Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.08.2015, Az. 1 B 37/15

1. Senat | REWIS RS 2015, 6838

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Gegenstand

Gegenwärtige Gefährlichkeit bei fehlender Darlegung der Abkehr vom Terrorismus


Gründe

1

Die [X.]eschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

2

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die [X.]eschwerde beimisst.

3

Die Darlegung einer grundsätzlichen [X.]edeutung setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch nicht geklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung bestehen soll ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 30. Januar 2014 - 5 [X.] 44.13 - juris, vom 28. April 2015 - 1 [X.] - und vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Die [X.]egründungspflicht verlangt, dass sich die [X.]eschwerde mit den Erwägungen der angefochtenen Entscheidung, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher [X.]edeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt. Soweit sich die Vorinstanz mit der Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffs die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die Zulassung der Revision rechtliche [X.]edeutung haben ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 30. Januar 2014 - 5 [X.] 44.13 - juris Rn. 2). Diesen Anforderungen genügt das [X.]eschwerdevorbringen nicht.

4

Der Kläger hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, "welche Voraussetzungen für die Annahme des Tatbestandsmerkmals der gegenwärtigen Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 Halbs. 2 [X.] zu stellen sind". Er ist insbesondere der Auffassung, dass die gegenwärtige Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 Halbs. 2 [X.] nicht, wie vom [X.]erufungsgericht angenommen, darauf gestützt werden könne, dass er - der Kläger - seinen Aufenthalt in [X.] zwecks militärischer Ausbildung in einem Lager der [X.] leugne und sich von seiner Unterstützungshandlung nicht distanziert habe.

5

Dieser Vortrag kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn der Kläger legt nicht dar, inwiefern diese Frage der höchstrichterlichen Klärung bedarf. Sein Vorbringen erschöpft sich vielmehr in der Art einer [X.]erufungsbegründung in Ausführungen dazu, weshalb die angefochtene Entscheidung nach seiner Ansicht fehlerhaft ist. Dies kann nicht zur Zulassung der Revision führen.

6

Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass eine gegenwärtige Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 Halbs. 2 [X.] auch auf länger zurückliegende Aktivitäten des [X.] gestützt werden kann, wenn eine persönliche Distanzierung von den früheren politischen Zielen und eine Abkehr vom Einsatz terroristischer Mittel nicht vom Kläger dargelegt ist ([X.]VerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 1 C 6.08 - [X.]VerwGE 134, 27 Rn. 34 f.)

7

2. Auch die gerügte Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) wird nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 8. Dezember 2005 - 1 [X.] 37.05 - und vom 21. Juni 1995 - 8 [X.] 61.95 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 18). Nach Auffassung des [X.]eschwerdeführers divergierende Rechtssätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden (stRspr, [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 17. Dezember 2010 - 8 [X.] 38.10 - [X.] 2011, 45 und vom 20. Dezember 1995 - 6 [X.] 35.95 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das [X.]undesverwaltungsgericht (oder der Gemeinsame Senat der obersten [X.]undesgerichte oder das [X.]undesverfassungsgericht) in der Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 8. Dezember 2005 - 1 [X.] 37.05 - und vom 17. Januar 1995 - 6 [X.] 39.94 - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 342).

8

So liegt der Fall hier. Die [X.]eschwerde bezeichnet keinen Rechtssatz, mit dem das Oberverwaltungsgericht einem Rechtssatz eines der im § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte widersprochen hat.

9

3. Schließlich ist auch ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) von dem Kläger nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargetan.

Die [X.]eschwerde macht im Wesentlichen geltend, dass das [X.]erufungsgericht von einem nicht bewiesenen Sachverhalt ausgegangen sei. Die [X.]eweiswürdigung sei einseitig und ergebnisorientiert vorgenommen und den weiteren [X.]eweisantritten des [X.] sei nicht nachgekommen worden.

Mit diesem Vorbringen wird eine Verletzung des § 86 Abs.1 VwGO nicht aufgezeigt. Zwar muss der Tatrichter wegen der ihm obliegenden Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen alle zur Tatsachenfeststellung geeigneten [X.] nutzen. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht liegt aber regelmäßig dann nicht vor, wenn das Gericht den nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Sachverhalt aufgrund der durchgeführten [X.]eweisaufnahme für aufgeklärt gehalten hat und die sachkundig vertretenen Verfahrensbeteiligten keine [X.]eweisanträge gemäß § 86 Abs. 2 VwGO gestellt haben ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 11. Mai 1992 - 6 [X.] 10.92 - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 295 und vom 10. Oktober 2013 - 10 [X.] 19.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 67). Denn ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer [X.]eweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener [X.]eteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat und die sich dem Gericht auch nicht aufdrängen musste ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 6. März 1995 - 6 [X.] 81.94 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265). Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, [X.]eweisanträge zu ersetzen, die ein [X.]eteiligter in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat ([X.]VerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 - [X.]VerwGE 131, 186 = [X.] 451.902 Europ. [X.] u. Asylrecht Nr. 21, jeweils Rn. 13 m.w.N.); lediglich schriftsätzlich angekündigte [X.]eweisanträge genügen den genannten Anforderungen nicht ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 3. Juli 1998 - 6 [X.] 67.98 - juris Rn. 2). Der anwaltlich vertretene Kläger hat in der [X.]erufungsverhandlung vom 15. April 2015 keine [X.]eweisanträge gestellt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich dem [X.]erufungsgericht zu den von der [X.]eschwerde genannten [X.]eweisthemen noch Ermittlungen von Amts wegen hätten aufdrängen müssen. Damit kann die Aufklärungsrüge keinen Erfolg haben.

Auch ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) legt die [X.]eschwerde nicht schlüssig dar. Es gehört zu der den [X.] durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragenen Aufgabe, sich im Wege der freien [X.]eweiswürdigung seine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 11. Januar 2012 - 8 PKH 8.11 - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 72). Das Gericht hat seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Wie es seine Überzeugung bildet, wie es also die ihm vorliegenden Tatsachen und [X.]eweise würdigt, unterliegt seiner "Freiheit". Die Einhaltung der daraus entstehenden verfahrensmäßigen Verpflichtungen ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein [X.]eteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigen oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Die "Freiheit" des Gerichts ist erst dann überschritten, wenn es entweder seiner Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen. Diese Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz können als Verfahrensmängel gerügt werden (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 28. Oktober 2010 - 8 [X.] 23.10 - juris; vom 17. Mai 2011 - 8 [X.] 88.10 - juris und vom 11. Januar 2012 - 8 PKH 8.11 - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 72).

Wendet sich ein [X.]eteiligter - wie hier der Kläger - gegen eine aus seiner Sicht fehlerhafte Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als das angefochtene Urteil, bedarf es zur [X.]ezeichnung eines solchen Verfahrensfehlers der Darlegung, dass die Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung die Grenzen einer objektiv willkürfreien, die Natur- und Denkgesetze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtenden Würdigung überschreitet. Dem wird das Vorbringen des [X.] nicht gerecht. Es zielt in der äußeren Form einer Verfahrensrüge auf eine inhaltliche Kritik der tatrichterlichen Sachverhaltswürdigung durch das [X.]erufungsgericht und setzt dieser eine eigene [X.]ewertung entgegen, ohne jedoch Anhaltspunkte für eine willkürliche oder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßende Würdigung der [X.] zu benennen.

4. Von einer weiteren [X.]egründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

5. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

1 B 37/15

11.08.2015

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 15. April 2015, Az: 17 A 1245/11, Urteil

§ 54 Nr 5 Halbs 2 AufenthG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.08.2015, Az. 1 B 37/15 (REWIS RS 2015, 6838)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6838

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