Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.05.2013, Az. V ZB 24/12

5. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5701

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Gegenstand

Zwangsversteigerungsverfahren: Rückwirkende Genehmigung eines vom vollmachtlosen Vertreter eines Berechtigten gestellten Antrags auf Zuschlagsversagung wegen Nichterreichens der 7/10-Grenze


Leitsatz

Der in einem Zwangsversteigerungsverfahren namens eines Berechtigten von einem vollmachtlosen Vertreter gestellte Antrag, den Zuschlag wegen Nichterreichens der 7/10-Grenze zu versagen, kann von dem Berechtigten - sofern der Antrag nicht bereits wegen des Vollmachtsmangels zurückgewiesen worden ist - auch nach dem Schluss der Verhandlung über den Zuschlag mit rückwirkender Kraft genehmigt werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des [X.] vom 23. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 760.000 € für die Gerichtsgebühren und für die Vertretung der Beteiligten zu 1 sowie 1.278.230 € für die Vertretung der Beteiligten zu 2.

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 2 betreibt die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundbesitzes. Dessen Wert ist von dem Vollstreckungsgericht auf 1.401.000 € festgesetzt worden. In dem Versteigerungstermin vom 2. September 2010 blieb die Beteiligte zu 1 Meistbietende mit einem Gebot von 760.000 €. Ein für die Beteiligte zu 2 erschienener Rechtsanwalt beantragte, den Zuschlag gemäß § 74a Abs. 1 [X.] wegen [X.] der 7/10-Grenze zu versagen. Die von ihm im Termin überreichte [X.] ist von einem Prokuristen und einer weiteren Mitarbeiterin der Beteiligten zu 2 unterschrieben.

2

Mit Beschluss vom 23. September 2010 hat das Vollstreckungsgericht den Zuschlag antragsgemäß versagt. Hiergegen hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde mit der Begründung eingelegt, der für die Beteiligte zu 2 im Versteigerungstermin aufgetretene Rechtsanwalt sei nicht ordnungsgemäß bevollmächtigt gewesen. Dem Prokuristen sei nur Gesamtprokura erteilt worden; die [X.] habe demnach zusätzlich von einem Vorstandsmitglied oder einem weiteren Prokuristen unterschrieben werden müssen. Daran fehle es. Folglich sei ein Antrag nach § 74a Abs. 1 [X.] nicht wirksam gestellt worden.

3

Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte zu 1 weiterhin die Erteilung des Zuschlags an sich erreichen.

II.

4

Das Beschwerdegericht hält die [X.] des Rechtsanwalts für unwirksam. Die Beteiligte zu 2 habe dessen Verfahrensführung aber im Verlauf des Beschwerdeverfahrens zumindest stillschweigend genehmigt. Die Genehmigung habe [X.]. Dass der Antrag auf Versagung des Zuschlags wegen [X.] der 7/10-Grenze nur bis zum Schluss der Verhandlung über den Zuschlag gestellt werden könne, stehe dem nicht entgegen.

III.

5

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Entscheidung über den Zuschlag unbegründet ist.

6

1. Allerdings ist die Beteiligte zu 1 als Meistbietende beschwerdeberechtigt (§ 97 Abs. 1 [X.]) und kann die Beschwerde gemäß § 100 Abs. 1 i.V.m. § 81 Abs. 1 [X.] darauf stützen, dass ihr der Zuschlag habe erteilt werden müssen, weil der für die Beteiligte zu 2 gestellte Antrag nach § 74a Abs. 1 [X.] unwirksam gewesen sei (vgl. [X.], [X.], 20. Aufl., § 74a [X.]. 9.14 sowie [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 81 Rn. 3). Ihr ist es dabei auch nicht verwehrt, sich erstmals im Beschwerdeverfahren auf einen Mangel der [X.] des für die Beteiligte zu 2 im Versteigerungstermin aufgetretenen Rechtsanwalts zu berufen.

7

a) Die allgemeinen Vorschriften über Prozessbevollmächtigte (§§ 78 ff. ZPO) gelten, soweit sich nicht aus dem Zwangsversteigerungsgesetz etwas anderes ergibt, sinngemäß auch im Zwangsversteigerungsverfahren (vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 2011 - I ZR 122/09, NJW 2011, 929, 931 Rn. 21; [X.], [X.], 20. Aufl., [X.]. Rn. 50). Zu diesen zählt die Vorschrift des § 88 Abs. 1 ZPO, die bestimmt, dass der Mangel der [X.] eines Bevollmächtigten von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden kann. Die Beteiligte zu 1 ist als "Gegner" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, da die Wirksamkeit des Antrags nach § 74a Abs. 1 [X.] unmittelbare Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung als Meistbietende hat.

8

b) Die Vorschrift des § 88 Abs. 1 ZPO wird nicht durch den für die Zuschlagsbeschwerde geltenden Grundsatz eingeschränkt, wonach neue oder erst im Beschwerdeverfahren bekannt gewordene Tatsachen bei der Entscheidung über die Beschwerde unberücksichtigt bleiben (Senat, Urteil vom 13. Juli 1965 - [X.], [X.]Z 44, 138, 143 f.; Beschluss vom 24. November 2005 - [X.], [X.], 505, 506 f.).

9

aa) Handelt es sich bei dem Bevollmächtigten nicht um einen Rechtsanwalt, macht der Beschwerdeführer mit der Rüge ohnehin einen dem Vollstreckungsgericht unterlaufenen Verfahrensfehler geltend. Er stützt seine Beschwerde dann nämlich darauf, dass die Prüfung der [X.], die dem Vollstreckungsgericht in einem solchen Fall nach § 88 Abs. 2 Halbsatz 1 ZPO von Amts wegen obliegt, unterblieben ist oder unzureichend war.

bb) Anders liegt es zwar, wenn das Vollstreckungsgericht die [X.] nicht prüfen musste, weil - wie hier - ein Rechtsanwalt für einen Verfahrensbeteiligten aufgetreten und ein Mangel seiner [X.] nicht gerügt worden ist (§ 89 Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO; anders bei Vertretung eines Bieters: vgl. § 71 Abs. 2 [X.] sowie [X.], Urteil vom 20. Januar 2011 - I ZR 122/09, NJW 2011, 929, 930 Rn. 14). Auch in diesem Fall ist aber die erstmals mit der Beschwerde gegen die Zuschlagsentscheidung erhobene Rüge des Mangels der [X.] beachtlich. Denn Sinn und Zweck des § 88 ZPO erfordern es, die Rüge des Mangels der [X.] auch bei einer Zwangsversteigerung in jeder Lage des Verfahrens zuzulassen. Da Rechtsanwälte als unabhängige Organe der Rechtspflege besonderes Vertrauen genießen, darf sich das Gericht, nicht zuletzt im Interesse der Verfahrensvereinfachung, grundsätzlich auf ihre Erklärung verlassen, ihnen sei [X.] erteilt worden (vgl. [X.]/[X.], 4. Aufl., § 88 Rn. 1; Musielak/[X.], ZPO, 9. Aufl., § 88 Rn. 1; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 71. Aufl., § 88 Rn. 2). Andererseits stellt es einen schweren Rechtsfehler dar, wenn für einen Verfahrensbeteiligten ein vollmachtloser Vertreter aufgetreten ist (vgl. § 547 Nr. 4, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO); einen solchen Fehler gilt es auch im Verfahren der Zwangsversteigerung möglichst zu vermeiden. Da das Unterbleiben einer Rüge den [X.]smangel nicht beseitigt, ist es gerade dort, wo das Gericht ohne Rüge nicht zu einer Prüfung der [X.] verpflichtet ist, unverzichtbar, dass die Verfahrensbeteiligten diese Prüfung in jeder Lage des Verfahrens erzwingen können.

2. Ein etwaiger Mangel der [X.] des für die Beteiligte zu 2 aufgetretenen Rechtsanwalts ist jedoch geheilt.

a) Rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde insoweit nicht angegriffen entnimmt das Beschwerdegericht dem - von zwei Prokuristen unterzeichneten - Schreiben der Beteiligten zu 2 vom 23. Dezember 2010, in dem diese einen Mangel der [X.] in Abrede stellt, den Willen, die Erklärungen des in ihrem Namen aufgetretenen Rechtsanwalts erforderlichenfalls nachträglich zu genehmigen (§ 89 Abs. 2 ZPO).

b) Eine vollmachtlose Vertretung ist - solange es an einer auf die fehlende [X.] gestützten gerichtlichen Entscheidung fehlt (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 17. April 1984 - GmS-OGB 2/83, [X.]Z 91, 111, 115 f.) - auch im Zwangsversteigerungsverfahren grundsätzlich der Genehmigung nach § 89 Abs. 2 ZPO zugänglich (ebenso [X.], [X.], 20. Aufl., [X.]. [X.]. 50.7; [X.], Rpfleger 2008, 404, 406).

aa) Eine Sonderregelung sieht das Gesetz nur für die Vertretung des Bieters vor (§ 71 Abs. 2 [X.]); danach muss die Vertretungsmacht für einen Bieter - und zwar auch dann, wenn dieser durch einen Rechtsanwalt vertreten wird (vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 2011 - I ZR 122/09, NJW 2011, 929, 930 Rn. 14) - im Termin durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde sofort nachgewiesen werden. Allein hierauf bezieht sich die von der Rechtsbeschwerde angeführte Entscheidung des Senats (Beschluss vom 16. Februar 2012 - [X.], NJW-RR 2012, 649), nach der das Vollstreckungsgericht auf die Prüfung der formellen Beweiskraft einer solchen Urkunde beschränkt ist. Da eine vergleichbare Regelung für die Vertretung der Beteiligten des [X.] nicht getroffen worden ist, bleibt es insoweit bei der sinngemäßen Anwendung der §§ 78 ff. ZPO.

bb) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist die in § 89 Abs. 2 ZPO ausdrücklich vorgesehene stillschweigende Genehmigung der Verfahrensführung auch im Zwangsversteigerungsverfahren möglich. Richtig ist zwar, dass Verfahrensfehler, die zu [X.] gemäß § 83 Nr. 1 bis 5 [X.] führen, nicht stillschweigend genehmigt werden können (vgl. § 84 Abs. 2 [X.]). Um einen solchen Versagungsgrund geht es hier aber nicht; dem Vollstreckungsgericht ist nicht einmal ein Verfahrensfehler unterlaufen.

cc) Schließlich steht die Vorschrift des § 74a Abs. 2 [X.], nach der der Antrag auf Versagung des Zuschlags nur bis zum Schluss der Verhandlung über den Zuschlag gestellt werden kann, einer nachträglichen Genehmigung nicht entgegen. Denn die Genehmigung der Verfahrensführung nach § 89 Abs. 2 ZPO heilt den Mangel der [X.] mit [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Juli 1984 - [X.], [X.]Z 92, 137, 140; Beschluss vom 10. Januar 1995 - [X.], [X.]Z 128, 280, 283; Beschluss vom 26. Januar 2006 - [X.], [X.]Z 166, 117, 124). Demgemäß muss eine solche Genehmigung nicht innerhalb der Frist oder in dem [X.] erklärt zu werden, die für die genehmigte Verfahrenshandlung gilt (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Januar 1995 - [X.], [X.]Z 128, 280, 283). Auch schadet es nicht, wenn im Zeitpunkt der Genehmigung bereits ein Rechtsmittel anhängig ist, mit dem der Mangel der [X.] gerügt wird. Nur einer auf einen solchen Mangel gestützten, prozessual zu Recht ergangenen gerichtlichen Entscheidung - hier wäre dies der Zuschlag an die Beteiligte zu 1 unter Zurückweisung des Antrags nach § 74a Abs. 1 [X.] der Beteiligten zu 2 wegen Fehlens einer wirksamer [X.] gewesen - kann durch die nachträgliche Genehmigung nicht mehr die Grundlage entzogen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 17. April 1984 - GmS-OGB 2/83, aaO).

IV.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Verpflichtung der Beteiligten zu 1, die Kosten des erfolglosen Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt, da sich die Beteiligten im Zwangsversteigerungsverfahren grundsätzlich nicht als Parteien eines kontradiktorischen Streitverhältnisses gegenüberstehen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - [X.], [X.]Z 170, 378, 381 Rn. 7).

Der Gegenstandswert für die Gerichtskosten bestimmt sich gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG nach dem Wert des erstrebten Zuschlags. Die [X.] für die Vertretung der Beteiligten beruht auf § 26 Nr. 1 RVG (Beteiligte zu 2) bzw. auf § 26 Nr. 3 RVG (Rechtsbeschwerdeführerin).

Stresemann     

        

Schmidt-Räntsch     

        

     Czub

                          

Rin[X.] Dr. Brückner ist
infolge Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.

        
                          

[X.], den 21. Mai 2013
Die Vorsitzende

        
        

Roth     

        

Stresemann

        

Meta

V ZB 24/12

16.05.2013

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Frankfurt, 23. Januar 2012, Az: 2-9 T 530/10

§ 74a Abs 1 ZVG, § 74a Abs 2 ZVG, § 89 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.05.2013, Az. V ZB 24/12 (REWIS RS 2013, 5701)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5701

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