Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.11.2013, Az. AnwZ (Brfg) 10/13

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2013, 1507

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Gegenstand

Anwaltliches Berufsrecht: Aufwendungsersatzanspruch der Rechtsanwaltskammer für Kosten eines Gutachtens über den Gesundheitszustand ihres Mitglieds


Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 2. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes [X.] vom 2. November 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 1.063,86 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Beklagte ist im Bezirk der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 12. Februar 2010 gab die Klägerin ihm auf, ein Gutachten der ärztlichen Direktorin und Abteilungsärztin Allgemeine Psychiatrie II der [X.] in [X.]über seinen Gesundheitszustand beizubringen. Die Gutachterin erklärte, sie lasse sich nur von Gerichten oder Institutionen beauftragen. Daraufhin erteilte die Klägerin den Auftrag zur Erstattung des Gutachtens. Sie zahlte an die Gutachterin 1.063,86 € (brutto). Diesen Betrag verlangt sie vom [X.] ersetzt. Sie hat zunächst bei dem für den Wohnsitz des [X.] örtlich zuständigen Amtsgericht Klage erhoben. Auf ihren Antrag hin ist die Sache mit Zustimmung des [X.] an den [X.] verwiesen worden. Die Klägerin hat beantragt,

den [X.] zu verurteilen, an sie 1.063,86 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 12. Mai 2011 zu zahlen.

2

Der Beklagte hat beantragt,

1. die Klage abzuweisen;

2. festzustellen, dass der der Kostenforderung der Klägerin zugrunde liegende Verwaltungsakt vom 12. Februar 2010 nichtig ist.

3

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

4

Der [X.] hat den [X.] antragsgemäß verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Nunmehr beantragt der Beklagte die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.

II.

5

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

6

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

7

a) Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird ([X.] 110, 77, 83; [X.], [X.], 1163, 1164; NVwZ-RR 2008, 1; NJW 2009, 3642; vgl. ferner [X.], NVwZ-RR 2004, 542, 543 f.; [X.]/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 112e [X.] Rn. 77).

8

b) Der Bescheid vom 12. Februar 2010 ist nicht nach § 32 [X.], § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig. Nichtig nach § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG ist ein Verwaltungsakt, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann. Das war hier nicht der Fall. Der Umstand, dass das dem [X.] aufgegebene Verhalten - die Vorlage des Gutachtens - nicht von dessen Willen allein abhing, sondern der Mitwirkung der von der Klägerin bestimmten Gutachterin bedurfte, reicht insoweit nicht aus. Ebenso wenig führte deren Weigerung, im Auftrag des [X.] tätig zu werden, zu einer Nichtigkeit des Bescheides vom 12. Februar 2010. Der Beklagte konnte der Anordnung, ein Gutachten der von der Klägerin bestimmten Ärztin vorzulegen, mit Hilfe der Klägerin nachkommen.

9

c) Die Voraussetzungen eines Aufwendungsersatzanspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff., 679 [X.]) sind erfüllt.

aa) Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 17. November 2011 - [X.], [X.]Z 191, 325 Rn. 15) können öffentlich-rechtliche Pflichten eine Haftung als Geschäftsherr im Sinne der (zivilrechtlichen) Vorschriften der §§ 677 ff. [X.] auslösen. Ob der geltend gemachte Anspruch dem öffentlichen Recht oder dem Zivilrecht zuzuordnen ist (vgl. § 112a Abs. 1 [X.]), bedarf nach der bindenden Verweisung des Rechtsstreits an den [X.] (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG) jedoch keiner Entscheidung. In der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass die Bestimmungen der §§ 677 ff. [X.] im öffentlichen Recht bei Vorliegen einer planwidrigen Lücke im jeweiligen [X.] finden können (vgl. etwa [X.]E 80, 170, 172 f.; [X.], Beschluss vom 28. März 2003 - 6 [X.]/03, [X.] 442.066 § 53 TKG Nr. 2). Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag entsprechen denjenigen der §§ 677 ff. [X.].

bb) Die Bundesrechtsanwaltsordnung sieht nicht vor, dass der nach § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestimmte Gutachter im Auftrag der Kammer tätig wird. Sie schließt einen Auftrag der Kammer anstelle des betroffenen Rechtsanwalts aber auch nicht aus. Erteilt die Kammer den Auftrag selbst, liegt hierin kein zusätzlicher Eingriff in die Rechte des Rechtsanwalts, der einer gesonderten rechtlichen Grundlage bedürfte. Mit der Beauftragung der Gutachterin hat die Klägerin objektiv ein Geschäft des [X.] geführt, dem die Beibringung des Gutachtens aufgegeben worden war (§ 15 Abs. 1 [X.]). Der [X.] wird in einem solchen Fall vermutet. Ein etwa der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des [X.] war nach § 679 [X.] unbeachtlich. Der Erstattungsanspruch (§§ 683, 670 [X.]) steht nicht im Widerspruch zu der Kostenregelung des § 15 Abs. 1 Satz 3 [X.]; denn die Kosten des vom Rechtsanwalt beizubringenden Gutachtens sind von diesem selbst zu tragen.

d) Entgegen der Ansicht des [X.] ist der Bescheid vom 12. Februar 2010 nicht wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Die Ausführungen des [X.] dazu, dass die Gutachterin von der Klägerin "in Abstimmung mit den [X.] Geheimdiensten ausgesucht" worden sei und ein Zusammenhang mit dem "[X.]" bestehe, sind unverständlich.

2. Der Beklagte hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des [X.]s beruhen kann (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der [X.] hat nicht gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen. Die Entscheidung über den geltend gemachten Zahlungsanspruch erforderte keine Feststellungen zu einem "[X.]" oder "[X.]" des [X.]. Der [X.] war auch nicht deshalb nicht vorschriftsmäßig besetzt, weil der Vorsitzende im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits das "[X.]" erreicht hatte. Wie sich im Umkehrschluss aus § 103 Abs. 2, § 94 Abs. 3 Satz 1, §§ 65 ff., § 67 Nr. 1 [X.] ergibt, kann ein Rechtsanwalt, der das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet hat, Mitglied des [X.]s sein. Der Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wurde nicht verletzt. Der Vortrag, dessen fehlende Protokollierung der Beklagte rügt, war unerheblich.

3. Die Rechtssache weist keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der [X.] war nicht zu beteiligen.

4. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Bescheid vom 12. Februar 2010 ist nicht nichtig. Die vom [X.] aufgeworfene Frage einer "Umgehung des nichtigen Verwaltungsaktes" stellt sich damit nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 [X.], § 52 Abs. 3 GKG.

Kayser                   Lohmann                      Seiters

              Stüer                         [X.]

Meta

AnwZ (Brfg) 10/13

02.11.2013

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 2. November 2012, Az: 2 AGH 10/12, Urteil

§ 15 Abs 1 BRAO, § 112e S 2 BRAO, § 670 BGB, § 677 BGB, § 679 BGB, § 683 BGB, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.11.2013, Az. AnwZ (Brfg) 10/13 (REWIS RS 2013, 1507)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1507

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III ZR 53/11

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