Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.01.2019, Az. 5 B 1/19 D

5. Senat | REWIS RS 2019, 11226

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Gegenstand

Entschädigung wegen überlangen Gerichtsverfahrens; Widerspruch gegen Aussetzung des Ausgangsverfahrens


Gründe

1

1. [X.]ie allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

Grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. [X.]as [X.]arlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung besteht. [X.]ie [X.]eschwerde muss erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). [X.]ie [X.]egründungspflicht verlangt, dass sich die [X.]eschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher [X.]edeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 4. April 2012 - 5 [X.] - juris Rn. 2 und vom 17. Februar 2017 - 5 [X.] 12.16 - juris Rn. 2 m.w.N.). Es bedarf auch der substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen bereits ergangener einschlägiger Entscheidungen des [X.] (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 11. August 2006 - 1 [X.] 105.06 - [X.] 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 20 und vom 12. Januar 2017 - 5 [X.] 75.16 - juris Rn. 4 m.w.N.). [X.]em genügt die [X.]eschwerde nicht.

3

a) [X.]er Kläger wirft die Frage von angeblich grundsätzlicher [X.]edeutung auf:

"Kann die [X.]auer des Ruhens eines Verfahrens im Rahmen der Rüge einer Verfahrensverzögerung und Geltendmachung einer Entschädigung nach § 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] dann ausgespart werden, wenn die [X.], welche die Rüge erhoben und die Entschädigung geltend gemacht hat, sich ausdrücklich gegen die Aussetzung des Verfahrens ausgesprochen hat?"

4

Mit dieser Frage, die sich auf die Aussetzung des Verfahrens mit [X.]eschluss des [X.] vom 26. September 2016 bezieht, und der daran anknüpfenden [X.]egründung ist eine grundsätzliche [X.]edeutung nicht dargelegt. In der in dem angefochtenen Urteil zitierten Rechtsprechung des [X.]s ist geklärt, dass es hinsichtlich des Merkmals der "unangemessenen [X.]auer" eines Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] bei Zugrundelegung einer objektivierenden [X.]etrachtungsweise vertretbar ist, wenn das Ausgangsgericht das bei ihm anhängige Verfahren mit [X.]lick auf einen parallel anhängigen Rechtsstreit, der für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens von rechtlicher Relevanz ist, zeitweise "faktisch", d.h. ohne förmliche Anordnung nach § 94 VwGO aussetzt. Im Fall einer vertretbaren faktischen Aussetzung des Ausgangsverfahrens ist die [X.] der [X.]earbeitung und Förderung eines "Leitverfahrens" bei der [X.]eurteilung der angemessenen [X.]auer des Ausgangsverfahrens nicht zu berücksichtigen (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 14. November 2016 - 5 C 10.15 [X.] - [X.] 300 § 198 [X.] Nr. 6 Rn. 155 m.w.N. und [X.]eschlüsse vom 2. Mai 2017 - 5 [X.] 75.15 [X.] - juris Rn. 8 sowie vom 20. Februar 2018 - 5 [X.] 13.17 [X.] - juris Rn. 5). [X.]es Weiteren hat der [X.] bereits entschieden, dass diese Grundsätze für den Fall einer "förmlichen" Aussetzung entsprechend gelten (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 12. März 2018 - 5 [X.] 26.17 [X.] - juris Rn. 6).

5

Es kann dahinstehen, ob die hier in Rede stehende Frage von angeblich grundsätzlicher [X.]edeutung schon deshalb nicht den [X.]arlegungsanforderungen genügt, weil sich die [X.]eschwerde mit dieser Rechtsprechung nicht auseinandersetzt. Jedenfalls ist ein Klärungsbedarf in einem Revisionsverfahren nicht aufgezeigt. In der Rechtsprechung des [X.]s ist auch geklärt, dass die Aussetzung des Verfahrens nicht schon deshalb unvertretbar ist, weil der Verfahrensbeteiligte, der die Verzögerungsrüge erhoben und danach den Entschädigungsanspruch geltend gemacht hat, der Aussetzung des Verfahrens widersprochen hat (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 12. März 2018 - 5 [X.] 26.17 [X.] - juris Rn. 6). Mithin ist die von dem Kläger aufgeworfene Frage bereits beantwortet. Erneuten oder darüber hinausgehenden Klärungsbedarf hat der Kläger nicht aufgezeigt.

6

b) [X.]er [X.]eschwerde ist nicht wegen der Frage Erfolg beschieden,

"Kann die [X.]auer des Ruhens eines Verfahrens im Rahmen der Rüge einer Verfahrensverzögerung und Geltendmachung eine(r) Entschädigung nach § 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] dann ausgespart werden, wenn der Grund des Ruhens des Verfahrens für die Entscheidung ohne [X.]edeutung gewesen ist?"

7

Eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung ist insoweit nicht dargelegt. Für die Frage der Vernachlässigung der [X.] einer Aussetzung des Verfahrens kommt es - wie aufgezeigt - allein darauf an, ob bei [X.]erücksichtigung des gerichtlichen Gestaltungsspielraums die Aussetzung bzw. das Ruhen vertretbar war. [X.]ies betrifft auch die Frage, ob der parallel anhängige Rechtsstreit für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens von rechtlicher Relevanz war. Es ist eine Frage des Einzelfalles und entzieht sich deshalb der Klärung in einem Revisionsverfahren, ob die Aussetzung (auch) insoweit vertretbar war.

8

c) Schließlich ist die Revision auch nicht wegen der Fragen zuzulassen,

"Ist ein Anspruch auf eine Entschädigung nach § 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] dann zu verwehren, wenn ein Gericht erst nach mehr als 2 Jahren nach Klageerhebung und Klagebegründung Unterlagen von einer [X.] oder einem [X.]ritten anfordert?"

und

"Kann die Entscheidung über eine Entschädigungszahlung nach § 173 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] davon abhängig gemacht werden, dass das Verfahren deshalb solange gedauert habe, weil in einem Parallelverfahren einer anderen [X.] noch gar keine Akteneinsichtnahme, bzw. noch keine Klagebegründung erfolgten?"

9

Auch hinsichtlich dieser Fragen ist eine grundsätzliche [X.]edeutung nicht ausreichen dargelegt. In der Rechtsprechung des [X.]s ist geklärt, dass die Verfahrensdauer unangemessen im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist, wenn insbesondere eine an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] ausgerichtete Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass bei [X.]erücksichtigung des den Ausgangsgerichten bei der Verfahrensführung zukommenden Gestaltungsspielraums die aus [X.] und verfassungsrechtlichen Normen folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener [X.] zum Abschluss zu bringen, verletzt ist (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 14. November 2016 - 5 C 10.15 [X.] - [X.] 300 § 198 [X.] Nr. 6 Rn. 135 m.w.N.). [X.]er Kläger ist der Auffassung, aus den in den hier in Rede stehenden Fragen genannten Gründen habe die Verfahrensführung des Gerichts zu einer ungerechtfertigten Verzögerung des Ausgangsverfahrens geführt. [X.]amit sind schon deshalb keine Fragen von allgemeiner [X.]edeutung aufgeworfen, weil ihre [X.]eantwortung eine einzelfallbezogene Gewichtung und Abwägung unter [X.]erücksichtigung des gerichtlichen [X.] voraussetzt.

Im Ergebnis nichts anderes ergäbe sich, wenn eine der Fragen oder beide an den aufgezeigten Maßstäben zur Aussetzung eines Verfahrens gemessen würden.

d) Von einer weiteren [X.]egründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

2. [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 Satz 1 GKG.

Meta

5 B 1/19 D

22.01.2019

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 23. Oktober 2018, Az: 7 P EK 1/18, Urteil

§ 94 VwGO, § 198 Abs 1 S 1 GVG, § 198 Abs 1 S 2 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.01.2019, Az. 5 B 1/19 D (REWIS RS 2019, 11226)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 11226

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