Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2015, Az. AnwZ (Brfg) 38/15

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2015, 5078

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS
AnwZ ([X.]) 38/15

vom

22. September 2015

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Widerrufs der Zulassung
-

2

-

Der [X.], [X.],
hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richterinnen Roggenbuck und [X.] sowie die Rechtsanwälte
Dr. [X.] und Dr. Kau

am
22. September 2015
beschlossen:

Die [X.]erufung gegen das Urteil des 2. Senats des Hessischen
An-waltsgerichtshofs vom 2. Februar 2015
wird zugelassen.

Der Wert des [X.]erufungsverfahrens wird auf 50

Gründe:

I.

Die Klägerin ist im [X.]ezirk der [X.]eklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelas-sen.
Sie bildete zusammen mit ihrem Ehemann die Sozietät "H.

und Partner Anwaltssozietät GbR". Am 5.
Juli 2012
wurde auf Antrag des Finanzamtes
über das Vermögen der Sozietät die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet. Am 1.
August 2012 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet (AG K.

IN

). Am 25.
Januar 2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet (AG F.

IN

).
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3

-

Mit [X.]escheid vom 8.
März 2013 widerrief die [X.]eklagte die Zulassung der Klägerin wegen [X.]. Die Klage der Klägerin führte zur [X.]. Nunmehr beantragt die [X.]eklagte die Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des [X.]. Das Insolvenzverfah-ren über das Vermögen der Klägerin wurde zwischenzeitlich mit [X.]eschluss vom 16.
Juli 2015 aufgehoben. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der So-zietät dauert an.

II.

Der
nach §
112e Satz
2 [X.], §
124a Abs.
4 VwGO statthafte Antrag hat Erfolg. Die [X.]erufung wird wegen
ernsthafter Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§
112e Satz 2 [X.], §
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO)
zugelassen.

1.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils beste-hen bereits dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebli-che Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird ([X.] 110, 77, 83; [X.], [X.]eschluss vom 29.
Juni 2011 -
AnwZ
([X.]) 11/10, [X.]Z 190, 187 Rn.
3). Sie sind nicht erst gegeben, wenn bei der im [X.] allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg
([X.], aaO).

2. Im maßgeblichen Zeitpunkt des [X.], am 8.
März 2013, befand sich die Klägerin in Vermögensverfall (§
14 Abs.
2
Nr.
7 [X.]).
Der [X.] hat
eine Gefährdung der Rechtsuchenden verneint, weil die Klägerin
im Zeitpunkt des [X.]
bereits seit etwa einem hal-2
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ben Jahr ausschließlich als angestellte Rechtsanwältin tätig gewesen sei.
[X.] die Regelungen des Arbeitsvertrages als auch die tatsächliche Ausgestal-tung des Arbeitsverhältnisses schlössen eine Gefährdung der Rechtsuchenden aus, weil gewährleistet sei, dass die Klägerin keinen Zugang zu [X.]n habe.

Diese Ausführungen werden vom Zulassungsantrag mit erheblichen Ar-gumenten angegriffen.

a) Nach ständiger Senatsrechtsprechung kann eine Gefährdung der
Inte-ressen der Rechtsuchenden in Ausnahmefällen ausgeschlossen sein, wenn der Rechtsanwalt die zum Schutz der Interessen der Rechtsuchenden in seiner [X.] erforderlichen Vorkehrungen trifft und rechtlich und tatsächlich sicherstellt, dass diese Vorkehrungen auch eingehalten werden. Das setzt regelmäßig den Abschluss eines Anstellungsvertrags mit einer Anwaltssozietät voraus, der nach der [X.], dem Umfang der Tätigkeitsverpflichtung des Rechtsanwalts gegenüber der Sozietät und den getroffenen vertraglichen und tatsächlichen Vorkehrungen einen effektiven Schutz der Interessen der [X.] erwarten lässt
([X.], [X.]eschlüsse
vom 18.
Oktober 2010 -
AnwZ ([X.]) 21/10, juris Rn. 9
m.w.N.; vom 22.
Mai 2013 -
AnwZ ([X.]) 73/12, juris Rn. 5).

Die [X.]eklagte beanstandet mit Recht, dass der [X.] Feststellungen zur tatsächlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses ge-troffen und auch nicht erläutert hat, warum die von der Klägerin vorgelegten schriftlichen Arbeitsverträge
den Anforderungen der oben zitierten Senatsrecht-sprechung genügten. Auch Feststellungen dazu, wie die Tätigkeit der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung überwacht wurde, feh-len.
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5

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b) Überdies ist schon nach dem Wortlaut des §
14
Abs.
2 Nr.
7 [X.] der Widerruf der Zulassung die Regel und die Annahme einer trotz des [X.] nicht gegebenen Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden die Ausnahme. Der Vermögensverfall des Anwalts lässt befürchten, dass ent-weder der Anwalt
selbst oder aber dessen Gläubiger auf Gelder der Mandanten zugreifen. Ziel der Vorschrift des §
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.] ist es, dieser Gefahr vorzubeugen. Von einem Widerruf der Zulassung eines in Vermögensverfall geratenen Anwalts kann folglich nur dann abgesehen werden, wenn im maß-geblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung eine sichere Prognose dahin-gehend getroffen
werden kann, dass sich im zu entscheidenden Einzelfall die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht verwirklichen werden. Grundlage einer solchen Prognose ist nicht nur der etwa geschlossene Anstellungsvertrag. Vielmehr entscheidet eine Ge-samtwürdigung aller maßgeblichen Umstände darüber, ob die Gefährdung der Rechtsuchenden hinreichend sicher ausgeschlossen ist ([X.], [X.]eschluss vom 18.
Oktober 2010 -
AnwZ
([X.]) 21/10, juris Rn. 10 m.w.N.).
Der Senat hat einen Ausschluss der Gefährdung der Rechtsuchenden insbesondere dann ange-nommen, wenn der in Vermögensverfall geratene Rechtsanwalt seinen [X.]eruf beanstandungsfrei ausgeübt und den Insolvenzantrag selbst gestellt hat
und im Insolvenzverfahren keine Anmeldungen von Gläubigern vorlagen, die aus Man-daten des Rechtsanwalts stammen ([X.], [X.]eschluss vom 22.
Mai 2013

-
AnwZ
([X.]) 73/12, juris Rn. 5).

Die [X.]eklagte beanstandet mit Recht, dass der [X.] zwar die schwierige persönliche Situation der Klägerin berücksichtigt hat, nicht [X.] die Art und Weise der bisherigen Ausübung ihrer Anwaltstätigkeit
(vgl. dazu [X.], [X.]eschlüsse vom 18.
Oktober 2004 -
AnwZ
([X.]) 43/03, [X.], 9
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6

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511; vom 25.
Juni 2007 -
AnwZ
([X.]) 101/05, NJW 2007, 2924 Rn. 10; vom 22.
Mai 2013 -
AnwZ
([X.]) 73/12 juris, Rn. 5). Die Sozietät "H.

und Partner Anwaltssozietät GbR"
hatte im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Verbindlichkeiten von 185.286,62

n-solvenzgericht bestellten Gutachterin hatte die Sozietät
kein [X.] eingerichtet. Die Konten der Sozietät wurden privat und geschäftlich genutzt. [X.] von insgesawaren vereinnahmt und nicht
ordnungsgemäß
ausgekehrt worden. Die Gutach-terin schätzte das Risiko, dass die rechtlichen Interessen der Mandanten nicht ordnungsgemäß wahrgenommen wurden, so hoch ein, dass sie
die Möglichkeit einer Fortführung der Kanzlei im Insolvenzverfahren ausschloss.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Sozietät war nicht von der Klägerin beantragt worden, sondern vom Finanzamt.

III.

Das Verfahren wird als [X.]erufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer [X.]erufung bedarf es nicht (§
112e Satz 2 [X.], §
124a Abs.
5 Satz
5 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung:

Die [X.]erufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des [X.]eschlusses über die Zulassung der [X.]erufung zu begründen. Die [X.]egründung ist beim [X.]undesge-richtshof, [X.] 45a, 76133 [X.] einzureichen. Die [X.]egründungs-frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag vom Vorsitzenden ver-längert werden. Die [X.]egründung
muss einen bestimmten Antrag enthalten [X.]
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wie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung ([X.]erufungsgrün-de).
Wegen der Verpflichtung, sich im [X.]erufungsverfahren vertreten zu
lassen, wird auf die Rechtsmittelbelehrung in der angefochtenen Entscheidung [X.]ezug genommen.
Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die [X.]erufung un-zulässig

112e Satz
2 [X.], §
124a Abs. 6 VwGO).

Kayser
Roggenbuck
[X.]

[X.]
Kau

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 02.02.2015 -
2 [X.] 6/13 -

Meta

AnwZ (Brfg) 38/15

22.09.2015

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2015, Az. AnwZ (Brfg) 38/15 (REWIS RS 2015, 5078)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5078

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