Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2016, Az. 1 StR 402/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 4104

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:121016U1STR402.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
[X.]R
402/16

vom
12.
Oktober
2016
in der [X.]rafsache
gegen

alias:
alias:
alias:
alias:
alias:
alias:
alias:

wegen Raubes

-
2
-
Der
1.
[X.]rafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 12.
Oktober
2016, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Graf

als Vorsitzender,

der [X.] am [X.]
Prof. Dr. Jäger,
die [X.]in am [X.]
Cirener
und die [X.] am [X.]
Prof. [X.],

Prof. Dr. [X.],

[X.]aatsanwältin

als Vertreterin
der [X.],

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger,

Justizobersekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

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-
Auf die Revision der [X.]aatsanwaltschaft wird das Urteil des
[X.]s Nürnberg-Fürth
vom 27.
April
2016
mit [X.] der Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.]rafkammer des [X.].

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Hier-gegen wendet sich die [X.]aatsanwaltschaft mit ihrer zuungunsten des [X.]n eingelegten und auf die Beanstandung sachlichen Rechts gerichteten Revi-sion. Sie möchte die Aufhebung des Urteils mit den zugrunde liegenden Fest-stellungen erreichen. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel
hat insoweit Erfolg,
als es sich gegen die rechtliche Würdigung des festgestell-ten Sachverhalts wendet, bleibt im Übrigen aber erfolglos.
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I.
1. Das [X.] hat folgende Feststellungen
und Wertungen
getrof-fen:
In der Nacht vom 30. auf den 31. Oktober 2015 trafen sich der [X.] und der Geschädigte

M.

an einem N.

U-Bahnhof. Sie kamen
miteinander ins Gespräch, in dessen Rahmen der Angeklagte den [X.] bat, ihm
dessen Mobiltelefon für ein Gespräch zu überlassen. [X.] wollte der Angeklagte aber gar kein Gespräch mit dem Telefon führen, ihm kam es nur darauf an, das Telefon ausgehändigt zu bekommen. Der Ge-schädigte glaubte dem Vorwand des Angeklagten und reichte ihm sein Telefon, nachdem er seine eigene SIM-Karte herausgenommen und eine ihm vom [X.] übergebene SIM-Karte eingelegt hatte. Er ging irrtümlich davon aus, dass der Angeklagte ihm das Telefon nach dem Telefonat wieder zurückgeben wollte.
Der Angeklagte nahm das Mobiltelefon entgegen und hielt es

etwa ein bis zwei Armlängen von dem
Geschädigten entfernt stehend

in seiner Hand fest. Nunmehr fiel ein vom Angeklagten mitgeführtes Mobiltelefon zu Boden. In dem Moment drehte sich der Angeklagte um und rannte mit dem Telefon des Geschädigten für diesen völlig überraschend davon. Der Geschädigte nahm die Verfolgung des Angeklagten auf. Als dieser nach etwa 100 m zurück blickte und den hinter ihm her laufenden Geschädigten bemerkte, zog er ein in seiner Ja-ckentasche mitgeführtes Messer mit einer feststehenden Klinge von 15 cm [X.] und hielt dieses für den nunmehr nur noch 50 m entfernten Geschädigten sichtbar
hoch, um ihn von der weiteren Verfolgung abzuhalten. Der [X.] ließ sich aber nicht von der Verfolgung des Angeklagten abhalten; ihm ge-2
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lang es schließlich,
die Polizei auf den flüchtenden Angeklagten aufmerksam zu machen. Diese konnte den Angeklagten festnehmen.
2. Das [X.] hat seine Überzeugung von diesem Sachverhalt weitgehend auf die Angaben des Angeklagten gestützt.
Den hiervon abwei-chenden Bekundungen
des Geschädigten, wonach er unter Vorhalt eines [X.] zur Herausgabe seines Mobiltelefons gezwungen worden sei, hat es kei-nen Glauben geschenkt.
3. Es hat den Sachverhalt als vollendeten Betrug gewürdigt. Seiner Auf-fassung nach sei für die Abgrenzung vom Diebstahl hier entscheidend, dass in
der
Aushändigung des Telefons keine
Gewahrsamslockerung, sondern schon die
Begründung neuen
Gewahrsams
liege. Denn jedenfalls auf öffentlichen Wegen verliere der Übergebende die Zugriffsmöglichkeit, sobald der andere den übergebenen Gegenstand umgreife und fest in der Hand halte. Er könne nur noch bei freiwilliger oder erzwungener Mitwirkung des Empfängers oder mit körperlicher Gewalt auf die übergebene Sache zugreifen. Deswegen sei die irrtumsbedingte Übergabe des Mobiltelefons eine Vermögensverfügung des Geschädigten.
Mangels eines Diebstahls könne die Tat nicht als schwerer räu-berischer Diebstahl gewertet werden. Eine schwere räuberische Erpressung scheide aus, da der Vermögensschaden bereits durch die Entgegennahme des Telefons eingetreten sei.
Das Hochhalten des mitgeführten Messers stelle eine Drohung mit einem empfindlichen Übel dar, wodurch der Geschädigte dazu gebracht werden sollte, die weitere Verfolgung zu unterlassen und dem
Angeklagten den Besitz des Mobiltelefons zu überlassen. Der Geschädigte sei dem aber nicht nachgekom-men. Hierin liege eine versuchte Nötigung.
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II.

1. Die Beweiswürdigung des [X.]s hält revisionsrechtlicher Über-prüfung stand. Sie beruht auf einer ausreichenden Gesamtschau der maßgebli-chen Umstände und zeigt auch im Übrigen keine Rechtsfehler auf. Solche wer-den auch von der Revisionsführerin nicht geltend gemacht.
2. Die Bewertung des rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalts
als Be-trug in Tateinheit mit Nötigung kann allerdings keinen Bestand haben.
a) Die Würdigung des [X.]s
geht für die Abgrenzung von [X.] und Betrug von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab
aus, indem es allein auf das äußere Erscheinungsbild der
Übergabe des Mobiltelefons abstellt und deswegen darin eine Vermögensverfügung des Geschädigten
sieht.
Es nimmt nicht in den Blick, dass in Fällen, in denen sich der Täter, eine Sache durch Täuschung
verschafft

wie hier unter dem Vorwand, nur ein Telefonat führen zu wollen und das Telefon dann zurückzugeben , für die Abgrenzung von Wegnahme (§ 242 [X.]GB) und Vermögensverfügung (§
263 [X.]GB) auch die Willensrichtung des [X.] und nicht nur das äußere Erscheinungsbild des Tatgeschehens maßgebend
ist
([X.], Urteile
vom 16.
Januar 1963

2 [X.]R 591/62, [X.][X.] 18, 221, 223; vom 9. April 1968

1 [X.], [X.] 1968, 637; vom 23. Juni 1965

2 [X.]R 12/65, [X.] 1966, 212 und
vom 17. Dezember 1986

2 [X.]R 537/86, [X.]R [X.]GB § 242 Abs.1 Wegnahme 2; Beschluss vom [X.] 2016

2 [X.]).
Betrug liegt vor, wenn der Getäuschte aufgrund freier,
nur durch Irrtum beeinflusster
Entschließung Gewahrsam übertragen will
und überträgt
(vgl. [X.], Urteile vom 9. April 1968

1 [X.], [X.] 1968, 637
und
vom 23. Juni 1965

2 [X.]R 12/65, [X.] 1966, 212). In diesem Fall wirkt sich der Gewahrsams-8
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übergang, dem ein Handeln, Dulden oder Unterlassen zu Grunde liegen kann,
unmittelbar vermögensmindernd aus.
Diebstahl ist gegeben, wenn die [X.] lediglich dazu dienen soll, einen gegen den Willen des Berechtigten gerichteten eigenmächtigen Gewahrsamsbruch des [X.] zu ermöglichen oder wenigstens zu erleichtern
([X.], Urteile
vom 13. März 1951

1 [X.]R 20/51
und
vom 17. Dezember 1986

2 [X.]R 537/86, [X.]R [X.]GB § 242 Abs.1 Wegnah-me
2; [X.] in LK, [X.]GB,
12. Aufl.,
§ 242 Rn. 120).
Von der Vorschrift des §
242 [X.]GB werden insbesondere auch solche Fallgestaltungen erfasst, in de-nen der [X.] mit der irrtumsbedingten Aushändigung der Sa-che eine Wegnahmesicherung aufgibt, gleichwohl aber noch zumindest [X.] behält, der vom Täter gebrochen wird. [X.] sich der Gewahr-samsübergang mithin in einem mehraktigen Geschehen, so
ist die Willensrich-tung des [X.] in dem Zeitpunkt entscheidend, indem er die tatsächliche Herrschaft über die Sache vollständig verliert ([X.], Urteil vom 17.
Dezember 1986

2 [X.]R 537/86, [X.]R [X.]GB § 242 Abs.
1 Wegnahme 2; [X.],
Beschluss
vom 11. Dezember 1989

2 Ss 415/89, NJW 1990, 923; Beschluss vom 2. August 2016

2 [X.]). Um diesen Zeitpunkt des vollständigen Verlustes der Sachherrschaft bestimmen zu können, bedarf es der Berücksich-tigung des äußeren Erscheinungsbildes der Tat.
b) Nach diesen
Maßgaben kann der
Ansicht des [X.]s, mit der Übergabe des Mobiltelefons sei eine Vermögensverfügung eingetreten, da der Geschädigte jede Zugriffsmöglichkeit verliere, auf der Grundlage des festge-stellten Sachverhalts nicht gefolgt werden. Denn diese Wertung lässt unberück-sichtigt, dass der Geschädigte das Mobiltelefon dem neben ihm stehenden [X.] nur für kurze Zeit überließ, damit dieser ein Gespräch führen könne und es ihm sodann zurückgeben werde. Dass unter diesen Voraussetzungen der Geschädigte gegen seinen Willen die tatsächliche Herrschaft über die noch in seiner unmittelbaren Nähe befindlichen Sache vollständig verloren haben 12
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könnte, ist ohne das Hinzutreten besonderer Umstände
(vgl. hierzu [X.], [X.] vom 8. März
1988

5 [X.], [X.], 270) regelmäßig mit den maßgeblichen Anschauungen des täglichen Lebens nicht vereinbar
(vgl. [X.], Urteile
vom 13. März 1951

1 [X.]R 20/51; vom 23.
Juni 1965

2 [X.]R 12/65, [X.] 1966, 212; vom 9.
April 1968

1 [X.], [X.] 1968, 637
und
vom 19. Juni 1973

1 [X.], bei [X.] 1974, 15; Beschluss vom [X.] 1987

1 [X.], [X.]R [X.]GB § 242 Abs. 1 Gewahrsam 2 mwN; [X.] in LK, [X.]GB,
12. Aufl.,
§ 242 Rn. 73, 88). Denn die tatsächliche Einwirkungs-möglichkeit wird unter den obwaltenden Umständen allein durch die
Aufgabe der Sicherung, die darin liegt, die Sache unmittelbar bei sich zu tragen, noch nicht entzogen. Wie auch das [X.]

angesichts der räumlichen [X.] naheliegend

in Rechnung
stellt, konnte der Geschädigte nach der Übergabe, aber vor dem Weglaufen des Angeklagten [X.] Mitwirkung des Empfängers oder mit körperlicher Gewalt wieder auf . Der
fortdauernde Sachherrschaftswille ergibt sich aus der

durch das festgestellte weitere Verhalten des Geschädigten belegt. Anhaltspunkte dafür, dass der Geschädigte aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, die Sachherrschaft seinem Willen gemäß auszuüben, was nach den Um-ständen des Einzelfalls zu beurteilen ist ([X.], Urteile
vom 29. September 1953

1 [X.], [X.] § 242 [X.]GB Nr. 11
und
vom 11. Juni 1965

4 [X.], [X.] 1966, 244; Beschluss vom 8. März 1988

5 [X.], [X.], 270; [X.], Urteil vom 20. März 1973

Ss
279/72, [X.] 1973, 866
f.), sind nicht ersichtlich und liegen nach der anschließenden Verfolgung auch fern.
c) Es kommt nicht darauf an, ob auch der Angeklagte schon durch die Entgegennahme des Mobiltelefons ein Gewahrsamsverhältnis begründete. An-gesichts der Gegebenheiten im vorliegenden Fall kann es sich allenfalls um die Erlangung von [X.] durch den
Angeklagten handeln.
Die freiwillige 13
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9
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Übertragung von [X.] ist jedoch noch keine Vermögensverfügung; sie bewirkt keinen unmittelbaren Vermögensschaden, sondern lediglich eine Gewahrsamslockerung, die darin zu sehen ist, dass sich der Berechtigte der alleinigen Sachherrschaft begeben hat und nicht mehr in demselben Maße auf sie einwirken kann wie zuvor ([X.], Urteil vom 17. Dezember 1986

2 [X.]R 537/86, [X.]R [X.]GB § 242 Abs.
1 Wegnahme 2; BayObLG, Beschluss vom 11.
Februar 1992

RReg. 2 [X.] 245/91, [X.] 1992, 519 m. Am.
[X.]; [X.] in LK, [X.]GB,
12. Aufl.,
§ 242 Rn. 119).
d) Seinen [X.] hatte der Geschädigte erst in dem Moment ver-loren, als der Angeklagte mit dem Telefon davongelaufen ist. Dieses Verhalten entsprach aber nicht mehr
dem Willen des Geschädigten. Es handelte sich um einen eigenmächtigen Vorgang des Nehmens und nicht um ein Geben.
e) Durch die unzutreffende rechtliche Würdigung hat sich das [X.] auch den Blick auf die Verwirklichung des Tatbestands
des besonders schweren räuberischen Diebstahls nach §§ 252, 250 Abs. 2 Nr. 1
[X.]GB
ver-stellt. Eine solche Tat wäre allerdings bereits mit dem auf eine Gewahrsamser-haltung abzielenden Einsatz der [X.] vollendet;
ob es dem Täter gelingt,
sich den Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist unerheblich
(Fischer, [X.]GB,
63. Aufl., § 252 Rn. 10 mwN).
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3. Es handelt sich um einen bloßen Wertungsfehler, der die [X.] nicht berührt. Diese konnten daher bestehen bleiben, worauf der Senat aus Klarstellungsgründen hingewiesen hat.
Das neue Tatgericht kann jedoch er-gänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen tref-fen. Die auf die Aufhebung der Feststellungen zielende Revision war zu verwer-fen.
[X.] Cirener

Radtke [X.]
16

Meta

1 StR 402/16

12.10.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2016, Az. 1 StR 402/16 (REWIS RS 2016, 4104)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4104

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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