Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2012, Az. V ZB 4/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6763

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

V ZB 4/11

vom

3. Mai 2012

in der Abschiebungshaftsache

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 3. Mai 2012 durch den [X.] [X.] Prof.
Dr.
Krüger, die [X.] [X.] und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die [X.]in [X.] und den [X.] Dr. Czub
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass die Beschlüsse der 5. Zivilkammer des [X.] vom 13. Dezember 2010 und des Amtsgerichts [X.] vom 3. November 2010 ihn in seinen Rechten verletzt ha-ben.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in allen Instanzen notwendigen Auslagen des Betroffenen werden dem Landkreis S.

auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens be-

Gründe:
I.
Der Betroffene, ein kosovarischer Staatsangehöriger, reiste erstmals 1988 in die [X.] ein. In der Folgezeit stellte er erfolglos mehrere Asyl(folge)anträge, wurde wiederholt abgeschoben und reiste danach wieder ein. Die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens wurde zuletzt im Februar 1
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2008 abgelehnt und der Betroffene im März 2008 erneut in den [X.].
Zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt reiste er entgegen dem mit der Abschiebung verbundenen Einreiseverbot und ohne Reisepass in die [X.] ein. Er wurde im November 2010 in L.

(Kreis S.

) [X.] und musste zunächst eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen.
Auf den Antrag des Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht M.

die Haft zur Sicherung der Abschiebung des Betroffenen für die Dauer von längstens drei Monaten angeordnet. Die gegen die Haftanordnung gerichtete Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen.
Der Betroffene befindet sich wieder in Freiheit, nachdem das [X.]

, an welches das Verfahren abgegeben worden war, den Antrag des Beteiligten zu 2 auf eine Verlängerung der Abschiebungshaft zurückgewiesen und die Haftanordnung aufgehoben hat. Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene,
die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung und des seine Be-schwerde zurückweisenden Beschlusses festzustellen.

II.
Das Beschwerdegericht bejaht die Haftgründe wegen der vollziehbaren Ausreisepflicht des Betroffenen aufgrund unerlaubter Einreise (§
62 Abs. 2 Satz
1 Nr. 1 [X.] aF) und wegen des Verdachts, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen wolle (§
62 Abs.
2 Satz
1 Nr.
5 [X.] aF). Die Haft sei auch nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] aF unzulässig. Die Identi-tät des Betroffenen sei geklärt. Da er strafrechtlich in erheblicher Weise in Er-scheinung getreten sei, [X.] er auch nicht dem Abschiebungsstopp für 2
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kosovarische Minderheiten nach dem Erlass des [X.] vom 1. Dezember 2010.

III.
Die Rechtsbeschwerde, die gemäß §
70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz
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FamFG statthaft (Senat, Beschluss vom 22.
Juli 2010 -
V
ZB
29/10, [X.] 2011, 27 Rn.
4) und auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG) ist, hat Erfolg.
1.
Die Entscheidung des Amtsgerichts und des [X.] ha-ben den Betroffenen bereits deshalb in seinen Rechten verletzt, weil es an ei-nem zulässigen Haftantrag und damit an der nach § 417 Abs. 1 FamFG
unver-zichtbaren Grundlage für die Freiheitsentziehung fehlte.
a) Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforde-rungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§
417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Fehlt es [X.], darf die beantragte [X.] nicht angeordnet werden (Senat, [X.] vom 27. Oktober 2011 -
V
ZB 311/10, Rn. 12 mwN, juris; Beschluss vom 15. September 2011
V ZB 123/11, Rn. 8 mwN, juris).
b) Die Begründung des [X.] muss auf den konkreten Fall zuge-schnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht. Danach bestim-men sich Inhalt und Umfang der notwendigen Darlegungen. Sie dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte 6
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des Falls ansprechen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 -
V
ZB 123/11, Rn. 9, juris). Hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung sind auf das Land bezogene Ausführungen erforderlich, in das der [X.] werden soll. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Ab-schiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind. Erforderlich sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durch-laufen werden können (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 -
V
ZB 311/10, Rn. 13 f., juris).
c) Der Haftantrag der Beteiligten zu 2 genügte diesen Anforderungen nicht. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht eine Verletzung der Bestimmung in §
417 Abs.
2 Satz 2 Nr. 4 FamFG, nach der im Haftantrag die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung begründet werden muss.
Dass der in dem Haftantrag des Beteiligten zu 2 dazu allein zu findende Satz, die beantragte Haft sei geeignet, erforderlich und angemessen, dem ge-setzlichen [X.] nach § 417 Satz 2 FamFG nicht genügt, bedarf nach dem Vorstehenden keiner weiteren Ausführungen. Ebenso verhält es sich hinsichtlich der -
nach der Beschwerde des Betroffenen erfolgten
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tele-fonischen Mitteilung des Beteiligten zu 2 an das Amtsgericht, es sei nicht er-sichtlich, dass die Abschiebung des Betroffenen in den [X.] nicht innerhalb der Haftdauer von drei Monaten durchgeführt werden könne. Die Behörde hat keine Tatsachen mitgeteilt, anhand derer der [X.] die Prognose nach § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] aF über die Durchführbarkeit der Abschiebung [X.] der nächsten drei Monate hätte treffen können (die auch rechtsfehlerhaft weder in der Haftanordnung noch in der Beschwerdeentscheidung vorgenom-men worden ist). In diesem Fall wären im Haftantrag Ausführungen erforderlich gewesen, welche Schritte nach dem hier einschlägigen Rückübernahmeab-10
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kommen zwischen den Regierungen der [X.] Deutschland und der Republik [X.] vom 21. April 2010 ([X.] [X.] ff.) für die Abschiebung des Betroffenen hätten unternommen werden müssen und in welchem Zeitraum diese üblicherweise durchlaufen werden. Dazu fehlte jeder Vortrag des [X.] zu 2.
2. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird nach §
74 Abs.
7 FamFG abgesehen.

IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
81 Abs.
1, §
83 Abs.
2, §
430
FamFG, §
128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Unter Berücksichtigung der Regelung in
Art. 5 [X.] entspricht es billigem Ermessen, den Kreis S.

zur
Erstattung der notwendigen Auslagen des Betroffenen zu verpflichten.
Krüger

Lemke

Schmidt-Räntsch

Stresemann

Czub
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 03.11.2010 -
103 XIV 42/10-B -

LG Münster, Entscheidung vom 13.12.2010 -
5 [X.] -

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Meta

V ZB 4/11

03.05.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2012, Az. V ZB 4/11 (REWIS RS 2012, 6763)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6763

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