Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2014, Az. VI ZR 39/14

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 316

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI ZR 39/14

Verkündet am:

16. Dezember 2014

Ermel

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 823 Ah; § 824; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12; [X.]. 8 Abs. 1, Art. 10 Abs.
1

a)
§ 824 Abs. 1 [X.] bietet keinen Schutz vor abwertenden Meinungsäuße-rungen. Dies gilt auch für Äußerungen, in denen Tatsachen und Meinungen sich vermengen, sofern
sie durch die Elemente der Stellungnahme, des [X.] oder [X.] geprägt sind.

b)
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb schützt auch das Interesse des Unternehmers daran, dass seine wirtschaftliche Stellung nicht durch inhaltlich unrichtige Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind, ge-schwächt wird und andere Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihm abgehalten werden.

c)
Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunter-nehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der [X.] nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, wenn sie scharf und überzo-gen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmäh-kritik angesehen
werden.

[X.], Urteil vom 16. Dezember 2014 -
VI ZR 39/14 -
OLG [X.] in [X.]

LG [X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
16.
Dezember 2014
durch den Vorsitzenden [X.], die Richterin [X.], [X.] und die Richterinnen von [X.] und Dr.
Oehler
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten
wird das Urteil des 15.
Zivilsenats in [X.] des Oberlandesgerichts [X.] am Main vom 8. Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin stellt Hochleistungsmagneten zur Einsparung von fossilen Brennstoffen bei dem Betrieb von Heizungsanlagen her. Sie ist Inhaberin des beim Deutschen Patent-
und Markenamt eingetragenen Patents über die "[X.] eines kohlenwasserstoffhaltigen [X.] sowie deren Verwendung". Nach der Patentschrift liegt die Aufgabe der Erfindung darin, den [X.] des behandelten Treibstoffes signifikant zu erhöhen. Der Beklagte hat Physik und Architektur studiert. Er ist der Auffassung, dass die von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Vor-richtungen keine Energieeinsparung bewirkten und die Klägerin dies wisse. Am 1
-

3

-

7. Juni 2011 teilte er einer Kundin der Klägerin unter voller Nennung der im [X.] abgekürzt wiedergegebenen Namen per E-Mail mit:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
ich schreibe derzeit
an einem Artikel über einen groß angelegten Schwindel durch eine Firma [X.], die unter dem Markennamen [X.] vermarktet, die an die Brennstoffleitung einer Heizungsanlage geklemmt auf wundersame Weise enorme Energieeinsparungen bewirken sollen. Die Wirkung dieser Magnete entspricht der eines Perpetuum Mobiles, die vom Hersteller herbeigezerrte wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wirkung der Magnete ist völliger Unsinn.
Zu den Opfern dieses Betruges gehört auch Ihr Unternehmen. Wie Herr J. vom Facility Management Ihres Unternehmens berichtet, wurden [X.] in Ihren Niederlassungen A. und [X.] mit diesen Magneten ausge-stattet.
Ich würde [X.] freuen, wenn Sie zu dieser Angelegenheit Stellung be-ziehen könnten. [X.] interessiert dabei insbesondere, ob Sie durch Ihren Hei-zungslieferanten oder Energieberater zu diesen Magneten zum Kauf dieser Magnete motiviert wurden,
oder ob sich diese nach Kauf dazu geäußert haben. Besonders interessant ist auch, wie die Messung der angeblichen Effizienzstei-gerung durchgeführt wurde. Gerne wird Ihnen dazu jeder Schornsteinfeger be-stätigen, dass solch eine Effizienzsteigerung nach einer normalen Wartung und Reinigung, die eventuell beim Einbau der Magnete erfolgte, problemlos mess-bar ist.
Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, dass sich Ihr Unternehmen durch die Bereitstellung des Anwenderberichts zu Werbezwecken für dieses -

4

-

Scharlatanerieprodukt ([X.]) gegenüber dadurch beeinflussten weiteren Opfern des Betrugs eventuell schadensersatzpflichtig macht.
Vielen Dank und herzliche Grüße
T. B.
Wissenschaftsjournalist"
Nachdem die Klägerin den Beklagten abgemahnt und seine Äußerungen als Schmähkritik bezeichnet hatte, teilte der Beklagte mit E-Mail vom 17. Juni 2011
unter Angabe eines Links mit, das Abmahnschreiben habe ihn veranlasst, den Betrug durch die Klägerin auch im [X.] bekannt zu machen.
Das [X.] hat den Beklagten verurteilt, die Behauptungen zu [X.], die Klägerin initiiere mit der Vermarktung ihres unter dem Marken-namen "E."
hergestellten Produktes einen "groß angelegten Schwindel"
bzw. "Betrug", bei den
Kunden der Klägerin handele es sich um "Opfer dieses [X.]", bei den
"[X.] der Klägerin handele es sich um "[X.]", die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines "[X.]", die vom Hersteller herbeigezerrte wissen-schaftliche Begründung der angeblichen Wirkung sei völliger Unsinn. Das [X.] hat den Beklagten darüber hinaus verurteilt, es zu unterlassen, unmittelbar an Kunden der Klägerin mit den vorgenannten Behauptungen her-anzutreten,
und an die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.974,40

zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der [X.] seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

2
3
-

5

-

Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen der Klägerin [X.] gegen den Beklagten aus §
1004 Abs.
1 Satz
2 [X.] analog [X.]. §
823 Abs.
1, § 824 [X.] zu. Durch die beanstandeten Äußerungen habe der Beklagte die unternehmensbezogenen Interessen des Unternehmens der Klägerin betroffen, die sowohl durch ihr Persönlichkeitsrecht als auch durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt seien. Die Äußerungen des Beklagten [X.] nicht den Schutz der Meinungsfreiheit gemäß Art.
5 Abs.
1 Satz
1 GG, weil sie als unzulässige Schmähkritik zu [X.] seien. Ausweislich seiner E-Mail vom 7.
Juni 2011 gehe es dem [X.]n vorrangig nicht um eine Auseinandersetzung mit der von ihm behaupteten Wirkungslosigkeit der von der Klägerin verwendeten Technik. Hierzu enthielten seine Ausführungen kaum einen brauchbaren Anhaltspunkt. Vielmehr gehe es dem Beklagten ersichtlich darum, das Unternehmen der Klägerin in den Augen auch von Kunden herabzusetzen. Während der Leser der
E-Mail -
anders als aus dem Bericht des [X.] -
keinerlei [X.] erlange, aus welchen Gründen die Technik der Klägerin unbrauchbar sein solle, werde er ohne nähere Darlegungen mit angeblich betrügerischen Machenschaften der Klägerin konfrontiert. Dies habe mit einer Auseinanderset-zung in der Sache nichts zu tun, sondern ziele einzig und allein darauf ab, die Klägerin als Betrügerin darzustellen und den Adressaten vor ihr zu warnen. Der Beklagte habe die Klägerin gleichsam als Betrügerin an den Pranger gestellt. Das [X.] habe sich auch nicht mit den vom Beklagten behaupteten journalistischen und verbraucherschützenden Motiven
für sein Verhalten ausei-nandersetzen müssen, da er sich erstinstanzlich nicht auf diese Motive berufen
habe. Soweit er sie mit der Berufungsbegründung geltend gemacht habe, sei er 4
-

6

-

mit dem Vortrag ausgeschlossen. Abgesehen davon habe er seine Motive be-reits nicht nachvollziehbar und glaubhaft dargetan. Er habe zu keinem Zeitpunkt einen Artikel verfasst, ohne dass er dargelegt habe, was ihn daran gehindert habe, journalistisch tätig zu werden. Aber auch dann, wenn seine Motive tat-sächlich journalistischer Art gewesen wären, würde es an der Bewertung seiner Äußerungen als Schmähkritik nichts ändern.

II.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufge-führten Äußerungen und Verhaltensweisen nicht bejaht werden.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich ein An-spruch des Klägers auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufgeführten Äußerungen nicht aus § 824 Abs. 1 [X.] [X.]. §
1004 Abs.
1 Satz
2 [X.] analog. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 824 Abs. 1 [X.] sind nicht erfüllt, da die angegriffenen Äußerungen nicht als [X.] zu qualifizieren sind.

a) Gemäß § 824 Abs. 1 [X.] hat derjenige, der der Wahrheit zuwider ei-ne Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines [X.]n zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu
ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss. Die Vorschrift setzt danach voraus, dass unwahre Tatsachen und nicht bloß Wertur-teile mitgeteilt werden. Vor abwertenden Meinungsäußerungen und Werturtei-5
6
7
-

7

-

len bietet
§ 824 Abs. 1 [X.] keinen Schutz
(vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2011 -
VI [X.], [X.], 259 Rn. 9; [X.], Urteil vom 24. Januar 2006
-
XI ZR 384/03, [X.]Z 166, 84 Rn. 62; [X.]/[X.], Presserecht, 5. Aufl., §
12 Rn. 60; [X.]/[X.], Das Recht der Wort-
und Bildberichterstattung, 5. Auflage, [X.]. 5 Rn. 246; [X.]/[X.], [X.], 74. Auflage, § 824
Rn.
2
ff.).
b) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil ein-zustufen ist, ist eine Rechtsfrage, die vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ist (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 -
VI [X.], [X.], 297 Rn. 15; vom 16. November 2004 -
VI [X.], [X.], 70, 72
m.w.[X.]). Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äuße-rung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden
Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt ([X.] 90, 241, 247; 94, 1, 8; [X.] NJW 2000, 199, 200; NJW 2008, 358, 359). Wesentlich für die Einstufung als Tatsa-chenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Rich-tigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des [X.] gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. Senatsurteile
vom 22. Februar 2011 -
VI [X.], [X.], 259 Rn. 10; vom 17. November 2009 -
VI [X.], [X.], 72 Rn. 15; [X.], Urteil vom 24. Januar 2006 -
XI ZR 384/03, [X.]Z 166, 84 Rn. 63; [X.] 90, 241, 247;
[X.] NJW 2008, 358, 359). Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Ele-mente der Stellungnahme, des [X.] oder [X.] geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tat-sächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte
(vgl. [X.]e vom 29. Januar 2002 -
VI ZR 20/01, [X.], 169, 170;
vom 8
-

8

-

11.
März 2008 -
VI [X.], [X.], 193 Rn. 12, 18; vom 22. September 2009 -
VI ZR 19/08, [X.], 588 Rn. 11; [X.], Urteil vom 24. Januar 2006
-
XI ZR 384/03, [X.]Z 166, 84 Rn. 70; [X.] 85, 1, 15; [X.], NJW 2008, 358, 359). Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als aus-schlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungs-freiheit wesentlich verkürzt werden ([X.] 85, 1, 15 f. m.w.[X.]; [X.],
NJW 1993, 1845, 1846).
Die zutreffende Einstufung einer Äußerung
als Wertung oder Tatsachen-behauptung setzt die Erfassung ihres Sinns voraus (Senatsurteile vom 22. Sep-tember 2009 -
VI ZR 19/08, [X.], 588 Rn. 11; vom 11. März 2008 -
VI [X.], [X.], 297 Rn. 15;
vom 16. November 2004 -
VI [X.], [X.], 70, 73; vom 5. Dezember 2006 -
VI [X.], [X.], 46 Rn. 14; [X.]K 10, 485, 489).
Bei der Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 -
VI [X.], [X.]Z 132, 13, 20; vom 16. November 2004 -
VI [X.], [X.], 70, 73;
vom 27. Mai 2014 -
VI [X.], [X.], 449 Rn. 13; [X.], NJW 2013, 217, 218).
c) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Aussagen
als Mei-nungsäußerungen zu qualifizieren. Die Äußerungen, die Klägerin betreibe
mit der Vermarktung ihres unter dem Markennamen E.
hergestellten Produktes ei-nen "groß angelegten Schwindel"
bzw. "Betrug", bei den Kunden der Klägerin handele es sich um "Opfer dieses Betrugs", bei den E.-Produkten der Klägerin handele es sich um "Scharlatanerieprodukte", die Wirkung der von der Klägerin vermarkteten Magnete entspreche der eines "[X.]"
und die vom Hersteller "herbeigezerrte"
wissenschaftliche Begründung der angeblichen Wir-9
10
-

9

-

kung sei "völliger Unsinn", sind entscheidend durch das
Element des Dafürhal-tens und [X.] geprägt.
Zwar weisen
alle [X.] in ihrer Gesamtheit betrachtet auch tatsächliche Elemente auf. So bringt der Beklagte mit den
Be-griffen "Schwindel", "Betrug",
"Scharlatanerieprodukte"
und "Unsinn"
im [X.] Zusammenhang zum Ausdruck, dass die von der Klägerin bei der [X.] ihres Produkts hervorgehobene energieeinsparende
Wirkung
der Magnete
tatsächlich
nicht gegeben sei. Die
von der Klägerin zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wirkungs-weise treffe nicht zu, die (angeblich) gemessenen Einsparungen könnten auch auf eine beim Einbau der Magnete erfolgte Wartung und Reinigung der [X.] zurückzuführen sein
und die Klägerin
habe
hiervon Kenntnis.
Hier-in erschöpfen sich die Aussagen aber nicht; sie bringen vielmehr in erster Linie die Missbilligung des geschäftlichen Verhaltens der Klägerin durch den [X.]n zum Ausdruck und enthalten damit eine subjektive Wertung, die mit den tatsächlichen Bestandteilen der Äußerungen untrennbar verbunden ist.
Auch dem Begriff "Betrug"
kommt im vorliegenden
Zusammenhang kein weiterge-hender Aussagegehalt zu. Er wird hier erkennbar nicht im fachspezifischen, sondern in einem alltagssprachlichen Sinne verwendet (vgl. dazu Senatsurteile vom 29. Januar 2002 -
VI ZR 20/01, [X.], 169, 170; vom 14. Mai 2013
-
VI [X.], [X.]Z 197, 213 Rn. 14; [X.] 85, 1, 19; [X.], NJW 2012, 1643 Rn. 42). Ein durchschnittlicher Leser versteht unter dieser Behauptung nicht die Verwirklichung eines rechtlich präzise bestimmten Straftatbestandes, sondern den weiter gefassten Vorwurf der bewussten Verbrauchertäuschung.
2. Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des landgerichtlichen Urteils im Einzelnen aufge-führten Äußerungen und Verhaltensweisen aus §
1004 Abs.
1 Satz
2 analog [X.]. §
823 Abs.
1 [X.] zu.
11
-

10

-

a) Zwar ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen
in den Schutzbereich
des allgemeinen
Persönlich-keitsrechts
der Klägerin eingreifen. Betroffen ist der
durch Art.
2 Abs.
1 [X.]. Art.
19 Abs. 3 GG, Art. 8 Abs. 1 [X.]
gewährleistete [X.] Geltungsan-spruch der [X.] als Wirtschaftsunternehmen (vgl. Senatsurteile vom 3. Juni 1986 -
VI [X.], [X.]Z
98, 94, 97; vom 8. Februar 1994 -
VI [X.], [X.], 138
f.; vom 11. März 2008 -
VI [X.], [X.], 297 Rn. 9).
Denn die Verwendung der beanstandeten Begriffe ist geeignet, ihr unternehmerisches
Ansehen in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.
Die angegriffenen Äußerungen berühren darüber hinaus das durch Art.
12 [X.]. Art. 19 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete
Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Betroffen ist das Interesse der Klägerin daran, dass ihre wirtschaftliche Stellung nicht durch in-haltlich unrichtige
Informationen oder Wertungen, die auf sachfremden Erwä-gungen beruhen
oder herabsetzend formuliert sind, geschwächt
wird und [X.] Marktteilnehmer deshalb von Geschäften mit ihr abgehalten werden
(vgl. [X.] vom 11. März 2008 -
VI [X.], [X.], 297 Rn. 9; [X.], Urteil vom 24. Januar 2006 -
XI ZR 384/03, [X.]Z 166, 84 Rn. 98; [X.], NJW-RR 2004, 1710, 1711; NJW 2008, 358, 359 f.).
Die angegriffenen Äußerungen sind geeignet, eine Verunsicherung der Kunden der Klägerin zu bewirken mit der Folge, dass diese die angebotenen Leistungen nicht (mehr) nachfragen.
Das zuletzt genannte Interesse der Klägerin wird zusätzlich dadurch be-troffen, dass der Beklagte mit den angegriffenen Äußerungen unmittelbar an Kunden der Klägerin herangetreten ist.
b) Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen aber nicht die Annahme, dass die Beeinträchtigungen
des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts der
Kläge-12
13
14
15
-

11

-

rin
und ihres
Rechts
am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb rechtswidrig
sind.
aa) Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer erge-ben (Senatsurteile vom 11. März 2008 -
VI [X.], [X.], 297 Rn. 12; vom 21. April 1998 -
VI [X.], [X.]Z 138, 311, 318; [X.], Urteil vom 24. [X.] -
XI ZR 384/03, [X.]Z 166, 84
Rn. 97; [X.], NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Gleiches gilt für das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Senatsurteile vom 30. September 2014 -
VI [X.], juris Rn. 19,
z.[X.].; vom [X.] 2013 -
VI [X.], [X.]Z 199, 237 Rn. 22; vom 11. März 2008 -
VI [X.], [X.], 297 Rn. 12). Bei der Abwägung sind die betroffenen Grund-rechte und Gewährleistungen der [X.] interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich des jeweiligen Rechts ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des [X.] die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 30. September 2014 -
VI [X.], juris Rn. 19, z.[X.].;
vom [X.] 2013 -
VI [X.], [X.]Z 199, 237 Rn. 22 = [X.], 135).

bb) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung
des Beru-fungsgerichts, die danach erforderliche Abwägung sei vorliegend entbehrlich, weil die angegriffenen Äußerungen als Schmähkritik zu qualifizieren seien und deshalb nicht am Schutz der Meinungsfreiheit nach
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG teilhätten.

(1) Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Be-griff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte
oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur 16
17
18
-

12

-

Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll. Eine Schmähung liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2002 -
VI ZR 20/01, [X.], 169, 170; [X.], [X.], 388
Rn. 15; NJW
2014, 3357
Rn. 11; NJW-RR 2004, 1710, 1712, jeweils
m.w.[X.]). Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist in der Regel auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art.
5 Abs.
1 GG gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (Senatsur-teile vom 21. April 1998 -
VI [X.], [X.]Z 138, 311, 320; vom 29. Januar 2002 -
VI ZR 20/01, [X.], 169, 171; vom 16. November 2004
-
VI [X.], [X.], 70, 73; vom 11. März 2008 -
VI [X.], [X.], 193 Rn. 16).
(2) Nach diesen Grundsätzen sind die angegriffenen Äußerungen nicht als Schmähkritik zu qualifizieren. Auch hier
ist nämlich zu beachten, dass eine
Aussage nicht isoliert gewürdigt werden darf, sondern in dem [X.] zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist (vgl. Senatsurteil vom 5. [X.] -
VI [X.], [X.], 46 Rn. 19). Der E-Mail des Beklagten vom 7. Juni 2006 kann bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung ein Sachbe-zug nicht abgesprochen werden. Es handelt sich zwar um polemische und überspitzte Kritik; diese hat aber eine sachliche Auseinandersetzung zur [X.]. Der
Beklagte
setzt sich -
wenn auch in scharfer
und möglicherweise über-zogener
Form -
kritisch mit der gewerblichen Leistung und dem Geschäftsgeba-ren der Klägerin auseinander. Ihm geht es erkennbar darum, die aus seiner Sicht gegebene völlige Wirkungslosigkeit der Produkte der Klägerin aufzude-19
-

13

-

cken und zur Unterrichtung
der Marktteilnehmer und zur Markttransparenz bei-zutragen. Zu diesem Zweck bittet er den angeschriebenen Kunden der Klägerin um nähere Informationen, wie es zu dem Anwenderbericht des Kunden ge-kommen ist, den die Klägerin zu Werbezwecken für ihr Produkt verwendet.
So bittet er insbesondere um Mitteilung, wie die Messung der angeblichen Effi-zienzsteigerung der Heizung durchgeführt wurde, und weist darauf hin, dass eine Effizienzsteigerung bereits nach einer normalen Wartung und Reinigung zu erwarten sei.
[X.]) Im Streitfall sind deshalb die unter a) genannten Schutzinteressen der Klägerin mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 [X.] verankerten Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen.

(1) In der Rechtsprechung des [X.] sind ver-schiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwä-gungsvorgang vorgeben (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 -
VI [X.], [X.], 50 Rn.
12 m.w.[X.]). Danach fällt bei Äußerungen, in denen sich -
wie im vorliegenden Fall -
wertende und tatsächliche Elemente in der Weise ver-mengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht. Enthält die Meinungsäußerung einen erwiesen falschen
oder bewusst unwahren
Tatsachenkern, so tritt das Grund-recht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurück (vgl.
Senatsurteile vom 11. März 2008 -
VI [X.], [X.], 193 Rn. 18; vom 20. November 2007 -
VI [X.], [X.], 1081 Rn. 12; [X.] 90, 241, 248 f.; 94, 1, 8; [X.], NJW 1993, 1845, 1846; NJW 2008, 358, 359 f., 38; NJW 2012, 1643
Rn.
34).
Denn an der [X.] und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein 20
21
-

14

-

schützenswertes Interesse ([X.], NJW 2012, 1643 Rn. 33; NJW 2013, 217, 218).
Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hinge-nommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. [X.] vom 30. Oktober 2012 -
VI [X.], [X.], 50 Rn. 12 m.w.[X.]; [X.], NJW 2012, 1643 Rn. 33).
Dementsprechend muss sich ein Gewerbe-treibender wertende, nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik an seiner gewerblichen Leistung in der Regel auch dann gefallen lassen, wenn sie scharf formuliert ist (vgl. Senatsurteile vom 21. April 1998 -
VI [X.], [X.]Z 138, 311, 320; vom 29. Januar 2002 -
VI ZR 20/01, [X.], 169,
171; vom 22. September 2009 -
VI ZR 19/08, [X.], 588 Rn. 21; [X.] NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 -
Steel und [X.]/[X.] sowie 1994, [X.], [X.], Nr. 75 = [X.] 1995, 436, 438 f.
-
Fayed/
[X.]).
(2) Auf der Grundlage des mangels gegenteiliger Feststellungen revisi-onsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrags des Beklagten hat das Interesse der Klägerin am Schutz ihres [X.]n Geltungsanspruchs als Wirtschaftsunter-nehmen und ihrer unternehmensbezogenen Interessen nach diesen Grundsät-zen hinter dem
Recht des Beklagten auf Meinungsfreiheit zurückzutreten. Nach dem -
u.a. durch Vorlage zweier
Privatgutachten und eines
Warnschreibens
des [X.] konkretisierten -
Sachvortrag des [X.]
sind die tatsächlichen Elemente seiner
insgesamt als Meinungsäuße-rungen
zu qualifizierenden Aussagen
wahr. Denn danach sind die von der Klä-gerin mit dem Versprechen der Energieeinsparung bei dem Betrieb von [X.] vertriebenen Magnete wirkungslos.
Die angeblich energieeinspa-rende Wirkung der Magnete ist tatsächlich nicht gegeben. Etwaige [X.] nach dem Einbau eines Magneten sind
auf eine beim Einbau des
Magneten
erfolgte Wartung und Reinigung der Heizungsanlage zurückzuführen. Die von
der Klägerin durchgeführten, eine Effizienzsteigerung belegenden [X.]
-

15

-

sungen sind nicht aussagekräftig, da sie nicht unter standardisierten [X.] und von objektiven [X.] durchgeführt worden sind. Die zur Bewerbung der Magnete vorgebrachte wissenschaftliche Erklärung der angeblichen Wir-kungsweise trifft nicht zu;
der als Beleg für die Wirkung der Magnete [X.] Bezug zur [X.]spinresonanz
ist
frei erfunden und dient der bewussten [X.] potentieller
Kunden.

Zu Gunsten des Beklagten ist weiter zu berücksichtigen, dass er seine Äußerungen nicht im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zur Verfol-gung von Eigeninteressen
gemacht, sondern
ein [X.] im Zu-sammenhang mit einer die Verbraucher
wesentlich berührenden Frage verfolgt
hat
(vgl. Senatsurteile vom 21. April 1998 -
VI [X.], [X.]Z 138, 311, 320;
vom 2. Dezember 2008 -
VI [X.], [X.], 55
Rn. 18; vom [X.] 2009 -
VI ZR 19/08, [X.], 588 Rn. 21; [X.], NJW-RR 2004, 1710, 1712; [X.] NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 -
Steel und [X.]/[X.]
Königreich sowie 1994, [X.], [X.], Nr. 75
= [X.] 1995, 436, 438 f.
-
Fayed/[X.]).
Auch an wirtschaftlichen Fragen kann ein schutzwürdiges Informationsinteresse der Allgemeinheit, insbesondere der vom Verhalten eines Unternehmens betroffenen Kreise, bestehen. Eine [X.] Ordnung setzt voraus, dass die Marktteilnehmer über ein möglichst hohes Maß an Informationen über marktrelevante Faktoren verfügen
(vgl. [X.], NJW-RR 2004, 1710, 1711 f.). Wie sich bereits aus der E-Mail des [X.] vom 7. Juni 2006 ergibt, ging es ihm ungeachtet seiner überspitzten Formulierungen darum, über fragwürdige Geschäftspraktiken aufzuklären. [X.] hinaus ergab sich für den Empfängerkreis bereits aus der Art der [X.], dass ein subjektives Werturteil formuliert wurde. Schließlich ist zu berück-sichtigen, dass die Meinungsfreiheit des Beklagten im [X.] betroffen wird, wenn ihm die Äußerung seiner Meinung gerichtlich untersagt wird. Die [X.] zur Unterlassung einer Äußerung muss aber im Interesse des Schutzes 23
-

16

-

der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (vgl. [X.]K 2, 325, 329; [X.], [X.], 549
Rn. 35).
3. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren im Revisionsverfahren erhobenen Einwendungen der Parteien auseinanderzusetzen.
Galke

[X.]

[X.]

v. [X.]

Oehler
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 21.09.2012 -
7 O 15/12 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 08.05.2013 -
15 U 16/13 -

24

Meta

VI ZR 39/14

16.12.2014

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2014, Az. VI ZR 39/14 (REWIS RS 2014, 316)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 316

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZR 39/14 (Bundesgerichtshof)

Unterlassungsanspruch wegen herabsetzender Äußerungen über ein Unternehmen: Deliktische Anspruchsgrundlagen und Reichweite des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit


VI ZR 123/16 (Bundesgerichtshof)

Störerhaftung des Betreibers eines Bewertungsportals: Zu-eigen-Machen einer eingestellten Nutzerbewertung


VI ZR 7/07 (Bundesgerichtshof)


VI ZR 250/13 (Bundesgerichtshof)

Eingriff in das Persönlichkeitsrecht eines Journalisten: Abgrenzung von Verdachtsberichterstattung und Meinungsäußerung; Unterscheidung zwischen Werturteilen und …


VI ZR 340/14 (Bundesgerichtshof)

Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts durch eine Wortberichterstattung im Internet: Voraussetzungen und Grenzen eines Beseitigungsanspruchs gerichtet auf …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VI ZR 39/14

VI ZR 120/10

VI ZR 153/13

VI ZR 269/12

VI ZR 490/12

VI ZR 211/12

VI ZR 4/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.