Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2007, Az. IX ZR 73/06

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 3189

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 73/06 Verkündet am: 28. Juni 2007 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 90 Abs. 1, § 294 Abs. 1 Der Inhaber einer so genannten oktroyierten Masseverbindlichkeit hat während der Wohlverhaltensphase ein Rechtsschutzinteresse an einer Zahlungsklage gegen den Schuldner. [X.], [X.]eil vom 28. Juni 2007 - [X.] [X.] Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2007 durch [X.] Ganter, [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das [X.]eil der 11. Zivilkammer des [X.] vom 24. März 2006 wird als unzulässig verworfen, soweit diese die Verurteilung der Beklagten in Höhe von 153 • beantragt hat. Im Übrigen wird das vorbezeichnete [X.]eil auf die Revision der Klägerin im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 3.187,05 • nebst Zinsen abgewiesen worden ist. Auf die Berufung der Beklagten wird das [X.]eil des [X.] vom 23. Juni 2005 abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.187,05 • nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Dezember 2004 zu zahlen. Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: Die Klägerin vermietete der Beklagten einen Frisörsalon in [X.]. Die monatliche Miete betrug 637,57 •. Seit April 2002 blieb die Beklagte den [X.] schuldig. Auf ihren Antrag wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermö-gen eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte das Mietverhältnis zum 30. Sep-tember 2002. Die Klägerin meldete ihre Mietzinsforderung für den Zeitraum von April bis September 2002 zur Tabelle an. Im Schlusstermin wurde ein Betrag von 642,07 • - die Aprilmiete sowie eine Rücklastgebühr - als Insolvenzforde-rung festgestellt. Im Übrigen bestritt der Verwalter die Forderung mit der [X.], dass es sich um eine Masseforderung handele. Diese wurde jedoch aus der Masse nicht beglichen. 1 Das Insolvenzgericht hob das Insolvenzverfahren nach Vollzug der [X.] mit [X.]uss vom 28. Juni 2005 auf; die Beklagte befindet sich nunmehr in der sogenannten "Wohlverhaltensphase". 2 Im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren nahm die Klägerin zweimal ihre Rechtschutzversicherung in Anspruch; infolge der Selbstbeteili-gung entstanden ihr Kosten in Höhe von insgesamt 306 •. 3 Das Amtsgericht hat der Klage auf Zahlung der Mietzinsen für die Mona-te Mai bis September 2002 sowie auf Ersatz der [X.] im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin, das [X.] [X.]eil wiederherzustellen. 4 Entscheidungsgründe: - 4 - Die Revision hat im Wesentlichen Erfolg. 5 [X.] Das Rechtsmittel ist unzulässig, soweit die Klägerin die [X.] des amtsgerichtlichen [X.]eils auch insoweit begehrt, als die Beklagte in erster Instanz zur Zahlung von 153 • verurteilt worden ist. Insoweit hat sie die Revision nicht begründet (§ 551 ZPO). 6 I[X.] Soweit das Rechtsmittel zulässig ist, ist es auch begründet. 7 1. Das [X.] hat zur Begründung der Klageabweisung Folgendes ausgeführt: Die Berufung der Beklagten sei zulässig, weil sie nicht unter einer Bedingung eingelegt worden sei. Das Rechtsmittel führe zur Abweisung der Klage, weil die Klägerin an der Durchsetzung der Mietforderungen durch §§ 286, 301 [X.] gehindert sei. 8 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 9 a) Allerdings ist das [X.] mit Recht von einer form- und fristge-recht eingelegten Berufung ausgegangen. Das Berufungsgericht hat den am 26. Juli 2005 eingegangenen Schriftsatz als unbedingt eingelegte Berufung ausgelegt. Diese Auslegung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Insoweit kann 10 - 5 - der Senat als Revisionsgericht die Würdigung der in der Berufungseinlegung liegenden prozessualen Willenserklärung uneingeschränkt nachprüfen und die erforderliche Auslegung der Erklärung selbst vornehmen (z.B. [X.], [X.]. v. 11. November 1993 - [X.], NJW-RR 1994, 568; [X.]. v. 31. Mai 1995 - [X.], NJW 1995, 2563, 2564). Der mit "Berufung" überschriebene Schriftsatz ist innerhalb der Beru-fungsfrist eingegangen und wahrt die erforderlichen Förmlichkeiten. In ihm wird erklärt, dass gegen das näher bezeichnete [X.]eil des Amtsgerichts namens und in Vollmacht der "Beklagten/Berufungsklägerin" Berufung eingelegt werde. Die Einlegung des Rechtsmittels ist zulässigerweise mit einem Prozesskostenhilfe-gesuch verbunden worden. In einem solchen Fall muss der Rechtsmittelführer zwar alles vermeiden, was den Eindruck erweckt, er wolle eine (künftige) [X.] nur ankündigen und sie von der Gewährung der Prozesskosten-hilfe abhängig machen (vgl. [X.] 165, 318, 320 m.w.N.). Wenn aber - wie hier - die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift erfüllt sind, kommt die Deutung, dass der Schriftsatz nicht als unbedingte Berufung be-stimmt war, nur in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (vgl. [X.] 165, 318, 320 f m.w.N.; ferner [X.], [X.]. v. 16. Dezember 1987 - [X.], NJW 1988, 2046, 2047). Mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen einer bedingten und damit unzulässigen Berufungseinlegung ist für die Annahme ei-ner derartigen Bedingung eine ausdrückliche zweifelsfreie Erklärung [X.], die beispielsweise darin gesehen werden kann, dass der Schriftsatz als "Entwurf einer Berufungsschrift" bezeichnet wird oder von einer "beabsichtigten Berufung" die Rede ist oder angekündigt wird, dass "nach Gewährung der Pro-zesskostenhilfe" Berufung eingelegt werde (vgl. [X.] 165, 318, 321 m.w.N.; [X.], [X.]. v. 31. Januar 2007 - [X.] 207/06, [X.], 801, 802). 11 - 6 - Demgegenüber ist der hier zu beurteilenden Berufungsschrift eine solche eindeutige, jeden vernünftigen Zweifel ausschließende Bedingung nicht zu [X.]. Sie ist mit "Berufung" überschrieben und enthält zunächst die [X.] und einschränkungslose Erklärung, es werde Berufung eingelegt. Wenn sodann in der Berufungsschrift nach dieser Erklärung der Satz folgt 12 "Die Berufung erfolgt unter dem Vorbehalt, daß der [X.]/Berufungsklägerin Prozeßkostenhilfe gewährt [X.], so ist dies nicht eindeutig. Diese Erklärung kann auch dahin verstanden wer-den, dass nur die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang die ([X.]) Durchführung des Rechtsmittelverfahrens - die die Einlegung des Rechts-mittels voraussetzt - von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig [X.] wird, nicht aber die Einlegung selbst, und dass die Beklagte sich für den Fall vollständiger Versagung der Prozesskostenhilfe die Zurücknahme der Beru-fung vorbehält (vgl. [X.] 165, 318, 323; [X.], [X.]. v. 31. Mai 1995 aaO; [X.]. v. 19. Mai 2004 - [X.] 25/04, [X.], 1553, 1554). Daran [X.] der Umstand, dass der bereits angekündigte Sachantrag mit der Wendung "Im Wege der Prozesskostenhilfe" eingeleitet wird, nichts. Denn § 519 ZPO [X.] noch überhaupt keine Antragstellung. b) Jedoch durfte das [X.] die Klage nicht mit der Begründung abweisen, die Klägerin sei durch §§ 286, 301 [X.] an der Durchsetzung der Mietforderung für Mai bis September 2002 gehindert. 13 - 7 - Die Klägerin kann die Beklagte persönlich auf Zahlung der Mieten in [X.] nehmen. Ob ein [X.] im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 [X.] seine Forderung schon während des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner persönlich verfolgen kann, ist zwar umstritten (befürwortend [X.] ZIP 1990, 1217, 1218; Kübler/Prütting/Pape, [X.] § 53 Rn. 28; a.A. - Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters erforderlich - MünchKomm-[X.]/ Hefermehl, § 53 Rn. 46, 53). Jedenfalls dann, wenn sich nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 201 Abs. 3, §§ 286 ff [X.] die so genannte [X.] anschließt, kann - und muss - der [X.] [X.] den Schuldner persönlich verklagen [X.]/Kießner, [X.] 2. Aufl. § 201 Rn. 5). Die Haftung des Schuldners beschränkt sich gegenständlich nicht auf die ihm überlassene restliche, das heißt nicht verwertete Masse. Denn bei der der Klage zugrunde liegenden Mietforderung handelt es sich um eine soge-nannte oktroyierte Masseverbindlichkeit im Sinne des § 90 [X.], die bereits von der Beklagten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden war (vgl. FK/[X.]-Ahrens, 4. Aufl. § 294 Rn. 14; HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 53 Rn. 11). 14 aa) Das Rechtsschutzinteresse kann der Klägerin nicht abgesprochen werden. Über den Antrag der Beklagten auf Erteilung der Restschuldbefreiung ist bisher nicht entschieden worden. Ob der Beklagten die begehrte Rest-schuldbefreiung erteilt werden wird, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden (vgl. §§ 295 ff [X.]). Wird die Restschuldbefreiung versagt, können die Insolvenzgläubiger sofort gegen die Beklagte aus der Eintragung in die Tabelle vollstrecken (§ 201 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.]). Das Vollstreckungs-verbot des § 294 Abs. 1 [X.] steht dem nicht mehr entgegen (vgl. § 299 [X.]). Die Beklagte als [X.]in hat während des Insolvenzverfahrens keinen Vollstreckungstitel für ihre Forderung erlangt; der Weg, ihre Forderung zur [X.] - 8 - belle feststellen zu lassen, stand ihr nicht offen (§§ 87, 174 Abs. 1 [X.]). Folg-lich muss sie einen Titel nunmehr erstreiten können; ein Grund, ihrer Massefor-derung (zum Fortbestehen dieser rechtlichen Einordnung vgl. [X.], [X.]. v. 17. März 2005 - [X.] ZB 214/04, [X.], 1129, 1131) eine (mindestens) [X.] zu verwehren, besteht nicht. [X.]) Auf die in den Vorinstanzen erörterte Frage, ob die Klageforderung durch die von der Beklagten beantragte Restschuldbefreiung erfasst wird (§ 301 [X.]), kommt es nicht an. Denn der Beklagten ist eine Restschuldbefreiung bisher nicht erteilt worden. Selbst wenn die hier geltend gemachte Massever-bindlichkeit entgegen dem Wortlaut des § 301 Abs. 1 [X.] der Restschuldbe-freiung unterfiele, vermöchte dieser Umstand ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage zu stellen. Während der Wohl-verhaltensphase ist die Klägerin berechtigt, in das Vermögen der Beklagten zu vollstrecken. Das Vollstreckungsverbot des § 90 Abs. 1 [X.] ist spätestens mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 289 Abs. 2 Satz 2 [X.]) entfallen, und dasjenige des § 294 Abs. 1 [X.] gilt für [X.] nicht (vgl. FK/[X.]-Ahrens, aaO; MünchKomm-[X.]/Ehricke, § 294 Rn. 24). Es entzieht, soweit nicht § 287 Abs. 2, § 295 [X.] eingreifen, den Neuerwerb der Beklagten dem Zugriff der Insolvenzgläubiger ([X.] 163, 391, 396 f). 16 cc) Hinzu kommt, dass die Klägerin auch während der [X.] bisher nicht an der Verteilung etwaiger Einnahmen des Treuhänders beteiligt worden ist. Gemäß § 292 Abs. 1 [X.] ist sie vor den [X.] zu berücksichtigen (vgl. [X.], [X.]. v. 17. März 2005, aaO); die Klägerin wird ihren Anspruch auf anteilige Ausschüttung gegenüber dem Treuhänder mit größerer Aussicht auf Erfolg durchsetzen können, wenn sie über einen ihre Masseforderung ausweisenden Titel verfügt. 17 - 9 - c) Da die Mietforderung der Klägerin nach Grund und Höhe unstreitig ist, war das der Klage stattgebende amtsgerichtliche [X.]eil wiederherzustellen, so-weit die Klägerin das Berufungsurteil zulässig mit der Revision angegriffen hat. 18 Ganter [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: AG [X.]-Altona, Entscheidung vom 23.06.2005 - 318c [X.] - LG [X.], Entscheidung vom 24.03.2006 - 311 S 95/05 -

Meta

IX ZR 73/06

28.06.2007

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2007, Az. IX ZR 73/06 (REWIS RS 2007, 3189)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3189

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