Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.06.2019, Az. 5 StR 167/19

5. Strafsenat | REWIS RS 2019, 6232

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Gegenstand

(Fehlende erneute Belehrung über Recht auf Zuziehung eines Verteidigers)


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 7. Dezember 2018 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.352,16 € als Gesamtschuldner angeordnet wird.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.352,16 € angeordnet. Die auf die Rüge formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat lediglich den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

2

1. Die erhobene Verfahrensrüge ist unbegründet.

3

a) Ihr liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

4

Der Angeklagte wurde am 5. Juni 2018 als Beschuldigter von der Polizei zur verfahrensgegenständlichen Tat vernommen. Nach Belehrung und Eröffnung des [X.] verlangte er, mit seinem Rechtsanwalt reden zu können. Daraufhin wurde die Vernehmung unterbrochen, und einer der Vernehmungsbeamten versuchte vergeblich, den benannten Rechtsanwalt telefonisch zu erreichen. Dem Angeklagten wurde sodann ermöglicht, seinen Vater anzurufen, der den Rechtsanwalt in Kenntnis setzen sollte. Auf die Frage, ob er nun Angaben zur Sache machen wolle, erklärte der Angeklagte, er sage nur, dass er es nicht gewesen sei und nichts davon wisse. Auf weitere Nachfragen und Vorhalt von Ermittlungsergebnissen erfolgte eine ausführliche Vernehmung, in welcher der Angeklagte seine Tatbeteiligung - wie auch in der Hauptverhandlung - weiter bestritt, daneben aber Angaben machte. In der Hauptverhandlung hat die Verteidigung der Verwertung der Angaben der Vernehmungsbeamten widersprochen.

5

b) Die Revision rügt unter anderem den fehlenden Hinweis der Vernehmungsbeamten auf den anwaltlichen Notdienst. Ferner habe nach Unterbrechung der Vernehmung eine weitere Belehrung über das Recht auf [X.] erfolgen müssen. Die Rüge hat keinen Erfolg.

6

aa) Ein Verstoß gegen das Gebot, auf den anwaltlichen Notdienst hinzuweisen (§ 163a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 4 [X.]) liegt nicht vor.

7

Der [X.] hat bereits unter Geltung der alten Fassung von § 136 Abs. 1 [X.], in der das [X.] noch nicht ausdrücklich normiert war, einen Hinweis auf den anwaltlichen Notdienst für entbehrlich gehalten, wenn der Beschuldigte bereits einen bestimmten Rechtsanwalt als Verteidiger benannt hatte ([X.], Beschluss vom 11. August 2005 - 5 [X.], [X.]R [X.] § 136 Abs. 1 Verteidigerbefragung 8). In diesem Fall beschränke sich für die Ermittlungsbehörden das Gebot, bei der Kontaktaufnahme mit einem Verteidiger zu helfen, darauf, eine Verbindung zu dem benannten Rechtsanwalt herzustellen, sofern der Beschuldigte nicht zu erkennen gebe, dass er nach dem Scheitern der Kontaktaufnahme einen anderen Rechtsanwalt als Verteidiger wählen wolle.

8

Dies hat sich durch die Einfügung des [X.]s in § 136 Abs. 1 Satz 4 [X.] in der Neufassung vom 27. August 2017 ([X.] 3295) nicht geändert. Der Gesetzesbegründung, die auf frühere Rechtsprechung zur Erforderlichkeit von ernsthaften Bemühungen der vernehmenden Person verweist, den Beschuldigten bei der Kontaktaufnahme zu einem Verteidiger zu unterstützen, ist zu entnehmen, dass die gesetzlichen Ergänzungen in § 136 Abs. 1 [X.] lediglich klarstellend erfolgt sind (vgl. BT-Drucks. 18/9534, S. 22 unter Bezugnahme unter anderem auf [X.], Urteil vom 12. Januar 1996 - 5 StR 756/94, [X.]St 42, 15, 19). Die Vorschrift des § 136 Abs. 1 Satz 4 [X.] schützt danach den Beschuldigten, der zwar einen Verteidiger befragen möchte, aber keinen benennt. So verhält es sich hier aber nicht.

9

bb) [X.] war indes, dass die Polizeibeamten die Vernehmung fortgesetzt haben, ohne den Angeklagten erneut über sein Recht auf Zuziehung eines Verteidigers zu belehren. Dies macht seine Angaben unverwertbar.

Bringt der Beschuldigte zum Ausdruck, sich mit einem Verteidiger besprechen zu wollen, kann die Vernehmung nach der Rechtsprechung des [X.]s ohne vorangegangene Konsultation nur fortgesetzt werden, wenn sich der Beschuldigte nach erneutem Hinweis auf sein Recht auf Zuziehung eines Verteidigers mit der Fortsetzung der Vernehmung einverstanden erklärt ([X.], Urteile vom 12. Januar 1996 - 5 StR 756/94, [X.]St 42, 15, 19; vom 27. Juni 2013 - 3 [X.], [X.]St 58, 301, 307; Beschluss vom 10. Januar 2013 - 1 [X.], [X.], 299; darüber hinaus auch ganz [X.] in der Literatur, vgl. [X.]/[X.], [X.], 62. Aufl., § 136 Rn. 10a; [X.], [X.], 8. Aufl., § 136 Rn. 14; [X.], Festschrift [X.], 2007, [X.], 922). Zweck der wiederholten Belehrung ist letztlich, dem Beschuldigten vor Augen zu führen, dass er sein Recht auf [X.] nicht durch den fehlgeschlagenen Kontaktversuch verwirkt hat; sie trägt dadurch zur Subjektstellung des Beschuldigten bei ([X.], NStZ 1996, 257, 261). Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zum [X.] der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts vom 27. August 2017 ([X.] 3295) ausdrücklich gebilligt (BT-Drucks. 18/9534, S. 22).

Aus diesem Rechtsverstoß folgt hier nach der Rechtsprechung des [X.]s auch ein Beweisverwertungsverbot (vgl. [X.], Urteile vom 29. Oktober 1992 - 4 [X.], [X.]St 38, 372, 373 ff.; vom 12. Januar 1996 - 5 StR 756/94, [X.]St 42, 15, 21 f.; Beschluss vom 27. Februar 1992 - 5 [X.], [X.]St 38, 214, 219 ff.).

cc) Hierauf beruht das Urteil jedoch nicht (vgl. § 337 Abs. 1 [X.]).

Das [X.] hat den [X.] nicht auf die Angaben des Angeklagten in der polizeilichen Vernehmung gestützt, mit denen er den Tatvorwurf bestritten hatte. Die Beweiswürdigung stützt sich vielmehr auf eine Gesamtschau der Indizien. Dabei hat das [X.] insbesondere rechtsfehlerfrei gewürdigt, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung selbst eingeräumt hat, die Tat geplant zu haben und sogar am Tatort erschienen zu sein. Ferner hat es das Tragen der Tatkleidung durch den Angeklagten am Tag nach der Tat und das Auffinden der beiden am Tatort getragenen Jacken beim Angeklagten bzw. dessen damaliger Freundin maßgeblich herangezogen. Soweit das [X.] an einzelnen Stellen die Angaben des Angeklagten aus der polizeilichen Vernehmung erwähnt ([X.], 8, 9), wurden diese ohnehin durch andere Beweismittel bestätigt. Es handelt sich demgemäß um bloße Ergänzungen, ohne dass die [X.] dem wesentlichen Beweiswert beigemessen hätte. Werden Beweismittel nur ergänzend im Urteil erwähnt und sogar ausdrücklich für die Entscheidung als nicht wesentlich beschrieben, ist aber regelmäßig auszuschließen, dass das Tatgericht bei Nichtverwertung des Beweismittels zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre ([X.], Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 StR 598/96, NJW 1997, 1790, 1792; Beschluss vom 3. Dezember 2003 - 5 [X.], und vom 10. Januar 2006 - 5 [X.], [X.], 1008, 1010).

2. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils hat weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Da der Angeklagte allerdings die Tat nach den Urteilsfeststellungen mit einem unbekannten Täter begangen hat, war die gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen auszusprechen (vgl. [X.], Urteil von 7. Juni 2018 - 4 StR 63/18, [X.]R StGB § 73c Abs. 1 Erlangtes 1; Beschluss vom 8. November 2018 - 1 StR 527/18, NStZ-RR 2019, 176).

3. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 [X.]).

Mutzbauer     

        

König     

        

[X.]

        

Mosbacher      

        

Köhler      

        

Meta

5 StR 167/19

19.06.2019

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 7. Dezember 2018, Az: 503 KLs 27/18

§ 136 Abs 1 S 4 StPO, § 163a Abs 4 S 2 StPO, § 337 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.06.2019, Az. 5 StR 167/19 (REWIS RS 2019, 6232)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6232

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Zitiert

3 StR 435/12

1 StR 560/12

4 StR 63/18

1 StR 527/18

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