Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. V ZB 42/17

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10092

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[X.]:[X.]:BGH:2017:010617B[X.]42.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 42/17
vom

1. Juni 2017

in der Abschiebungshaftsache

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2
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Der V. Zivilsenat des [X.]s hat am 1. Juni 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.], die Richterinnen Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und Weinland, [X.]
Göbel und die Richterin Haberkamp
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4.
Zivilkammer des [X.] vom 31.
Januar
2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.

Gründe:
I.
Am 10.
November 2016
reiste der Betroffene ohne gültige Papiere und Einreisedokumente mit dem Zug aus [X.] nach [X.] ein, wo er bei einer
grenzpolizeilichen Kontrolle festgenommen wurde. Er gab an, ägypti-scher Staatsangehöriger zu sein. Die beteiligte Behörde ordnete am selben Tag die Zurückschiebung des Betroffenen nach [X.] an, befristete das [X.] auf den 10.
November 2018
und schob
ihn
nach [X.] zurück. Am Abend desselben Tages reiste dieser erneut mit dem Zug aus [X.] ohne gültige Papiere in das [X.] ein. Er wurde wieder festgenommen und gab diesmal an, [X.] Staatsangehöriger mit den eingangs dieses Beschlusses festgestellten Personalien zu sein. Die beteiligte Behörde ordnete 1
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mit Bescheid vom 11. November 2016 die Abschiebung des Betroffenen nach [X.] an und beantragte die Anordnung von Haft für
sechs Monate zur Si-cherung dieser Abschiebung.
Mit Beschluss vom 11.
November 2016 hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen
Haft zur Sicherung der verfügten Abschiebung für die Dauer von sechs Monaten angeordnet. Am 20.
Dezember 2016 hat der Betroffene die Aufhebung der Haft beantragt. Das Amtsgericht hat diesen Antrag als Be-schwerde gewertet und unter [X.] dem [X.] vorgelegt. Dieses wies
die beteiligte Behörde zunächst darauf hin, dass die Ausführungen zur beantragten Dauer der Haft unzureichend sein könnten, gab die vermeintliche Beschwerde dann aber dem Amtsgericht zur Entscheidung über den [X.] zurück. Das Amtsgericht hat den [X.] mit Beschluss vom 11.
Januar 2017 zurückgewiesen. Die Beschwerde des Betroffenen ist oh-ne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der -
am 8. März 2017 abgeschobene -
Betroffene die Feststellung der Rechtswidrigkeit der über den 20. Dezember 2016 hinausgehenden Haft erreichen.
II.
Das Beschwerdegericht hält den Haftaufhebungsantrag für unbegründet. Ein solcher Antrag könne nur auf neue Umstände, nicht aber auf Einwände ge-gen die Anordnung der Haft gestützt werden. Der [X.] habe dies in früheren Entscheidungen zwar anders gesehen. Es erachte diese Rechtspre-chung aber insbesondere wegen der Beschlüsse
des [X.]s vom 10.
April 2014
(V
ZB 110/13) und vom 15.
September 2016 (V
ZB 43/16) für überholt. Deshalb könne sich der Betroffene weder darauf stützen, dass die erforderliche Dauer der Haft in dem Haftantrag der beteiligten Behörde nicht ausreichend begründet worden sei, noch darauf, dass es an einer Unterrichtung der konsularischen Vertretung [X.]s fehle. Beides betreffe die ursprüngli-2
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che Haftanordnung und könne im [X.] nicht mehr gerügt werden. Nach Erlass der Haftanordnung eingetretene Umstände, die ihre [X.] erforderten, lägen nicht vor.
III.
Diese Erwägungen halten im entscheidenden Punkt einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Die gegebene Begründung trägt die Zurückweisung des [X.] des Betroffenen nicht.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s kann der Haftaufhebungsantrag gemäß § 426 Abs. 1 FamFG nicht nur auf neue [X.], sondern auch auf Einwände die Anordnung der Haft gestützt werden. Der [X.] hat die unter Geltung des durch den heutigen §
426 FamFG abgelösten §
10 FreihEntzG
umstrittene Frage mit Beschluss vom 18.
September 2008 (V
ZB 129/08, BGH-Report
2008, 1232) im beschriebenen Sinne entschieden und an der bisherigen Rechtsprechung auch unter Geltung von §
426 FamFG festgehalten (Beschlüsse vom 28.
April 2011 -
V
ZB 292/10, FGPrax
2011, 200 Rn.
17, vom 26.
Mai 2011 -
V
ZB 318/10, juris Rn.
16, vom 15.
Dezember 2011 -
V
ZB 302/10, juris Rn.
13 und vom 29.
November 2012 -
V
ZB 115/12, In-fAuslR
2013, 158 Rn.
4). Er hat lediglich präzisiert, dass die formelle Rechts-kraft der Entscheidung über die Haftanordnung nicht durch einen Antrag auf Haftaufhebung durchbrochen werden kann. Folge dessen ist, dass die [X.] der Haft erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs des [X.] festgestellt werden kann ([X.], Beschluss vom 29.
November 2012 -
V
ZB 170/12, [X.] 2013, 157 Rn. 7); dies hat der Be-troffene bei der Antragstellung beachtet.
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5
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b) Diese Rechtsprechung hat der [X.] nicht aufgegeben. Er ist von ihr auch nicht stillschweigend
abgerückt. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des [X.] auch nicht aus den Beschlüssen des Se-nats vom 10.
April 2014 (V
ZB 110/13, juris) und vom 15.
September 2016 (V
ZB 43/16, NVwZ
2016, 1824). Dies hat der [X.] in seinem Beschluss vom 1. Juni 2017 ([X.]/17 z. Veröff. [X.]) in einer gleich gelagerten Sache im Einzelnen erläutert; hierauf wird Bezug genommen.
c) Von dieser Rechtsprechung abzuweichen geben die Erwägungen des [X.] keine Veranlassung.
2. Die Entscheidung des [X.] erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als richtig (§
74 Abs.
2 FamFG).
a) Der Betroffene macht im Ansatz zu Recht geltend, dass die Haftan-ordnung nicht hätte ergehen dürfen, weil
es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.
b) Im [X.] ist allerdings
zu berücksichtigen, dass Fehler im Haftanordnungsverfahren für die Zukunft heilbar sind. Deshalb ist ei-ne rechtskräftige, aber mangels zulässigen Haftantrags rechtswidrige (rechts-kräftig gewordene) Haftanordnung nicht aufzuheben, wenn die beteiligte [X.] die fehlenden Angaben im Aufhebungsverfahren nachholt und das mit dem Aufhebungsverfahren befasste Gericht die erforderlichen Feststellungen [X.]; einer persönlichen Anhörung des Betroffenen nach §
420 FamFG bedarf es in diesem Fall nicht
(dazu [X.], Beschluss vom 1. Juni 2017 -
[X.]/17, z. Veröff. [X.]).

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c) Die von dem Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen rechtferti-gen die Zurückweisung des [X.] und des Antrags auf Fest-stellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung für den Zeitraum ab dem 20.
Dezember 2016 nicht. Die Behörde hat allerdings die fehlenden Darlegun-gen zur erforderlichen Dauer der Haft nachgeholt. Der nachgeholte Vortrag ist auch ausreichend. Das Beschwerdegericht hat sich aber -
von seinem Rechts-standpunkt aus konsequent -
mit diesem ergänzenden Vortrag nicht befasst und deshalb auch nicht festgestellt, ob die Haft auf dieser Grundlage und ins-besondere auch im Hinblick auf die geänderte Einschätzung der beteiligten Be-hörde (fünf statt der beantragten und angeordneten sechs Monate) im Zeitpunkt seiner Entscheidung
(noch) gerechtfertigt war.
IV.
Die Sache ist deshalb nicht zur Endentscheidung reif. Der Beschluss des [X.] ist aufzuheben
und
die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

[X.]
Schmidt-Räntsch
Weinland

Göbel
Haberkamp

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.01.2017 -
1 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 31.01.2017 -
4 [X.] -

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Meta

V ZB 42/17

01.06.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. V ZB 42/17 (REWIS RS 2017, 10092)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10092

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V ZB 39/17

1 XIV 155/16

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