Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2007, Az. VIII ZB 75/06

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 5767

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[X.] ZB 75/06 vom 16. Januar 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 233 A, 522 Abs. 1 Über einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung einer Frist zur Begründung eines Rechtsmittels ist erst und nur dann zu entscheiden, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Frist gewahrt ist. [X.], Beschluss vom 16. Januar 2007 - [X.]/06 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 16. Januar 2007 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] Frellesen, die Richterin [X.], [X.] [X.] und die Richterin [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des [X.], 14. Zivilkammer, vom 16. Juni 2006 auf-gehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. [X.]: 1.047,96 • Gründe: [X.] Das Urteil des Amtsgerichts, mit dem die Beklagte verurteilt worden ist, einer Mieterhöhung zuzustimmen, ist dem Prozessbevollmächtigten der [X.] am 31. Januar 2006 zugestellt worden. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 27. Februar 2006 Berufung eingelegt. Auf den Antrag ihres Prozessbevoll-mächtigten vom 31. März 2006 hat das Berufungsgericht die Frist zur [X.] der Berufung bis zum 2. Mai 2006 verlängert. 1 - 3 - Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2006, der bei dem Berufungsgericht am 8. Juni 2006 eingegangen ist, hat die Beklagte gegen die Versäumung der Be-rufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Berufungsbegründung - die dem Schriftsatz vom 7. Juni 2006 nochmals angeheftet war - von ihrem [X.] am 2. Mai 2006 in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden [X.] worden sei. Zur Glaubhaftmachung hat sie eine anwaltliche Versiche-rung ihres Prozessbevollmächtigten vorgelegt, in der dieser an Eides statt ver-sichert, am 2. Mai 2006 die [X.] angefertigt und dann persönlich gegen 18.00 Uhr in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden ein[X.] zu haben. 2 Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag und die Beru-fung der Beklagten durch Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen wendet die Beklagte sich mit ihrer Rechtsbeschwerde. 3 I[X.] [X.] ist zulässig und begründet. 4 1. [X.] ist gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO auch zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert. Die Beklagte hat vorge-tragen, die Berufungsbegründung sei von ihrem Prozessbevollmächtigten am 2. Mai 2006 - und damit noch rechtzeitig am Tag des Fristablaufs - in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden geworfen worden. Nach ihrem Vorbringen hat das Berufungsgericht den fristgerecht eingegangenen Schriftsatz nicht [X.] und sie damit in ihrem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Zur Beseitigung dieser [X.] - 4 - hörsverletzung erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] (vgl. Senatsbeschluss vom 19. September 2006 - [X.] ZB 42/05, juris, unter [X.]). 6 2. [X.] ist begründet. 7 a) Das Berufungsgericht durfte die Berufung der Beklagten nicht ohne weitere Sachaufklärung mit der Begründung nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verwerfen, eine Berufungsbegründung sei erst am 8. Juni 2006 - und damit verspätet - eingereicht worden. Das Berufungsgericht hätte von Amts wegen klären müssen, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, ihr Pro-zessbevollmächtigter habe die [X.] bereits am 2. Mai 2006 - und somit fristgerecht - in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden [X.]. Das Berufungsgericht hat nach § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts we-gen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeits-voraussetzungen eines Rechtsmittels gilt, auch soweit es um die Rechtzeitigkeit der Begründung des Rechtsmittels geht, der so genannte [X.] ([X.], Beschluss vom 7. Dezember 1999 - [X.], [X.], 814, unter [X.] m.w.Nachw.). Danach ist das Gericht weder von einem Beweisantritt der [X.] abhängig noch auf die gesetzlichen Beweismittel beschränkt (Senatsbe-schluss vom 30. Januar 1991 - [X.] ZB 44/90, [X.], 896, unter [X.] b m.w.Nachw.). Im Rahmen des [X.]es können deshalb auch eidesstattli-che Versicherungen berücksichtigt werden ([X.], Beschluss vom 27. Mai 2003 - [X.], NJW 2003, 2460, unter [X.]; [X.], Beschluss vom 7. Dezember 1999, aaO, jeweils m.w.Nachw.). 8 - 5 - Das Berufungsgericht hätte daher prüfen müssen, ob die von der [X.] vorgelegte anwaltliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten, in der dieser an Eides statt versichert, am 2. Mai 2006 die Berufungsbegründungs-schrift angefertigt und dann persönlich gegen 18.00 Uhr in den Nachtbriefkas-ten der Justizbehörden eingeworfen zu haben, hinreichenden Beweis für die entsprechende Behauptung der Beklagten erbringt. 9 Eine eidesstattliche Versicherung reicht allerdings für sich genommen regelmäßig nicht zum Nachweis der Fristwahrung aus ([X.], Beschluss vom 27. Mai 2003, aaO; [X.], Beschluss vom 7. Dezember 1999, aaO, m.w.Nachw.). Denn die eidesstattliche Versicherung ist lediglich auf Glaubhaft-machung angelegt, für die schon eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des behaupteten [X.] genügt (Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991, aaO, unter [X.] a m.w.Nachw.). Die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Be-rufungsbegründung muss indessen - wie auch die übrigen Zulässigkeitsvoraus-setzungen eines Rechtsmittels - zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden; an die Überzeugungsbildung werden insoweit keine geringeren oder höheren Anforderungen gestellt als sonst ([X.], Beschluss vom 5. Juli 2000 - [X.] 110/00, NJW-RR 2001, 280; Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991, aaO, m.w.Nachw.). 10 Falls das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass die vorgelegte eidesstattliche Versicherung keinen vollen Beweis für die [X.] Einreichung der Berufungsbegründung erbringt, hätte es die [X.]en hierauf hinweisen (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991, aaO, unter [X.] c m.w.Nachw.) und ihnen Gelegenheit geben müssen, Zeugenbeweis anzutreten oder auf andere Beweismittel zurückzugreifen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Mai 2003, aaO; [X.], Beschluss vom 7. Dezember 1999, aaO). Sodann hätte es - auf Antrag der Beklagten oder von Amts wegen - über die [X.] - 6 - ten Umstände Beweis erheben müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Januar 1991, aaO). Dabei wäre nach Lage der Dinge vor allem eine Vernehmung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Betracht zu ziehen gewesen. 12 b) Den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten durfte das Berufungsge-richt gleichfalls nicht verwerfen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den [X.] vor Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist bei [X.] Würdigung nur für den Fall der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellt. Über den Wiedereinsetzungsantrag ist daher erst und nur dann zu [X.], wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Beklagte die Frist zur Begründung der Berufung gewahrt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Mai 2003, aaO). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, da noch ungeklärt ist, ob der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Berufungsbegründung noch am 2. Mai 2006 in den Nachtbriefkasten der Justizbehörden eingeworfen hat. c) Die Entscheidung des [X.] kann nach alledem keinen Bestand haben. Da es noch weiterer tatsächlicher Aufklärung bedarf, ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). 13 Bei der Prüfung, ob die Beklagte die Berufungsbegründungsfrist gewahrt hat, wird das Berufungsgericht auch das Vorbringen der Rechtsbeschwerde zu würdigen haben, die Geschäftsstelle des [X.] habe die dem Wie-dereinsetzungsantrag der Beklagten vom 7. Juni 2006 angeheftete [X.] vom 2. Mai 2006, die als Original bei den Akten hätte verbleiben müssen, dem Prozessbevollmächtigten des [X.] zugestellt; dies sei als Indiz zu werten, dass die Geschäftsstelle auch die am 2. Mai 2006 in den [X.] eingeworfene Berufungsbegründung nicht ordnungsgemäß zu den [X.] genommen habe. 14 - 7 - Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, die [X.]sfrist sei versäumt, wird es hinsichtlich des hilfsweise gestellten [X.] zu berücksichtigen haben, dass die [X.] nicht - wie das Berufungsgericht angenommen hat - zwei Wochen, sondern einen Monat beträgt, wenn die [X.] verhindert ist, die Frist zur [X.] einzuhalten (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Diese Frist war bei Eingang des [X.] beim Berufungsgericht am 8. Juni 2006 nicht abgelaufen, gleich ob für den Fristbeginn (§ 234 Abs. 2 ZPO) auf den Tag abgestellt wird, an dem das Sekretariat des Beklagtenvertreters (16. Mai 2006) oder an dem der Beklagtenvertreter selbst (23. Mai 2006) Kenntnis von der Fristversäumung erlangte. 15 Ball [X.] [X.] Dr. [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 19.01.2006 - 413 C 3340/05 - [X.], Entscheidung vom 16.06.2006 - 14 S 3895/06 -

Meta

VIII ZB 75/06

16.01.2007

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2007, Az. VIII ZB 75/06 (REWIS RS 2007, 5767)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 5767

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