30. Senat | REWIS RS 2012, 7565
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Markenbeschwerdeverfahren – "MAXvent" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 038 198.1
hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2012 unter Mitwirkung es Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des [X.] am Amtsgericht Backes
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen-Patent und Markenamts vom 22. Juli 2009 und vom 20. Mai 2010 aufgehoben.
I.
[X.]vent ist als Wortmarke für Waren der Klassen 7, 9 und 11 zur Eintragung als Marke in das vom [X.] geführte Register angemeldet worden. Das Warenverzeichnis lautet nach einer Einschränkung im Beschwerdeverfahren:
„Klasse 7: Energiesparmotoren für [X.];
Klasse 9: Regelgeräte für [X.];
Klasse 11: Ventilatoren, nämlich [X.] mit Energiesparmotor, und deren Teile, soweit in Klasse 11 enthalten
sämtliche vorgenannten Waren nur für gewerbliche und industrielle Abnehmer.“
Die Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s hat die Eintragung auf der Grundlage des ursprünglich eingereichten [X.] durch [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] und durch Erinnerungsbeschluss nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] versagt, weil eine beschreibende Angabe vorliege. Da „[X.]“ im [X.] wie im [X.] die Abkürzung für „maximal“ sei, und das [X.] Wort „vent“ im [X.] „Belüftung, Entlüftungsöffnung“ bedeute und zudem die Abkürzung für „ventilation, ventilator“ sei, weise die angemeldete Bezeichnung beschreibend auf eine hohe (maximale) Leistung der beanspruchten Ventilatoren hin.
[X.]vent eine Wortneuschöpfung sei, die schon wegen Mehrdeutigkeit der Bestandteile „[X.]“ und „vent“ nicht in dem vom Patentamt angenommenen Sinn verstanden werde, zumal das [X.] Wort für Ventilator „fan“ laute, und meint weiter, dass die Bedeutung „maximale Ventilation“ unlogisch sei, weil kein Ventilator ständig unter Volllast betrieben werden könne. Ferner verweist sie auf [X.]. In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin das Warenverzeichnis wie oben wiedergegeben beschränkt.
Die Anmelderin beantragt mit dieser Maßgabe sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
[X.]vent stehen hinsichtlich der noch beanspruchten Waren keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] entgegen.
Der angemeldeten Bezeichnung kann zunächst nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] abgesprochen werden. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren (oder Dienstleistungen) zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren (oder Dienstleistungen) eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. [X.] [X.], 228, Rn. 33 - [X.] (Vorsprung durch Technik); [X.], 220, Rn. 27 - BioID; [X.], 935, Rn. 8 - [X.]; [X.], 138, Rn. 23 - [X.]; [X.], 850, 854, Rn. 18 - [X.]; [X.] 2004, 39 - City Service). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren (oder Dienstleistungen) und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen.
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren (oder Dienstleistungen) im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann ([X.], 417, 418 - [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren (oder Dienstleistungen) zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.], 1100 Rn. 23 - [X.]!; [X.], 411 Rn. 9 - [X.]; [X.], 850 Rn. 19 - [X.]; [X.], 465, 468 - Bonus).
Kann einem Wortzeichen für die fraglichen Waren kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugerechnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. [X.], [X.], 778, Rn. 11 - [X.]; [X.], 640, Rn. 13 - hey!; [X.] 2012, 19, 20, Rn. 11 - Link economy).
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist davon auszugehen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2003, 58, 60, Rn. 24 - [X.]; [X.] GRUR 1995, 269, 270 - [X.]; [X.] GRUR 2000, 502, 503 - [X.]; [X.], 162, 163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ein der Annahme der Unterscheidungskraft entgegenstehender Aussagegehalt der Marke muss deshalb so deutlich und unmissverständlich hervortreten, dass er für die beteiligten Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass die eine oder andere Sachaussage durch die Marke vermittelt werden könnte, reicht zur Verneinung der Unterscheidungskraft nicht aus. Insoweit ist selbst bei der Verbindung an sich nicht unterscheidungskräftiger beschreibender Einzelelemente die Unterscheidungskraft nur zu verneinen, wenn auch der damit entstehenden Gesamtaussage die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung fehlt (vgl. [X.] GRUR 2004, 943, 944 f., Rn. 28 - 35 - SAT.2).
Bei der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des [X.] von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] [X.], 1151 - marktfrisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern sie muss vielmehr gründlich und vollständig ausfallen (vgl. [X.] WRP 2003, 735 - Libertel-Orange; a. a. [X.] - Postkantoor).
[X.]vent auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren beschränkten [X.] über die erforderliche Unterscheidungskraft.
[X.]vent ist - worauf die Anmelderin zutreffend hinweist - keine gebräuchliche Bezeichnung der [X.] oder einer im Inland bekannten Fremdsprache. Die Anmeldung ist allerdings erkennbar gebildet aus „[X.]“ und „vent“. Dabei ist die Markenstelle zutreffend davon ausgegangen, dass „[X.]“ im Allgemeinen als Abkürzung von „maximal“ verwendet wird (vgl. [X.], Großwörterbuch [X.], 3. Aufl., S. 1315) und das [X.] Wort „vent“ im [X.] „Entlüfter, ent-/belüften“ bedeutet (vgl. [X.], Wörterbuch der industriellen Technik, Band II, S. 1528; [X.], Suchwort „vent“) und der Verkehr die angemeldete Bezeichnung in Bezug auf Ventilatoren im Allgemeinen im Sinn von „maximale Belüftung“ verstehen könnte. In Verbindung mit den nunmehr maßgeblichen Waren, nämlich [X.] mit Energiesparmotor oder dafür bestimmte Produkte, die nach der Fassung des [X.] nur für gewerbliche und industrielle Abnehmer bestimmt sind, steht für diese angesprochenen Verkehrskreise die Bedeutung von „[X.]“ im Sinn von „maximal“ indessen nicht im Vordergrund. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass „[X.]“ die gebräuchliche Abkürzung für den Fachbegriff „[X.]“ ist. „[X.]“ erscheint in der Gesamtmarke [X.]vent vielmehr als Phantasiebegriff bzw. als phantasievolle Abkürzung für oder Anspielung auf „[X.]“, so dass der angemeldeten Marke in Bezug auf die noch maßgeblichen Waren kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt mehr zugeordnet werden kann, und sich damit keine Eignung zur beschreibenden Verwendung als Sachangabe hinsichtlich der Eigenschaften dieser Waren ergibt.
[X.]vent fehlt damit nicht die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].
An der angemeldeten Marke besteht in Bezug auf diese Waren auch kein Freihaltebedürfnis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]; denn es ist aus obengenannten Gründen nicht ersichtlich, dass sie als konkrete Angabe über Eigenschaften der unter dieser Marke angebotenen Waren dienen könnte; es fehlt damit an einem Allgemeininteresse an der freien Verwendung.
Die Beschwerde hat daher Erfolg.
Meta
29.03.2012
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.03.2012, Az. 30 W (pat) 72/10 (REWIS RS 2012, 7565)
Papierfundstellen: REWIS RS 2012, 7565
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