Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.09.2019, Az. IV ZR 20/18

4. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 3716

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Gegenstand

(Rückzahlungsverlangen eines Unfallversicherers bei Neubemessung der Invaliditätsleistung)


Leitsatz

1. Das Fehlen eines Neubemessungsvorbehalts im Sinne von Ziffer 9.4 Satz 3 AUB in der Erklärung des Unfallversicherers über die Leistungspflicht zur Erstbemessung der Invalidität nach Ziffer 9.1 Satz 1 AUB führt nicht zu seiner Bindung an diese Erklärung im Verfahren der Erstbemessung.

2. Der Rückforderung einer Invaliditätsleistung aufgrund geänderter Erstbemessung der Invalidität kann aber der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenstehen, wenn der Versicherer in der vorgenannten Erklärung nach Ziffer 9.1 Satz 1 AUB den Eindruck erweckt, die Höhe der vertraglich geschuldeten Leistung endgültig klären zu wollen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 20. Dezember 2017 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - über einen von der [X.] im Wege der Widerklage geltend gemachten Anspruch auf teilweise Rückzahlung einer Invaliditätsleistung.

2

Zwischen den Parteien besteht ein Vertrag über eine private Unfallversicherung. Diesem liegen die [X.] 1999 (im Folgenden: [X.] 1999; abgedruckt bei [X.], [X.]. Teil 1 B) zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:

ʺ9 Wann sind die Leistungen fällig?

9.1 Wir sind verpflichtet, innerhalb eines Monats - beim Invaliditätsanspruch innerhalb von drei Monaten - zu erklären, ob und in welcher Höhe wir einen Anspruch anerkennen. Die Fristen beginnen mit dem Eingang folgender Unterlagen: …

9.2 Erkennen wir den Anspruch an oder haben wir uns mit Ihnen über Grund und Höhe geeinigt, leisten wir innerhalb von zwei Wochen.

9.3 Steht die Leistungspflicht zunächst nur dem Grunde nach fest, zahlen wir - auf Ihren Wunsch - angemessene Vorschüsse.

9.4 Sie und wir sind berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach dem Unfall, erneut ärztlich bemessen zu lassen. … Dieses Recht muß

- von uns zusammen mit unserer Erklärung über unsere Leistungspflicht nach Ziffer 9.1,

- von Ihnen spätestens drei Monate vor Ablauf der Frist

ausgeübt werden. …ʺ

3

Der Kläger erlitt im Jahr 2006 eine subdurale Gehirnblutung, die er auf ein Unfallereignis am 5. Oktober 2006 zurückführt und wegen der er eine Invaliditätsleistung bei der [X.] beanspruchte. Nachdem ärztliche Gutachten eingeholt worden waren, übersandte die Beklagte ihm ein Schreiben vom 22. Oktober 2009 mit folgendem Inhalt:

"Sehr geehrter [Kläger],

in diesem Unfallschaden liegt uns nunmehr das [X.] vor. Eine Kopie fügen wir bei.

Ihren Unfallschaden rechnen wir abschließend wie folgt ab:

Invalidität

Invaliditätssumme      

[X.] 51.000,00

        

(500 %-Progression)

Beeinträchtigung der körperlichen

oder geistigen Leistungsfähigkeit

laut Gutachten          

50 %   

Vertraglich vereinbart wurde eine Unfallversicherung mit

progressiver Invaliditätsstaffel in Höhe von 500 %.

Bei einer [X.] von 51.000,00 [X.] und einem

Invaliditätsgrad ([X.]) von 50 % leisten wir:

- [X.] bis 25 % (einfache Invaliditätssumme)

[X.] 12.750,00

- [X.] bis 50 % (dreifache Invaliditätssumme)  

[X.] 38.250,00

Unsere Leistung

[X.] 51.000,00

Diesen Betrag haben wir überwiesen.

Wir waren gerne für Sie tätig und wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute. …"

4

Die Beklagte zahlte die im Schreiben angegebene Leistung an den Kläger aus.

5

Mit der Klage hat er eine weitergehende Invaliditätsleistung gefordert mit der Begründung, dass die Invalidität in Anbetracht seines Gesundheitszustandes, wie er in dem der Abrechnung der [X.] zugrunde gelegten Gutachten festgehalten wurde, nicht mit 50 %, sondern mit 75 % zu bemessen sei. Das [X.] hat hierzu Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben, nach dessen Vorlage die Beklagte im Wege der Widerklage Rückerstattung der gezahlten [X.] begehrt hat.

6

Das [X.] hat die Klage und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen hat nur die Beklagte Berufung eingelegt, die das [X.] zurückgewiesen hat. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte das [X.] noch in Höhe von 49.215 € weiter und macht geltend, dass zum Stichtag, am 5. Oktober 2007, eine Invalidität von nur 3,5 % bestanden habe.

Entscheidungsgründe

7

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

8

I. Nach [X.]uffassung des Berufungsgerichts hat die [X.] keinen [X.]nspruch auf Rückzahlung der Invaliditätsleistung aus § 812 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]lt. 1 BGB. Die Regulierung der [X.]n aufgrund ihres Schreibens vom 22. Oktober 2009 erweise sich für sie als bindend. Zwar stelle die in Ziffer 9.1 [X.] vorgesehene Erklärung, ob und in welcher Höhe der Versicherer einen [X.]nspruch anerkenne, kein [X.]nerkenntnis der Leistungspflicht dar. Das Recht, die geleistete Entschädigung wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückzuverlangen, verbleibe dem Versicherer aber nur, wenn er sich die [X.] mit der [X.]bgabe seiner Erklärung entsprechend Ziffer 9.1 [X.] in Verbindung mit Ziffer 9.4 [X.] vorbehalten habe. Dabei komme es nicht darauf an, ob die [X.]arteien über eine Erst- oder Neufestsetzung der Invaliditätsentschädigung stritten. Das ergebe sich aus der [X.]uslegung der Versicherungsbedingungen. Jedenfalls greife die Unklarheitenregel des § 305c [X.]bs. 2 BGB.

9

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. [X.]llerdings ist der geltend gemachte Rückforderungsanspruch - an[X.] als das Berufungsgericht meint - nicht deswegen ausgeschlossen, weil sich die [X.] im Schreiben vom 22. Oktober 2009 das Recht auf [X.] der Invalidität nicht gemäß Ziffer 9.4 Satz 3 [X.] vorbehalten hat (hierzu unter 2). Die angefochtene Entscheidung stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 Z[X.]O). Dem Rückforderungsverlangen der [X.]n steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen (hierzu unter 3).

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Erklärung des Unfallversicherers, ob und in welcher Höhe er einen [X.]nspruch anerkennt, nach den Versicherungsbedingungen nur eine einseitige Meinungsäußerung des Versicherers und Information an den [X.]nspruchsberechtigten ist, welche die Fälligkeit der anerkannten Entschädigung herbeiführt, im Übrigen aber keine rechtsgeschäftliche, potentiell schuldbegründende oder schuldabändernde Regelung bewirken soll. Das hat der Senat zu den §§ 11, 13 der [X.] 1961 (im Folgenden: [X.] 1961; abgedruckt bei [X.], [X.]. Teil 1 E) im Urteil vom 24. März 1976 im Einzelnen ausgeführt ([X.], [X.], 250 unter [X.] [X.] [juris Rn. 23]). Diese Entscheidung hat, nicht beschränkt auf die [X.] 1961, auch im Hinblick auf spätere Fassungen der [X.] und die - im Streitfall gemäß [X.]rtikel 1 [X.]bs. 2 EG[X.] nicht anwendbare - Bestimmung des § 187 [X.], breite Zustimmung gefunden (vgl. [X.] r+s 2018, 434 Rn. 43; [X.] VersR 2014, 456 [juris Rn. 44, 48]; [X.] r+s 2014, 362 [juris Rn. 24]; [X.], 346 [juris Rn. 42]; BeckOK [X.]/[X.], § 187 Rn. 11 [Stand: 28.02.2019]; [X.] in [X.], [X.] 9. [X.]ufl. § 187 Rn. 7 ff.; [X.], [X.]. [X.] 2010 Ziff. 9 Rn. 2; [X.], Unfallversicherung [X.] 2014 2. [X.]ufl. Ziff. 9 Rn. 19; Rixecker in Langheid/Rixecker, [X.] 6. [X.]ufl. § 187 Rn. 1; [X.] in [X.]/[X.]ohlmann, [X.] 3. [X.]ufl. § 187 Rn. 6; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. [X.]ufl. § 187 Rn. 4; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 30. [X.]ufl. § 187 Rn. 6; [X.], [X.]. Teil [X.] Rn. 3; [X.]/[X.], r+s 2011, 453, 458 f.). Sie ist auch auf die [X.] übertragbar (vgl. [X.], Unfallversicherung 4. [X.]ufl. [X.] Ziff. 9 Rn. 2; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 27. [X.]ufl. [X.] 1994 § 11 Rn. 4), da diese als Rechtsfolge einer für den Versicherungsnehmer positiven Erklärung des Versicherers nach Ziffer 9.1 Satz 1 [X.] ebenfalls nur anordnen, dass der [X.]nspruch gemäß Ziffer 9.2 [X.] innerhalb von zwei Wochen fällig wird.

Rechtsgrund der Invaliditätsleistung ist danach nicht die Erklärung des Unfallversicherers, dass er den [X.]nspruch in einer bestimmten Höhe anerkennt, sondern weiterhin der Versicherungsvertrag (vgl. [X.], r+s 2018, 436; [X.]., juris[X.]R-VersR 4/2017 [X.]. 2 unter [X.]). Ist die ausgezahlte Invaliditätsleistung vertraglich nicht oder nicht in voller Höhe geschuldet, steht dem Unfallversicherer daher grundsätzlich ein Herausgabeanspruch aus § 812 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]lt. 1 BGB zu, wobei es ihm obliegt, dessen Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen (vgl. [X.] VersR 2018, 89 unter [X.] [juris Rn. 15 ff.]; [X.] VersR 2006, 1674 unter 2 c aa [juris Rn. 27]; [X.], Unfallversicherung [X.] 2014 2. [X.]ufl. Ziff. 2.1 Rn. 180; [X.] in [X.]/[X.]ohlmann, [X.] 3. [X.]ufl. § 187 Rn. 6; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. [X.]ufl. § 187 Rn. 5; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 30. [X.]ufl. § 187 Rn. 6; [X.], [X.]. Teil [X.] Rn. 13; [X.]/[X.], r+s 2011, 453, 459).

2. [X.]n[X.] als das Berufungsgericht meint, ist dieser Rückforderungsanspruch im Streitfall nicht deswegen ausgeschlossen, weil die [X.] im Schreiben vom 22. Oktober 2009 das Recht auf [X.] der Invalidität nicht gemäß Ziffer 9.4 Satz 3 [X.] ausgeübt bzw. sich vorbehalten hat. Das ergibt die [X.]uslegung von Ziffer 9.1 und 9.4 [X.].

a) [X.]llgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom [X.] auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 6. März 2019 - [X.], [X.], 542 Rn. 15; [X.] Rspr.).

b) Nach diesen Maßgaben führt das Fehlen eines [X.]svorbehalts im Sinne von Ziffer 9.4 Satz 3 [X.] nicht zu einer Bindung des Unfallversicherers an die streitgegenständliche [X.] der Invalidität.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann den Regelungen in Ziffer 9.1 und 9.4 [X.] zunächst entnehmen, dass im Recht der Unfallversicherung zwischen der [X.] der Invalidität und ihrer [X.] zu unterscheiden ist (vgl. Senatsurteile vom 18. Oktober 2017 - [X.]/16, [X.], 1386 Rn. 18; vom 18. November 2015 - [X.], [X.], 9 Rn. 10; Senatsbeschluss vom 16. Januar 2008 - [X.], [X.], 527 Rn. 10 f.). Er wird erkennen, dass der Versicherer gemäß Ziffer 9.1 Satz 1 [X.] verpflichtet ist, bei einem geltend gemachten Invaliditätsanspruch innerhalb von drei Monaten ab dem Eingang bestimmter Unterlagen zu erklären, ob und in welcher Höhe er einen [X.]nspruch anerkennt. [X.]us Ziffer 9.4 Satz 1 [X.] wird er entnehmen, dass beide Vertragsparteien berechtigt sind, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach dem Unfall, erneut ärztlich bemessen zu lassen, eine derartige [X.] der Invalidität in der Regel mithin erst nach vorangegangener [X.] in Betracht kommt (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2015 aaO; Senatsbeschluss vom 16. Januar 2008 aaO).

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird ferner erkennen, dass das in Ziffer 9.4 Satz 3 [X.] geregelte [X.] allein auf die [X.] der Invalidität bezogen i[X.] Das ergibt sich für ihn aus dem klaren Wortlaut der Regelung. Nach diesem muss der Versicherer "dieses Recht" zusammen mit seiner Erklärung über die Leistungspflicht nach Ziffer 9.1 Satz 1 [X.] ausüben. Mit "diesem Recht" ist erkennbar allein das in Satz 1 der Ziffer 9.4 [X.] geregelte [X.]srecht gemeint.

Er wird hieraus sodann folgern, dass der Unfallversicherer nicht deswegen an seine [X.] der Invalidität gebunden ist, weil er das Recht zur [X.] nicht zusammen mit seiner Erklärung über die Leistungspflicht gemäß Ziffer 9.4 Satz 3 [X.] ausgeübt hat. Denn nach dem Gesagten erkennt er, dass das [X.] nicht die Erst-, sondern allein die [X.] der Invalidität betrifft. Hieraus wird er ohne Weiteres schließen, dass sich aus dem [X.] keine Folgen für die von der [X.] gerade zu unterscheidende [X.] ableiten lassen. [X.]uslegungszweifel im Sinne des § 305c [X.]bs. 2 BGB bestehen insofern nicht.

c) Die weitere, kontrovers diskutierte Frage, ob der Unfallversicherer bei Nichtausübung des [X.]srechts nach den Versicherungsbedingungen an einer Rückforderung der Invaliditätsleistung gehindert ist, wenn sich aufgrund eines allein vom Versicherungsnehmer initiierten [X.]sverfahrens ergibt, dass sich sein Gesundheitszustand im Vergleich zur [X.] verbessert hat (bejahend: [X.] [X.], 87 [juris Rn. 26 ff.] m.w.N.; [X.] [X.], 1653 [juris Rn. 15]; verneinend: [X.] VersR 2018, 89 unter [X.] 1 [juris Rn. 14 f.] m.w.N.), kann im Streitfall offenbleiben. Grundlage jeder [X.] der Invalidität sind Veränderungen im Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers gegenüber demjenigen Zustand, der der [X.] zugrunde liegt (Senatsbeschluss vom 22. [X.]pril 2009 - [X.], [X.], 920 Rn. 19; vgl. ferner [X.] VersR 2014, 456 unter 2 [X.] (2) [juris Rn. 46]). Um solche Veränderungen geht es hier nicht.

3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 Z[X.]O). Dem auf eine von ihrem Schreiben vom 22. Oktober 2009 abweichende Beurteilung des Invaliditätsgrades gestützten Rückforderungsverlangen der [X.]n steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen.

Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines wi[X.]prüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - [X.], [X.], 102 Rn. 33; [X.], Urteil vom 10. Januar 2019 - [X.], ZI[X.] 2019, 423 Rn. 25; jeweils m.w.N.). So liegt es hier.

a) [X.] der [X.]n ist mit dem Inhalt ihres Schreibens vom 22. Oktober 2009 sachlich unvereinbar.

Die [X.] hat mit diesem Schreiben beim Kläger den Eindruck erweckt, dass sie damit gut drei Jahre nach dem Unfallereignis die Höhe ihrer vertraglich geschuldeten Leistung endgültig klären wollte. In dem Schreiben heißt es, das ausdrücklich als solches bezeichnete "[X.]bschlussgutachten" liege nunmehr vor und die [X.] rechne den Unfallschaden in der im Schreiben angegebenen Höhe "abschließend" ab; die Invaliditätssumme von 51.000 € bezeichnet die [X.] als ihre "Leistung". Der insbesondere durch die Verwendung der Begriffe "abschließend" und "[X.]bschlussgutachten" hervorgerufene Eindruck, dass es endgültig bei der im Schreiben enthaltenen [X.]brechnung bleiben und die [X.] zukünftig nicht mehr auf die Invaliditätsleistung zurückkommen werde, wird noch dadurch verstärkt, dass das Schreiben damit endet, dass sie dem Kläger "für die Zukunft alles Gute" wünscht.

Durch die genannten Formulierungen hat die [X.] aktiv einen Vertrauenstatbestand geschaffen, die im Rahmen der [X.] ermittelte Invaliditätsleistung nicht später aufgrund einer anderweitigen [X.] zurückzufordern. Dieser Vertrauenstatbestand ist von besonderem Gewicht, weil der Unfallversicherer - insofern ähnlich wie der [X.] hinsichtlich der von ihm versprochenen Versicherungsleistung (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Februar 2017 - [X.], [X.], 868 Rn. 16 m.w.N.) - regelmäßig über überlegene Sach- und Rechtskunde im Hinblick auf die spezielle [X.]usgestaltung der Invaliditätsleistung durch die Versicherungsbedingungen mit der Unterscheidung zwischen der Erst- und der [X.] des Grades der Invalidität und dem Erfordernis der Einhaltung bestimmter Fristen (vgl. zu letzterem BT-Drucks. 16/3945 S. 109 li. [X.]) sowie die Möglichkeit ihrer Rückforderung verfügt. Unabhängig davon, dass das Versicherungsvertragsverhältnis generell in besonderer Weise vom Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht wird (vgl. Senatsurteil vom 14. Januar 2015 - [X.], [X.], 230 Rn. 11; [X.], Urteil vom 8. Juli 1991 - [X.], [X.], 1129 unter 2 b [juris Rn. 15] m.w.N.; vgl. zur [X.]roblematik fehlerhafter [X.] auch Jungermann, r+s 2019, 369 ff.), muss sich der Versicherungsnehmer aufgrund der überlegenen Sach- und Rechtskunde des Unfallversicherers in gesteigerter Weise auf dessen die Invaliditätsleistung betreffenden Erklärungen verlassen können.

b) [X.], nicht entgegen dem Schreiben der [X.]n vom 22. Oktober 2009 auf Rückzahlung der Invaliditätsleistung in [X.]nspruch genommen zu werden, ist vorrangig schutzwürdig. Wie ausgeführt erweckt dieses den Eindruck, dass die [X.] nunmehr nach [X.]blauf von mehr als drei Jahren die Höhe ihrer vertraglich geschuldeten Leistung endgültig klären wollte. Die besondere Schutzwürdigkeit des von der [X.]n durch das Schreiben hervorgerufenen Vertrauens des [X.] in den Bestand der Invaliditätsleistung wird nicht dadurch abgeschwächt, dass ihm eine einfache Möglichkeit zur Verfügung gestanden hätte, selbst Klarheit darüber zu gewinnen, ob er einem Rückforderungsanspruch ausgesetzt sein kann, wenn sich die [X.] des Invaliditätsgrades als zu hoch erwei[X.] Selbst wenn er das Schreiben zum [X.]nlass genommen hätte, anhand der vereinbarten Unfallversicherungs-Bedingungen der Frage des Bestehens eines solchen [X.]nspruchs nachzugehen, hätte er auf diese Weise keine vom Schreiben abweichenden Informationen gewonnen. Die die [X.] betreffende Bestimmung in Ziffer 9.1 [X.] schweigt zu einem Rückforderungsanspruch bei einer fehlerhaften [X.]; der [X.]nspruch ergibt sich nur aus dem Gesetz (§ 812 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.]lt. 1 BGB).

c) [X.]n[X.] als die Revision meint, steht dieses Ergebnis nicht in Wi[X.]pruch zu dem Senatsurteil vom 24. März 1976. Zwar hat der Senat dort ausgeführt, dass der notwendige Vertrauensschutz des gutgläubigen Empfängers der Versicherungssumme im Wesentlichen durch die spezielle Regelung des § 818 [X.]bs. 3 BGB gewährleistet werde ([X.], [X.], 471 unter [X.]juris Rn. 36], insoweit in [X.], 250 nicht abgedruckt). [X.]ber der spezifische Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, dessen Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind, war nicht Gegenstand der Entscheidung.

[X.]     

      

[X.]     

      

[X.]rof. [X.]

      

Dr. Brockmöller     

      

Dr. Götz     

      

Meta

IV ZR 20/18

11.09.2019

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 20. Dezember 2017, Az: 3 U 47/15

Nr 9.1 S 1 AUB 1999, Nr 9.4 S 3 AUB 1999, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.09.2019, Az. IV ZR 20/18 (REWIS RS 2019, 3716)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1383-1384 WM2020,1837 NJW 2019, 3790 REWIS RS 2019, 3716

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