Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.02.2012, Az. 29 W (pat) 48/10

29. Senat | REWIS RS 2012, 8662

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "E ARCHIV (Wort-Bild-Marke)" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 307 25 989

(Löschungsverfahren [X.])

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] am 29. Februar 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] und der Richterinnen [X.] und Dorn

beschlossen:

Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 11. November 2008 wird aufgehoben, soweit der Löschungsantrag zurückgewiesen wurde für die Waren und Dienstleistungen der
Klasse 09:
Datenverarbeitungsgeräte; Computer und sonstige Computerhardware, insbesondere Bildschirme, Displays, Rechner, Tastaturen, Drucker, Scanner, Band-, CD-ROM- und [X.], Mikrofone, Modems; Telekommunikationsgeräte; Teile aller vorgenannten Waren (soweit in Klasse 09 enthalten); Zubehör für sämtliche vorgenannten Waren (soweit in Klasse 09 enthalten);
Klasse 35:
betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung; Projektmanagement im EDV-Bereich;
Klasse 42:
Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten und Telekommunikationsgeräten.
Das [X.] hat insoweit die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin ist Inhaberin der am 19. April 2007 angemeldeten Wort-/Bildmarke 307 25 989.7

Abbildung

2

Diese wurde am 12. Juni 2007 in das Markenregister eingetragen für die Waren und Dienstleistungen der

3

Klasse 09:

4

Datenverarbeitungsgeräte; Computer und sonstige Computerhardware, insbesondere Bildschirme, Displays, Rechner, Tastaturen, Drucker, Scanner, Band-, CD-ROM- und [X.], Mikrofone, Modems; optische und magnetische Datenträger; [X.]; Teile aller vorgenannten Waren (soweit in Klasse 09 enthalten); Zubehör für sämtliche vorgenannten Waren (soweit in Klasse 09 enthalten); Computerprogramme, gespeichert und herunterladbar;

5

Klasse 35:

6

betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung; Projektmanagement im [X.]DV-Bereich; Dateienverwaltung mittels Computer; Zusammenstellung, Systematisierung, Aktualisierung und Pflege von Daten in Computerdatenbanken; [X.]rstellung von Abrechnungen und Statistiken;

7

[X.]:

8

[X.]rstellen, [X.]ntwickeln, Weiterentwickeln, Pflegen und Installieren von Software; elektronische Datenspeicherung und -sicherung; Vermietung von Speicherplatz auf Servern; Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten und [X.]n.

9

Mit am 17. Oktober 2007 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller und Beschwerdeführer die vollständige Löschung der vorgenannten Marke wegen Nichtigkeit aufgrund absoluter Schutzhindernisse gem. §§ 54, 50 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] beantragt. Zur Begründung hat er angeführt, das angegriffene Zeichen bedeute "elektronisches Archiv" und weise auf die unveränderbare, langzeitige Aufbewahrung elektronischer Information hin. Unter Archiv verstehe man eine Institution oder Organisationseinheit, in der Unterlagen erfasst, erschlossen, erhalten, aufgewertet und zugänglich gemacht würden. Solche Archivsysteme bestünden aus Datenbanken, Archivsoftware und Speichersystemen, die in [X.] von zahlreichen Herstellern und Systemintegratoren angeboten würden. Der Begriff "[X.] Archiv" habe als feststehender Begriff [X.]ingang in den [X.] Sprachgebrauch gefunden. Die grafische Ausgestaltung des angegriffenen Zeichens sei einfach und werbeüblich und diene lediglich der Hervorhebung des Wortbestandteils.

Die Markeninhaberin und Beschwerdegegnerin hat dem ihr am 19. November 2007 per Übergabe-[X.]inschreiben zur Post aufgegebenen Löschungsantrag mit am 18. Januar 2008 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz widersprochen. Sie hat die Auffassung vertreten, die isoliert betrachtete Wortfolge "[X.] [X.]" sei als solche, also losgelöst von der grafischen Ausgestaltung, schutzfähig. [X.]s könne nicht damit gerechnet werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise den Buchstaben "[X.]" mit "elektronisch" oder "electronic" gleichsetzten. Der Buchstabe "[X.]" sei lexikalisch lediglich als Bezeichnung des Tones "[X.]" beziehungsweise einer Tonart ([X.]-Dur), als Zeichen für die Dielektrizitätskonstante, als Zeichen für die Himmelsrichtung [X.] in der internationalen Wetterkunde oder als Abkürzung u. a. für "[X.]ilzug" und "[X.]uropastraße" zu verstehen. Zudem resultiere die Annahme, "[X.]" und "[X.]" bedeute in Kombination "elektronisches Archiv", aus einer unzulässigen zergliedernden Betrachtung. Im Übrigen lasse sich bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen allenfalls ein mittelbarer Bezug zu einem "elektronischen Archiv" feststellen. Das angesprochene Publikum müsse mehrere Gedankenschritte unternehmen, um von "[X.] [X.]" auf elektronisch angebotene bzw. erbrachte "Archiv"-Waren oder "[X.] zu kommen. Weiterhin sei das Zeichen nicht lexikalisch nachweisbar und es handle sich um eine Wortneuschöpfung. Die grafische Ausgestaltung beschränke sich nicht auf eine werbeübliche Gestaltungsform, sondern zeichne sich durch ihr puristisches und futuristisches Gesamtdesign aus. Auffällig seien insbesondere die ungewöhnliche Farbgestaltung sowie die ungewöhnlichen Proportionen. Somit könne der angegriffenen Marke nicht die erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Das [X.] hat mit Beschluss vom 11. November 2008 die [X.]intragung der angegriffenen Marke teilweise gelöscht, und zwar für "optische und magnetische Datenträger; Computerprogramme, gespeichert und herunterladbar; Dateienverwaltung mittels Computer; Zusammenstellung, Systematisierung, Aktualisierung und Pflege von Daten in Computerdatenbanken; [X.]rstellung von Abrechnungen und Statistiken; [X.]rstellen, [X.]ntwickeln, Weiterentwickeln, Pflegen und Installieren von Software; elektronische Datenspeicherung und -sicherung; Vermietung von Speicherplatz auf Servern". Im Übrigen wurde der Löschungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass "[X.]" inzwischen eine geläufige Abkürzung für "elektronisch" bzw. "electronic" sei. Der Ausdruck "[X.] [X.]" werde daher in seiner Gesamtheit als elektronisches Archiv, in welchem Daten auf elektronischem Weg erfasst, erschlossen, erhalten, ausgewertet, gespeichert und zugänglich gemacht werden könnten, verstanden. Die Recherche der Markenabteilung habe zudem ergeben, dass dieser Ausdruck von zahlreichen Anbietern nahezu gleichrangig mit "elektronisches Archiv" verwendet werde (vgl. Anlagen [X.] – 3 zum o. g. Beschluss, [X.] 64 – 67 VA). Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die sich mit der Speicherung, systematischen Verwaltung und langfristigen Wiederauffindbarkeit auf elektronischem Weg befassen könnten, oder die für die Archivierung von elektronischen Daten bestimmt seien, handele es sich bei "[X.] [X.]" um eine reine Sachbezeichnung, der von Haus aus die Fähigkeit fehle, auf ein bestimmtes Unternehmen hinzuweisen. Die angegriffene Marke erhalte insoweit auch nicht durch die grafische Ausgestaltung die Funktion eines Unterscheidungsmittels. [X.]s handle sich vorliegend um einfache und werbeübliche Gestaltungsmittel, die nicht derartig charakteristisch seien, dass sie das Verständnis einer unmittelbar beschreibenden Wortzusammensetzung wie "[X.] [X.]" als betrieblichen Herkunftshinweis nahelegen könnten.

Das [X.] führte weiter aus, dass hinsichtlich der nicht von der Löschung erfassten Waren und Dienstleistungen, nämlich "Datenverarbeitungsgeräte; Computer und sonstige Computerhardware, insbesondere Bildschirme, Displays, Rechner, Tastaturen, Drucker, Scanner, Band-, CD-ROM- und [X.], Mikrofone, Modems; [X.]; Teile aller vorgenannten Waren (soweit in Klasse 09 enthalten); Zubehör für sämtliche vorgenannten Waren (soweit in Klasse 09 enthalten); betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung; Projektmanagement im [X.]DV-Bereich; Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten und [X.]n", das angegriffene Zeichen hingegen nicht geeignet sei, konkrete Merkmale dieser Produkte und Leistungen zu beschreiben. Vielmehr bleibe der Bezug insoweit vage und interpretationsbedürftig. Denn technische Geräte wie "Datenverarbeitungsgeräte; Computer und sonstige Computerhardware" könnten in dieser Allgemeinheit vielfältigen Verwendungszwecken dienen und eigneten sich nicht ausschließlich oder vorwiegend für den Bereich einer elektronischen Archivierung. Auch Dienstleistungen wie "betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung; Projektmanagement im [X.]DV-Bereich" würden in der Regel nicht nach dem speziellen Segment benannt, für das sie erbracht würden. Vor diesem Hintergrund seien die Anforderungen an die [X.] Ausgestaltung zur Überwindung des Schutzhindernisses nicht mehr allzu hoch anzusetzen. Diesen geringen Anforderungen würde die vorliegende grafische Gestaltung noch gerecht, so dass der Löschungsantrag insoweit zurückzuweisen war.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen Löschungsantrag in Bezug auf die in den Klassen 9, 35 und 42 verbliebenen Waren und Dienstleistungen weiterverfolgt. [X.]r vertritt die Ansicht, der Wortbestandteil der angegriffenen Marke "[X.] [X.]" sei auch für die nicht von der Löschungsanordnung erfassten Waren und Dienstleistungen beschreibend bzw. weise einen engen sachlichen Bezug hierzu auf. Zum [X.]inen bestehe im Bereich der digitalen Archivierung eine Ausrichtung der erforderlichen technischen Geräte auf diesen Anwendungsbereich. Im Hinblick auf die hochkomplexen Anforderungen an elektronische Archivsysteme seien neue Archivspeichersysteme - wie [X.] (Content Addressed Storage, vgl. Anlage 1 zum Schriftsatz vom 2. April 2009, [X.] 23 - 31 [X.]) - entwickelt worden. Dementsprechend würden verschiedene Anbieter auch mit dem Zuschnitt ihrer Hardwareprodukte auf die technischen Anforderungen digitaler Archivierungssysteme werben (vgl. Anlage 2 zum o. g. Schriftsatz, [X.] 32 - 41 [X.]). Somit sei "[X.] [X.]" geeignet, Merkmale der beschwerdegegenständlichen Waren unmittelbar zu bezeichnen. Da elektronische Archive besonderen technischen Anforderungen gerecht werden müssten, erforderten diese auch eine entsprechende Beratung durch fachkundige Unternehmen, so dass "[X.] [X.]" den Gegenstand oder das Thema der beschwerdegegenständlichen Beratungsdienstleistungen beschreibe. Für die Dienstleistung "Projektmanagement im [X.]DV-Bereich" sei "[X.] [X.]" lediglich eine Bestimmungsangabe.

Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren bisher nicht zur Sache geäußert. [X.] wurden von beiden Parteien nicht gestellt.

Wegen der weiteren [X.]inzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.     

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die angegriffene Marke
Abbildungist entgegen der Ansicht des [X.] für die noch beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen der

Klasse 09:Datenverarbeitungsgeräte; Computer und sonstige Computerhardware, insbesondere Bildschirme, Displays, Rechner, Tastaturen, Drucker, Scanner, Band-, CD-ROM- und [X.], Mikrofone, Modems; [X.]; Teile aller vorgenannten Waren (soweit in Klasse 09 enthalten); Zubehör für sämtliche vorgenannten Waren (soweit in Klasse 09 enthalten);

Klasse 35:betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung; Projektmanagement im [X.]DV-Bereich;[X.]:Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten und [X.]n

zu löschen, weil sie insoweit entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] eingetragen worden ist und das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft auch heute noch besteht (§§ 54, 50 Abs. 1 und Abs. 2 [X.]).

1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) [X.]ignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.]uGH GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 f. - [X.]UROHYPO; [X.], 825, 826 Rdnr. 13 - [X.]; 935 Rdnr. 8 - Die Vision; [X.], 850, 854 Rdnr. 18 - [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.]uGH [X.], 233, 235 Rdnr. 45 - Standbeutel; 229, 230 Rdnr. 27 -  [X.] ; a. a. [X.]. 66 - [X.]UROHYPO; [X.], 710 Rdnr. 12 - VISAG[X.]; [X.], 949 Rdnr. 10 - My World; a. a. [X.] - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.];). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein [X.]intragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] - [X.]; [X.], 411 Rdnr. 8 - STR[X.][X.]TBALL; 778, 779 Rdnr. 11 - [X.]; 949 [X.]. 10 - My World; a. a. [X.] - [X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.]uGH [X.], 411, 412 Rdnr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944 Rdnr. 24 - [X.] 2; [X.] - [X.]). [X.]benso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.]uGH [X.], 428, 431 Rdnr. 53 - [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWAR[X.] CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.]uGH [X.], 674, 678 Rdnr. 86 - Postkantoor; [X.] [X.], 952, 953 Rdnr. 10 - [X.]Card; a. a. [X.] 854 Rdnr. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; a. a. [X.] - marktfrisch; [X.], 1153 - anti [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] - [X.]; [X.], 1050, 1051 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] 855 Rdnr. 28 f. - [X.]). Dabei gilt, dass je bekannter der beschreibende Begriffsgehalt für die Waren oder Dienstleistung ist, desto eher wird er auch nur als solcher erfasst, wenn er im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Ware oder Dienstleistung in [X.]rscheinung tritt ([X.], 58, 60 -  [X.] ). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann ([X.]uGH [X.], 146, 147 [X.]. 32 - DOUBL[X.]MINT; 674, 678 Rdnr. 97 - Postkantoor; 680, 681 Rdnr. 38 - [X.]; [X.], 58, 59 Rdnr. 21 - Companyline).

2. Der Wortbestandteil der angegriffenen Marke "[X.] [X.]" hat im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt bzw. weist einen engen beschreibenden Bezug zu diesen auf.

a) Der Begriff "Archiv" hat die Bedeutungen

- "[X.]inrichtung zur systematischen [X.]rfassung, [X.]rhaltung und Betreuung von Schriftstücken, Dokumenten, Urkunden, Akten, insbesondere soweit sie historisch, rechtlich oder politisch von Belang sind",

- "geordnete Sammlung von [historisch, rechtlich, politisch belangvollen] Schriftstücken, Dokumenten, Urkunden, Akten",

- "Raum, Gebäude für ein Archiv"

http://www.duden.de/rechtschreibung/Archiv).

b) Der Buchstabe "[X.]" ist lexikalisch als

- Zeichen für [X.]-Dur,

- dritter Ton der [X.] oder als

http://www.duden.de/suchen/dudenonline/[X.]).

http://wortschatz.uni-leipzig.de). Die angesprochenen Verkehrskreise werden das vorangestellte "[X.]" im Zusammenhang mit "[X.]" jedoch ohne weiteres als Abkürzung für "elektronisch" oder ([X.]) "electronic" verstehen. Parallel gebildete Begriffe wie

- "[X.]-Book" für elektronisches Buch ([X.] - [X.], 9. Aufl. [X.] 2007 [CD-ROM]),

- "[X.]-Pass" für einen Reisepass mit einem Chip zur Speicherung biometrischer Daten ([X.] - [X.] a. a. [X.]),

- "[X.]-Post" für elektronische Post ([X.] - [X.] a. a. [X.]),

- "[X.]-Learning" für "[X.]lectronic Learning" - ein computergestütztes Lernen unter Nutzung von Multimedia- u. Netzwerktechnologien ([X.] - [X.] a. a. [X.]; [X.] - [X.] a. a. [X.]),

- "[X.]-Commerce" für "[X.]lectronic Commerce" - der Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen über das [X.] ([X.] - [X.] a. a. [X.]),

- "[X.]-Mail" für "[X.]lectronic Mail" - elektronischer Daten- und Nachrichtenaustausch über Computer ([X.] - [X.] a. a. [X.]) und

- "[X.]-Cash" für "[X.]lectronic Cash" - bargeldloser Zahlungsverkehr (mit der Scheckkarte) ([X.] - [X.] a. a. [X.])

haben mittlerweile [X.]ingang in die [X.] gefunden.

www.intercard.de..., Anlage 1a zum Schreiben des Senats vom 9. Februar 2012, [X.] 64 [X.]; www.experto.de..., Anlage 1b, [X.] 65 [X.]; www.volkssolidaritaet.de..., Anlage 1c, [X.] 66 [X.]; www.masch.com..., Anlage 1d, [X.] 67 [X.]; [X.]..., Anlage 1e, [X.] 68 [X.]; [X.]..., Anlage 4, [X.] 85/86 [X.]).

Bei dem [X.] "[X.] [X.]" handelt es sich in seiner Gesamtbedeutung daher um eine dem inländischen Verkehr geläufige Bezeichnung für ein elektronisches Archiv. Hieran vermag auch das Fehlen eines [X.] zwischen "[X.]" und "[X.]" nichts zu ändern, zumal sich die Zusammengehörigkeit der beiden Wortelemente aus ihrer Stellung und der grafischen Gestaltung ohne weiteres ergibt.

www.intercard.de..., Anlage 1a zum o. g. Schreiben des Senats, [X.] 64 [X.]; www.reddoxx.com..., Anlage 2, [X.] 69 - 72 [X.]; [X.]..., Anlage 3, [X.] 73 - 76 [X.]). Dies gilt auch für Telekommunikationsgeräte. Telekommunikation bezeichnet neben Telefonie auch die Kommunikation über Rechnernetze (vgl. [X.], Naturwissenschaft und Technik, Band 3, 2003, S. 1964 f., Anlage 3a zum o. g. Schreiben des Senats, [X.] 77 -79 [X.]). Kopier- und Scangeräte, die zur Digitalisierung analoger Post für die elektronische Archivierung verwendet werden, weisen mittlerweise herkömmlich einen Netzwerkanschluss und auch eine Faxfunktion auf und zählen daher zu Telekommunikationsgeräten (vgl. www.kyoceramita.de..., Anlage 3b zum o. g. Schreiben des Senats, [X.] 80 [X.]; www.canon.de..., Anlage 3c, [X.] 81/82 [X.]: www.ricoh.de..., Anlage 3d, [X.] 83/84 [X.]). Auch bieten Dienstleister umfangreiche Beratungstätigkeiten in diesem Bereich an (vgl. [X.]..., Anlage 4 zum o. g. Schreiben des Senats, [X.] 85/86 [X.]; [X.]..., Anlage 5, [X.] 87 [X.]). Zudem werden Komplettpakete für Archivierungssysteme angeboten, bei denen ein Anbieter sowohl die [X.]inrichtung der Software als auch der Hardware übernimmt (vgl. www.gruppemedia.de..., Anlage 6 zum o. g. Schreiben des Senats, [X.] 88/89 [X.]). [X.]rgänzend wird auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten Anlagen 1 und 2 zum Schriftsatz vom 2. April 2009 ([X.] 23 - 41 [X.]) Bezug genommen, aus denen sich die Anforderungen an elektronische Archivierungssysteme und die hierauf zugeschnittene Hardware ergeben.

e) Vor diesem Hintergrund weist der Wortbestandteil des angegriffenen Zeichens in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren der [X.] "Datenverarbeitungsgeräte; Computer und sonstige Computerhardware, insbesondere Bildschirme, Displays, Rechner, Tastaturen, Drucker, Scanner, Band-, CD-ROM- und [X.], Mikrofone, Modems; [X.]; Teile aller vorgenannten Waren (soweit in [X.] enthalten); Zubehör für sämtliche vorgenannten Waren (soweit in [X.] enthalten)" beschreibend darauf hin, dass diese Geräte und Hardwareprodukte für die elektronische Archivierung geeignet bzw. bestimmt sein können. Damit erschöpft sich "[X.] [X.]" in einer Sachangabe über den Zweck und die [X.]ignung dieser Waren und wird nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst. Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft erfasst dabei jeweils die weiten [X.] "Datenverarbeitungsgeräte; Computer und sonstige Computerhardware; [X.]", auch wenn das [X.] nur für spezielle unter diese Oberbegriffe fallende Waren (wie z. B. Speichersysteme oder Kartenlesegeräte) unmittelbar beschreibend ist ([X.] GRUR 2002, 261 Rdnr. 13 f. - AC).

f) Hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35 "betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung; Projektmanagement im [X.]DV-Bereich" enthält der Wortbestandteil der angegriffenen Marke vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechercheergebnisse einen beschreibenden Sachhinweis darauf, dass sich diese Beratung beziehungsweise das Projektmanagement inhaltlich auf die [X.]inführung und den Betrieb von elektronischen Archivierungssystemen bezieht. Die [X.]inführung elektronischer Archivsysteme kann naturgemäß Auswirkungen auf die gesamte Büroorganisation haben. Hierbei können auch betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte betroffen sein, wenn sich die elektronische Archivierung beispielsweise auf Daten über die Organisation und Führung eines Betriebes oder steuerlich relevante Daten bezieht. Bei der elektronischen Archivierung handelt es sich zudem um ein komplexes Gebiet, dessen erfolgreiche Implementierung eine flankierende Beratung bzw. ein Projektmanagement durch Dritte erfordern kann (vgl. hierzu auch Anlage 4 zum o. g. Schreiben des Senats, [X.] 85/86 [X.]). Damit ist das [X.] insoweit eine Sachaussage über den Gegenstand und die Thematik dieser Dienstleistungen.

g) Im Rahmen der beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der [X.] "Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten und [X.]n" ist "[X.] [X.]" ebenfalls nicht schutzfähig. Denn die angesprochenen Verkehrskreise werden das [X.] wegen der funktionellen Nähe der Waren, für die es beschreibend ist (s. o.), zu den fraglichen Dienstleistungen nicht als betrieblichen Herkunftshinweis, sondern nur als Sachhinweis auf den Gegenstand der Vermietung ansehen, nämlich, dass diese sich auf Geräte bezieht, die zur elektronischen Archivierung geeignet bzw. bestimmt sind.

3. Die angegriffene Marke erhält auch nicht durch die grafische Ausgestaltung die Funktion eines Unterscheidungsmittels.

Zwar ist von dem Grundsatz auszugehen, dass einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke - unbeschadet der fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente - als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden kann, wenn die grafischen [X.]lemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht ([X.] GRUR 1991, 136, 137 - N[X.]W MAN; [X.], 1153 - anti Kalk; [X.]uGH [X.], 229, 233 Rdnr. 73, 74 - BioID). Allerdings vermögen einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des [X.], an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig aufzuwiegen, wie derartige einfache grafische Gestaltungselemente auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden können. [X.]s bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen [X.]lemente, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen ([X.] 1153, 1154 – anti Kalk; GRUR 2008, 710, 711 Rdnr. 20 - VISAG[X.]). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.

Abgesehen davon, dass der Wortbestandteil "[X.] [X.]" im Vordergrund des [X.] steht, kann die einfache bildliche Ausgestaltung aufgrund ihrer Werbeüblichkeit nicht als Herkunftshinweis dienen.

Bei den in dem angegriffenen Zeichen

Abbildung

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass an die grafische Ausgestaltung um so größere Anforderungen zu stellen sind, je deutlicher der nicht unterscheidungskräftige Charakter der fraglichen Angabe selbst hervortritt ([X.]- anti Kalk; [X.], 401, 402 - [X.]´s etc;). Hier hätte es daher eines auffallenden Hervortretens der grafischen [X.]lemente bedurft, um den sachbezogenen Charakter der Wortbestandteile aufzuwiegen.

Meta

29 W (pat) 48/10

29.02.2012

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.02.2012, Az. 29 W (pat) 48/10 (REWIS RS 2012, 8662)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8662

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

29 W (pat) 104/12 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "edatasystems" – keine Unterscheidungskraft – langjährige Benutzung des Zeichenelements "edata" - kein Vortrag …


29 W (pat) 21/11 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Volks.Aktion (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft - kein Freihaltungsbedürfnis – ständige Präsenz einer Vielzahl von …


26 W (pat) 72/14 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Shopping Compass" – Unterscheidungskraft – Freihaltungsbedürfnis


29 W (pat) 539/11 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "AZH-MultiBo/azh" - zur Kennzeichnungskraft – Dienstleistungsidentität und –ähnlichkeit - keine unmittelbare Verwechslungsgefahr - …


29 W (pat) 13/11 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Volks.Ratgeber (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft - kein Freihaltungsbedürfnis – ständige Präsenz einer Vielzahl von …


Referenzen
Wird zitiert von

29 W (pat) 526/16

29 W (pat) 104/12

30 W (pat) 577/20

25 W (pat) 35/20

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.