Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2012, Az. V ZB 13/12

5. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2147

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Gegenstand

Zwangsversteigerung: Rückgriff auf das Einzelmeistgebot bei Zuschlagsversagung auf das Gesamtmeistgebot wegen Nichterreichens der Wertgrenze


Leitsatz

Werden mehrere Grundstücke sowohl einzeln als auch gemeinsam ausgeboten und ist dem nach § 63 Abs. 3 Satz 2 ZVG günstigeren Gesamtmeistgebot wegen Nichterreichens der Wertgrenze des § 85a ZVG der Zuschlag zu versagen, ist auf die Einzelmeistgebote zurückzugreifen.

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beteiligten zu 3 werden der Beschluss des [X.] vom 6. Mai 2011, soweit eine Entscheidung über das von der Beteiligten zu 3 abgegebene Meistgebot auf das [X.] unterblieben ist, und der Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 27. Dezember 2011 aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 184.950 € für die Vertretung der Beteiligten zu 3.

Gründe

I.

1

Auf Antrag der Beteiligten zu 1 ordnete das Amtsgericht die Zwangsversteigerung der im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten, dem Schuldner gehörenden beiden Grundstücke an. Die Beteiligten zu 2 und 3, weitere Gläubigerinnen des Schuldners, traten dem Verfahren bei. Im Versteigerungstermin wurden die Grundstücke antragsgemäß neben dem [X.] im [X.] ausgeboten. Auf das [X.] für das eine der Grundstücke gab die Beteiligte zu 3, auf das [X.] der Beteiligte zu 4 das [X.] ab.

2

Das Amtsgericht, dessen [X.] zugunsten des [X.] ausfiel, hat dem hierauf abgegebenen Gebot des Beteiligten zu 4 den Zuschlag versagt, weil dieses die 5/10 Grenze des § 85a Abs. 1 [X.] nicht erreicht habe. Ob der Zuschlag auf das [X.] zu erteilen ist, hat es nicht geprüft, weil es meint, auf dieses Gebot nicht zurückgreifen zu dürfen.

3

Die gegen die unterlassene Entscheidung über ihr Gebot gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3 ist vor dem [X.] erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will sie die Erteilung des Zuschlags auf ihr [X.] auf das [X.] erreichen.

II.

4

Nach Auffassung des [X.] kann auf das [X.] der Beteiligten zu 3 auf die [X.]e nicht zurückgegriffen werden. Durch den in § 63 Abs. 3 Satz 2 [X.] angeordneten [X.] sei vorgegeben, nach welcher Verwertungsart - "Zuschlag auf [X.]e" oder "Zuschlag auf [X.]" - sich die Verwertung im konkreten Versteigerungstermin richte. Ein Rückgriff auf die durch § 63 Abs. 3 Satz 2 [X.] ausgeschlossene Verwertungsart sei in diesem Termin auch dann nicht möglich, wenn das [X.] in der maßgeblichen Verwertungsart - wie hier - unterhalb der Wertgrenze des § 85a [X.] liege. Dies folge aus dem Wortlaut des § 85a [X.], der systematischen Stellung des § 63 [X.] sowie aus teleologischen Überlegungen.

III.

5

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Vollstreckungsgericht hätte, nachdem es auf das Gesamtmeistgebot des Beteiligten zu 4 den Zuschlag gemäß § 85a [X.] versagt hat, sich mit dem [X.] befassen und prüfen müssen, ob dieser der Zuschlag zu erteilen ist.

6

1. Nach überwiegender Meinung, die sich auf eine Entscheidung des [X.] vom 19. Mai 1995 stützt (Rpfleger 1995, 512, 513), kann bei der Versteigerung mehrerer Grundstücke, wenn der [X.] nach § 63 Abs. 3 Satz 2 [X.] zugunsten des [X.]s ausfällt, aber im Hinblick auf § 85a oder § 74a [X.] eine Zuschlagserteilung ausscheidet, im Versteigerungstermin auf die Ergebnisse der [X.]e auf die [X.]e zurückgegriffen werden. Der Grundsatz des [X.]s (§ 63 Abs. 1 [X.]) werde durch ein in der Gesamtheit günstigeres, für den Zuschlag aber unzulängliches Ergebnis beim [X.] nicht verdrängt (vgl. nur [X.], [X.], 20. Aufl., § 74a Rn. 3.4 und § 85a Rn. 2.7; [X.], [X.], 5. Aufl., § 85a Rn. 7; Siwonia in [X.], [X.], § 63 Rn. 17; [X.] in Kindl/[X.]Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, § 63 [X.] Rn. 20; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 63 Rn. 44). Nach einer Gegenauffassung ist im Hinblick auf das Interesse aller Beteiligten an einer möglichst günstigen Verwertung der Grundstücke ein Rückgriff auf die - gegenüber dem [X.] ungünstigeren - [X.]e unzulässig ([X.], Rpfleger 1959, 57, 58).

7

2. Die herrschende Meinung trifft zu. Aus dem gesetzlichen Vorrang der [X.]e folgt, dass sie nicht in Wegfall geraten, wenn das [X.] auf das [X.] nach § 85a Abs. 1 [X.] nicht zuschlagsfähig ist.

8

a) Das Zwangsversteigerungsgesetz geht auch bei mehreren in demselben Verfahren zu versteigernden Grundstücken (§ 18 [X.]) von dem Grundsatz der [X.] aus (§ 63 Abs. 1 [X.]); nur ausnahmsweise können neben dem [X.] alle Grundstücke zusammen ausgeboten werden (§ 63 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.]). Nach § 63 Abs. 3 Satz 2 [X.] wird der Zuschlag auf Grund des [X.]s nur erteilt, wenn das hierauf abgegebene [X.] höher ist als das Ergebnis der [X.]e. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei der Zuschlagsentscheidung die [X.]e auf die [X.]e grundsätzlich den Vorrang haben (Siwonia in [X.], [X.], § 63 Rn. 17). Werden neben dem [X.] alle Grundstücke zusammen ausgeboten, verdrängt das [X.] das [X.] daher nicht, sondern tritt diesem nur als zusätzliche Versteigerungsmodalität zur Seite (Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 158). Dies macht auch die Regelung des § 63 Abs. 3 Satz 1 [X.] deutlich, wonach eine Erhöhung des geringsten Gebots bei dem [X.] um den Mehrbetrag erfolgt, wenn bei einem [X.] auf eines der Grundstücke ein Gebot abgegeben wird, das mehr beträgt als das geringste Gebot für dieses Grundstück; dem Gläubiger sollen also die Vorteile aus den abgegebenen [X.]en erhalten bleiben ([X.], Rpfleger 1995, 512, 513). Wegen des gesetzlichen Vorrangs des [X.]s sind für die Entscheidung über den Zuschlag daher nicht nur dann die Einzelgebote maßgeblich, wenn der [X.] nach § 63 Abs. 3 Satz 2 [X.] zu ihren Gunsten ausfällt, sondern auch dann, wenn ein Zuschlag auf das in der Gesamtheit günstigere Gesamtgebot wegen Nichterreichens der Wertgrenze des § 85a [X.] zu versagen ist.

9

b) Dem steht nicht - wie das Beschwerdegericht meint - der Wortlaut des § 85a Abs. 1 [X.] entgegen. Diese Regelung, die die Gewährleistung des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes des Schuldners vor einer Verschleuderung seines Grundbesitzes in der Zwangsversteigerung bezweckt (Senat, Beschluss vom 18. Oktober 2007 - [X.], NJW-RR 2008, 688, 689; Beschluss vom 10. Mai 2007 - [X.], [X.], 218, 224), besagt nichts über das Verhältnis von [X.] und [X.].

c) Auch der im Zwangsversteigerungsverfahren geltende Grundsatz, dass bei dem Zuschlag das Gebot zum Zuge kommen soll, welches das für alle Beteiligten günstigste Ergebnis der Versteigerung herbeiführt (vgl. Senat, Beschluss vom 28. September 2006 - [X.], NJW-RR 2007, 1139, 1140), führt zu keinem anderen Ergebnis (so aber [X.], Rpfleger 1959, 57, 58). Dieser Gesichtspunkt trägt in den Fällen gerade nicht, in denen auf das [X.] im Hinblick auf § 85a [X.] der Zuschlag nicht erteilt werden kann. [X.] man einen Rückgriff auf die [X.]e ab, hätte dies zur Folge, dass ein unter der Wertgrenze des § 85a Abs. 1 [X.] liegendes [X.] auf das [X.] ein [X.], das über der Wertgrenze des § 85a Abs. 1 [X.] liegt, zu Fall bringen könnte. Da in einem neuen Versteigerungstermin der Zuschlag auf das [X.] nicht nach § 85a Abs. 1 [X.] verweigert werden darf (§ 85a Abs. 2 Satz 2 [X.]), bestünde die Gefahr, dass entgegen dem Anliegen des Gesetzes gerade nicht der bestmögliche Verwertungserlös erzielt wird.

IV.

Die angefochtene Entscheidung ist danach aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO), da die erforderlichen Feststellungen dazu fehlen, ob der Zuschlag auf das Gebot der Beteiligten zu 3 erteilt werden könnte (vgl. § 85a Abs. 3 [X.]). Dabei hat der Senat entsprechend § 572 Abs. 3 ZPO von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auch den erstinstanzlichen Beschluss aufzuheben, soweit eine Entscheidung über das von der Beteiligten zu 3 abgegebene [X.] auf das [X.] unterblieben ist, und die Sache unmittelbar an das Vollstreckungsgericht zurückzuverweisen (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2011 – [X.], NJW-RR 2012, 87, 88; [X.], Beschluss vom 22. Juli 2004 – [X.] 161/03, [X.]Z 160, 176, 185 f.). Dieses hat die Entscheidung über den Zuschlag auf das von der Beteiligten zu 3 abgegebene Gebot nachzuholen.

V.

Der Gegenstandswert für die außergerichtliche Vertretung der Beteiligten zu 3 bemisst sich nach dem Wert des Grundstücks, auf das sich ihr Gebot bezieht (§ 26 Nr. 1 Halbsatz 4 RVG).

Stresemann                                              Schmidt-Räntsch                                               [X.]

                              Brückner                                                       Weinland

Meta

V ZB 13/12

18.10.2012

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Offenburg, 27. Dezember 2011, Az: 4 T 124/11

§ 63 Abs 3 S 2 ZVG, § 85a ZVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.10.2012, Az. V ZB 13/12 (REWIS RS 2012, 2147)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2147

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Zwangsversteigerung von mehreren Grundstücken in demselben Verfahren: Voraussetzung für das Gesamtausgebot unter Ausschluss von Einzelausgeboten


Referenzen
Wird zitiert von

V ZB 13/12

Zitiert

V ZB 18/11

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