keine Rechtsgrundlage. So sei das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es für die Anspruchsüberleitung nach § 93 Abs. 1, 2 SGB XII an einem Anspruch von M. L. als Empfänger von Sozialhilfeleistungen gegenüber einem Dritten fehle. Die Vorschriften des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes sähen weder einen subjektiven Anspruch eines Schülers auf Bildung einer Klasse mit einer bestimmten Klassengröße vor noch verpflichteten sie den Beklagten als Personalaufwandsträger zur Übernahme der Kosten für einen Online-Schriftdolmetscher. Weiter bestehe auch kein Aufwendungsersatzanspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683, 684 BGB analog, da der Kläger mit der Übernahme der Kosten des Online-Schriftdolmetschers kein Geschäft des Beklagten besorgt habe. Die Maßnahme des Klägers sei nicht dem Kernbereich pädagogischer Arbeit zuzurechnen. Es handele sich vielmehr um eine Leistung, die in ihrer Funktion mit einer Hörhilfe vergleichbar sei.
Ferner stelle „Inklusion“ eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar. Nicht jegliche Form der Unterstützung müsse durch die Schule und innerhalb des schulischen Systems durch den Personalaufwandsträger geleistet werden. Nach § 12 Eingliederungshilfenverordnung sei es gerade die originäre Aufgabe des Sozialhilfeträgers, Maßnahmen zu gewähren, um eine angemessene Schulbildung zu ermöglichen oder zu erleichtern, sofern ein behinderungsbedingter Hilfebedarf des einzelnen Schülers dies erfordere. Gerade dieser Aufgabe sei der Kläger durch Finanzierung des Online-Schriftdolmetschers nachgekommen.
Mit Schriftsätzen vom 18. April 2019 und 26. April 2019 haben die Verfahrensbeteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verweisen.
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg, da dem Kläger als überörtlichem Sozialhilfeträger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Erstattung der für einen Online-Schriftdolmetscher aufgewandten Kosten gegenüber dem Beklagten als schulischem Personalaufwandsträger zukommt.
1. Auf den Kläger ist zunächst kein Anspruch des Schülers M. L. gegen den Beklagten nach § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII übergegangen. Nach dieser Bestimmung kann der Träger der Sozialhilfe durch schriftliche Anzeige an einen Dritten, gegen den die leistungsberechtigte Person einen Anspruch besitzt, bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe der getätigten Aufwendungen auf ihn übergeht.
Als „Dritter“ im Sinne dieser Bestimmung kommt jede juristische Person des öffentlichen Rechts in Betracht, die ihrerseits kein Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I ist (vgl. Weber in BeckOK Sozialrecht, Stand 1.6.2019, § 93 SGB XII Rn. 9, Giere in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 93 Rn. 13), somit auch der Beklagte. Diesem hat im vorliegenden Fall der Kläger schriftlich angezeigt, dass er gegenüber dem Schüler M. L. Eingliederungshilfeleistungen in Form der Übernahme der Kosten für einen Online-Schriftdolmetscher erbringt. Indes fehlt es, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, an einem Anspruch von M. L. gegen den Beklagten, der nach § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auf den Kläger hätte übergeleitet werden können.
Insoweit ist zunächst keinerlei Anspruchsgrundlage ersichtlich, wonach der Schüler M. L. gegen den Freistaat Bayern einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen Online-Schriftdolmetscher besäße. Soweit der Kläger darauf abstellt, dass M. L. gegenüber dem Beklagten als Träger des schulischen Personalaufwands ein „Anspruch“ auf Bereitstellung weiterer Lehrkräfte und damit auf eine Reduzierung der Klassenstärke zukomme, trifft dies nicht zu. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung der Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. August 2015 (Az.: Au 3 E 15.1046) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. September 2015 (Az.: 7 CE 15.1791 BeckRS 2015, 52501) verwiesen werden, der der Senat folgt. Im Übrigen hat der Kläger selbst keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch von M. L. auf Reduzierung der Klassenstärke durch Bereitstellung weiterer Lehrkräfte benannt, vielmehr lediglich behauptet, „nach Rechtsprechung und Literatur“ besitze M. L. einen derartigen Anspruch.
Selbst wenn man einen Anspruch von M. L. gegen den Beklagten auf Reduzierung der Klassenstärke bzw. Bereitstellung von Lehrpersonal bejahen würde, ließe sich dieser Anspruch nicht nach § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auf den Kläger als Sozialhilfeträger überleiten. Zwar muss der übergeleitete Anspruch des Sozialleistungsempfängers gegen den Dritten nicht mit dem eigentlichen Leistungsanspruch identisch sein. Es bedarf jedoch der „Überleitungsfähigkeit“, die beispielsweise bei höchstpersönlichen Ansprüchen des Leistungsberechtigten gegen den Dritten fehlt. Darüber hinaus verlangt die „Überleitungsfähigkeit“ bei Dienst- und Sachleistungen, dass sich der Anspruch kostenmäßig quantifizieren, d.h. in einen Geldanspruch „übersetzen“ lässt (zur „Überleitungsfähigkeit“ des Anspruchs vgl. Giere in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 93 Rn. 15 f.; Kirchhoff in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 02/2015, § 93 Rn. 36). Ein Anspruch auf Beschulung mit einer bestimmten Klassengröße, dem der Schulträger auf vielfältige Art und Weise entsprechen könnte - beispielsweise durch Erhöhung der Schülerzahl in den übrigen Klassen einer Jahrgangsstufe bei gleichzeitiger Reduzierung der Schülerzahl in einer bestimmten Klasse oder aber im Rahmen der „Budgetierung“ von Lehrerstunden durch Streichung von Wahl- und Förderunterricht in anderen Jahrgangsstufen - lässt sich indes als Dienst- oder Sachleistung nicht dergestalt in eine Geldforderung umwandeln, dass er als überleitungsfähig angesehen werden könnte. Selbst bei Bestehen eines Anspruchs von M. L. auf eine „kleine Klasse“ könnte dieser nicht auf den Kläger nach § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII übergeleitet werden.
Denn mit der Übernahme der Kosten des Online-Schriftdolmetschers hat der Kläger eine „eigenes Geschäft“ besorgt, indem er dem Schüler M. L. nach den gesetzlichen Vorgaben des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch Eingliederungshilfe gewährt hat.
Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII besitzen Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach den Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Dass der seit seiner Kindheit nahezu gehörlose Schüler M. L. die Grundvoraussetzung der Eingliederungshilfe erfüllt, steht zwischen den Verfahrensbeteiligten außer Streit.
Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII rechnen zu den Leistungen der Eingliederungshilfe insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Hierzu zählt nach § 12 Nr. 3 EingliederungshilfeVO auch die Hilfe zum Besuch eines Gymnasiums, wenn die Fähigkeiten des behinderten Menschen erwarten lassen, dass er das Bildungsziel erreicht, ferner nach § 12 Nr. 1 EingliederungshilfeVO heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich behinderter Kinder oder Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern. Gemessen an diesen gesetzlichen Vorgaben liegt in der Finanzierung eines Online-Schriftdolmetschers für einen hörbehinderten Schüler eines Gymnasiums eine geradezu klassische Eingliederungshilfemaßnahme zur Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung.
Nach der vor allem zum Einsatz von Schulbegleitern entwickelten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. hierzu BSG, U.v. 9.12.2016 - B 8 SO 8/15 R - BSGE 122, 154 = BeckRS 2016, 116704 Rn. 24 ff.), der sich für den Bereich der Jugendhilfe das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen hat (BVerwGE, U.v. 18.10.2012 - 5 C 21.11 - BVerwGE 145, 1 = BeckRS 2013, 4..5836 Rn. 37), scheidet eine in die Zuständigkeit des Sozial- bzw. Jugendhilfeträgers fallende Maßnahme im Schulbereich dann aus, wenn sie in den „Kernbereich“ der pädagogischen Tätigkeit der Schule fällt. Dabei berühren jedoch integrierende, beaufsichtigende und fördernd Assistenzdienste, die flankierend zum Schulunterricht erforderlich sind, damit der behinderte Mensch das pädagogische Angebot der Schule überhaupt wahrnehmen kann, den Kernbereich der pädagogischen Tätigkeit nicht (so BSG, U.v. 9.12.2016 - B 8 SO 8/15 R - BSGE 122, 154 = BeckRS 2016, 116704 Rn. 25). Übertragen auf die vorliegende Fallkonstellation folgt daraus, dass mit der Kostenübernahme eines Online-Schriftdolmetschers, der offenkundig eine derartige „Assistenz“ leistet, der Kernbereich der pädagogischen Tätigkeit der Schule nicht tangiert wird. Denn allein die technische, über das Internet vermittelte Umsetzung des gesprochenen Wortes eines Lehrers in einen auf einem Laptop oder Tablet ablesbaren Text stellt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, am ehesten eine einem Hörgerät vergleichbare Hilfe dar. Mithin hat der Kläger durch die Kostenübernahme des Online-Schriftdolmetschers als Eingliederungshilfemaßnahme ein eigenes, in seine originäre Zuständigkeit fallendes Geschäft geführt.
Ein Aufwendungsersatzanspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag könnte ihm daher nur dann zustehen, wenn er zugleich mit dem eigenen Geschäft ein „auch fremdes Geschäft“ besorgt hätte. Das „auch fremde Geschäft“ ist als Grundlage einer Geschäftsführung ohne Auftrag auch von der Rechtsprechung anerkannt (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerwG, U.v. 26.4.2018 - 3 C 24.16 - BVerwGE 162, 71 = BeckRS 2018, 1..4770 Rn. 26 ff., 29 mit weiteren Nachweisen). Handelt es sich nämlich bei der wahrgenommenen Aufgabe um eine, die unter verschiedenen Blickwinkeln auf der Grundlage unterschiedlicher, je eigenständiger Zuständigkeiten wahrgenommen werden kann, so vermag die Wahrnehmung der originär eigenen Aufgabe mit Blick auf die Anerkennung des „auch fremden Geschäfts“ einen Aufwendungsersatzanspruch gegenüber einem anderen Verwaltungsträger grundsätzlich zu rechtfertigen, jedoch dann nicht, wenn dessen Zuständigkeit der originär eigenen Aufgabe nicht vorgeht.
Vorliegend hat der Kläger zugleich mit der Gewährung von Eingliederungshilfe jedoch kein in die Zuständigkeit des Beklagten fallendes, fremdes Geschäft besorgt. Denn die Kostentragung für einen Online-Schriftdolmetscher fällt nicht in die Zuständigkeit des Beklagten als Träger des schulischen Personalaufwands. Auch unter dem Blickwinkel, dass der Einsatz des Online-Schriftdolmetschers dem Beklagten möglicherweise den Einsatz weiteren Personals zur Senkung der Schülerzahl in der Klasse von M. L. erspart hat, liegt für den Kläger kein „fremdes Geschäft“ vor, da es - wie bereits unter 1. ausgeführt - an einer aus den gesetzlichen Vorgaben des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes folgenden Rechtspflicht des Beklagten fehlt, M. L. den Besuch einer Klasse mit maximal 10 Schülern unter Inklusionsgesichtspunkten zu ermöglichen. Demzufolge bleibt es dabei, dass der Kläger mit der Finanzierung des Online-Schriftdolmetschers eine klassische Maßnahme der Eingliederungshilfe erbracht, mithin ein eigenes Geschäft geführt hat, sodass ihm kein Aufwendungsersatzanspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag zuzubilligen ist.
3. Der Kläger kann seinen Anspruch auf Kostenerstattung schließlich nicht auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch stützen.
Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist - als sog. Ausgleichs- oder Abwälzungsanspruch im Verhältnis zwischen öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern - darauf gerichtet, eine ohne Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebung auszugleichen. Er bildet die Parallele zum zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch. Leistungen ohne Rechtsgrund und sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen müssen rückgängig gemacht werden. Auch dort, wo es an einer ausdrücklichen Regelung fehlt, gilt dieser unmittelbar aus dem Postulat wiederherstellender Gerechtigkeit fließende Rechtsgedanke. Hierzu dient der seit langem anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Er setzt ebenso wie der zivilrechtliche Bereicherungsanspruch voraus, dass entweder „Leistungen ohne Rechtsgrund“ erbracht worden sind oder dass eine „sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebung“ stattgefunden hat (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerwG, U.v. 27.9.2007 - 2 C 14.06 - BeckRS 2008, 3..0442 Rn. 15 ff.).
Auch im Verhältnis zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts dient der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Rückabwicklung ohne Rechtsgrund erbrachter Leistungen oder sonstiger rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen. Als sog. Ausgleichs- oder Abwälzungsanspruch folgt er den bereicherungsrechtlichen Regeln über die Durchgriffskondiktion, da zwischen den beteiligten Leistungsträgern keine eigenen Leistungsbeziehungen bestehen. Der Ausgleichs- oder Abwälzungsanspruch entsteht, wenn ein nicht verpflichteter Rechtsträger des öffentlichen Rechts anstelle eines verpflichteten einem berechtigten Dritten Hilfe geleistet hat. Er erfordert eine alternative Zuständigkeit der beiden öffentlich-rechtlichen Leistungsträger, einen einheitlichen, die Leistungspflicht auslösenden Vorgang und er muss sich als Ersatz der ansonsten über die Berechtigten laufenden Erstattungs- und Leistungsansprüche durch die rechnerische Umschichtung der Leistung unter zwei Leistungsträgern darstellen.
Im vorliegenden Fall fehlt es, wie unter 2. dargestellt, bereits an einer alternativen Zuständigkeit von Kläger und Beklagtem für die in Rede stehende Maßnahme der Kostenübernahme für einen Online-Schriftdolmetscher. Darüber hinaus ist auch, wie unter 1. ausgeführt, die Möglichkeit einer „rechnerischen Umschichtung der Leistung“ nicht gegeben. Dem Kläger kommt folglich gegenüber dem Beklagten auch kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu.
4. Hinsichtlich der weiteren, grundsätzlich in Betracht zu ziehenden, gleichwohl im vorliegenden Fall nicht eingreifenden Anspruchsgrundlagen für den klägerischen Erstattungsanspruch verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 130b Satz 2 VwGO auf die Gründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils, denen er insoweit folgt.
Die Berufung des Klägers war daher im Ergebnis als unbegründet zurückzuweisen.
5. Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Berufungsverfahrens. Gründe im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht
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19.08.2019
Urteil
Sachgebiet: BV
Zitiervorschlag: VGH München, Urteil vom 19.08.2019, Az. 12 BV 16.480 (REWIS RS 2019, 4384)
Papierfundstellen: REWIS RS 2019, 4384
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