Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.09.2002, Az. X ARZ 299/02

X. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 1660

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BUNDESGER[X.]CHTSHOFBESCHLUSS[X.] 299/02vom10. September 2002in dem [X.] 2 -Der X. Zivilsenat des [X.] hat am 10. September 2002durch [X.],Scharen, [X.] und [X.]:Als zuständiges Gericht wird das [X.] bestimmt.Gründe:[X.] Antrag der Klägerin hat das [X.] Beklagte einen Mahnbescheid wegen angeblicher Schadensersatzansprü-che aus einem Verkehrsunfall erlassen. Nach [X.] Beklagte ist der Rechtsstreit am 22. Mai 2002 an das [X.]abgegeben worden. Die Klägerin hat im [X.] dieses Gericht, in dessenBezirk die Beklagte ihren Sitz hat, als für ein streitiges Verfahren zuständigbezeichnet.Das [X.] hat am 29. Mai 2002 ein Schreiben an dieKlägerin mit folgendem Zusatz verfügt: "Sofern sich der Unfall nicht im Bereichder Zuständigkeit des [X.] ereignet hat und Verweisung andas für den Unfallort zuständige Amtsgericht beantragt wird, möge erklärt [X.] 3 -den, ob die Verweisung im schriftlichen Verfahren erfolgen kann". [X.] die Klägerin die Abgabe des Verfahrens an das [X.]. Auf Befragen hat die Beklagte erklärt, sie sei mit einer Verweisung andas [X.] einverstanden. Daraufhin hat sich das AmtsgerichtStuttgart mit [X.]uß vom 11. Juli 2002 für örtlich unzuständig erklärt und [X.] an das [X.] verwiesen. Dieses hat den [X.] vom 29. Juli 2002 an das [X.] zurückverwiesen.Das [X.], dem das [X.] die [X.] gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung vorgelegt hat, hält den Verwei-sungsbeschluß des [X.] für bindend und somit die Zustän-digkeit des [X.] für gegeben. Dem stehe die Angabe im [X.], das streitige Verfahren solle vor dem [X.] durchge-führt werden, nicht entgegen. Zwar sei gemäß § 696 Abs. 1 Satz 1, § 700Abs. 3 Satz 1 ZPO eine Korrektur der im [X.] getroffenen [X.] nur durch übereinstimmendes, bereits vor der Abgabe an das [X.] erklärtes Verlangen der Parteien möglich. Der [X.] entbehre jedoch auch im vorliegenden Fall, in dem die übereinstimmen-den Erklärungen erst nach der Abgabe erfolgten, nicht jeder rechtlichenGrundlage und sei daher nicht willkürlich.Weil sich das [X.] hierbei in Widerspruch zu einerRechtsauffassung sieht, die in Entscheidungen des [X.]sSchleswig ([X.] 2001, 50) und des [X.]([X.] 1994, 94) vertreten wird, legt es die Sache gemäß § 36 Abs. 3 ZPO [X.] des zuständigen Gerichts vor.- 4 -[X.][X.] Grund der zulässigen Divergenzvorlage ist das AmtsgerichtStuttgart als zuständiges Gericht zu [X.] in § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO genannten Voraussetzungen für ei-ne Zuständigkeitsbestimmung liegen vor. Das [X.], in dessenBezirk die Beklage ihren Sitz hat und das deshalb - wegen Fehlens eines ab-weichenden ausschließlichen Gerichtsstands - gemäß §§ 12, 17 ZPO für [X.] örtlich zuständig ist, hat sich durch einen gemäß § 281 Abs. 2Satz 2 ZPO unanfechtbaren [X.]uß für unzuständig erklärt. Das [X.] hat den Rechtsstreit an das [X.] zurückverwiesen. [X.], um zur Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu gelangen ([X.], 338, 339 f.).2.Das [X.] ist für den vorliegenden Rechtsstreitzuständig.a)Die örtliche Zuständigkeit des [X.] wird [X.] nach § 32 ZPO bestehende konkurrierende örtliche Zuständigkeit des[X.] nicht berührt. Der Klägerin stand insoweit ein Wahlrecht [X.] des § 35 ZPO zu. Davon hat sie dadurch Gebrauch gemacht, daß sie indem [X.] das örtlich zuständige [X.] gemäß § 690Abs. 1 Nr. 5 ZPO als das für ein streitiges Verfahren zuständige Gericht be-stimmt hat. Seit der Neufassung dieser Vorschrift durch das am 1. Januar 1992in [X.] getretene [X.] vom 17. Dezember 1990(BGBl. [X.], 2847) muß nicht mehr zwingend der allgemeine Gerichtsstand des- [X.] als zuständiges Gericht angeben werden. Daher gibt es heutekeinen Grund mehr für die zum früheren Recht vertretene Auffassung, wonachdiese Angabe keine Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen bedeute unddas Wahlrecht daher noch im Verlauf des weiteren Verfahrens ausgeübt wer-den könne.Die Parteien hätten zwar übereinstimmend verlangen können, daß [X.] vom Mahngericht, dem [X.], nicht an das [X.], sondern an ein anderes Gericht abgegeben werde (§ 696Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz ZPO). Ein solcher übereinstimmender Antrag istjedoch beim Mahngericht bis zur Abgabe an das [X.] nichteingegangen. Nach deren Vollzug ist die von der Klägerin getroffene Wahl un-widerruflich und verbindlich ([X.].[X.]. v. 19.01.1993 - [X.] 845/92, [X.], 1273).b)Das [X.] konnte den Rechtsstreit demgemäßnicht an das [X.] verweisen. Eine Verweisung kommt nur dann [X.], wenn bei dem Gericht, bei dem die Sache rechtshängig ist, ein Ge-richtsstand nicht eröffnet ist. Dies gilt auch, wenn - wie im vorliegenden Fall -die Rechtshängigkeit erst durch Abgabe gemäß § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO be-gründet wurde. Zwar wird das Gericht, an das der Rechtsstreit abgegeben wird,durch diese Abgabe nicht in gleicher Weise wie durch eine Verweisung wegenfehlender Zuständigkeit nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO gebunden (vgl. § 696Abs. 5 ZPO); es hat vielmehr seine Zuständigkeit nach den [X.] zu prüfen. Eine Verweisung ist ihm danach jedoch nur im Fall [X.] eröffnet; ist es - wie hier - zumindest auch für die Entschei-dung zuständig, scheidet eine Verweisung aus.c)Dem [X.] des [X.] kommtauch keine Bindungswirkung zu.Zwar sind im [X.]nteresse der [X.] und zur Vermeidung [X.] und dadurch bewirkten Verzögerungen und [X.] des Verfahrens [X.] gemäß § 281 Abs. 2Satz 2 ZPO unanfechtbar. Dies entzieht auch einen sachlich zu Unrecht er-gangenen [X.] und die diesem [X.]uß zugrunde liegendeEntscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung ([X.], 338, 340; [X.], [X.]. v. 08.04.1992 - X[X.][X.] ARZ 8/92, NJW-RR 1992, 902f.; [X.].[X.]. v. 22.06.1993 - [X.] 340/93, NJW 1993, 2810).Nach ständiger Rechtsprechung kommt einem [X.] [X.] dann keine Bindungswirkung zu, wenn er schlechterdings nicht als [X.] des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann ([X.], 379,384; [X.]Z 2, 278, 280), etwa weil er auf der Verletzung rechtlichen Gehörsberuht oder weil er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als will-kürlich betrachtet werden muß ([X.]Z 71, 69, 72 ff.; [X.], [X.]. v.04.12.1991 - X[X.][X.] ARZ 29/91, NJW-RR 1992, 383; [X.].[X.]. v. 09.07.2002- [X.] 110/02, zur Veröffentlichung vorgesehen).[X.]m vorliegenden Fall hat das Amtsgericht den Parteien zwar [X.] gewährt. Dem [X.]uß haftet jedoch ein schwerwiegender Rechtsfehler- 7 -an, der ihn als willkürlich erscheinen läßt. Zwar läßt der [X.]uß jegliche [X.]; der rechtliche Ausgangspunkt des Amtsgerichts ist [X.] dem Akteninhalt, insbesondere aus der Verfügung vom 29. Mai 2002,deutlich zu erkennen. Das Gericht ist offensichtlich davon ausgegangen, trotzseiner eigenen örtlichen Zuständigkeit könne die Klägerin auch noch nach [X.] der Sache durch das Mahngericht ein anderes zuständiges Gericht wäh-len, weshalb auf entsprechenden Antrag die Verweisung an dieses Gerichtauszusprechen sei. Sonst hätte das Amtsgericht nicht der Klägerin von sichaus anheimgestellt, einen Verweisungsantrag zu stellen.Dem dahinter stehenden Rechtsstandpunkt ist jedenfalls durch [X.] des § 696 Abs. 1 Nr. 5 ZPO die Grundlage entzogen worden. [X.] mit der Rechtsänderung verbundene Folge hat das Gericht entweder nichtzur Kenntnis genommen oder es war nicht gewillt, sich an die Änderung dergesetzlichen Voraussetzungen einer Verweisung im Mahnverfahren zu halten.Jedenfalls lassen sich aus der Akte keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, daßsich das Amtsgericht mit der geltenden Rechtslage auseinandergesetzt undnach Gründen für die Zulässigkeit einer Verweisung gesucht haben könnte.Unter diesen Umständen kann der [X.] nicht hinge-nommen werden. Wie der [X.]at bereits entschieden hat, ist eine Verweisungwillkürlich, wenn ein Gericht eine bereits vor längerer Zeit vorgenommene Ge-setzesänderung, mit der gerade solche Verweisungen unterbunden werdensollen, offenbar nicht zur Kenntnis genommen hat ([X.].[X.]. v. 19.01.1993- [X.] 845/92, NJW 1993, 1273). Dies gilt in besonderem Maße, wenn diebetreffende Gesetzesänderung - wie im vorliegenden Fall - bereits mehr als- 8 -zehn Jahre zurückliegt und ihre Konsequenzen für die Verweisung des [X.] nach § 281 ZPO in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur aus-führlich erörtert worden sind. Nicht minder schwerwiegend wäre der [X.], wenn das Gericht das geänderte Gesetz zwar gekannt, sich [X.] weiteres darüber hinweggesetzt haben sollte. Aus diesem Grund kannder [X.] schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPOergangen angesehen werden.Auch der Umstand, daß die Klägerin einen Verweisungsantrag gestellthat und die Beklagte mit der Verweisung einverstanden gewesen ist, führt zukeinem anderen Ergebnis. Wenn das Gericht durch die Verweisung [X.] einem übereinstimmenden Verlangen beider Parteien entspricht,kann dies zwar nach teilweise vertretener Auffassung in manchen Fällen [X.] sein, einen rechtsfehlerhaft zustande gekommenen [X.] nicht willkürlich erscheinen zu lassen ([X.], [X.]. v. 23.03.1988- [X.]Vb ARZ 8/88, [X.], 943; [X.], [X.] 1997, 74 f.;Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 696 Rdn. [X.]). Dies kann aber [X.] nicht gelten, wenn ein unzweifelhaft zuständiges Gericht die Parteien, diesich bislang zur Frage einer Verweisung noch nicht geäußert haben, von sichaus auf die angeblich bestehende Möglichkeit einer Verweisung hinweist.Wenn die Parteien daraufhin die Verweisung beantragen bzw. sich mit ihr ein-verstanden erklären, liegt die Annahme nicht fern, daß sie durch die rechtlichunzutreffende [X.]nformation dazu veranlaßt worden sind. Schon aus [X.] sind die Erklärungen der Parteien nicht geeignet, der [X.] den [X.] zu nehmen.- 9 -MelullisJestaedtScharen[X.]Asendorf

Meta

X ARZ 299/02

10.09.2002

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ARZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.09.2002, Az. X ARZ 299/02 (REWIS RS 2002, 1660)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1660

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