Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.09.2019, Az. IV ZR 20/18

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 3726

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[X.]:[X.]:[X.]:2019:110919UIVZR20.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM N[X.]MEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 20/18
Verkündet am:

11. September 2019

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.]VB Unfallversicherung (hier [X.] 1999 Ziffer 9.1 und 9.4); BGB § 242 Cc
a) Das Fehlen eines [X.]svorbehalts im Sinne von Ziffer 9.4 Satz
3 [X.] in der Erklärung des Unfallversicherers über die Leistungs-pflicht zur [X.] der Invalidität nach Ziffer 9.1 Satz 1 [X.] führt nicht zu seiner Bindung an diese Erklärung im Verfahren der Erstbemes-sung.
b) Der Rückforderung einer Invaliditätsleistung aufgrund geänderter Erstbe-messung der Invalidität kann aber der Einwand unzulässiger Rechtsaus-übung entgegenstehen, wenn der Versicherer in der vorgenannten Erklä-rung nach Ziffer 9.1 Satz 1 [X.] den Eindruck erweckt, die Höhe der ver-traglich geschuldeten Leistung endgültig klären zu wollen.

[X.], Urteil vom 11. September 2019 -
IV ZR 20/18 -
OLG [X.] am Main

LG [X.] am Main

-
2
-
Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch den
Richter Felsch, die Richterin [X.], [X.] Dr.
Karczewski, die Richterin Dr.
Brockmöller und [X.]
[X.] auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2019

für Recht erkannt:

Die Revision der [X.] gegen den
Beschluss des 3.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] am Main vom 20.
Dezember 2017 wird auf ihre Kosten zurückge-wiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten
-
soweit für das
Revisionsverfahren noch von Interesse
-
über einen von der [X.] im Wege der Widerklage gel-tend gemachten [X.]nspruch auf teilweise Rückzahlung einer [X.].

Zwischen den Parteien besteht ein Vertrag über eine private [X.]versicherung. Diesem liegen die [X.]llgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen
1999
(im Folgenden:
[X.]
1999; abgedruckt bei [X.], Unfallversicherung 5.
[X.]ufl. Teil
1
B)
zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:

9
Wann sind die Leistungen fällig?

1
2

-
3
-
9.1
Wir sind verpflichtet, innerhalb eines Monats -
beim Invaliditätsanspruch innerhalb von drei Monaten -
zu erklären, ob und in welcher Höhe wir einen [X.]nspruch anerkennen. Die Fristen beginnen mit dem Eingang folgende

9.2
Erkennen wir den [X.]nspruch an oder haben wir uns mit Ihnen über Grund und Höhe geeinigt, leisten wir innerhalb von zwei Wochen.

9.3
Steht die Leistungspflicht zunächst nur dem Grunde nach fest, zahlen wir -
auf Ihren Wunsch -
angemes-sene Vorschüsse.

9.4
Sie und wir sind berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach dem Un-Recht muß

-
von uns zusammen mit unserer Erklärung über un-sere Leistungspflicht nach Ziffer 9.1,

-
von Ihnen spätestens drei Monate vor [X.]blauf der Frist

Der Kläger erlitt im Jahr 2006 eine subdurale Gehirnblutung,
die er auf ein Unfallereignis am 5.
Oktober 2006 zurückführt und wegen der er eine Invaliditätsleistung bei der [X.] beanspruchte. Nachdem [X.] Gutachten eingeholt worden waren, übersandte die Beklagte ihm ein Schreiben vom
22.
Oktober 2009
mit folgendem Inhalt:

"Sehr geehrter [Kläger],

in diesem Unfallschaden liegt uns nunmehr das [X.]bschluss-

3

-
4
-

Ihren Unfallschaden rechnen wir abschließend wie folgt ab:

Invalidität
Invaliditätssumme
[X.]
51.000,00

(500 %-Progression)
Beeinträchtigung der körperlichen
oder
geistigen Leistungsfähigkeit
laut Gutachten
50
%

Vertraglich vereinbart wurde eine Unfallversicherung mit
progressiver Invaliditätsstaffel in Höhe von 500 %.
Bei einer Invaliditätssumme von 51.000,00 [X.] und einem
Invaliditätsgrad ([X.]) von 50 % leisten wir:

-
[X.] bis 25 % (einfache Invaliditätssumme)
[X.]
12.750,00
-
[X.] bis 50 % (dreifache Invaliditätssumme)
[X.]
38.250,00

Unsere Leistung
[X.]
51.000,00

Diesen Betrag haben wir überwiesen.

Wir waren gerne für Sie tätig und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute.

"

Die Beklagte zahlte die im Schreiben angegebene Leistung an den Kläger aus.

Mit der
Klage hat er eine weitergehende Invaliditätsleistung gefor-dert
mit der Begründung, dass
die Invalidität in [X.]nbetracht seines [X.], wie er in dem der [X.]brechnung der [X.] zu-grunde gelegten Gutachten festgehalten wurde, nicht mit 50
%, sondern mit 75
% zu bemessen sei. Das [X.] hat hierzu Beweis
durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben, nach dessen
Vorlage die Beklagte im Wege der Widerklage Rückerstattung der [X.] Invaliditätssumme begehrt hat.

4
5
-
5
-

Das [X.] hat die Klage und die Widerklage abgewiesen.
Hiergegen hat nur die Beklagte Berufung eingelegt, die das Oberlandes-gericht zurückgewiesen
hat.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das
Widerklagebegehren noch in Höhe von 49.215

und macht geltend, dass zum Stichtag,
am 5.
Oktober 2007,
eine Invalidität von nur 3,5
% bestanden habe.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

[X.] Nach [X.]uffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte keinen [X.]nspruch auf Rückzahlung der Invaliditätsleistung aus §
812 [X.]bs.
1 Satz
1 [X.]lt.
1 BGB. Die Regulierung der [X.] aufgrund ihres Schrei-bens vom 22.
Oktober 2009 erweise sich für sie als bindend. Zwar stelle die in Ziffer
9.1 [X.]
1999
vorgesehene Erklärung, ob und in welcher Höhe der Versicherer einen [X.]nspruch anerkenne, kein [X.]nerkenntnis der Leistungspflicht dar. Das Recht, die geleistete Entschädigung wegen un-gerechtfertigter Bereicherung zurückzuverlangen,
verbleibe dem Versi-cherer aber nur, wenn er sich die [X.] mit der [X.]bgabe seiner Erklärung entsprechend Ziffer
9.1 [X.]
1999
in Verbindung mit Ziffer
9.4 [X.]
1999
vorbehalten habe.
Dabei komme es nicht darauf an, ob die Parteien über eine Erst-
oder Neufestsetzung der Invaliditätsentschädi-gung stritten. Das ergebe sich aus der [X.]uslegung der [X.]. Jedenfalls greife die Unklarheitenregel des §
305c [X.]bs.
2 BGB.

6
7
8
-
6
-

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. [X.]llerdings ist der geltend gemachte Rückforderungsanspruch -
an[X.] als das [X.] meint -
nicht deswegen ausgeschlossen, weil sich die [X.] im Schreiben vom 22.
Oktober 2009 das Recht auf Neubemes-sung der Invalidität nicht gemäß Ziffer
9.4 Satz
3 [X.]
1999 vorbehalten hat
(hierzu unter 2). Die angefochtene Entscheidung stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§
561 ZPO).
Dem
Rückforderungs-verlangen
der [X.] steht der
Einwand der unzulässigen Rechtsaus-übung (§
242 BGB) entgegen (hierzu unter 3).

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Erklärung des Unfallversicherers, ob und in welcher Höhe er einen [X.]nspruch anerkennt, nach den Versicherungsbedingungen nur eine ein-seitige Meinungsäußerung des Versicherers und Information an den [X.] ist, welche
die Fälligkeit der anerkannten Entschä-digung herbeiführt, im Übrigen aber keine rechtsgeschäftliche, potentiell schuldbegründende oder schuldabändernde Regelung bewirken soll. Das
hat der Senat zu den §§
11, 13 der [X.]llgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen
1961
(im Folgenden: [X.]
1961; abgedruckt bei [X.], Unfallversicherung 5.
[X.]ufl. Teil
1
E) im Urteil vom 24.
März 1976 im [X.] ausgeführt ([X.], [X.]Z 66, 250 unter II
2
b
aa [juris Rn.
23]).
Diese Entscheidung hat, nicht beschränkt auf die [X.]
1961, auch im Hinblick auf spätere Fassungen der [X.] und die -
im Streitfall gemäß [X.]rtikel
1 [X.]bs.
2 [X.] nicht anwendbare -
Bestimmung des §
187 [X.], breite Zustimmung ge-funden (vgl. OLG [X.] am Main r+s 2018, 434 Rn.
43; [X.], 456 [juris Rn.
44, 48]; [X.] r+s 2014, 362 [ju-ris Rn.
24]; [X.] VersR 2005, 346 [juris Rn.
42]; BeckOK
[X.]/[X.],
§
187 Rn.
11
[Stand: 28.02.2019];
Leverenz in 9
10
-
7
-
Bruck[X.], [X.] 9.
[X.]ufl. §
187 Rn.
7 ff.; [X.], Unfallversicherung 5.
[X.]ufl. [X.]
2010 Ziff.
9 Rn.
2; [X.], Unfallversicherung [X.]
2014 2.
[X.]ufl. Ziff.
9 Rn.
19; [X.]/Rixecker, [X.] 6.
[X.]ufl. §
187 Rn.
1; [X.] in [X.]/Pohlmann, [X.] 3.
[X.]ufl. §
187 Rn.
6; MünchKomm-[X.]/[X.], 2.
[X.]ufl. §
187 Rn.
4; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 30.
[X.]ufl. §
187 Rn.
6; [X.], [X.] 2.
[X.]ufl. Teil
P Rn.
3; [X.]/[X.], r+s 2011, 453, 458
f.). Sie ist auch auf die [X.]
1999
übertragbar
(vgl. [X.], Unfallversicherung 4.
[X.]ufl. [X.]
1999 Ziff.
9 Rn.
2; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 27.
[X.]ufl. [X.]
1994 §
11 Rn.
4), da diese als Rechtsfolge einer für den Versicherungsnehmer positiven Erklärung des Versicherers nach Zif-fer
9.1 Satz
1 [X.]
1999 ebenfalls nur anordnen, dass der
[X.]nspruch ge-mäß Ziffer
9.2 [X.]
1999 innerhalb von zwei Wochen fällig wird.

Rechtsgrund der Invaliditätsleistung ist danach nicht die Erklärung des Unfallversicherers, dass er den [X.]nspruch in einer bestimmten Höhe anerkennt, sondern weiterhin der Versicherungsvertrag
(vgl. [X.],
r+s 2018, 436; [X.]., [X.] 4/2017 [X.]nm.
2 unter
C).
Ist die aus-gezahlte Invaliditätsleistung vertraglich
nicht oder nicht in voller Höhe geschuldet, steht dem Unfallversicherer daher grundsätzlich ein
Heraus-gabeanspruch aus §
812 [X.]bs.
1 Satz
1 [X.]lt.
1 BGB zu, wobei es ihm ob-liegt, dessen Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen (vgl. [X.], 89 unter [X.] [juris Rn.
15 ff.];
[X.] VersR 2006, 1674 unter 2
c
aa [juris Rn.
27]; [X.], Unfallversicherung [X.]
2014 2.
[X.]ufl. Ziff.
2.1 Rn.
180; [X.] in [X.]/Pohlmann, [X.] 3.
[X.]ufl. §
187 Rn.
6; MünchKomm-[X.]/[X.], 2.
[X.]ufl. §
187 Rn.
5; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 30.
[X.]ufl. §
187 Rn.
6; [X.], Private Unfallversicherung 2.
[X.]ufl.
Teil
P Rn.
13; [X.]/[X.], r+s 2011, 453, 459).

11
-
8
-

2. [X.]n[X.] als das Berufungsgericht meint, ist dieser [X.] im Streitfall nicht deswegen ausgeschlossen, weil die [X.] im Schreiben vom 22.
Oktober 2009 das Recht auf Neubemes-sung der Invalidität nicht gemäß Ziffer
9.4 Satz
3 [X.]
1999
ausgeübt bzw. sich vorbehalten hat. Das ergibt die [X.]uslegung von Ziffer
9.1 und 9.4 [X.]
1999.

a) [X.]llgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Be-rücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf sei-ne Interessen an. In erster Linie ist vom [X.]. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der [X.] sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 6.
März 2019 -
IV ZR 72/18, [X.], 542 Rn.
15; st. Rspr.).

b) Nach diesen Maßgaben führt das Fehlen eines [X.] im Sinne von Ziffer
9.4 Satz
3 [X.]
1999 nicht zu einer Bindung des Unfallversicherers an die streitgegenständliche Erstbemes-sung der Invalidität.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann den Regelungen in Ziffer
9.1 und 9.4 [X.]
1999 zunächst entnehmen, dass im Recht der Unfallversicherung zwischen der
[X.] der Invalidität und ihrer [X.] zu unterscheiden ist (vgl. Senatsurteile vom 18.
Oktober 2017

IV ZR 188/16, [X.], 1386 Rn.
18; vom 18.
November 2015 12
13
14
15
-
9
-

IV [X.], [X.]Z 208, 9 Rn.
10; Senatsbeschluss vom 16.
Januar 2008 -
IV ZR 271/06, [X.], 527 Rn.
10
f.). Er wird erkennen, dass der Versicherer gemäß Ziffer
9.1 Satz
1 [X.]
1999 verpflichtet ist, bei einem geltend gemachten Invaliditätsanspruch innerhalb von drei Mona-ten ab dem Eingang bestimmter Unterlagen zu erklären, ob und in wel-cher Höhe er einen [X.]nspruch anerkennt. [X.]us Ziffer
9.4 Satz
1 [X.]
1999 wird er entnehmen, dass beide Vertragsparteien berechtigt sind, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach dem [X.], erneut ärztlich bemessen zu lassen, eine derartige [X.] der Invalidität in der Regel mithin erst nach vorangegangener Erstbe-messung in Betracht kommt (vgl. Senatsurteil vom 18.
November 2015 aaO; Senatsbeschluss vom 16.
Januar 2008 aaO).

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird ferner
erkennen, dass das in Ziffer
9.4 Satz
3 [X.]
1999 geregelte Vorbehaltserfordernis allein auf die [X.] der Invalidität bezogen ist. Das ergibt sich für ihn aus dem klaren Wortlaut der Regelung. Nach diesem muss der Versicherer dieses Recht

zusammen mit seiner Erklärung über die Leistungspflicht nach Ziffer
9.1 Satz
1 [X.]
1999 ausüben. Mit "diesem Recht"
ist erkennbar allein das in Satz 1 der Ziffer
9.4 [X.]
1999 gere-gelte [X.]srecht gemeint.

Er wird
hieraus sodann folgern, dass der Unfallversicherer nicht deswegen an seine [X.] der Invalidität gebunden ist, weil er das Recht zur [X.] nicht zusammen mit seiner Erklärung über die Leistungspflicht gemäß Ziffer
9.4 Satz
3 [X.]
1999 ausgeübt hat. Denn nach dem Gesagten erkennt er, dass das Vorbehaltserfordernis nicht die Erst-, sondern allein die [X.] der Invalidität betrifft. Hieraus wird er ohne Weiteres schließen,
dass sich aus dem [X.] keine Folgen für die von der [X.] gerade zu unter-16
17
-
10
-
scheidende [X.] ableiten lassen. [X.]uslegungszweifel im Sinne des §
305c [X.]bs.
2 BGB bestehen insofern nicht.

c) Die weitere, kontrovers diskutierte
Frage, ob der [X.] bei Nichtausübung des [X.]srechts nach den [X.] an einer Rückforderung der Invaliditätsleistung gehin-dert ist, wenn sich aufgrund eines allein vom Versicherungsnehmer initi-ierten [X.]sverfahrens ergibt, dass sich sein Gesundheitszu-stand im Vergleich zur [X.] verbessert hat (bejahend:
[X.] [X.], 87 [juris Rn.
26 ff.]
m.w.N.; OLG [X.] am Main [X.], 1653 [juris Rn.
15]; verneinend: [X.], 89 unter [X.]
1 [juris Rn.
14 f.] m.w.N.),
kann im Streitfall of-fenbleiben. Grundlage jeder [X.] der Invalidität sind Verände-rungen im Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers gegenüber demjenigen Zustand, der der [X.] zugrunde liegt (Senatsbe-schluss vom 22.
[X.]pril 2009
IV ZR 328/07, [X.], 920 Rn.
19; vgl. ferner OLG Saarbrücken VersR 2014, 456 unter 2
b
aa
(2) [juris Rn.
46]). Um solche Veränderungen geht es hier nicht.

3.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§
561 ZPO). Dem auf eine von ihrem Schreiben vom 22.
Oktober 2009 abweichende Beurteilung des [X.] gestützten Rückforderungsverlangen der [X.] steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§
242 BGB) entgegen.

Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines wi[X.]prüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die [X.] der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig er-scheinen (Senatsurteil vom 16.
Juli 2014 -
IV
ZR 73/13, [X.]Z 202, 102 18
19
20
-
11
-
Rn.
33; [X.], Urteil vom 10.
Januar 2019 -
IX ZR 89/18, [X.], 423 Rn.
25; jeweils m.w.N.). So liegt es hier.

a) Das Rückforderungsverlangen der [X.] ist mit dem Inhalt ihres Schreibens vom 22.
Oktober 2009 sachlich unvereinbar.

Die Beklagte hat mit diesem Schreiben
beim Kläger den Eindruck erweckt, dass sie
damit gut drei Jahre nach dem Unfallereignis die Höhe ihrer vertraglich geschuldeten Leistung endgültig klären wollte. In dem Schreiben heißt es, das ausdrücklich als solches bezeichnete "[X.]b-schlussgutachten" liege nunmehr vor
und
die Beklagte rechne den [X.]schaden in der im Schreiben angegebenen Höhe
"abschließend" ab; die Invaliditätssumme von 51.000

bezeichnet die Beklagte als ihre "Leistung". Der insbesondere durch die Verwendung der Begriffe "ab-schließend"
und "[X.]bschlussgutachten"
hervorgerufene Eindruck, dass es endgültig bei der im Schreiben enthaltenen [X.]brechnung bleiben und
die Beklagte
zukünftig nicht mehr auf die Invaliditätsleistung zurückkommen werde, wird noch dadurch verstärkt, dass das Schreiben damit endet, dass sie dem Kläger "für die Zukunft alles Gute" wünscht.

Durch die
genannten Formulierungen hat die Beklagte aktiv
einen Vertrauenstatbestand geschaffen, die im Rahmen der [X.] ermittelte Invaliditätsleistung nicht später aufgrund einer anderweitigen [X.] zurückzufordern. Dieser Vertrauenstatbestand ist von besonderem Gewicht, weil der
Unfallversicherer
-
insofern ähnlich wie der [X.] hinsichtlich der von ihm versproche-nen Versicherungsleistung (vgl. Senatsbeschluss vom 15.
Februar 2017 -
IV ZR 280/15, [X.], 868 Rn.
16 m.w.N.) -
regelmäßig über über-legene Sach-
und Rechtskunde im Hinblick auf die spezielle [X.]usgestal-tung der Invaliditätsleistung durch die Versicherungsbedingungen mit der 21
22
23
-
12
-
Unterscheidung zwischen der Erst-
und der [X.] des Grades der
Invalidität
und dem Erfordernis der Einhaltung bestimmter Fristen
(vgl. zu letzterem BT-Drucks. 16/3945 S.
109 li.
Sp.)
sowie
die Möglich-keit ihrer Rückforderung verfügt. Unabhängig davon, dass das Versiche-rungsvertragsverhältnis generell
in besonderer Weise vom Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht wird (vgl. Senatsurteil vom 14.
Januar 2015 -
IV ZR 43/14, [X.], 230 Rn.
11; [X.], Urteil vom 8.
Juli 1991 -
II ZR 65/90, [X.], 1129 unter 2
b [juris Rn.
15] m.w.N.; vgl. zur Problematik fehlerhafter [X.] auch Jungermann, r+s 2019, 369 ff.), muss sich der Versicherungsnehmer aufgrund der überlegenen Sach-
und Rechtskunde des Unfallversicherers in gesteigerter Weise auf dessen die Invaliditätsleistung betreffenden
Erklärungen verlassen kön-nen.

b) Das
Vertrauen
des Klägers, nicht entgegen dem Schreiben der [X.] vom 22.
Oktober 2009 auf Rückzahlung der Invaliditätsleis-tung in [X.]nspruch genommen zu werden, ist vorrangig schutzwürdig. Wie ausgeführt erweckt dieses
den Eindruck, dass die Beklagte nunmehr nach [X.]blauf von mehr als
drei Jahren die Höhe ihrer vertraglich geschul-deten Leistung endgültig klären wollte. Die besondere Schutzwürdigkeit des von der [X.] durch das Schreiben hervorgerufenen
Vertrauens
des Klägers in den Bestand der Invaliditätsleistung wird nicht dadurch abgeschwächt, dass ihm eine einfache Möglichkeit zur Verfügung ge-standen hätte, selbst Klarheit darüber zu gewinnen, ob er einem Rück-forderungsanspruch ausgesetzt sein kann, wenn sich die [X.] des Invaliditätsgrades als zu hoch erweist. Selbst wenn er
das Schreiben zum [X.]nlass genommen hätte, anhand der vereinbarten Unfallversiche-rungs-Bedingungen der Frage des Bestehens eines solchen [X.]nspruchs nachzugehen, hätte er auf diese Weise keine vom Schreiben abweichen-den Informationen gewonnen. Die die [X.] betreffende [X.]
-
13
-
stimmung in Ziffer
9.1 [X.]
1999 schweigt zu einem
Rückforderungsan-spruch bei einer fehlerhaften
[X.];
der [X.]nspruch ergibt sich nur aus dem Gesetz (§
812 [X.]bs.
1 Satz
1 [X.]lt.
1 BGB).

c) [X.]n[X.] als die Revision meint, steht dieses Ergebnis nicht in Wi[X.]pruch zu
dem Senatsurteil vom 24.
März 1976.
Zwar hat der [X.] dort ausgeführt, dass der notwendige Vertrauensschutz des gutgläu-bigen Empfängers der Versicherungssumme im Wesentlichen durch die spezielle Regelung des §
818 [X.]bs.
3 BGB gewährleistet werde ([X.], [X.], 471 unter III
3
a [juris Rn.
36], insoweit in [X.]Z 66, 250 nicht abgedruckt). [X.]ber der spezifische Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, dessen Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind, war nicht Gegenstand der Entscheidung.

Felsch

[X.]

Prof. Dr. Karczewski

Dr. Brockmöller

Dr. [X.]

Vorinstanzen:
LG [X.] am Main, Entscheidung vom 12.02.2015 -
2-23 O 476/10 -

OLG [X.] am Main, Entscheidung vom 20.12.2017 -
3 U 47/15 -

25

Meta

IV ZR 20/18

11.09.2019

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.09.2019, Az. IV ZR 20/18 (REWIS RS 2019, 3726)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3726

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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