Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2022, Az. VII ZB 19/21

7. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 1725

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Gegenstand

VOB-Vertrag: Zulässigkeit eines selbständigen Beweisverfahrens bei Vorliegen einer Schiedsgutachtenabrede


Leitsatz

Eine Schiedsgutachtenabrede nach § 18 Abs. 4 VOB/B steht jedenfalls einer vorherigen oder parallelen Durchführung eines auf § 485 Abs. 2 ZPO gestützten selbständigen Beweisverfahrens grundsätzlich entgegen, soweit das Beweisthema des beabsichtigen Beweisverfahrens sich mit dem gegenständlichen Anwendungsbereich der Schiedsgutachtenabrede deckt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des [X.] vom 15. März 2021 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin erstrebt im selbständigen [X.]eweisverfahren die Feststellung von Mängeln an seitens der Antragsgegnerin zur Verwendung bei der Neuerrichtung einer Autobahnbrücke vorgesehenen Stahlbauteilen.

2

Die Antragstellerin erteilte der Antragsgegnerin im Jahre 2017 den Zuschlag für ein [X.]auvorhaben, das unter anderem die Neuerrichtung einer Autobahnbrücke umfasst. In den [X.]auvertrag wurden unter anderem die VO[X.]/[X.] sowie die Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten ([X.]) einbezogen. Die Antragstellerin erhob in der Folgezeit zahlreiche [X.] insbesondere in [X.]ezug auf die von einem Nachunternehmer der Antragsgegnerin gefertigten Stahlbauteile sowie den Fertigungsprozess; hierüber entstand zwischen den Parteien Streit. Mit Schreiben vom 16. April 2020 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, sie mache von ihren vertraglichen Rechten aus § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.] und Ziff. 2.3.6. [X.], Teil 1, Abschnitt 1 Gebrauch und verlange eine Schiedsuntersuchung mittels einer Prüfung durch eine staatlich anerkannte Prüfstelle; den Antrag richte sie an eine - von ihr näher bezeichnete - Versuchsanstalt in K.       unter Leitung von [X.]. U.         .

3

Mit Schriftsatz vom 27. April 2020 beantragte die Antragstellerin bei dem [X.] die Einleitung eines selbständigen [X.]eweisverfahrens und zugleich den Erlass von Anordnungen gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO in [X.]ezug auf bestimmte Stahlbauteile. Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Zulässigkeit des selbständigen [X.]eweisverfahrens ergebe sich sowohl aus § 485 Abs. 1 Fall 2 als auch aus § 485 Abs. 2 ZPO. Die Antragsgegnerin meint dagegen, der Einleitung eines selbständigen [X.]eweisverfahrens stehe eine vorgreifliche [X.]vereinbarung nach § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.] und Ziff. 2.3.6. [X.], Teil 1, Abschnitt 1 entgegen.

4

[X.]. U.         ließ am 27. Juli 2020 mitteilen, seine Versuchsanstalt könne die Untersuchung nicht in der gewünschten Form durchführen, dies sei lediglich einer von ihm benannten anderen Einrichtung möglich, die als solche aber keine Materialprüfungsstelle sei. Die Antragsgegnerin unterrichtete daraufhin mit Schreiben vom 27. August 2020 die Antragstellerin, sie werde die mit Schreiben vom 16. April 2020 beantragte Schiedsuntersuchung nunmehr durch ein - gleichfalls von ihr näher bezeichnetes - Materialprüfungsamt in M.      unter Leitung von [X.]. M.      , vornehmen lassen. In der Folgezeit fanden Untersuchungen der Stahlbauteile durch [X.]. M.        statt. Die [X.]egutachtung ist noch nicht abgeschlossen.

5

Das [X.] hat den auf Durchführung eines selbständigen [X.]eweisverfahrens gerichteten Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige [X.]eschwerde der Antragstellerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr [X.]egehren weiter.

II.

6

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

7

1. Das [X.]eschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt, es fehle dem Antrag auf Einleitung eines selbständigen [X.]eweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Hätten die Parteien - so wie hier - eine Schiedsgutachtenklausel in den Vertrag aufgenommen, sei die vorherige oder parallele Durchführung eines selbständigen [X.]eweisverfahrens grundsätzlich unzulässig. Es komme nicht darauf an, ob zeitlich früher eine der Parteien das [X.] eingeleitet oder die Durchführung eines selbständigen [X.]eweisverfahrens beantragt habe. Erst dann, wenn das [X.] ohne Erfolg geblieben sei, sei der Gang zu den ordentlichen Gerichten zulässig. Der Grund hierfür liege darin, dass sich die Parteien kraft ausdrücklicher Vereinbarung im Rahmen der Vertragsfreiheit für eine entsprechende Vorgehensweise entschieden hätten. Das selbständige [X.]eweisverfahren sei auch nicht zur Vermeidung eines Rechtsstreits geeignet, weil eine hierauf gestützte Klage selbst bei für die Antragstellerin positivem [X.]eweisergebnis als derzeit unbegründet abgewiesen werden müsse, wenn die Antragsgegnerin - so wie hier - die Einrede des [X.] erhebe. Ein rechtliches Interesse auf Einholung eines [X.]eweisgutachtens trotz des Vorhandenseins einer [X.]abrede sei daher nicht erkennbar. Das gelte erst recht, wenn bereits ein Schiedsgutachten vorliege.

8

Das selbständige [X.]eweisverfahren sei ferner nicht nach § 485 Abs. 1 ZPO zulässig. Es sei nicht ausreichend ersichtlich, dass ein [X.]eweismittel verlorengehen könnte oder seine [X.]enutzung erschwert würde. Mangels Zulässigkeit des selbständigen [X.]eweisverfahrens sei auch kein Raum für Anordnungen nach § 144 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO.

9

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

a) Zu Recht hat das [X.]eschwerdegericht den Antrag auf Durchführung eines selbständigen [X.]eweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO für unzulässig erachtet, weil aufgrund einer vorrangigen [X.]vereinbarung der Parteien nach § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.] kein rechtliches Interesse der Antragstellerin an den Feststellungen besteht, die Gegenstand der beantragten [X.]egutachtung durch einen Sachverständigen sein sollen.

aa) Nach § 18 Abs. 4 Satz 1 VO[X.]/[X.] kann bei Meinungsverschiedenheiten unter anderem über die Eigenschaft von Stoffen oder [X.]auteilen, für die allgemein gültige Prüfungsverfahren bestehen, jede Vertragspartei die materialtechnische Untersuchung durch eine staatliche oder staatlich anerkannte Materialprüfungsstelle vornehmen lassen, deren Feststellungen verbindlich sind. § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.] stellt, soweit sein gegenständlicher Anwendungsbereich reicht, eine [X.] dar, welche durch Einbeziehung der VO[X.]/[X.] - wie sie im vorliegenden Fall erfolgt ist - [X.]estandteil des [X.]auvertrages wird (allg. Auffassung, vgl. nur [X.]/[X.], VO[X.] Teile A und [X.], 21. Aufl., § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.] Rn. 16 m.w.N.).

bb) Im Ergebnis zutreffend ist das [X.]eschwerdegericht davon ausgegangen, dass eine [X.] nach § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.] jedenfalls einer vorherigen oder parallelen Durchführung eines selbständigen [X.]eweisverfahrens, soweit dieses auf § 485 Abs. 2 ZPO gestützt wird, grundsätzlich entgegensteht, soweit das [X.]eweisthema des beabsichtigen [X.]eweisverfahrens sich mit dem gegenständlichen Anwendungsbereich der [X.] deckt.

(1) In welchem Verhältnis das auf § 485 Abs. 2 ZPO gestützte selbständige [X.]eweisverfahren einerseits und eine von den Parteien getroffene [X.] andererseits zueinan[X.]tehen, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten.

Nach einer Auffassung fehlt es für die Durchführung eines selbständigen [X.]eweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO grundsätzlich am notwendigen rechtlichen Interesse, soweit die Parteien eine [X.] getroffen haben. Danach ist die vorherige oder parallele Durchführung eines selbständigen [X.]eweisverfahrens unzulässig, soweit der Gegenstand der [X.] reicht (OLG [X.]remen, [X.]eschluss vom 30. März 2009 - 1 W 10/09, NZ[X.]au 2009, 599, juris Rn. 9; LG [X.]erlin, [X.]eschluss vom 8. Juni 2011 - 94 OH 2/10, juris Rn. 7 ff.; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 18. Aufl., § 485 Rn. 14; [X.]/[X.], 6. Aufl., § 485 Rn. 16; [X.], ZPO, 23. Aufl., § 486 Rn. 37; [X.]/[X.], ZPO, 34. Aufl., § 485 Rn. 7a; Weise, Selbständiges [X.]eweisverfahren im [X.]aurecht, 2. Aufl., Rn. 249; [X.]., [X.] 2015, 684 f.; [X.], NJW 1994, 1985, 1992; [X.], [X.], 1154, 1156 ff.), jedenfalls sofern sich der Gegner - wie hier die Antragsgegnerin - auf die [X.] beruft ([X.], [X.]eschluss vom 28. April 1998 - 23 W 25/98, [X.], 1111; [X.]/[X.], VO[X.] Teile A und [X.], 21. Aufl., § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.] Rn. 13, Anhang 2 Rn. 58; [X.]/Pastor in [X.]/Pastor, Der [X.]auprozess, 1[X.]., Rn. 501).

Nach der Gegenansicht bleibt das selbständige [X.]eweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO trotz entsprechender [X.] uneingeschränkt zulässig (von [X.]ernuth, ZIP 1998, 2081, 2084; [X.]., [X.], 235, 236; vgl. auch [X.], [X.]eschluss vom 19. Oktober 1998 - 20 W 48/98, juris Rn. 3; [X.], [X.]eschluss vom 28. Mai 1991 - 4 OH 6/91, [X.] 1991, 989; im Ergebnis ebenso [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 18. Aufl., § 1042 Rn. 28; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 42. Aufl., § 485 Rn. 10; Koeble in [X.]/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des [X.]aurechts, 5. Aufl., 14. Teil Rn. 99).

Eine vermittelnde Auffassung wiederum nimmt ein rechtliches Interesse im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO trotz [X.] an, solange das [X.] noch nicht in Gang gebracht ([X.], [X.]eschluss vom 24. April 2008 - 15 W 15/08, [X.], 1488 = NZ[X.]au 2009, 252, juris Rn. 16) beziehungsweise das Schiedsgutachten noch nicht eingeholt worden ist ([X.], [X.]eschluss vom 15. Juli 1998 - 5 W 464/98, [X.], 1055, juris Rn. 2). Teilweise wird das rechtliche Interesse nach § 485 Abs. 2 ZPO auch davon abhängig gemacht, dass mit der Einholung eines Schiedsgutachtens nicht zu rechnen sein darf ([X.], [X.]eschluss vom 17. August 2015 - 9 W 30/15, [X.], 1962 = NZ[X.]au 2015, 775, juris Rn. 16; ähnlich auch [X.]/[X.]/[X.]oldt, Privates [X.]aurecht, 3. Aufl., [X.] Rn. 81 f.).

(2) Der erstgenannten Auffassung gebührt der Vorzug. Schließen die Parteien eine [X.]vereinbarung, treffen sie damit gleichzeitig die Abrede, dass die gegenständlich erfassten Tatsachenfragen grundsätzlich bindend durch den [X.] festgestellt werden sollen. Dessen Feststellungen sind dann nur noch eingeschränkt nach Maßgabe der §§ 317 ff. [X.]G[X.] gerichtlich überprüfbar (vgl. [X.]GH, Urteil vom 11. März 2021 - [X.] Rn. 25, [X.], 1183 = NZ[X.]au 2021, 316). Durch die [X.] bringen die Parteien ihren Willen zum Ausdruck, dass sie bei entstehenden Auseinan[X.]etzungen ein Schiedsgutachten wünschen, und stellen damit gleichzeitig klar, dass daneben über das gleiche [X.]eweisthema im Allgemeinen gerade keine gerichtliche [X.]eweiserhebung in Angriff genommen werden soll ([X.], [X.], 1154, 1156; Weise, [X.] 2015, 684; vgl. auch schon [X.], 57, 61).

Das entspricht dem Grundsatz der Privatautonomie. Ob die Parteien bei Auseinan[X.]etzungen über tatsächliche Fragen ein gerichtliches selbständiges [X.]eweisverfahren anstrengen wollen oder nicht, steht grundsätzlich zu ihrer privatautonomen vertraglichen Disposition. Denn ein Vertrag, in dem sich eine Partei zu einem bestimmten prozessualen Verhalten verpflichtet oder dazu, ein solches zu unterlassen, ist wirksam, wenn die Handlung oder Unterlassung möglich ist und weder gegen ein gesetzliches Verbot noch gegen die guten Sitten verstößt (st. Rspr.; vgl. [X.]GH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - [X.], NJW-RR 2006, 632, juris Rn. 19 m.w.N.). Haben die Parteien die Vereinbarung getroffen, dass Feststellungen gerade auf andere Weise als durch ein gerichtliches selbständiges [X.]eweisverfahren getroffen werden sollen, fehlt es daher am rechtlichen Interesse für die vorherige oder parallele Durchführung eines streitschlichtenden [X.]eweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO. Dies gilt auch im Falle einer [X.]vereinbarung nach § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.]. Die grundsätzliche Sperrwirkung der [X.] trägt außerdem dem Rechtsgedanken der Vermeidung doppelter [X.]egutachtung in [X.]elben Angelegenheit (vgl. § 485 Abs. 3 ZPO) Rechnung; denn es wäre nicht nachvollziehbar, wenn staatliche Gerichte bemüht werden sollen, obwohl die Vertragspartner sich bereits auf ein außergerichtliches Verfahren über den gleichen [X.]eweisgegenstand geeignet haben (Weise, [X.] 2015, 684, 684 f.).

Ob das auf § 485 Abs. 2 ZPO gestützte selbständige [X.]eweisverfahren gleichwohl zulässig bleibt, wenn sich der Gegner nicht auf die [X.]vereinbarung beruft, kann dahinstehen, da die Antragsgegnerin die Einrede der [X.] erhoben hat.

(3) Die weiteren Einwände, welche die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme einer Sperrwirkung der [X.] vorbringt, greifen nicht durch.

(a) Ob ein gerichtliches selbständiges [X.]eweisverfahren, wie die Rechtsbeschwerde geltend macht, etwa aufgrund der Möglichkeit zur [X.] nach §§ 72 ff. ZPO oder eines Erörterungstermins mit dem Ziel eines Vergleichsabschlusses nach § 492 Abs. 3 ZPO in größerem Maße geeignet sein mag, die Zahl möglicher Folgeprozesse zu minimieren, kann letztlich auf sich beruhen. Haben sich die Parteien - so wie hier - verbindlich darauf geeinigt, die Feststellungen von Tatsachen einem sachkundigen Dritten zu übertragen und ist damit von ihnen ein weniger an staatlichem Verfahren gewollt, so haben sie zugleich etwaige Nachteile, die daraus entstehen, in ihren Willen mit aufgenommen und müssen diese daher hinnehmen ([X.], [X.], 1154, 1158). Es gilt der Vorrang der vertraglichen Vereinbarung, unabhängig davon, ob die rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Antragsgegnerin durch ein selbständiges [X.]eweisverfahren gleichermaßen gewahrt wären.

(b) Soweit die Rechtsbeschwerde die Notwendigkeit betont, anhand des Ergebnisses eines selbständigen [X.]eweisverfahrens das Schiedsgutachten auf offenbare Unbilligkeit analog § 319 Abs. 1 [X.]G[X.] überprüfen können zu müssen, und für den Streitfall bereits Gesichtspunkte aufzeigt, die ihrer Auffassung nach gegen ein "billiges" Ergebnis der laufenden Schiedsbegutachtung sprechen, führt dies jedenfalls nicht zur Zulässigkeit eines auf § 485 Abs. 2 ZPO gestützten selbständigen [X.]eweisverfahrens, solange - wie hier - das Schiedsgutachten, dessen "Unbilligkeit" zu überprüfen ist, noch gar nicht vorliegt (so auch [X.], [X.], 1154, 1157).

(c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde lassen sich auch der Gesetzesbegründung zum [X.] vom 17. Dezember 1990 ([X.]G[X.]l. I 1990, [X.]), mit welchem die Regelung des § 485 Abs. 2 ZPO zum streitschlichtenden [X.]eweisverfahren eingeführt wurde, keine Anhaltspunkte gegen die Sperrwirkung der [X.] entnehmen. Nach der Gesetzesbegründung soll das Verfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO spätere Hauptsacheprozesse gerade in [X.]ausachen vermeiden helfen (vgl. [X.]T-Drucks. 11/3621, [X.]). Eine privatautonom getroffene Schieds-gutachterabrede dient indes ebenfalls dieser Vermeidung (zutreffend Weise, [X.] 2015, 684). Dass den Parteien das Verfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO daneben zwingend offenstehen muss und insoweit keiner Parteidisposition zugänglich sein darf, findet in den [X.] keine Stütze.

(d) Die Rechtsbeschwerde dringt auch nicht mit dem Einwand durch, es bestehe zwischen den Parteien Streit über die Reichweite der [X.], so dass es der Antragstellerin, welche meint, es handele sich bei den [X.] nicht um untersuchungsfähige [X.]auteile im Sinne von § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.], möglich sein müsse, ein selbständiges [X.]eweisverfahren parallel zu dem aus ihrer Sicht unzulässigen [X.] einzuleiten. Denn ob die Sichtweise der Antragstellerin zutrifft, also eine gegenständlich vorrangige [X.] nicht besteht, ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des Antrags auf Durchführung eines selbständigen [X.]eweisverfahrens gerade zu entscheiden, und zwar - so wie im vorliegenden Fall geschehen, wenn auch mit negativem Ausgang für die Antragstellerin - bei der Prüfung des rechtlichen Interesses nach § 485 Abs. 2 ZPO.

(e) Soweit die Rechtsbeschwerde schließlich eine Vielzahl ungeklärter verjährungsrechtlicher Fragen ins Feld führt und die Antragstellerin großer Rechtsunsicherheit ausgesetzt sieht, sollte diese gehalten sein, zunächst den Ausgang des [X.] abzuwarten, spricht dies ebenfalls nicht gegen den Vorrang des schiedsgutachterlichen Verfahrens nach § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.]. [X.]ei der [X.] nach § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.] handelt es sich um ein "vereinbartes [X.]egutachtungsverfahren" im Sinne von § 204 Abs. 1 Nr. 8 [X.]G[X.] ([X.]eck'scher VO[X.]/[X.]-Kommentar/[X.], 3. Aufl., § 18 Abs. 4 Rn. 29; [X.]/[X.], VO[X.] Teile A und [X.], 21. Aufl., § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.] Rn. 14; im Ergebnis ebenso [X.], Urteil vom 26. Januar 1995 - 14 U 48/94, [X.], 556, juris Rn. 4 zu § 202 [X.]G[X.] a.F.; a.[X.]/[X.], VO[X.]/[X.], [X.]., § 18 Rn. 70; [X.]/[X.]/[X.], VO[X.] Teile A und [X.], [X.]., § 18 VO[X.]/[X.] Rn. 38). Andernfalls hätte es der Gegner in der Hand, die Verjährungshemmung durch Nichtbeteiligung am Verfahren nach § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.] zu vereiteln, was nicht gewollt sein kann. Durch die Einleitung des [X.]egutachtungsverfahrens wird daher die Verjährung von Ansprüchen, die mit dem Prüfungsauftrag der Materialprüfungsstelle in Verbindung stehen, beziehungsweise zu deren Durchsetzung es auf die [X.]egutachtung ankommt, gehemmt (vgl. [X.], [X.]G[X.], 16. Aufl., § 204 Rn. 22).

(f) Der Rechtsbeschwerde muss der Erfolg auch insofern versagt bleiben, als sie darauf abhebt, durch die Mitteilung des [X.]. U.         vom 27. Juli 2020 habe die Schiedsbegutachtung geendet und bei dem nunmehr von der Antragsgegnerin betriebenen Schiedsgutachtenverfahren mit [X.]. M.       handele es sich um ein neues, selbständiges Verfahren nach § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.] beziehungsweise [X.]. Denn unabhängig davon, ob dieser Rechtsstandpunkt zutrifft oder stattdessen nur ein [X.] innerhalb eines einheitlichen - fortdauernden - Schiedsgutachtenverfahrens vorliegt, vermag auch die Auffassung der Rechtsbeschwerde die Zulässigkeit des auf § 485 Abs. 2 ZPO gestützten selbständigen [X.]eweisverfahrens nicht zu begründen. Allein der [X.]eauftragung eines neuen Gutachters kann hier nicht der Wille der Antragsgegnerin entnommen werden, die von ihr bereits erhobene Einrede der [X.] wieder fallen zu lassen.

cc) Rechtsfehlerfrei hat das [X.]eschwerdegericht schließlich auch die Voraussetzungen von § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.] im konkreten Fall als [X.]edingung für die Sperrwirkung gegenüber dem selbständigen [X.]eweisverfahren bejaht. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, dass es sich bei den zu untersuchenden [X.] nicht um "[X.]auteile" im Sinne von § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.] handele, ist das [X.]eschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragstellerin dieser Einwand jedenfalls versperrt ist, nachdem sie entsprechende Fragen zum Zustand der Stahlbauteile mittlerweile selbst in das [X.] eingeführt hat. Dagegen sowie gegen das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen von § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.] werden von der Rechtsbeschwerde auch keine Einwendungen erhoben.

dd) Nach alledem kann offenbleiben, ob die das rechtliche Interesse nach § 485 Abs. 2 ZPO ausschließende [X.]vereinbarung - so wie die Antragsgegnerin meint - auch auf Ziff. 2.3.6. [X.], Teil 1, Abschnitt 1 gestützt werden kann. Denn sie ergibt sich bereits aus § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.]. Die von der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang sinngemäß erhobene [X.], das [X.]eschwerdegericht habe das Parteivorbringen zu den Grundlagen der [X.] nicht hinreichend erfasst und dabei rechtsirrig Ziff. 2.3.6. [X.], Teil 1, Abschnitt 1 als "[X.]vereinbarung gemäß § 18 Abs. 4 VO[X.]/[X.]" bezeichnet, hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet; von einer [X.]egründung wird insoweit abgesehen (§ 577 Abs. 6 Satz 2 ZPO i.V.m. § 564 Satz 1 ZPO).

b) Die Zulässigkeit des selbständigen [X.]eweisverfahrens ergibt sich auch nicht aus § 485 Abs. 1 ZPO. Das Rechtsbeschwerdegericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass bereits die Voraussetzungen von § 485 Abs. 1 Fall 2 ZPO nicht vorliegen, also die [X.]esorgnis des Verlusts des [X.]eweismittels oder der Erschwernis seiner [X.]enutzung nicht besteht.

aa) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, es bestehe die Gefahr von Veränderungen der zu begutachtenden [X.]rückenteile durch Verwitterung und durch von der Nachunternehmerin der Antragsgegnerin angekündigte [X.], hat das [X.]eschwerdegericht keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen. Die in diesem Zusammenhang von der Rechtsbeschwerde sinngemäß erhobene [X.] hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet; von einer [X.]egründung wird insoweit abgesehen (§ 577 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 564 Satz 1 ZPO).

bb) Die Zulässigkeit eines auf § 485 Abs. 1 Fall 2 ZPO gestützten selbständigen [X.]eweisverfahrens ergibt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht daraus, dass die Stahlbauteile an einem anderen Ort im Ausland liegen. Ohne Hinzutreten besonderer Umstände begründet dies für sich gesehen noch keine [X.]esorgnis eines [X.]eweismittelverlusts (an[X.] etwa für den Fall der bevorstehenden Veräußerung der Sache ins Ausland [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Handbuch [X.]aurecht, 6. Aufl., § 19 Rn. 24).

cc) Da schon die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 485 Abs. 1 Fall 2 ZPO nicht vorliegen, kann offenbleiben, ob der Antrag worauf das [X.]eschwerdegericht ebenfalls abgestellt hat - auch deshalb unzulässig ist, weil der [X.] [X.]. M.       bereits in die Thematik eingearbeitet sei und ein selbständiges [X.]eweisverfahren daher keinen zeitlichen Vorteil gegenüber dem Schiedsgutachtenverfahren hätte.

c) Zu Recht hat das [X.]eschwerdegericht schließlich den Antrag auf Anordnungen nach § 144 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO zurückgewiesen, nachdem es bereits die Zulässigkeit des selbständigen [X.]eweisverfahrens zutreffend verneint hat. Außerhalb eines anhängigen Verfahrens ist für eine Anordnung nach § 144 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO kein Raum, wobei offenbleiben kann, ob § 144 Abs. 1 ZPO überhaupt im Rahmen eines selbständigen [X.]eweisverfahrens Anwendung finden kann (dies offenlassend [X.]GH, [X.]eschluss vom 16. Mai 2013 - VII Z[X.] 61/12 Rn. 9, [X.], 1307 = NZ[X.]au 2013, 634).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

[X.]     

      

Graßnack

      

[X.]orris     

      

[X.]renneisen     

      

Meta

VII ZB 19/21

26.01.2022

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Köln, 15. März 2021, Az: 17 W 20/21

§ 485 Abs 1 ZPO, § 485 Abs 2 ZPO, § 18 Abs 4 VOB B

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2022, Az. VII ZB 19/21 (REWIS RS 2022, 1725)

Papier­fundstellen: NJW 2022, 1389 MDR 2022, 359-360 REWIS RS 2022, 1725


Verfahrensgang

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Az. VII ZB 19/21

Bundesgerichtshof, VII ZB 19/21, 08.03.2022.

Bundesgerichtshof, VII ZB 19/21, 26.01.2022.


Az. 17 W 20/21

Oberlandesgericht Köln, 17 W 20/21, 15.03.2021.


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20 W 48/98

15 W 15/08

VII ZR 196/18

VIII ZR 108/04

VII ZB 61/12

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