Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.12.2011, Az. 30 W (pat) 527/11

30. Senat | REWIS RS 2011, 339

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Pink Daisy" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 065 261.6

hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Hartlieb

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Markenanmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des [X.] vom 15. Februar 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

2

[X.]

3

ist ursprünglich für

4

„pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Pflaster“

5

zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden. Die Markenstelle für Klasse 5 - [X.] - hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Das angemeldete Zeichen sei erkennbar aus den [X.] Begriffen „Pink“ = „blassrosa“ und [X.]“ = „Gänseblümchen“ zusammengesetzt und werde in Bezug auf die beanspruchten Waren als Hinweis auf Inhaltsstoffe dieser Waren - wie etwa [X.] - verstanden. Die medizinische Verwendung von Gänseblümchen als Heilpflanze, insbesondere bei Hauterkrankungen, Leberleiden oder als Rheumamittel, sei durch das angeführte Recherchematerial belegt; auch sei die Verwendung von Gänseblümchen als Tee bekannt. Sämtliche beanspruchten Waren könnten daher Gänseblümchenextrakt als möglichen pflanzlichen Inhalts- oder Wirkstoff enthalten. Das angemeldete Zeichen sei als sprachübliche Wortkombination für derartige Waren beschreibend und als Fachbegriff geeignet, der freizuhalten sei.

6

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, das angemeldete Zeichen sei für die beanspruchten Waren nicht beschreibend, da die Bezeichnung „[X.]“ eine Wortneuschöpfung und weder in der [X.] noch in der [X.] als zusammenhängender Begriff nachweisbar sei. Der [X.] Begriff [X.]“ werde von [X.] Verbrauchern nicht als „Gänseblümchen“, sondern als weiblicher Vorname verstanden; es gebe keine rosa- oder pinkfarbenen Gänseblümchen, die als Heilpflanze verwendet würden.

7

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin das Warenverzeichnis wie folgt beschränkt:

8

„Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Kontrazeptiva“.

9

Mit dieser Maßgabe beantragt die Anmelderin,

den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nach der erfolgten Beschränkung des [X.] auch in der Sache begründet. Für die nunmehr noch beanspruchten Waren fehlt der angemeldeten Marke weder die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) noch unterliegt sie insoweit einem Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

Insbesondere kann der angemeldeten Bezeichnung nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] abgesprochen werden. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. [X.] [X.], 228 Rn. 33 - [X.] (Vorsprung durch Technik); [X.], 220 Rn. 27 - BioID; [X.], 935 Rn. 8 - [X.]; [X.], 138 Rn. 23 - [X.]; [X.], 850, 854 Rn. 18 - [X.]; [X.] 2004, 39 - City Service). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Durchschnittsempfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. [X.] GRUR 2008, 608 - [X.]; [X.] 2004, 99 - Postkantoor; [X.], 411 - [X.]).

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann ([X.] GRUR 2005, 417, 418 - [X.]; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.], 1100 Rn. 23 - [X.]!; [X.], 411 Rn. 9 - [X.]; [X.], 850 Rn. 19 - [X.]; [X.], 465, 468 - Bonus).

Bei der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des [X.] von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] GRUR 2001, 1151 - marktfrisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern sie muss vielmehr gründlich und vollständig ausfallen (vgl. [X.] WRP 2003, 735 - Libertel-Orange; a. a. [X.] - Postkantoor).

Nach diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung „[X.]“ über die erforderliche Unterscheidungskraft. Zutreffend ist die Markenstelle allerdings davon ausgegangen, dass der Verkehr die angemeldete Bezeichnung in Bezug auf pharmazeutische Erzeugnisse als Hinweis auf Gänseblümchenextrakt als  Inhaltsstoff versteht, da die medizinische Verwendung von Gänseblümchen als Heilpflanze bekannt ist. Aufgrund dieses [X.] fehlte es der angemeldeten Bezeichnung in Bezug auf die ursprünglich angemeldeten Waren an der erforderlichen Unterscheidungskraft. Wie die Markenstelle weiter zutreffend festgestellt hat, ist der Anwendungsbereich der Heilpflanze Gänseblümchen auf die Behandlung von Hauterkrankungen, Leberleiden und die Verwendung als Rheumamittel oder Tee beschränkt. Nachdem die Anmelderin ihr Warenverzeichnis auf pharmazeutische Erzeugnisse in Form von Kontrazeptiva beschränkt hat, kann der angemeldeten Marke in Bezug auf diese Waren daher kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt mehr zugeordnet werden, so dass sich keine Eignung zur beschreibenden Verwendung als Sachangabe hinsichtlich der Eigenschaften dieser Waren ergibt.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass dem Zeichen die Eignung fehlt, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfasste Ware eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden; „[X.]“ fehlt insoweit nicht die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

An der angemeldeten Marke besteht in Bezug auf diese Ware auch kein Freihaltebedürfnis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]; denn es ist aus obengenannten Gründen nicht ersichtlich, dass sie als konkrete Angabe über Eigenschaften der unter dieser Marke angebotenen Waren dienen könnte und deswegen für die Mitbewerber der Anmelderin freigehalten werden müsste.

Die Beschwerde hat daher Erfolg.

Meta

30 W (pat) 527/11

15.12.2011

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.12.2011, Az. 30 W (pat) 527/11 (REWIS RS 2011, 339)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 339

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