Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.01.2018, Az. 10 AZR 279/16

10. Senat | REWIS RS 2018, 14733

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Gegenstand

Arbeitgeberbegriff des TVG - Solo-Selbständige


Leitsatz

Die Tarifvertragsparteien sind nicht regelungsbefugt für sog. Solo-Selbständige, die nicht beabsichtigen, Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Personen zu beschäftigen.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. März 2016 - 9 [X.] - aufgehoben.

2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2015 - 1 Ca 2445/14 - wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen. Die Kosten der Nebenintervention hat der Nebenintervenient zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Mindestbeiträge und Auskünfte nach dem Tarifvertrag über die Förderung der beruflichen Ausbildung im Schornsteinfegerhandwerk vom 24. September 2012 ([X.] 2012).

2

Der [X.] war Bezirksschornsteinfegermeister. Er wurde zum 30. November 2012 aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt, nachdem er sein Gewerbe am 14. November 2012 abgemeldet hatte. Ausweislich einer Bescheinigung der [X.] vom 4. Dezember 2014 liegt seine betriebliche Eignung zur Ausbildung im Beruf Schornsteinfeger nicht vor. Der [X.] meldete zum 1. Januar 2013 ein Gewerbe mit der Tätigkeit „Schornsteinfegerdienste“ an. Seitdem führt er Mess- und Kehrarbeiten aus. Er beschäftigt keine Arbeitnehmer oder Auszubildenden.

3

Bei der Klägerin handelt es sich um die von dem [X.] - Zentralinnungsverband ([X.]) - und dem [X.] - [X.] Fachverband - ([X.]) am 3. Dezember 2012 gegründete [X.]. Der [X.] ist dem Rechtsstreit als Nebenintervenient zur Unterstützung der Klägerin beigetreten.

4

Der zwischen dem [X.] und dem [X.] am 24. September 2012 geschlossene [X.] 2012 lautet auszugsweise:

        

§ 1 Geltungsbereich

        

Der Tarifvertrag gilt

        

Räumlich: für das Gebiet der [X.]

        

Fachlich: für alle Betriebe des Schornsteinfegerhandwerks. Das sind alle Betriebe, die zulassungspflichtige Tätigkeiten nach § 1 Abs. 2 in Verbindung mit Anlage A Nr. 12 HwO ausüben.

        

Persönlich: für alle Auszubildenden, die in dem anerkannten Ausbildungsberuf Schornsteinfeger nach der Verordnung über die Berufsausbildung zum Schornsteinfeger und zur Schornsteinfegerin ausgebildet werden und eine nach den Vorschriften des [X.] (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben.

                 
        

§ 2 Förderung der beruflichen Ausbildung

        

Zur Förderung der Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Ausbildungsplätzen und um die Durchführung einer qualifizierten, den besonderen Anforderungen des Wirtschaftszweiges gerecht werdenden Berufsbildung der Auszubildenden im Schornsteinfegerhandwerk zu sichern, gründen die Tarifvertragsparteien eine [X.]. Die [X.] wird als nicht gewinnorientierte Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH gegründet. Diese Gesellschaft wird ermächtigt, von den Betrieben Beiträge im eigenen Namen einzuziehen und entsprechend dem Gesellschaftszweck einen Zuschuss zu den Ausbildungskosten an die ausbildenden Betriebe auszuzahlen.

                 
        

§ 3 [X.]

        

(1) Jeder Betrieb, der einen Auszubildenden zum Schornsteinfeger ausbildet, hat ab dem 01.01.2013 gegenüber der [X.] unter den Voraussetzungen der Einhaltung der §§ 5 bis 7 einen Anspruch auf [X.]:

        

a)    

im ersten Ausbildungsjahr:

6.400,00 € brutto

        

b)    

im zweiten Ausbildungsjahr:

5.100,00 € brutto

        

c)    

im dritten Ausbildungsjahr:

3.400,00 € brutto

        

Der Anspruch auf [X.] erfolgt maximal für eine Ausbildungsdauer von 36 Monaten.

        

…       

        

(4) Der kalenderjährliche Anspruch auf [X.] wird in 4 Raten fällig. Der Anspruch auf [X.] für das 1. Quartal des Kalenderjahres wird am 15.07. des Kalenderjahres fällig, der Anspruch auf [X.] für das 2. Quartal des Kalenderjahres wird am 15.10. des Kalenderjahres fällig, der Anspruch auf [X.] für das 3. Quartal wird am 15.01. des darauf folgenden Kalenderjahres fällig und der Anspruch auf [X.] für das 4. Quartal wird am 15.04. des darauf folgenden Kalenderjahres fällig.

        

…       

        

§ 5 Stammdaten

        

(1) Vor Aufnahme einer Tätigkeit im Schornsteinfegerhandwerk ist jeder Betrieb verpflichtet, sich bei der [X.] zu melden und dieser folgende Stammdaten mitzuteilen:

        

1.    

Name, Rechtsform und gesetzliche Vertreter des Unternehmens

        

2.    

Anschrift am [X.], ggf. davon abweichende inländische [X.], Telefonnummer, Telefaxnummer, E-Mail-Adresse

        

3.    

inländische oder, soweit nicht vorhanden, ausländische Bankverbindung

        

(2) Das Meldeformular, das von der [X.] zur Verfügung gestellt wird, ist zu unterschreiben. Durch die Unterschrift bestätigt der Betriebsinhaber oder Betriebsleiter die Vollständigkeit und Richtigkeit der Meldungen. Änderungen sind der [X.] innerhalb von zwei Wochen in schriftlicher Form mitzuteilen. Erst mit der vollständigen und richtigen Erteilung der in Absatz 1 geforderten Auskünfte hat der Betrieb seine Verpflichtung zur Meldung erfüllt.

        

(3) Die bereits bestehenden Betriebe haben der [X.] die in Abs. 1 geforderten Auskünfte bis zum 30.11.2012 mitzuteilen.

        

…       

        

§ 7 Beiträge

        

(1) Die Mittel für die Ausgleichszahlungen und die Kosten für die Verwaltung der [X.] werden von den Betrieben durch Beiträge aufgebracht. [X.] sind die in § 1 des Tarifvertrages genannten Betriebe.

        

(2) Ab dem 01.01.2013 hat jeder Betrieb kalenderjährlich einen Beitrag von 4,4 % der Summe der Bruttolöhne aller in seinem Betrieb beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer, die nach Schornsteinfegerhandwerksgesetz mit der Ausübung von Schornsteinfegertätigkeiten betraut sind, als Beitrag an die [X.] abzuführen. Unabhängig hiervon beträgt der Mindestbeitrag je Betrieb 800,00 € brutto pro Kalenderjahr.

        

(3) Bruttolohn ist

        

a)    

bei Arbeitnehmern, die dem [X.] Lohnsteuerrecht unterliegen, der für die Berechnung der Lohnsteuer zugrunde zu legende und in die Lohnsteuerkarte oder die Lohnsteuerbescheinigung einzutragende [X.] einschließlich der Sachbezüge, die nicht nach § 40 EStG versteuert werden, der nach § 3 Nr. 39 EStG bei geringfügiger Beschäftigung steuerfreie [X.] sowie der nach §§ 40a und 40b EStG und 52 und 52a EStG pauschal zu versteuernde [X.]

        

b)    

bei Arbeitnehmern, die nicht dem [X.] Lohnsteuerrecht unterliegen, der [X.] einschließlich der Sachbezüge, der bei Anwendung des [X.] Steuerrechts nach Buchstabe a) als Bruttolohn gelten würde.

        

…       

        

(7) Der Betrieb hat der [X.] über ein von ihr zur Verfügung gestelltes Formular die gezahlten Bruttolohnsummen des abgelaufenen Geschäftsjahres bis zum 30. April des Folgejahres nachzuweisen.“

5

Das [X.] erklärte den [X.] 2012 durch Bekanntmachung vom 26. März 2013 mit Wirkung zum 1. November 2012 für allgemeinverbindlich (BAnz. [X.] April 2013 [X.]). Das [X.] wies den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung mit Beschluss vom 20. September 2017 (- 17 [X.] 5001/17, 17 [X.] 5002/17 -) zurück. Der Beschluss ist rechtskräftig.

6

Die Klägerin hat gemeint, der [X.] sei nach § 7 Abs. 2 Satz 2 [X.] 2012 verpflichtet, die Mindestbeiträge für die Kalenderjahre 2013 und 2014 zu leisten. Er habe ihr aufgrund von § 5 Abs. 1 und § 7 Abs. 7 Satz 1 [X.] 2012 die Stammdaten des Betriebs und die Bruttolohnsummen der Geschäftsjahre 2012 und 2013 mitzuteilen.

7

Die Klägerin hat beantragt,

        

den [X.]n zu verurteilen,

        

1.    

an sie Mindestbeiträge für die Kalenderjahre 2013 und 2014 in Höhe von 1.600,00 Euro brutto nebst Zinsen in im Einzelnen genannter, gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

2.    

ihr bezogen auf die Geschäftsjahre 2012 und 2013 folgende Angaben - nach Jahren getrennt - zu machen:

                 

-       

Name, Rechtsform und gesetzliche Vertreter des Unternehmens,

                 

-       

Anschrift/Sitz, gegebenenfalls davon abweichende inländische [X.],

                 

-       

Telefonnummer, Telefaxnummer, E-Mail-Adresse,

                 

-       

inländische oder, soweit nicht vorhanden, ausländische Bankverbindung,

                 

-       

gezahlte Bruttolohnsumme der mit Schornsteinfegerarbeiten beschäftigten Mitarbeiter der Geschäftsjahre 2012 und 2013.

8

Der [X.] hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der [X.] 2012 könne keine Schornsteinfeger binden, die weder Arbeitnehmer beschäftigten noch ausbilden dürften.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision will der [X.] das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wissen.

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des Beklagten war das Urteil des Arbeitsgerichts wiederherzustellen. Die Klage ist unbegründet. Die [X.]en des [X.] 2012 haben ihre [X.] überschritten, soweit sie sog. Alleinhandwerker oder auch [X.] den tariflichen Mindestbeitrags- und Auskunftspflichten unterworfen haben.

A. Als Anspruchsgrundlage für die erhobenen Beitragsforderungen kommt allein § 7 Abs. 2 Satz 2 [X.] 2012 in Betracht. Die Auskunftsansprüche können sich nur aus § 5 Abs. 1 und § 7 Abs. 7 Satz 1 [X.] 2012 ergeben.

I. Der Beklagte fällt in den von § 1 Unterabs. 2 Satz 1 [X.] 2012 beschriebenen fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags. Er unterhält einen Betrieb des Schornsteinfegerhandwerks iSv. § 1 Unterabs. 2 Satz 2 [X.] 2012.

II. [X.] sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2012 „die in § 1 des Tarifvertrags genannten Betriebe“. Die Auskunftspflicht gegenüber der Klägerin trifft nach § 5 Abs. 1 und § 7 Abs. 7 Satz 1 [X.] 2012 den „Betrieb“. Obwohl § 5 Abs. 1 und § 7 Abs. 7 Satz 1 [X.] 2012 im Unterschied zu § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2012 nicht ausdrücklich auf „die in § 1 des Tarifvertrags genannten Betriebe“ verweisen, kann damit ebenfalls nur ein Betrieb des Schornsteinfegerhandwerks gemeint sein, der dem in § 1 Unterabs. 2 [X.] 2012 definierten fachlichen Geltungsbereich unterfällt.

B. Das [X.] hat im Ausgangspunkt zu Recht angenommen, dass der Beklagte zu den in § 1 [X.] 2012 genannten Betrieben gehört, die mindestbeitrags- und auskunftspflichtig sind (§ 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2; § 5 Abs. 1, § 7 Abs. 7 Satz 1 [X.] 2012). Die Auslegung der tariflichen Regelungen ergibt, dass auch [X.] diesen tariflichen Pflichten unterliegen sollen.

I. § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] 2012 verweist auf § 1 [X.] 2012. § 1 Unterabs. 2 Satz 1 [X.] 2012 bestimmt, dass „alle Betriebe des Schornsteinfegerhandwerks“ dem fachlichen Geltungsbereich des [X.] 2012 unterworfen sind. Da der Begriff „Betrieb“ nicht gesondert definiert wird, ist davon auszugehen, dass die [X.]en ihn in seiner allgemeinen Bedeutung verstanden wissen wollen (vgl. [X.] 8. November 2017 - 10 [X.] - Rn. 17 mwN). Der allgemeine [X.] ist zB für § 1 [X.] und im Wesentlichen auch für § 23 Abs. 1 KSchG maßgeblich. Danach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in [X.] mit seinen Arbeitnehmern mithilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt (für die [X.]Rspr. [X.] 2. März 2017 - 2 [X.] - Rn. 15; 23. November 2016 - 7 [X.] - Rn. 31). Ein Betrieb kann deshalb auch bestehen, wenn ein Betriebsinhaber keine Arbeitnehmer beschäftigt.

II. Diese dem Wortlaut folgende Auslegung fügt sich in den tariflichen Gesamtzusammenhang des [X.] 2012 ein.

1. Der [X.] 2012 verwendet den Begriff „Arbeitgeber“ an keiner Stelle. Damit unterscheidet er sich vom üblichen Wortlaut anderer Tarifverträge über gemeinsame Einrichtungen, zB von früheren Fassungen der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe ([X.]). § 1 [X.] in den im Zeitraum von Juli 1988 bis Dezember 1989 geltenden Fassungen erfasste etwa keine Alleinhandwerker, die stetig keine Arbeitnehmer beschäftigten (vgl. [X.] 24. August 1994 - 10 [X.] - zu II 2 d der Gründe; zu § 17 [X.] idF vom 10. Dezember 2014 dagegen [X.] 1. August 2017 - 9 [X.] - Rn. 13 ff.). § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2012 bestimmt demgegenüber, dass die Beiträge an die [X.] „von den Betrieben“ aufgebracht werden. Die Norm differenziert nicht danach, ob Arbeitnehmer oder Auszubildende beschäftigt werden oder nicht.

2. Die Höhe der Beitragspflicht ist nach § 7 Abs. 2 Satz 1 [X.] 2012 an die kalenderjährliche Bruttolohnsumme gebunden. Die Bruttolohnsumme ist ihrerseits abhängig vom Verdienst der im Betrieb beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer, die mit einschlägigen Schornsteinfegertätigkeiten betraut sind (§ 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 [X.] 2012). In § 7 Abs. 2 Satz 2 [X.] 2012 ist geregelt, dass unabhängig von der Bruttolohnsumme ein Mindestbeitrag „je Betrieb“ von 800,00 Euro pro Kalenderjahr zu entrichten ist. Daraus ist zu schließen, dass auch solche Betriebe beitragspflichtig sind, die keine Löhne zahlen, also keine Arbeitnehmer beschäftigen. Allein der Anspruch auf [X.] setzt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] 2012 voraus, dass der Betrieb zumindest „einen Auszubildenden zum Schornsteinfeger ausbildet“.

3. Die Erfassung von Betrieben ohne Arbeitnehmer oder Auszubildende als Beitragszahler durch den [X.] 2012 dient dazu, die Beitragsgrundlage zu verbreitern. Der [X.] ist nicht als Gegenleistung für die Beitragszahlung konzipiert. Vielmehr entsteht der Anspruch unabhängig von der Höhe der gezahlten Beiträge, wenn der Betrieb einen Schornsteinfeger ausbildet (§ 3 Abs. 1 [X.] 2012). Die Beteiligung aller Betriebe an der Finanzierung der [X.] sorgt für die Grundlage an Mitteln, die es der Klägerin ermöglicht, ihrem Gesellschaftszweck entsprechend Zuschüsse an die ausbildenden Betriebe zu zahlen (§ 2 [X.] 2012). Auf diesem Weg wird eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplätzen bereitgestellt. Die Qualität der beruflichen Ausbildung im Schornsteinfegerhandwerk wird gefördert.

C. Der [X.] 2012 ist jedoch unwirksam, soweit er Beitrags- und Auskunftspflichten für Betriebe begründet, die - wie der Beklagte - keine Arbeitnehmer beschäftigen und dies auch nicht beabsichtigen. Die [X.]en können nur für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen Rechte und Pflichten begründen. Sie haben mit § 7 Abs. 2 Satz 2 sowie § 5 Abs. 1 und § 7 Abs. 7 Satz 1 [X.] 2012 ihre [X.] überschritten, soweit sie [X.], die keine Arbeitnehmer beschäftigen wollen, in das Pflichtengefüge einbezogen haben.

I. Der Beklagte ist kein Arbeitgeber. Zugrunde zu legen ist der allgemeine Arbeitgeberbegriff, nach dem das Arbeitsverhältnis vom Arbeitnehmer aus gedacht wird. Arbeitgeber ist, wer zumindest einen Arbeitnehmer oder eine arbeitnehmerähnliche Person beschäftigt oder beschäftigen will (vgl. [X.] 1. August 2017 - 9 [X.] - Rn. 12; 27. September 2012 - 2 [X.] - Rn. 16; 21. Januar 1999 - 2 [X.] - zu II 2 b der Gründe, [X.]E 90, 353).

II. Das folgt für Tarifverträge, die gemeinsame Einrichtungen der [X.]en vorsehen, bereits aus § 4 Abs. 2 [X.]. Weder sein Wortlaut noch sein Zweck sprechen dafür, die [X.] der [X.]en, ihre Regelungsbefugnis, auf solche Unternehmer zu erstrecken, die keine Arbeitnehmer beschäftigen und auch keine arbeitnehmerähnlichen Personen iSv. § 12a [X.] einsetzen wollen. [X.] in diesem Sinn sind von der [X.] der [X.]en nicht erfasst (zu dem Begriff der [X.] Vetter NZA-RR 2017, 281, 282). Gestützt wird das Ergebnis durch die Systematik des [X.], die Arbeitnehmer, Arbeitgeber und arbeitnehmerähnliche Personen unterscheidet. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass [X.] als weitere Kategorie erfasst werden sollen. Das verfassungsrechtliche Untermaßverbot verlangt keine Erweiterung des Arbeitgeberbegriffs.

1. Nach § 4 Abs. 2 [X.] gelten die Regelungen für gemeinsame Einrichtungen der [X.]en unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtungen und ihr Verhältnis zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. [X.] sind die Mitglieder der [X.] und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist (§ 3 Abs. 1 [X.]). [X.]en sind nach § 2 Abs. 1 [X.] [X.], einzelne Arbeitgeber und Vereinigungen von Arbeitgebern.

2. Der einzelne Arbeitgeber kann nach § 2 Abs. 1 [X.] Partei eines Tarifvertrags sein. Die Mitglieder einer „Vereinigung von Arbeitgebern“ müssen ihrerseits auch Arbeitgeber sein. Das ergibt sich bereits aus der Bezeichnung in § 2 Abs. 1 [X.] als „Vereinigung von Arbeitgebern“, jedenfalls aber aus § 4 Abs. 2 [X.], der „tarifgebundene Arbeitgeber“ nennt ([X.] 2015, 129, 133, die § 4 Abs. 2 [X.] nicht erörtern).

3. Das [X.] definiert zwar, wer tarifgebunden ist und wer [X.] sein kann. Eine Definition des Arbeitgeberbegriffs enthält das [X.] jedoch nicht. Sie lässt sich auch der [X.] nicht entnehmen (vgl. [X.]/Deinert RdA 2015, 129, 134). Dennoch ist von dem allgemeinen Begriffsverständnis auszugehen (vgl. [X.]/Peter [X.] 4. Aufl. § 2 Rn. 99). Es kommt darauf an, ob zumindest ein Arbeitnehmer beschäftigt wird oder werden soll. Für [X.], die nicht beabsichtigen, Arbeitnehmer zu beschäftigen, sind die [X.]en nicht [X.]. [X.] in diesem Sinn sind weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer, sondern Unternehmer. Grundsätzlich ist keine [X.] für sie tarifzuständig und normsetzungsbefugt (vgl. [X.]/[X.] [X.] 4. Aufl. § 1 Rn. 137). Anderes gilt nur, wenn ein [X.]r - anders als der Beklagte - arbeitnehmerähnliche Person iSv. § 12a [X.] ist, für die eine [X.] und [X.] sein kann (vgl. [X.]/[X.] aaO § 2 Rn. 262).

a) Für das erweiterte Verständnis des Arbeitgeberbegriffs, das die vorgesehene Beschäftigung von Arbeitnehmern genügen lässt, spricht zB, dass eine Handelsgesellschaft in Gründung bereits Tarifverträge schließen kann. Es reicht aus, wenn sie beabsichtigt, Arbeitnehmer zu beschäftigen (vgl. [X.] 24. Januar 2001 - 4 [X.] der Gründe, [X.]E 97, 31; 24. Juni 1998 - 4 [X.] - zu 1 a der Gründe, [X.]E 89, 193; siehe auch [X.] 1. August 2017 - 9 [X.] - Rn. 17 ). Entsprechendes gilt für qualitative Besetzungsregeln als Betriebsnormen iSv. § 3 Abs. 2 [X.]. Von ihnen können auch solche Personen betroffen sein, die sich erst um einen Arbeitsplatz bemühen (vgl. [X.] 26. April 1990 - 1 [X.] - zu B V 3 a der Gründe, [X.]E 64, 368).

b) Zwischen dem allgemeinen [X.] und dem allgemeinen Arbeitgeberbegriff ist dagegen zu unterscheiden. Betriebsinhaber ist auch, wer keine Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigen möchte, sondern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs allein fortgesetzt verfolgt (vgl. [X.] 24. August 1994 - 10 [X.] - zu II 2 d der Gründe). Solche Betriebsinhaber sind jedoch keine Arbeitgeber. Der [X.] ist in der Systematik des [X.] nicht maßgeblich. Die [X.]heit knüpft an den Arbeitgeberbegriff an (§ 3 Abs. 1, Abs. 2, § 4a Abs. 2 Satz 1 [X.]).

c) Nichts anderes lässt sich daraus ableiten, dass [X.] iSv. § 3 Abs. 2 [X.] Mitbestimmungsrechte bei der Einstellung von Personen vorsehen können, die weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Personen oder in Heimarbeit Beschäftigte sind ([X.] 31. Januar 1995 - 1 [X.] - zu [X.] 4 a der Gründe). Das ergibt sich daraus, dass Regelungsgegenstand solcher Normen nicht der Inhalt des Arbeitsverhältnisses ist, sondern die Organisationsgewalt des Arbeitgebers als Betriebsinhaber. Auf diese Weise können tarifliche Mitbestimmungsrechte bei der Einstellung von Personen, die keine Arbeitnehmer sind, nur deshalb begründet werden, weil die betriebliche Mitbestimmung nicht nur den Interessen der einzustellenden Personen, sondern vor allem den Interessen der übrigen Belegschaft dient ([X.] 31. Januar 1995 - 1 [X.] - aaO). Die Geltung der betriebsverfassungsrechtlichen Norm setzt voraus, dass der Betriebsinhaber neben den Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, auch Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigen will und damit nicht nur Betriebsinhaber, sondern zudem Arbeitgeber ist (vgl. [X.]/Deinert RdA 2015, 129, 130 f.).

4. Gemeinsame Einrichtungen der [X.]en nehmen zwar eine Sonderstellung ein (vgl. [X.]/Deinert RdA 2015, 129, 136). In § 4 Abs. 2 [X.] wird der Begriff der „tarifgebundenen Parteien“ aber wiederholt und damit erkennbar an die Grundsätze der [X.]heit des § 3 Abs. 1 [X.] angeknüpft. Nach der Systematik des Arbeitsrechts ist von einer Dreiteilung des Systems von Arbeitnehmern, arbeitnehmerähnlichen Personen und Selbständigen auszugehen ([X.] 20. September 2000 - 5 [X.] - zu II der Gründe). Das [X.] seinerseits kennt Arbeitnehmer, Arbeitgeber und arbeitnehmerähnliche Personen. Nach § 12a [X.] werden Selbständige, die im Unterschied zum Beklagten wirtschaftlich abhängig sind, als arbeitnehmerähnliche Personen geschützt.

5. Für den Arbeitgeberbegriff des [X.] ist unerheblich, dass es gesetzliche Regelungen gibt, wonach bestimmte Personen als Arbeitnehmer oder Arbeitgeber zu behandeln sind (vgl. für in Heimarbeit Beschäftigte § 5 Abs. 1 Satz 2 [X.], für arbeitnehmerähnliche Personen § 2 Satz 2 [X.], für Auszubildende § 10 Abs. 2 BBiG, für den Arbeitgeberbegriff des AGG § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG). Es handelt sich um spezielle gesetzliche Anordnungen, wie sie sich im [X.] nicht finden.

6. Art. 9 Abs. 3 GG verlangt nicht, den für das [X.] zugrunde zu legenden allgemeinen Arbeitgeberbegriff zu erweitern. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie erfordert nicht, [X.], die keine Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnlichen Personen beschäftigen wollen und selbst keine arbeitnehmerähnlichen Personen sind, insoweit in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG einzubeziehen.

a) Art. 9 Abs. 3 GG erfasst insbesondere Vereinigungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Hierfür wird auf den allgemeinen Arbeitgeberbegriff zurückgegriffen. Arbeitgeber ist jeder, der Arbeitnehmer beschäftigt ([X.] in von Mangoldt/[X.]/Starck GG 7. Aufl. Art. 9 Rn. 91). Danach fallen [X.], die nicht beabsichtigen, Arbeitnehmer zu beschäftigen, unter dem Blickwinkel der Tarifautonomie nicht in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG.

b) Art. 9 Abs. 3 GG verlangt keine verfassungskonforme Auslegung, die den Arbeitgeberbegriff des [X.] auf [X.] erweitert, wenn sie keine Arbeitnehmer beschäftigen wollen ([X.] 2015, 129, 134). Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie wird nicht beeinträchtigt, wenn solche [X.]n weder tariffähig sind noch der [X.] der Verbände unterliegen.

aa) Die Tarifautonomie ist ausgestaltungsbedürftig (näher [X.] RdA 2017, 235 ff.). Durch die Einbeziehung des einzelnen Arbeitgebers wird sichergestellt, dass die [X.] einen Vertragspartner hat, um einen Tarifvertrag abzuschließen, wenn kein Arbeitgeberverband besteht (vgl. [X.] 16. September 1991 - 1 BvR 453/90 - zu 2 der Gründe). Das Grundgesetz legt die Voraussetzungen der Tariffähigkeit nicht abschließend fest. Vielmehr ist es dem Gesetzgeber überlassen, die Tariffähigkeit im Einzelnen zu normieren und der gesellschaftlichen Wirklichkeit anzupassen. Die Tariffähigkeit von Innungen dient zB der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie (vgl. [X.] 19. Oktober 1966 - 1 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 20, 312).

bb) Der allgemeine Arbeitgeberbegriff, wie er dem [X.] zugrunde liegt, läuft den Schutzpflichten, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Tarifautonomie zu beachten hat, nicht zuwider. Der Staat ist durch die Grundrechte verpflichtet, bis zur Grenze des [X.] für eine „Mindestausstattung“ zu sorgen (vgl. [X.]/[X.] 18. Aufl. Art. 9 GG Rn. 9). Diese Grenze ist gewahrt.

(1) Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG garantiert den [X.] Schutz der abhängig Beschäftigten im Weg der kollektivierten Privatautonomie (vgl. [X.] 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 [X.], 1 [X.], 1 BvR 1477/16 - Rn. 147). Die Tarifautonomie ist darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Löhne und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen ([X.] 1. Dezember 2010 - 1 BvR 2593/09 - Rn. 23, [X.]K 18, 252).

(2) In Betrieben von [X.]n, die keine Arbeitnehmer beschäftigen (wollen), wird der Schutzzweck von Art. 9 Abs. 3 GG nicht berührt. Eine staatliche Handlungspflicht ist daher nicht ausgelöst.

III. Durch die Allgemeinverbindlicherklärung des [X.] 2012 wird die Regelungsbefugnis der [X.]en nicht erweitert. Die Allgemeinverbindlicherklärung überwindet nach § 5 Abs. 4 Satz 1 [X.] lediglich die fehlende privatautonome [X.]heit iSv. § 3 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.]/[X.] [X.] 4. Aufl. § 5 Rn. 320). Die Rechtsnormen des Tarifvertrags werden inhaltlich nicht verändert. Deshalb reicht der Geltungsbereich des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags grundsätzlich nur so weit wie der betreffende Tarifvertrag und seine Wirksamkeit (vgl. [X.]/Lakies [X.] 4. Aufl. § 5 Rn. 193).

D. Die Klägerin hat nach § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen. Die Kosten der Nebenintervention hat der Nebenintervenient zu tragen (§ 101 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO; vgl. zB [X.] 18. September 2014 - 8 [X.] - Rn. 35).

        

    Gallner    

        

    Schlünder    

        

    Brune    

        

        

        

    Fieback    

        

    Merkel    

                 

Meta

10 AZR 279/16

31.01.2018

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Siegen, 26. Februar 2015, Az: 1 Ca 2445/14, Urteil

§ 4 Abs 2 TVG, § 12a TVG, § 3 Abs 2 TVG, § 2 Abs 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.01.2018, Az. 10 AZR 279/16 (REWIS RS 2018, 14733)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14733


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 10 AZR 279/16

Bundesarbeitsgericht, 10 AZR 279/16, 31.01.2018.


Az. 1 Ca 2445/14

Arbeitsgericht Siegburg, 1 Ca 2445/14, 26.02.2015.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Ausbildungskostenausgleichskasse im Schornsteinfegerhandwerk - Tariffähigkeit - Tarifzuständigkeit - Aussetzung


10 AZR 695/16 (A) (Bundesarbeitsgericht)

Ausbildungskostenausgleichskasse im Schornsteinfegerhandwerk - Tariffähigkeit - Tarifzuständigkeit - Aussetzung


9 AZB 45/17 (Bundesarbeitsgericht)

Rechtsweg - Solo-Selbstständige


9 Sa 132/16 (Landesarbeitsgericht Köln)


Referenzen
Wird zitiert von

19 BVGa 20/19

14 Sa 299/21

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