Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.02.2016, Az. B 11 AL 70/15 B

11. Senat | REWIS RS 2016, 16527

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - rechtliches Gehör - Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 7. Mai 2015 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit sind die Aufhebung der [X.]ewilligung von [X.] für die [X.] bis 14.8.2000 sowie ein Erstattungsanspruch wegen gezahltem [X.] und ein Anspruch auf Ersatz der [X.]eiträge zur gesetzlichen Kranken- und [X.] Pflegeversicherung.

2

Die Klägerin meldete sich am 12.8. zum 18.8.1999 arbeitslos und beantragte [X.]. Sie gab an, aus gesundheitlichen Gründen in der Vermittlungsfähigkeit derart eingeschränkt zu sein, dass sie überhaupt nicht mehr arbeiten könne. Die [X.]eklagte bewilligte ab dem 18.8.1999 [X.] für 360 Tage ([X.]escheid vom 23.9.1999). Nachdem ein von der [X.]eklagten beauftragter Gutachter danach zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Klägerin mit gewissen qualitativen Einschränkungen überwiegend leichte Arbeiten vollschichtig ausüben könne, erklärte diese (am 12.1.2000), sie könne gleichwohl nicht arbeiten und sie stelle sich auch nicht im Rahmen des gutachtlich festgestellten Leistungsvermögens der Arbeitsvermittlung zur Verfügung.

3

Die [X.]eklagte stellte daraufhin die Zahlungen von [X.] ab dem [X.] ein und hob später die [X.]ewilligung ab diesem Zeitpunkt auf, weil die Klägerin der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe und daher nicht arbeitslos sei ([X.]escheid vom 21.1.2000). Auf den Widerspruch der Klägerin gegen diesen [X.]escheid und ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Aufhebungsentscheidung setzte die [X.]eklagte die Vollziehung des [X.] aus und teilte der Klägerin zusätzlich mit, dass sie bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens weiterhin [X.] erhalte, dieses jedoch zurückzahlen müsse, wenn der Widerspruch keinen Erfolg habe; werde bei erneuter [X.]egutachtung das vorliegende Gutachten bestätigt, sei die [X.]ewilligung von [X.] wieder zurückzunehmen ([X.]escheid vom [X.]). Den Widerspruch wies sie zurück (Widerspruchsbescheid vom [X.]).

4

[X.]ereits zum [X.] hatte die [X.]eklagte nach einer erneuten [X.]egutachtung die Zahlung wieder eingestellt, der Klägerin mitgeteilt, dass über den [X.] hinaus kein [X.] gezahlt werde und diese aufgefordert, das vom [X.] bis [X.] in Höhe von 7920,30 DM geleistete [X.] zu erstatten; außerdem habe die Klägerin die für den genannten Zeitraum erbrachten [X.]eiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu ersetzen ([X.]escheid vom 28.7.2000; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Erst nachdem sich die Klägerin in einem am [X.] bei der [X.]eklagten eingegangenen Schreiben "der Arbeitsvermittlung zur Verfügung" gestellt hatte, bewilligte die [X.]eklagte erneut [X.] ab dem [X.], das bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer gezahlt wurde.

5

Die gegen die Widerspruchsbescheide erhobenen Klagen hat das [X.] zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und nach weiteren medizinischen Ermittlungen abgewiesen (Urteil vom 22.12.2006). Das [X.] hat im [X.]erufungsverfahren - nachdem dieses wegen des anhängigen Rentenverfahrens zeitweise geruht hatte - die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 30.3.2015 - zugegangen am 7.4.2015 - zu einer beabsichtigten Entscheidung durch [X.]eschluss nach § 153 Abs 4 [X.] angehört. Nach der Mandatsniederlegung des Prozessbevollmächtigten (Schreiben vom 8.4.2015) hat das [X.] der Klägerin persönlich mitgeteilt (Schreiben vom 13.4. und 20.4.2015), dass es bei der gerichtlichen Verfügung vom 30.3.2015 verbleibe und sodann die [X.]erufung zurückgewiesen ([X.]eschluss vom 7.5.2015).

6

Gegen die Nichtzulassung der Revision im [X.]eschluss des [X.] wendet sich die Klägerin mit ihrer [X.]eschwerde. Sie rügt, das [X.] weiche im Sinne der Divergenz von Entscheidungen des [X.]SG ab, weil es weitere Ermittlungen abgelehnt habe. Zudem macht sie als Verfahrensmangel geltend, das [X.] habe nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen und seine Amtsermittlungspflicht verletzt.

7

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Eine [X.]eschwerdebegründung muss in einer dem Vertretungserfordernis nach § 73 Abs 4 [X.] genügenden Weise erkennen lassen, dass der Prozessbevollmächtigte den [X.] überprüft hat und die volle eigene Verantwortung für den Inhalt der [X.]eschwerdebegründung übernimmt (vgl [X.] § 160 [X.]). Zum Nachweis hierfür genügt es nicht, die von einer nicht postulationsfähigen Person verfasste [X.]egründung im Wesentlichen unverändert zu übernehmen ([X.] [X.] 9 V 46/15 [X.]). Vorliegend entsprechen sich die [X.]egründung des Antrags auf [X.]ewilligung von PKH für die Nichtzulassungsbeschwerde durch die Klägerin persönlich und die von ihrem [X.]evollmächtigten eingereichte [X.]eschwerdebegründung in ihrem Umfang und dem nahezu identischen Aufbau derart, dass eine sorgfältige Vorbereitung und gewissenhafte Prüfung der Erfolgsaussicht des Verfahrens durch den Prozessbevollmächtigten in eigener Verantwortung jedenfalls zweifelhaft erscheint.

8

Doch kann dies dahinstehen, denn die Nichtzulassungsbeschwerde ist schon deshalb unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]). Die [X.]eschwerde konnte daher ohne Zuziehung [X.] verworfen werden (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 [X.], § 169 [X.]).

9

Eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 [X.] ist nur dann hinreichend dargetan, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des [X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des [X.]SG, des GmSOG[X.] oder des [X.]VerfG abweicht und dass die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht (vgl dazu nur [X.]SG [X.] 3-1500 § 160a [X.] mwN).

Die [X.]eschwerdebegründung wird diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Ihr ist schon nicht zu entnehmen, dass das [X.] die sog Nahtlosigkeitsregelung des § 125 aF SG[X.] III in anderer Weise ausgelegt hätte, als das [X.]SG in den in der [X.]eschwerdebegründung zitierten Entscheidungen. Dies ist schon deshalb fernliegend, weil das [X.] die objektive Verfügbarkeit der Klägerin festgestellt, indes ihre subjektive Verfügbarkeit als Anspruchsvoraussetzung (§ 119 Abs 1 [X.] [X.] 1 aF SG[X.] III) verneint hat. Doch wird die subjektive Verfügbarkeit - wie in der [X.]eschwerdebegründung insoweit zutreffend ausgeführt - durch die Nahtlosigkeitsregelung gerade nicht fingiert. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, das [X.] hätte weitere Ermittlungen zur objektiven Verfügbarkeit anstellen müssen, beschreibt sie schon keine Divergenz sondern macht allenfalls einen Verfahrensfehler geltend.

Verfahrensmängel, auf denen die Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]), sind ebenfalls nicht ausreichend bezeichnet. Soweit die Klägerin eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, legt sie nicht hinreichend dar, warum das [X.] vorliegend gehindert gewesen sein sollte, ohne Vorliegen eines Einverständnisses durch [X.]eschluss zu entscheiden. Ein Einverständnis war nicht erforderlich, denn das [X.] hat nicht durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden, was nach § 124 Abs 2 [X.] tatsächlich das Einverständnis der [X.]eteiligten erfordert hätte, sondern gemäß § 153 Abs 4 [X.] durch [X.]eschluss. Dies setzt neben einer einstimmig für unbegründet gehaltenen [X.]erufung und der Nichterforderlichkeit einer mündlichen Verhandlung nur eine Anhörung der [X.]eteiligten voraus. Im Revisions- oder Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist in diesem Falle allein von [X.]edeutung, ob aus sachfremden Erwägungen oder aufgrund einer groben Fehleinschätzung von der mündlichen Verhandlung abgesehen wurde (vgl [X.]SG [X.] 3-1500 § 160a [X.]; [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.] 27). Vorliegend hat die Klägerin keine solchen sachfremden Erwägungen oder Fehleinschätzungen dargelegt, die unter [X.]erücksichtigung der im Urteil des [X.] im Einzelnen dargelegten Gründe eine Entscheidung gemäß § 153 Abs 4 [X.] unstatthaft erscheinen ließen.

Auch eine unzureichende Anhörung der Klägerin ist nicht dargetan. Durch das Schreiben vom 30.3.2015 hat das [X.] auf seine Absicht, durch [X.]eschluss zu entscheiden, ausdrücklich hingewiesen. Dieses Schreiben war nach § 73 Abs 6 S 6 [X.] auch - wie geschehen - an den Prozessbevollmächtigten zu richten. Dessen [X.]evollmächtigung endete nämlich erst durch Mitteilung der [X.]evollmächtigen, die Klägerin nicht mehr zu vertreten (vgl dazu [X.]SG [X.] 3-1500 § 73 [X.] 8). Im Übrigen ist die Klägerin nach der Mandatsniederlegung auch persönlich noch zweimal ausdrücklich auf das Schreiben des [X.] vom 30.3.2015, also zur beabsichtigten Entscheidung nach § 153 Abs 4 [X.], hingewiesen worden.

Soweit die Klägerin darüber hinaus rügt, das [X.] habe [X.]eweisanträge zu ihrem Gesundheitszustand übergangen und dadurch gegen § 103 [X.] (Amtsermittlungspflicht) verstoßen, legt sie schon nicht dar, welchen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, ordnungsgemäßen [X.]eweisantrag (vgl zu diesen Erfordernissen nur [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 160a Rd[X.] 16e mwN) sie gestellt haben will, dem das [X.] nicht gefolgt ist. Gerade wenn, wie hier, über fast 30 Seiten Ausführungen zur Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen gemacht werden, ist es unerlässlich, an herausgehobener Stelle - etwa zu [X.]eginn dieser Ausführungen oder zusammenfassend an deren Ende - anzugeben, wann genau im Verfahren zu welchen konkreten Tatsachen eine weitere [X.]eweisaufnahme durch welches [X.]eweismittel (Zeuge oder Sachverständiger) beantragt worden ist. Daran fehlt es hier. Den umfänglichen Ausführungen in der [X.]eschwerdebegründung zu der Erkrankung der Klägerin und deren unterschiedlicher [X.]ewertung durch behandelnde Ärzte und Gutachter in diesem und anderen Verfahren lässt sich ohne Weiteres kein in der genannten Weise hervorgehobener und konkretisierter [X.]eweisantrag entnehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 11 AL 70/15 B

08.02.2016

Bundessozialgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Konstanz, 22. Dezember 2006, Az: S 2 AL 1931/00, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 153 Abs 4 SGG, § 124 Abs 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.02.2016, Az. B 11 AL 70/15 B (REWIS RS 2016, 16527)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16527

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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