Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.05.2008, Az. X ARZ 45/08

X. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 3802

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[X.]BESCHLUSS [X.]/08 vom 27. Mai 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4 Eine nur mit § 38 Abs. 1 ZPO begründete Verweisung ist nicht willkürlich, wenn beide Parteien diese unter Bezugnahme auf eine vertragliche Gerichtsstands-vereinbarung begehrt haben. [X.], [X.]. v. 27. Mai 2008 - [X.]/08 - [X.] - 2 - [X.] hat durch [X.] Scharen und [X.], [X.]in Mühlens und [X.] Prof. Dr. Meier-Beck und [X.] am 27. Mai 2008 beschlossen: Als zuständiges Gericht wird das [X.] bestimmt.

Gründe: [X.] Die Klägerin, die ihren Sitz im [X.] hat, nimmt die Beklagte auf Zahlung von Werklohn in Anspruch. Auf Antrag der Klägerin hat das [X.] einen Mahnbescheid erlassen. Nach Widerspruch der Beklagten ist der Rechtsstreit an das [X.], in dessen Bezirk die Beklagte ihren Sitz hat, abgegeben worden. Dieses Gericht hatte die Kläge-rin in dem [X.] als für ein streitiges Verfahren zuständig angegeben. 1 Die Klägerin hat in ihrem anspruchsbegründenden Schriftsatz an das [X.] beantragt, den Rechtsstreit an das [X.] zu verweisen, und zur Begründung darauf hingewiesen, in § 15 des Werkvertrages sei der Sitz des Aufragnehmers als Gerichtsstand vereinbart. Diesen Schriftsatz 2 - 3 - hat das [X.] der Beklagten zugestellt. In ihrer Stellungnahme hat die Beklagte bestätigt, dass vertraglich der Gerichtsstand des [X.] vereinbart sei, und dem Verweisungsantrag der Klägerin zugestimmt. Daraufhin hat sich das [X.] für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit unter Hinweis auf den Antrag der Klägerin und die Zustimmung der Beklagten gemäß § 38 Abs. 1 ZPO an das [X.] verwiesen. Das [X.] hat die Verweisung für sachlich unrichtig und nicht bindend gehalten, sich ebenfalls für unzuständig erklärt, die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und die Sache dem [X.]. Dieses möchte das [X.] als zuständiges Gericht bestimmen. Es verneint eine Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des [X.], weil die Verweisung willkürlich erfolgt sei. Der Verweisungsbeschluss lasse jede Begründung der eigenen Zuständigkeit ver-missen. Das [X.] sei als Gericht des allgemeinen Gerichts-stands der Beklagten nach §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO zuständig. Ein ausschließli-cher Gerichtsstand sei in § 15 des Werkvertrages nicht vereinbart worden. [X.] die Klägerin im [X.] das [X.] als zuständiges Gericht angegeben habe, habe sie das ihr zustehende Wahlrecht zwischen all-gemeinem und vertraglich vereinbartem Gerichtsstand bindend ausgeübt. Eine nachträgliche Prorogation sei wegen des Grundsatzes der perpetuatio fori (§ 261 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) entgegen einer vereinzelt vertretenen Auffassung [X.], der Verweisungsbeschluss deshalb rechtsfehlerhaft. Zwar werde von einer Mindermeinung die Auffassung vertreten, ein Gericht könne im Falle nachträglicher Prorogation auch bei zunächst gegebener eigener Zuständigkeit den Rechtsstreit bei ausdrücklich erklärtem Einverständnis der Parteien mit [X.] vertretbarer Begründung an ein anderes Gericht verweisen. Die Be-handlung eines solchen [X.]usses als fehlerhaft, aber nicht willkürlich setze jedoch voraus, dass das verweisende Gericht sich mit der aufgeworfenen 3 - 4 - Rechtsfrage befasst und begründet Position bezogen habe. Lasse man mit ei-nem Teil der Literatur die bloße Möglichkeit, die eigene Unzuständigkeit vertret-bar zu begründen, in Verbindung mit dem Einverständnis der Parteien genügen, eine Verweisung als nicht willkürlich anzusehen, könne bei Einvernehmen der Parteien stets begründungslos und gleichwohl bindend verwiesen werden. An einer entsprechenden Entscheidung sieht sich das vorlegende Ober-landesgericht durch die [X.]üsse der [X.]e [X.] (OLGR [X.] 1997, 74) und [X.] ([X.] 2005, 233) und durch den [X.]atsbe-schluss vom 10. Juni 2003 ([X.], [X.], 3201) gehindert. Es hat die Sache deshalb dem [X.] zur Entscheidung vorgelegt. 4 I[X.] Auf die zulässige Vorlage ist als zuständiges Gericht das [X.] zu bestimmen, da es an den Verweisungsbeschluss des [X.] gebunden ist (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). 5 1. Verweisungsbeschlüsse nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind im [X.] sowie zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitig-keiten und dadurch [X.] in der Gewäh-rung effektiven Rechtsschutzes unanfechtbar und gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend. Dies entzieht auch einen sachlich zu Unrecht erlassenen Verweisungsbeschluss grundsätzlich jeder Nachprüfung ([X.] 102, 388, 340; [X.].[X.]. v. 13.12.2005 - [X.] 223/05, [X.], 383 [X.]). Einem Verweisungsbeschluss kann daher die gesetzlich vorgesehene bindende Wirkung nur dann abgesprochen werden, wenn er schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den 6 - 5 - gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage [X.] und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss ([X.].[X.]. v. 13.12.2005, aaO [X.]). Hierfür genügt es aber nicht, dass der [X.] inhaltlich unrichtig oder fehlerhaft ist. Willkür liegt nur vor, wenn dem Verweisungsbeschluss jede rechtliche Grundlage fehlt und er bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr ver-ständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist ([X.].[X.]. v. 10.6.2003 - [X.], [X.], 3201). 2. Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist der Verweisungsbeschluss des [X.] vom 14. November 2007 nicht willkürlich. 7 a) Eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten liegt nicht vor, da der Verweisungsbeschluss durch das im [X.] als zuständig angegebene [X.] ergangen ist, nachdem dieses die Beklagte zu der von der Klägerin als Grundlage ihres [X.] angegebenen Gerichts-standsvereinbarung angehört hat. 8 b) Der Verweisungsbeschluss des [X.] entbehrt auch nicht jeder gesetzlichen Grundlage, so dass er deshalb als offensichtlich un-haltbar betrachtet werden müsste. 9 Gibt das Mahngericht den Rechtsstreit an das im Mahngericht als zu-ständig bezeichnete [X.] ab und ist dieses - gegebenenfalls neben anderen Gerichten - zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig, so wird, wie der [X.]at bereits entschieden hat, die im [X.] getroffene Wahl des [X.] unwiderruflich und verbindlich ([X.].[X.]. v. 19.1.1993 - [X.] 845/92, NJW 1993, 1237; [X.].[X.]. v. 10.9.2002 - [X.] 217/02, NJW 2002, 3634). Der [X.]at hat darüber hinaus bereits entschieden, dass trotz 10 - 6 - einer im [X.] anders getroffenen Wahl des Gerichtsstandes eine nach Anhörung des Gegners erfolgte Verweisung nicht willkürlich ist, wenn das ver-weisende Gericht in möglicher Auslegung des dem Rechtsstreit zugrunde [X.] annehmen konnte, dass eine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts gegeben ist, an das verwiesen worden ist ([X.].[X.]. v. 22.6.1993 - [X.] 340/93, NJW 1993, 2810, 2811). Ein vergleichbarer Fall ist hier gegeben, weil beide Parteien sich auf die Gerichtsstandsvereinbarung im Vertrag berufen und deshalb die Verweisung an das [X.] bean-tragt oder ihr zugestimmt haben. Hieraus konnte ohne Willkür der Schluss auf eine Vereinbarung ausschließlicher Zuständigkeit dieses Gerichts gezogen werden. Angesichts des übereinstimmenden Verweisungsbegehrens der Par-teien schadet auch nicht, dass der Verweisungsbeschluss nicht näher begrün-det worden ist. Denn ersichtlich war dies durch die Übereinstimmung der Par-teien und die sich daraus möglicherweise ergebende ausschließliche Zustän-digkeit des [X.] verursacht. - 7 - Auf die vom vorlegenden [X.] erörtere Frage, ob die [X.] eines vorausgegangenen Mahnverfahrens nach Eintritt der Rechtshängigkeit die Zuständigkeit des im [X.] als zuständig bezeich-neten Gerichts noch prorogieren können, kommt es im Streitfall nicht an, weil sich beide Parteien zur Begründung ihres Verweisungsbegehrens auf die [X.] im Werkvertrag getroffene Gerichtsstandsvereinbarung berufen haben. 11 Scharen [X.] Mühlens

Meier-Beck [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 29.11.2007 - 4 O 477/07 - [X.], Entscheidung vom 15.01.2008 - 4 AR 9/07 -

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X ARZ 45/08

27.05.2008

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ARZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.05.2008, Az. X ARZ 45/08 (REWIS RS 2008, 3802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 3802

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1 SHa 13/10

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