Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2022, Az. 1 StR 466/21

1. Strafsenat | REWIS RS 2022, 2958

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafverfahren wegen Steuerhinterziehungen im sog. Cum-Ex-Skandal: Erlöschen der Steuerschuld trotz Rechtsmittel gegen den Steuerbescheid und/oder Vorbehaltszahlung; Einziehung von Taterträgen trotz Rückzahlung zu Unrecht erstatteter Steuern


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 1. Juni 2021 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

1. a) Zwar ist das [X.] bei seiner Einziehungsentscheidung rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die „unter Vorbehalt der Rückforderung“ ([X.]) geleisteten Steuernachzahlungen der [X.] bzw. Gruppe nicht zum Erlöschen der Steuerschuld nach § 47 [X.] geführt haben, weil die zugrunde liegenden Änderungsbescheide von Seiten der [X.] bzw. Gruppe angefochten worden seien; deswegen sei der dem „durch die Tat“ verletzten Steuerfiskus nach § 71 [X.] gegen den Angeklagten zustehende Anspruch nicht erloschen und die Einziehung nicht nach § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB ausgeschlossen (UA S. 392).

b) Insbesondere § 361 Abs. 1 Satz 1 [X.], wonach durch Einlegung des Einspruchs die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts nicht gehemmt wird, belegt, dass der Steuerpflichtige - entgegen der Auffassung des [X.]s - auf eine Steuerschuld auch dann wirksam zahlen kann, wenn er den zugrunde liegenden Verwaltungsakt angefochten hat; auch die Zahlung unter Vorbehalt hat zur Folge, dass der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis gemäß § 47 [X.] erloschen ist (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 14. Mai 1986 - [X.]/85 Rn. 7).

c) Das Urteil beruht aber nicht auf diesem Rechtsfehler, weil die Vorschrift des § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB aus einem anderen Grund nicht anzuwenden ist. Das [X.] hat den Wert des vom Angeklagten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln erlangten Etwas zutreffend nach § 73 Abs. 1 Alternative 2, § 73c Satz 1 StGB („für die Tat“) eingezogen. Diese Einziehungsentscheidung bleibt durch die Steuernachzahlungen unberührt. Denn § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB betrifft allein das Rückabwicklungsverhältnis des Fiskus zur [X.] bzw. Gruppe („soweit der Anspruch, der dem Verletzten aus der Tat“). Gegen den Angeklagten hatte der Fiskus zu keinem Zeitpunkt einen „quasi-bereicherungsrechtlichen“ Anspruch (vgl. BT-Drucks. 18/11640, [X.]) auf Rückgewähr des [X.] oder auf Ersatz des Wertes des [X.] in Bezug auf den von der [X.] bzw. Gruppe geleisteten [X.] in Höhe von 100.000 Euro (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 50 f.). Die Zahlungen der [X.] bzw. Gruppe erfüllen den Steueranspruch gemäß § 47 [X.]; sie bringen aber nicht den auf die Abschöpfung des vom Angeklagten erlangten [X.]s gerichteten Einziehungsanspruch des Staates aus § 73 Abs. 1 Alternative 2, § 73c Satz 1 StGB zum Erlöschen. Dieser steht als strafrechtlicher Anspruch des Staates neben dem Anspruch auf Rückzahlung der erschlichenen Steuergelder und ist überdies genauso wenig ein Anspruch im Sinne des § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB, der allein dem Fiskus aus der Tat erwachsen ist, wie der Haftungsanspruch aus § 71 [X.] (vgl. dazu [X.], Urteil vom 14. Oktober 2020 - 1 [X.] Rn. 31).

2. Bei der Strafzumessung hat das [X.] zu Gunsten des Angeklagten auch ausdrücklich eingestellt, dass das Erfolgsunrecht der Steuerhinterziehungen durch die Steuernachzahlungen ausgeglichen ist ([X.]); auch insoweit kann der Senat ausschließen, dass sich der Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.

Raum     

        

Fischer     

        

Bär     

        

Hohoff     

        

Leplow     

        

Meta

1 StR 466/21

06.04.2022

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bonn, 1. Juni 2021, Az: 62 KLs 1/20

§ 73 Abs 1 Alt 2 StGB, § 73c S 1 StGB, § 47 AO, § 71 AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2022, Az. 1 StR 466/21 (REWIS RS 2022, 2958)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2958


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 StR 466/21

Bundesgerichtshof, 1 StR 466/21, 06.04.2022.


Az. 2 BvR 1122/22

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1122/22, 27.01.2023.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 284/23 (Bundesgerichtshof)


1 StR 173/19 (Bundesgerichtshof)

Steuerstrafverfahren: Einziehung des Werts des Tatertrages nach Verjährung des Steueranspruchs


1 StR 519/20 (Bundesgerichtshof)

Steuerhinterziehung: Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer zur Steueranrechnung bzw. Steuererstattung gegenüber den Finanzbehörden auf der …


2 BvR 2194/21 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 73a Abs 1 S 2 StGB bzw gegen Art …


1 StR 502/20 (Bundesgerichtshof)

Gewerbsmäßige Steuerhehlerei: Einziehung bei Weiterverkauf geschmuggelter Zigaretten


Referenzen
Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.