Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2022, Az. XI ZB 25/21

11. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 7681

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Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Musterentscheid des [X.] vom 30. September 2021 aufgehoben, soweit das [X.] die [X.] bis 19 als unbegründet zurückgewiesen und den Vorlagebeschluss des [X.] vom 6. August 2020 hinsichtlich des [X.] für gegenstandslos erklärt hat.

Das Feststellungsziel II 1 wird als unbegründet zurückgewiesen. Der Vorlagebeschluss des [X.] vom 6. August 2020 ist hinsichtlich der [X.] bis 19 gegenstandslos.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde des [X.] zurückgewiesen.

Der [X.] trägt die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin. Seine außergerichtlichen Kosten trägt der [X.] selbst.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis zu 13.000 € festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem [X.] ([X.]) darüber, ob der bei der Emission des "[X.]    " (im Folgenden: Fonds) am 7. Mai 2008 aufgestellte Prospekt (im Folgenden: Prospekt) fehlerhaft ist und ob die [X.] hierfür aufgrund sogenannter bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen werden können.

2

Bei dem Fonds handelte es sich um eine Beteiligung an den beiden [X.] N.        Schiffsbetriebsgesellschaft mbH & Co. [X.]            " KG und der [X.].      Schiffsbetriebsgesellschaft mbH & Co. [X.] "M.                   " KG (im Folgenden: [X.]). Die Anleger beteiligten sich dabei direkt als Kommanditisten der [X.], und die Gesamteinlage eines jeden Kommanditisten verteilte sich zu gleichen Teilen auf die [X.]. Die [X.].            " und die [X.] "M.                 " waren Containerschiffe mit einer Containerkapazität von je 2.556 TEU ([X.] bzw. 20-Fuß-Standard-Container).

3

Die [X.] zu 1 stellte den Prospekt auf. Die [X.] zu 2 und 3 waren Gründungskommanditistinnen der [X.].

4

Die [X.] werden auf Schadensersatz wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Beteiligung an dem Fonds nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen.

5

Das [X.] hat mit Beschluss vom 6. August 2020 dem [X.] zum Zweck der Herbeiführung eines [X.]s vorgelegt. Mit den [X.] bis 19 werden [X.] geltend gemacht. Daneben wird die Feststellung begehrt, dass die [X.] als Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaften, respektive aufgrund der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens nach den Grundsätzen der uneigentlichen Prospekthaftung im weiten Sinne gemäß § 311 Abs. 2 und 3, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB verantwortlich sind ([X.]), bei der Veröffentlichung des Prospekts schuldhaft ihre vertraglichen Aufklärungspflichten verletzt haben (Feststellungsziel [X.]) und verpflichtet waren, über die festgestellten unrichtigen, unvollständigen und irreführenden Punkte im streitgegenständlichen Prospekt aufzuklären, und deshalb wegen Verletzung ihrer Aufklärungspflichten haften (Feststellungsziel II 3).

6

Das [X.] hat durch [X.] vom 30. September 2021 die [X.] bis 19 als unbegründet zurückgewiesen. Zudem hat es festgestellt, dass die [X.] 1 bis 3 gegenstandslos sind.

7

Gegen den [X.] hat der [X.] Rechtsbeschwerde eingelegt. Er verfolgt seine Feststellungsanträge weiter.

8

Der Senat hat mit Beschluss vom 21. Februar 2022 die [X.] zu 1 zur Musterrechtsbeschwerdegegnerin bestimmt.

B.

9

Die zulässige Rechtsbeschwerde des [X.]s hat im Ergebnis keinen Erfolg.

I.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO) und formuliert einen ordnungsgemäßen [X.] (§ 20 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

[X.]

Die Rechtsbeschwerde des [X.]s hat im Ergebnis keinen Erfolg. Sie führt nur dazu, dass das [X.] und nicht die [X.] bis 19 als unbegründet zurückgewiesen werden und dass der Vorlagebeschluss hinsichtlich der [X.] bis 19 gegenstandslos ist.

1. Das [X.] hat zur Begründung des [X.]s - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

Die [X.] bis 19 seien unbegründet, weil die gerügten [X.] nicht vorlägen. Die [X.] 1 bis 3 seien gegenstandslos, weil es auf die damit aufgeworfenen Fragen nicht mehr ankomme.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob das [X.] zu Recht davon ausgegangen ist, dass keine [X.] vorliegen. Denn die Rechtsbeschwerde hat bereits aus einem anderen Grund im Ergebnis keinen Erfolg. Das [X.] ist wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung als unbegründet zurückzuweisen. Somit ist der Vorlagebeschluss nicht nur - wie vom [X.] bereits festgestellt - hinsichtlich der [X.] 2 und 3, sondern auch hinsichtlich der [X.] bis 19 gegenstandslos.

a) Durch das [X.] sollte nur eine Haftung der [X.] nach den Grundsätzen der "Prospekthaftung im weiteren Sinne" durch Verwenden eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden. Dies ergibt sich aus der Zusammenschau mit dem Feststellungsziel [X.], das ausdrücklich darauf abstellt, dass die [X.] "bei der Veröffentlichung" des streitgegenständlichen Prospekts ihre Aufklärungspflichten verletzt hätten. Zudem sind [X.] so auszulegen, dass ein prozessual zulässiges Ergebnis erreicht wird. Feststellungen zu einem Schadensersatzanspruch, der nicht an eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung anknüpft, wären im Kapitalanleger-Musterverfahren unstatthaft (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2021 - [X.], [X.], 237 Rn. 21 und vom 26. April 2022 - [X.], [X.], 1169 Rn. 16).

b) Die begehrte Feststellung ist nicht zu treffen, weil die vom [X.] geltend gemachte Haftung der [X.] aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden kann. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird - was der Senat bereits mehrfach entschieden hat (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2021 - [X.], [X.], 237 Rn. 22 ff., vom 14. Juni 2022 - [X.], [X.], 1679 Rn. 7 f. [X.] in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, juris und vom 26. Juli 2022 - [X.], juris Rn. 50 ff. [X.]) - vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt.

Auf den am 7. Mai 2008 aufgestellten Prospekt findet die Regelung des § 8g [X.] in der vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) eröffnet.

Die [X.] zu 1 ist [X.] im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] aF. Denn sie hat die Verantwortung für den Prospekt ausdrücklich übernommen (Seite 13 des Prospekts). Die [X.] zu 2 und 3 sind nach den Feststellungen des [X.]s Gründungskommanditistinnen der [X.] und als solche Prospektveranlasserinnen im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. Oktober 2021 - [X.], [X.], 2386 Rn. 24, vom 26. April 2022 - [X.], [X.], 1277 Rn. 39 und vom 14. Juni 2022 - [X.], [X.], 1679 Rn. 12 in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, juris). Die [X.] hafteten mithin für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] aF. Neben dieser ist eine Haftung der [X.] unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen.

c) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den von der Rechtsbeschwerde zitierten Entscheidungen des [X.] und des I[X.] Zivilsenats des [X.]. Insoweit wird auf die Ausführungen in den Senatsbeschlüssen vom 15. März 2022 ([X.], [X.], 921 Rn. 25 ff.), vom 26. April 2022 ([X.], [X.], 1169 Rn. 22 ff.) und vom 19. Juli 2022 ([X.], [X.], 1684 Rn. 23 ff.) verwiesen. Die Rechtsbeschwerde rügt zudem zu Unrecht die Zuständigkeit des Senats (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 19. Juli 2022, aaO Rn. 33 f.).

d) Da der Antrag zu dem [X.] in der Sache unbegründet ist, ist der Vorlagebeschluss hinsichtlich der [X.] bis 19 und [X.] und 3 gegenstandslos (vgl. Senatsbeschluss vom 15. März 2022 - [X.], [X.], 921 Rn. 30 ff. [X.]).

I[X.]

Die Entscheidung über die Kosten des [X.] folgt aus § 26 Abs. 1 und 3 [X.] i.V.m. §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entsprechend. Soweit der Senat auf die (teilweise) Gegenstandslosigkeit des [X.] erkennt, ist damit eine der Rechtsbeschwerde günstige Entscheidung in der Sache, die eine Belastung der [X.] mit Kosten des [X.] rechtfertigte, nicht verbunden (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2018 - [X.], [X.], 100 Rn. 76).

IV.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten folgt aus § 51a Abs. 2 GKG, wobei vorliegend wegen Klagerücknahmen in den übrigen Verfahren nur der Streitwert im Verfahren des [X.]s und damit die [X.] bis 13.000 € anzusetzen ist.

Ellenberger     

  

Grüneberg     

  

Derstadt

  

Schild von [X.]     

  

Ettl     

  

Meta

XI ZB 25/21

18.10.2022

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BGH, 21. Februar 2022, Az: XI ZB 25/21, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2022, Az. XI ZB 25/21 (REWIS RS 2022, 7681)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7681

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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