Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 28 W (pat) 545/12

28. Senat | REWIS RS 2014, 3488

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "tausendFEIN" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 046 839.7

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 13. August 2014 durch die Richterin [X.], den Richter [X.] und die Richterin kraft Auftrags Kriener

beschlossen:

Der Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 14, vom 27. März 2012 wird nach Maßgabe des eingeschränkten [X.] aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Eintragung der ursprünglich für die Waren der Klassen 14, 18, 25 und 26

2

„Schmuckwaren, Edelsteine; Reise- und Handkoffer; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Spitzen und Stickereien, Bänder und Schnürbänder, künstliche Blumen“

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angemeldeten Wortmarke 30 2011 046 839.7

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tausendFEIN

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hat die Markenstelle nach Beanstandung vom 12. Oktober 2011 mit dem angefochtenen Beschluss vom 27. März 2012 wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die Angabe „tausendFEIN“ sei nur ein betriebsneutraler Hinweis auf bestimmte Eigenschaften einer Sache, einer Ware oder Dienstleistung, es werde aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, insbesondere auch des maßgeblichen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, durch die Bezeichnung „tausendFEIN“ sofort und ohne weiteres Nachdenken ausschließlich ein konkreter und direkter Bezug zu den beanspruchten Waren hergestellt. „tausendFEIN“ sei, wie mit der Beanstandung belegt, ein Begriff für (besonderes) Feingold oder Feinsilber. Ob dieser Begriff weniger gebräuchlich geworden sei, führe zu keinen anderen markenrechtlichen Feststellungen.

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Hiergegen richtet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde, mit der sie unter Einschränkung des [X.] wie folgt

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aus Textilien; Edelsteine;

8

9

sinngemäß beantragt,

den Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 14, vom 27. März 2012 aufzuheben.

Zur Begründung ist ausgeführt, wenn „tausendFEIN“ eine Sachangabe dargestellt haben sollte, sei diese jedenfalls nicht mehr gebräuchlich und für die noch beanspruchten Waren im Übrigen ohne Aussagegehalt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nach der erfolgten Einschränkung des [X.] in der Sache begründet. Für die nunmehr noch beanspruchten Waren fehlt dem angemeldeten Zeichen weder die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) noch unterliegt es insoweit einem Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

Insbesondere kann der angemeldeten Bezeichnung nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] abgesprochen werden. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Publikum als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. [X.] [X.], 228 Rn. 33 - [X.] (Vorsprung durch Technik); [X.], 220 Rn. 27 - BioID; [X.], 935 Rn. 8 - [X.]; [X.], 138 Rn. 23 - [X.]; [X.], 850, 854 Rn. 18 - [X.]; [X.] 2004, 39 - City Service). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Durchschnittsempfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. [X.] GRUR 2008, 608 - [X.]; [X.] 2004, 99 - Postkantoor; [X.], 411 - [X.]). Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann ([X.] GRUR 2005, 417, 418 - [X.]; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.], 1100 Rn. 23 - [X.]!; [X.], 411 Rn. 9 - [X.]; [X.], 850 Rn. 19 - [X.]; [X.], 465, 468 - Bonus). Bei der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des [X.] von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] GRUR 2001, 1151 - marktfrisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern muss gründlich und vollständig ausfallen (vgl. [X.] WRP 2003, 735 - Libertel-Orange; a. a. [X.] - Postkantoor).

Nach diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung „tausendFEIN“ in Bezug auf die noch beanspruchten Waren über die erforderliche Unterscheidungskraft.

Das angemeldete Zeichen stellt nach den Recherchen der Markenstelle und auch des Senats eine seit langem nicht mehr gebräuchliche Sachangabe im Zusammenhang mit dem Feingehalt von Edelmetallen dar, der üblicherweise in 'Tausend Teilen' angegeben wird, z. B. „985er Gold“. Tausender Gold wäre dabei reines Gold und wurde früher mit „tausendfein“ bezeichnet.

In diesem Sinne mögen die – hier nicht angesprochenen - (Fach-)Verkehrskreise im [X.] die angemeldete Marke „tausendFEIN“ noch verstehen, dem allgemeinen Verbraucherkreis dürfte der veraltete Fachbegriff indessen nicht (mehr) geläufig sein.

Die Anmelderin hat ihr Warenverzeichnis auf Waren beschränkt, die keine Verbindung zu edlen Metallen aufweisen. In Bezug auf diese Waren lassen sich keine Schutzhindernisse feststellen. Zwar lassen sich Reisekoffer oder Bekleidungsstücke mit Applikationen aus Edelmetall versehen. Gleichwohl liegt fern, dass der Teil der angesprochenen Verkehrskreise, dem das Zeichen als Reinheitsangabe überhaupt geläufig ist, es insoweit als Sachangabe und nicht als Herkunftshinweis werten wird.

Kann der angemeldeten Bezeichnung daher in Bezug auf die nunmehr noch beanspruchten Waren kein hinreichend konkreter Sachhinweis auf bestimmte Eigenschaften und damit kein im Vordergrund stehender sachbezogener Aussagegehalt zugeordnet werden, fehlt es ihr weder an der erforderlichen Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 [X.], noch handelt es sich insoweit um eine beschreibende, freihaltungsbedürftige Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Die Beschwerde hat daher Erfolg.

Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 [X.]) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beschwerde erst auf Grund der Beschränkung des [X.] Erfolg haben konnte.

Meta

28 W (pat) 545/12

13.08.2014

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.08.2014, Az. 28 W (pat) 545/12 (REWIS RS 2014, 3488)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3488

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