Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.11.2022, Az. IV ZR 257/21

4. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6436

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Gegenstand

Private Unfallversicherung: Rückforderung der Invaliditätsleistung nach Feststellung der Verbesserung des Gesundheitszustandes aufgrund eines Neubemessungsverlangens des Versicherungsnehmers


Leitsatz

Ergibt sich aufgrund eines allein vom Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung initiierten Neubemessungsverlangens eine Verbesserung des Gesundheitszustands gegenüber dem der Erstbemessung zugrunde gelegten Zustand, ist der Versicherer nicht deshalb an einer (teilweisen) Rückforderung der Invaliditätsleistung gehindert, weil er sich bei der Erstbemessung nicht gemäß Ziff. 9.4 AUB 2008 die Neubemessung vorbehalten hatte.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 16. Juli 2021 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 8.904 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf teilweise Rückzahlung einer Invaliditätsleistung in Anspruch.

2

Zwischen den Parteien besteht ein Vertrag über eine private Unfallversicherung. Diesem liegen die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen der Klägerin (nachfolgend: [X.]) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:

"9    

Wann sind die Leistungen fällig?

        

9.1   

Wir sind verpflichtet, innerhalb eines Monats - beim
Invaliditätsanspruch innerhalb von drei Monaten - in
Textform zu erklären, ob und in welchem Umfang wir
einen Anspruch anerkennen. Die Fristen beginnen
mit dem Eingang folgender Unterlagen: …

        

…       

                 

9.2     

Erkennen wir den Anspruch an oder haben wir uns
mit Ihnen über Grund und Höhe geeinigt, leisten wir
innerhalb von zwei Wochen.

        

…       

                 

9.4     

Sie und wir sind berechtigt, den Grad der Invalidität
jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach dem Unfall
…, erneut ärztlich bemessen zu lassen. … Dieses
Recht muss

        
                 - von uns zusammen mit unserer Erklärung über
          unsere Leistungspflicht nach Ziffer 9.1,

                 - von Ihnen vor Ablauf der Frist

        

ausgeübt werden.

        
        

Ergibt die endgültige Bemessung eine höhere
Invaliditätsleistung, als wir bereits erbracht haben,
ist der Mehrbetrag mit 5 Prozent jährlich zu
verzinsen.

        

…"    

                 

3

Am 17. August 2014 stürzte der Beklagte von seinem Fahrrad und zog sich Verletzungen zu. Die Klägerin ging nach Leistungsprüfung von einer Invalidität von 3/10 Beinwert aus. Auf dieser Grundlage erbrachte sie an den Beklagten eine Invaliditätsleistung von 13.356 €. In dem Abrechnungsschreiben vom 7. September 2016 heißt es unter anderem:

"Sie können den Grad der Invalidität in der [X.] noch jährlich überprüfen lassen. Dies gilt nach dem Unfall 3 Jahre lang. Sollte sich der Gesundheitszustand verbessern, können wir die zu viel gezahlte Invaliditätsleistung zurückfordern."

4

In der Folge beantragte der Beklagte die Neubemessung der Invalidität. Die Klägerin kam auf der Basis eines in ihrem Auftrag erstellten Gutachtens vom 21. September 2017 zu dem Ergebnis, dass lediglich eine Invalidität von 1/20 Großzehenwert verblieben sei. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2017 rechnete sie auf dieser Grundlage eine Invaliditätsleistung von 159 € ab und forderte den überzahlten Betrag zurück.

5

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung von 13.197 € nebst Zinsen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] den Beklagten zur Rückzahlung von 8.904 € nebst Zinsen unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, nachdem es ein Sachverständigengutachten eingeholt hatte, demzufolge zum 17. August 2017 eine Invalidität von 1/10 Beinwert bestand. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte das Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei an der [X.]eltendmachung eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 B[X.]B nicht aufgrund Ziff. 9.4 [X.] gehindert. Zwar habe die Klägerin keinen Vorbehalt für die [X.] der Invalidität erklärt. Daraus ergebe sich aber nur, dass sie selbst keine [X.] mehr hätte fordern können. Es könne dem Versicherer auch ohne Ausspruch eines [X.] nicht grundsätzlich verwehrt sein, sich auf ein ihm günstiges Ergebnis einer durch den Versicherungsnehmer veranlassten [X.] zu berufen. Ein Verzicht des Versicherers könne in der [X.] eines Vorbehalts nicht gesehen werden. Jedenfalls im vorliegenden Fall sei eine entsprechende Auslegung ausgeschlossen, weil die Klägerin ausdrücklich auf die Möglichkeit der Rückforderung im Falle einer Besserung des [X.]esundheitszustands hingewiesen habe. Die [X.] laufe auf eine Art "Spekulationsschutz" hinaus, der aber angesichts dessen, dass es sich bei der Erklärung des Versicherers zu seiner Leistungspflicht nach § 187 [X.] nicht um ein deklaratorisches oder konstitutives Anerkenntnis handele, nicht gerechtfertigt erscheine. Dies gelte umso mehr, als der Versicherungsnehmer regelmäßig selbst ein gewisses [X.]espür dafür haben müsse, ob sich seine gesundheitliche Situation verbessert oder verschlechtert haben könne. Der Verweis auf einen Vertrauensschutz zugunsten des Versicherungsnehmers überzeuge schon vor diesem Hintergrund nicht. [X.]egenüber dem Rückforderungsanspruch der Klägerin könne sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf Entreicherung berufen. Es könne dahinstehen, ob der Beklagte im [X.]raum von Ende 2016 bis Oktober 2017 von ihm näher bezeichnete Ausgaben getätigt und dies ohne Erhalt der [X.] nicht getan hätte. Denn der Berufung auf Entreicherung stehe eine verschärfte Haftung nach § 820 Abs. 1 Satz 2 B[X.]B entgegen. Die Möglichkeit des Wegfalls des Rechtsgrunds habe dem Beklagten jedenfalls durch den im Schreiben vom 7. September 2016 erfolgten Hinweis auf die Möglichkeit einer Rückforderung im Falle einer Verbesserung seines [X.]esundheitszustands vor Augen stehen müssen.

8

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand.

9

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass der Klägerin - vorbehaltlich eines Wegfalls der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 B[X.]B) - ein Anspruch auf teilweise Rückzahlung der Invaliditätsleistung zusteht, der durch Ziff. 9.4 [X.] 2008 nicht ausgeschlossen ist.

a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts folgt dieser Anspruch allerdings nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 B[X.]B, sondern aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 B[X.]B. Ergibt die [X.] einen geringeren Invaliditätsgrad als die Erstbemessung, fehlte es hinsichtlich des überzahlten Betrags nicht bereits ursprünglich an einem Rechtsgrund für die Auszahlung der Invaliditätsleistung. Erst durch die [X.] ist für die Invalidität nicht mehr auf die - vorliegend nicht angegriffene - Prognose zum [X.]punkt des Ablaufs der Invaliditätseintrittsfrist und damit hier auf den 17. November 2015 abzustellen (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2015 - [X.], [X.], 9 Rn. 19), sondern auf den [X.]punkt bis zum Ende des dritten Jahres nach dem Unfall (vgl. Senatsurteil vom 22. April 2009 - [X.], [X.], 920 Rn. 13; [X.], [X.]. [X.] Rn. 231 f.; [X.]/[X.], [X.] 31. Aufl. § 188 Rn. 2). Der Rechtsgrund fällt erst nachträglich weg, so dass der Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 B[X.]B folgt (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 188 Rn. 12; [X.], r+s 2019, 369, 374, 377 f.; a.A. wohl OL[X.] Frankfurt [X.], 1653 [juris Rn. 15]; OL[X.] Oldenburg r+s 1998, 3349 [juris Rn. 17]; [X.]rimm/[X.], [X.] 6. Aufl. Ziff. 9 Rn. 57; [X.]/[X.]/[X.]ötz, [X.] 3. Aufl. § 188 Rn. 9 a.E.; [X.]/Anschlag in Veith/[X.]räfe/[X.]ebert, [X.]. § 12 Rn. 309).

b) An[X.] als die Revision meint, war vorliegend die [X.] der Invalidität zu Lasten des Beklagten mit der Folge eines Rückforderungsanspruchs der Klägerin nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich Letztere im Schreiben vom 7. September 2016 nicht selbst die [X.] vorbehalten hatte.

aa) Allerdings ist umstritten, ob der Unfallversicherer bei einer Klauselfassung wie in Ziff. 9.4 [X.] 2008 an einer Rückforderung der Invaliditätsleistung gehindert ist, wenn dieser sich bei der Erstbemessung selbst nicht die [X.] vorbehalten hat und sich erst aufgrund eines vom Versicherungsnehmer initiierten [X.]sverfahrens ergibt, dass sich dessen [X.]esundheitszustand im Vergleich zur Erstbemessung verbessert hat.

Teilweise wird vertreten, eine Rückforderung durch den Versicherer sei in diesem Fall ausgeschlossen (OL[X.] Düsseldorf [X.], 87 [juris Rn. 26 f.]; OL[X.] Frankfurt [X.], 1653 [juris Rn. 15]; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], PK-[X.] 5. Aufl. § 188 Rn. 5; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 188 Rn. 8, 12; [X.], r+s 2019, 369, 378 f.; Langheid/Rixecker/Rixecker, [X.] 7. Aufl. § 188 Rn. 6; vgl. zur Frage der Rückforderung auch OL[X.] Oldenburg VersR 2017, 682 [juris Rn. 28 ff.]).

Die überwiegende Auffassung - wie auch das Berufungsgericht - nimmt dagegen für die vorbeschriebene Konstellation an, dass der Versicherer durch eine Ziff. 9.4 [X.] 2008 entsprechende Regelung nicht an der anteiligen Rückforderung der Invaliditätsleistung gehindert ist (OL[X.] Brandenburg [X.], 89 [juris Rn. 14 f.]; OL[X.] Oldenburg r+s 1998, 349 [juris Rn. 20]; [X.]rimm/[X.], [X.] 6. Aufl. Ziff. 9 Rn. 57; [X.], [X.]. [X.] Rn. 236; [X.]., [X.] 12/2019 [X.]. 1 unter [X.]; [X.]/[X.], [X.], 62, 71 f.; dies., [X.], 561, 570; [X.]/[X.], [X.] 31. Aufl. § 188 Rn. 2b und [X.] 2014 Ziff. 9 Rn. 12; [X.], Unfallversicherung [X.] 2020 3. Aufl. Ziff. 9 Rn. 113; [X.]., [X.], 39, 40 f.; [X.], 1341, 1343; [X.]/Leverenz, [X.] 9. Aufl. § 188 Rn. 34; Lücke, [X.] 2009, 77; [X.]/Matusche-[X.]/[X.], [X.] 3. Aufl. § 47 Rn. 227; [X.]/Anschlag in Veith/[X.]räfe/[X.]ebert, [X.]. § 12 Rn. 309; [X.]/[X.], r+s 2011, 453, 459; HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. [X.] 2014 Ziff. 9 Rn. 19; [X.]/[X.], NJW 2019, 1005; [X.]/[X.]/[X.], [X.] Ziff. 9 [X.] 2008 Rn. 15).

[X.]) Die letztgenannte Ansicht trifft zu. Das ergibt die Auslegung von Ziff. 9.4 [X.] 2008.

(1) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom [X.] auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 20. Oktober 2021 - [X.], [X.], 1563 Rn. 10; st. Rspr.).

(2) (a) Bei der Beurteilung der Frage, wie sich eine von ihm beantragte [X.] auswirken kann, wenn sich der Versicherer selbst die [X.] nicht bei der Erstbemessung vorbehalten hat, wird sich der Versicherungsnehmer zunächst am Wortlaut von Ziff. 9.4 [X.] 2008 orientieren. Er wird erkennen, dass sowohl er als auch der Versicherer berechtigt sind, innerhalb dort genannter Fristen den [X.]rad der Invalidität "erneut ärztlich bemessen zu lassen". Wie die Revisionserwiderung zu Recht ausführt, wird er dies so verstehen, dass die Invalidität in alle Richtungen neu bemessen wird und nicht lediglich eine Veränderung zugunsten desjenigen, der die [X.] initiiert hat, Berücksichtigung finden kann. Eine derartige Einschränkung enthält der Wortlaut der Klausel nicht. Darüber hinaus wird der Versicherungsnehmer dem Wortlaut der Ziff. 9.4 [X.] 2008 entnehmen, dass der Versicherer sein Recht auf [X.] zusammen mit der Erklärung über seine Leistungspflicht nach Ziff. 9.1 [X.] 2008, also mit der Erstbemessung, ausüben muss, während der Versicherungsnehmer dieses Recht noch längstens bis zu drei Jahren nach dem Unfall ausüben kann. Auf die Frage, welche Folgen es hat, wenn diese [X.] eine geringere Invalidität als die Erstbemessung ergibt, wird der Versicherungsnehmer im Wortlaut der Ziff. 9.4 [X.] 2008 keine ausdrückliche Antwort finden (vgl. [X.], Unfallversicherung [X.] 2020 3. Aufl. Ziff. 9 Rn. 113; [X.]., [X.], 39, 40; [X.]/[X.], r+s 2011, 453, 459).

(b) Aus dem für ihn erkennbaren Zweck und Sinnzusammenhang der Klausel wird dem Versicherungsnehmer aber deutlich, dass für die Bemessung seiner Invaliditätsleistung die zuletzt innerhalb des [X.] durchgeführte [X.] maßgeblich ist, und zwar unabhängig davon, wer diese beantragt hat (vgl. auch [X.], Unfallversicherung [X.] 2020 3. Aufl. Ziff. 9 Rn. 113; [X.]/[X.], [X.] 31. Aufl. [X.] 2014 Ziff. 9 Rn. 12; [X.]/Leverenz, [X.] 9. Aufl. § 188 Rn. 34; [X.]/Matusche-[X.]/[X.], [X.] 3. Aufl. § 47 Rn. 227). Er wird annehmen, dass ihm im Falle einer Verschlechterung seines [X.]esundheitszustands gegenüber der Erstbemessung eine höhere Invaliditätsleistung zustehen wird. Ebenso wird er bei verständiger Würdigung erkennen, dass sich die Invaliditätsleistung auch verringern kann, wenn sich sein [X.]esundheitszustand gegenüber der Erstbemessung verbessert hat. Hingegen wird er weder aufgrund des Wortlauts noch aufgrund des Zwecks oder Sinnzusammenhangs der Klausel verständigerweise annehmen, dass er, wenn der Versicherer bei der Erstbemessung sein Recht auf [X.] nicht ausgeübt hat, im Verhältnis zu diesem hinsichtlich der Erstbemessung bereits eine unanfechtbare Position erlangt habe, so dass sich die [X.] nicht zu seinen Ungunsten auswirken könne (a.A. OL[X.] Düsseldorf [X.], 87 [juris Rn. 27]; OL[X.] Oldenburg VersR 2017, 682 [juris Rn. 29]; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], PK-[X.] 5. Aufl. § 188 Rn. 5).

(aa) Den Ziff. 2.1.1.1 und 9.1, 9.4 [X.] 2008 mit den dort genannten Fristen für den Eintritt der Invalidität sowie deren [X.] liegt der auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbare Zweck zugrunde, die abschließende Bemessung der Invalidität nicht auf unabsehbare [X.] hinauszuschieben. Die Regelung wird den Interessen beider Parteien gerecht, indem zum einen sich nach dem Unfall ergebende Veränderungen des [X.]esundheitszustandes berücksichtigt werden können, zum anderen die abschließende Festsetzung der Invalidität innerhalb überschaubarer [X.] auf der [X.]rundlage eines feststehenden Bemessungszeitpunkts vorzunehmen ist (Senatsurteil vom 18. November 2015 - [X.], [X.], 9 Rn. 20).

([X.]) Dieser Zweck erfordert es - auch für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar - nicht, eine dem Versicherungsnehmer nachteilige Wirkung der [X.] auszuschließen, wenn der Versicherer sich nicht seinerseits die [X.] vorbehalten hat. Vielmehr erkennt der Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, dass den bei[X.]eitigen Interessen dadurch am besten Rechnung getragen ist, dass - unabhängig davon, wer die [X.] initiiert hat - im Sinne der materiellen [X.]erechtigkeit das Ergebnis der letzten [X.] innerhalb der Dreijahresfrist den Leistungsanspruch festlegt. Der Revision ist zwar zuzugeben, dass der Versicherungsnehmer die [X.] mit dem erkennbaren Ziel verlangt, seine Rechtsstellung zu verbessern. Die Rechtswirkung seines [X.]sverlangens bestimmt sich aber nicht maßgeblich nach dieser Erwartung, sondern nach den Versicherungsbedingungen, die eine Einschränkung der Wirkung des [X.]sverlangens im Sinne des Versicherungsnehmers nicht vorsehen.

(cc) Ein anderes Verständnis ergibt sich auch nicht daraus, dass in Ziff. 9.4 [X.] 2008 a.E. eine Regelung zur Verzinsung einer höheren Invaliditätsleistung getroffen ist. Daraus wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht schließen, dass eine Rückforderung ausgeschlossen ist, wenn die [X.] eine geringere Invalidität ergibt. Denn erkennbar sind die Rechtsfolgen der [X.] in der Klausel nur unvollständig geregelt, nämlich nur hinsichtlich der Zinsforderung, nicht aber auch hinsichtlich des Anspruchs auf eine höhere Invaliditätsleistung oder deren (teilweise) Rückforderung durch den Versicherer.

([X.]) Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, wird ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht der Versicherungsbedingungen nach alledem zwischen dem - in Ziff. 9.4 [X.] 2008 geregelten - Recht auf [X.] und dem - dort nur unvollständig geregelten - Recht aus der [X.], nämlich dem Anspruch des Versicherungsnehmers auf eine höhere Invaliditätsleistung oder dem Anspruch des Versicherers auf Rückzahlung, unterscheiden.

(3) Auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 B[X.]B kommt es nicht an, denn die Auslegung der Klausel ist im vorgenannten Sinne eindeutig (a.A. wohl [X.]/[X.]/[X.]/[X.], PK-[X.] 5. Aufl. § 188 Rn. 5).

cc) Entgegen der Ansicht der Revision ist die so verstandene Klausel für den Versicherungsnehmer nicht überraschend. Eine Regelung in Allgemeinen [X.]eschäftsbedingungen hat einen überraschenden Inhalt im Sinne von § 305c Abs. 1 B[X.]B, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (B[X.]H, Urteil vom 21. Juni 2016 - [X.], [X.], 1330 Rn. 10 m.w.[X.]; st. Rspr.). Das Wesensmerkmal überraschender Klauseln liegt in dem ihnen innewohnenden Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt (B[X.]H, Urteil vom 21. Juni 2016 aaO m.w.[X.]). Davon kann hier keine Rede sein. Dass auch im Falle einer [X.], die nur der Versicherungsnehmer selbst noch beantragen konnte, ein Rückforderungsanspruch entstehen kann, ist nicht so ungewöhnlich, dass dieser hiermit nicht rechnen wird. Eine Überrumpelung oder Übertölpelung liegt nicht vor, denn der Versicherungsnehmer kann auf [X.]rundlage seiner Kenntnis über den eigenen [X.]esundheitszustand selbst entscheiden, ob er eine [X.] veranlasst und sich damit dem Risiko einer Verschlechterung aussetzt.

[X.]) [X.] hält auch der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 B[X.]B stand.

(1) Sie verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 B[X.]B.

(a) Hiernach ist der Verwender Allgemeiner [X.]eschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und [X.]lauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (vgl. Senatsurteile vom 26. Januar 2022 - [X.], [X.], 312 Rn. 29; vom 20. November 2019 - [X.], [X.], 95 Rn. 7; vom 14. August 2019 - [X.], [X.], 1284 Rn. 18).

(b) Diesen Anforderungen wird die Klausel gerecht. Entgegen der Ansicht der Revision ist der Versicherer nicht gehalten, in Ziff. 9.4 [X.] 2008 explizit auf das Risiko einer Verschlechterung hinzuweisen (a.A. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], PK-[X.] 5. Aufl. § 188 Rn. 5). Das Transparenzgebot verlangt es nicht, aus dem [X.]esetz oder aus der Rechtsnatur eines Vertrages folgende Rechte ausdrücklich zu regeln oder den Vertragspartner darüber zu belehren (vgl. Senatsurteil vom 22. März 2000 - [X.], [X.], 709 unter II 4 a [juris Rn. 27]; B[X.]H, Urteil vom 14. Mai 1996 - [X.], B[X.]HZ 133, 25 unter II 3 b [X.] 2 [juris Rn. 31]). Dass auch eine Verschlechterung eintreten kann, ist bereits dem Begriff der [X.] immanent. Der Rückforderungsanspruch folgt dann aus dem [X.]esetz (§ 812 B[X.]B). Unerheblich ist, dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen - wie durch den nun in Ziff. 9.4 [X.] 2020 enthaltenen expliziten Hinweis auf die Rückforderungsmöglichkeit - noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (vgl. Senatsurteil vom 4. April 2018 - [X.]/17, [X.], 532 Rn. 8 m.w.[X.]).

(2) Die so verstandene Klausel benachteiligt den Versicherungsnehmer auch nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 B[X.]B.

Der Versicherungsnehmer ist durch die in Ziff. 9.4 [X.] 2008 getroffene Fristenregelung - auch im Vergleich zur gesetzlichen Regelung des § 188 Abs. 1 Satz 1 [X.] (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.] Ziff. 9 [X.] 2008 Rn. 13) - gegenüber dem Versicherer bessergestellt, weil er mit der Ausübung des [X.]srechts bis zum Ende der Dreijahresfrist abwarten kann. Es besteht damit für ihn - an[X.] als für den Versicherer, der sich bei der Erstfestsetzung erklären muss - die Möglichkeit, die tatsächliche Entwicklung abzuwarten (vgl. [X.]/[X.], [X.] 31. Aufl. § 188 Rn. 2b). Der Versicherungsnehmer kennt seinen [X.]esundheitszustand und kann deshalb die Risiken, die mit einem [X.]sverlangen einhergehen, in der Regel einschätzen, bevor er sich dazu entscheidet (vgl. [X.]/[X.], NJW 2019, 1005). Wie das Berufungsgericht zu Recht erkannt hat, bedarf es eines "Spekulationsschutzes" zu seinen [X.]unsten daher nicht. Der Versicherungsnehmer ist zudem durch den Entreicherungseinwand des § 818 Abs. 3 B[X.]B geschützt (vgl. OL[X.] Brandenburg [X.], 89 [juris Rn. 15]; [X.]rimm/[X.], [X.] 6. Aufl. Ziff. 9 Rn. 57; [X.]/[X.], [X.] 31. Aufl. § 188 Rn. 2c; a.A. [X.], Unfallversicherung [X.] 2020 3. Aufl. Ziff. 9 Rn. 112).

ee) Entgegen einer teilweise in Rechtsprechung (OL[X.] Düsseldorf [X.], 87 [juris Rn. 26]; OL[X.] Frankfurt [X.], 1653 [juris Rn. 15]) und Literatur (MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 188 Rn. 8, 12) vertretenen Auffassung ist eine [X.] zu Lasten des Versicherungsnehmers und damit ein Rückforderungsanspruch des Versicherers auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass bei mangelndem eigenen Vorbehalt das Ergebnis der Erstbemessung für den Versicherer bindend geworden wäre. Wie der Senat für das Verfahren der Erstbemessung bereits mit Urteil vom 11. September 2019 ([X.], [X.], 1412 Rn. 10) entschieden und im Einzelnen begründet hat, kommt der Erklärung des Unfallversicherers, ob und in welcher Höhe er einen Anspruch anerkennt, im Regelfall (zu Ausnahmen vgl. Senatsurteil vom 24. März 1976 - [X.], B[X.]HZ 66, 250 unter [X.] b [X.] [juris Rn. 25]; [X.]/[X.], [X.] 31. Aufl. § 187 Rn. 7) keine rechtsgeschäftliche, potentiell schuldbegründende oder schuldabändernde Wirkung zu. Rechtsgrund der Invaliditätsleistung ist danach nicht die Erklärung des Unfallversicherers, dass er den Anspruch in einer bestimmten Höhe anerkennt, sondern weiterhin der Versicherungsvertrag (Senatsurteil vom 11. September 2019 aaO Rn. 11). Dementsprechend lässt sich eine Bindungswirkung auch für das [X.]sverfahren nicht begründen (vgl. auch [X.]rimm/[X.], [X.] 6. Aufl. Ziff. 9 Rn. 57, 59; [X.], [X.] 12/2019 [X.]. 1 unter [X.]).

ff) Der Klägerin ist die Rückforderung der Versicherungsleistung schließlich auch nicht unter dem [X.]esichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 B[X.]B verwehrt. An[X.] als in dem die Erstbemessung der Invalidität betreffenden Senatsurteil vom 11. September 2019 ([X.], [X.], 1412 Rn. 19-25) hat der Versicherer hier nicht durch das Abrechnungsschreiben den Eindruck erweckt, die Höhe der vertraglich geschuldeten Leistung endgültig klären zu wollen. Vielmehr hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 7. September 2016 ausdrücklich darauf hingewiesen, die zu viel gezahlte Invaliditätsleistung zurückzufordern, wenn sich in einem [X.]sverfahren eine Verbesserung des [X.]esundheitszustandes ergibt.

2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, der Beklagte hafte nach § 820 Abs. 1 Satz 2 B[X.]B verschärft und könne sich deshalb nicht auf einen Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 B[X.]B berufen.

a) Nach § 820 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 B[X.]B haftet der Empfänger einer Leistung verschärft, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrund, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund wegfällt. Sinn der Regelung ist, dass ein Empfänger, der von vornherein mit seiner Rückgabeverpflichtung rechnet, sich so einrichten muss, als müsse er die empfangene Leistung zurückgeben. Dabei muss sich bereits aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts ergeben, dass beide Parteien sich die Möglichkeit des Wegfalls des [X.] nicht nur beiläufig, sondern beson[X.] vergegenwärtigt haben (B[X.]H, Urteil vom 17. Juni 1992 - [X.], B[X.]HZ 118, 383 unter [X.] c [juris Rn. 22] m.w.[X.]; vgl. auch B[X.]H, Urteil vom 10. Juli 1961 - [X.], [X.] 1961, 699 unter 7 [juris Rn. 19]).

b) Wie die Revision zu Recht geltend macht, hat das Berufungsgericht diese Voraussetzungen auf [X.]rundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Unrecht angenommen. Der Wegfall des [X.] stellte sich für den Beklagten bereits deshalb nur als eine entfernt liegende Möglichkeit dar, weil er es selbst in der Hand hatte, eine erneute Untersuchung nur dann zu verlangen, wenn er von einer Verschlechterung seines [X.]esundheitszustands ausging. Aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts ergibt sich nicht, der Beklagte habe die Möglichkeit, dass sich diese mit einem späteren eigenen [X.]sverlangen verbundene Erwartung nicht erfüllen würde, ernsthaft in Betracht gezogen. Auf den Hinweis im Schreiben vom 7. September 2016 lässt sich dies entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht stützen, denn dieser einseitigen Mitteilung kommt nach dem oben [X.]esagten bereits keine rechtsgeschäftliche Wirkung zu, so dass sie nicht den Inhalt des Rechtsgeschäfts ausformen kann (a.A. [X.], r+s 2019, 369, 375). Auf etwaige tatrichterliche Feststellungen dazu, welche Vorstellungen dieser Hinweis beim Beklagten hervorgerufen haben mag, kommt es deshalb entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht an.

c) Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen [X.]ründen als richtig (§ 561 ZPO). Auch aus § 819 Abs. 1 B[X.]B ergibt sich für den hier in Rede stehenden [X.]raum keine verschärfte Haftung. Wie das Berufungsgericht zu Recht erkannt hat, begründet die Kenntnis des Versicherungsnehmers von der Möglichkeit einer [X.] noch nicht die Kenntnis vom mangelnden rechtlichen [X.]rund (vgl. [X.]/[X.], [X.] 31. Aufl. § 188 Rn. 2c; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 188 Rn. 12; a.A. [X.]/[X.]/[X.], [X.] Ziff. 9 [X.] 2008 Rn. 17 im Hinblick auf ein dem Versicherer vorbehaltenes [X.]srecht). Jene besteht vielmehr erst mit Kenntnis des Ergebnisses der [X.], hier mit Erhalt des Schreibens vom 11. Oktober 2017.

III. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft hat, ob und inwieweit die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe des zu viel gezahlten Teils der Invaliditätsleistung ausgeschlossen ist, weil er nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 B[X.]B).

Prof. Dr. Karczewski     

      

Dr. Brockmöller     

      

Dr. Bußmann

      

Dr. [X.]ötz     

      

[X.]     

      

Meta

IV ZR 257/21

02.11.2022

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 16. Juli 2021, Az: 20 U 150/19

Nr 9.4 AUB 2008, § 812 Abs 1 S 2 Alt 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.11.2022, Az. IV ZR 257/21 (REWIS RS 2022, 6436)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6436 WM 2022, 2323 REWIS RS 2022, 6436 MDR 2023, 105-106 REWIS RS 2022, 6436

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