Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.02.2006, Az. III ZR 159/05

III. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5211

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 2. Februar 2006 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein BG[X.]R: ja BGB § 823 Dc, [X.]; §§ 31, 89, 831 A Zur haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit für die Verletzung der Verkehrs-sicherungspflicht im Fall der Organleihe. BG[X.], Urteil vom 2. Februar 2006 - [X.] - OLG Frankfurt am Main

LG Darmstadt - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat aufgrund der mündlichen [X.] vom 2. Februar 2006 durch [X.] und [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision des beklagten [X.] gegen das Urteil des 1. Zivil-senats des [X.] vom 30. Juni 2005 wird zurückgewiesen. [X.] hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen. Von Rechts wegen Tatbestand Ein bei der Klägerin kaskoversicherter Lkw der Firma [X.]verunglückte am 8. Juni 1998 auf der [X.] in [X.]. Das Fahrzeug brach ne-ben der Abdeckung eines Sielschachtes bis über die Achsen ein. An der [X.] hatte die P. G. Gmb[X.] & Co. KG (im Folgenden: [X.]) kurz zuvor einen Rohrgraben ausgehoben, anschließend aber nicht wieder [X.] verfüllt. 1 Die [X.] gehört zur L.

-Siedlung. Die Liegenschaft steht im Eigentum der [X.], der an dem [X.] - 3 - fahren nicht beteiligten früheren Beklagten zu 2. Die [X.] hat das Gelände den [X.] [X.] zur Nutzung überlas-sen. [X.] hatte das [X.] [X.] (künftig: St[X.]ts-bauamt) des ([X.] [X.] im Namen und für Rechnung der [X.] an [X.]vergeben. Die [X.] war nach Abschluss der Bauarbeiten ohne korrekte Verdichtungsprüfung für den Verkehr freigege-ben worden. 3 Die Klägerin regulierte den Schaden der Fahrzeughalterin [X.] . Nach erfolgloser Klage gegen [X.]beansprucht sie von dem beklagten Land, dem sie im Vorprozess den Streit verkündet hatte, Schadensersatz wegen [X.]. Sie hat gegen das beklagte Land und gegen die [X.] - letztere sollte als Auftraggeberin der Bauarbeiten für Pflichtverletzungen der Mitarbeiter des [X.] haften - als Gesamtschuldnern Klage auf Zahlung von 11.699,79 • nebst Zinsen erho-ben. 4 Das [X.] hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Berufungsge-richt hat der Klage gegen das beklagte Land bis auf einen Teil des Zinsan-spruchs stattgegeben. Die Klage gegen die [X.] hat es dagegen abgewiesen; insoweit ist das Berufungsurteil rechtskräftig. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land sei-nen Antrag, die Klage abzuweisen, weiter. 5 - 4 - Entscheidungsgründe Die Revision ist unbegründet. 6 [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt: 7 [X.] hafte aus unerlaubter [X.]andlung für das Verhalten der Mitarbeiter des [X.]. 8 Das [X.] sei unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssiche-rungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB) gehalten gewesen, die Standfestigkeit der [X.] nach dem Abschluss der Bauarbeiten zu prüfen. Weil dies pflichtwidrig unterblieben sei, sei die von der unzureichenden Verfüllung des Rohrgrabens durch [X.]ausgehende Gefahr, dass Fahrzeuge einsacken, nicht auf-gedeckt und beseitigt worden. Dem [X.] habe die Verkehrssiche-rungspflicht im Baustellenbereich obgelegen, weil es bei der Vergabe und Überwachung der Bauarbeiten verantwortlich eingeschaltet gewesen sei, die Gefahr der mangelnden Tragfähigkeit "veranlasst" habe und tatsächlich sowie rechtlich habe Abhilfe schaffen können. Es sei ohne Belang, dass das St[X.]ts-bauamt im Wege der Organleihe für die [X.] tätig ge-worden sei. Es sei weder vorgetragen noch erkennbar, dass die [X.] - von der Wahrnehmung der Fachaufsicht abgesehen - den Ein-satz der Mitarbeiter des beklagten [X.] gesteuert, sie kontrolliert oder ihnen Weisungen erteilt habe. 9 - 5 - I[X.] Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand. 10 Die Klägerin kann von dem beklagten Land - aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin - Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch Bedienstete seines [X.] verlangen (§ 67 Abs. 1 Satz 1 VVG i.V.m. § 823 Abs. 1 oder § 831 Abs. 1 BGB). 11 1. Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle oder einen gefahrdrohenden Zustand schafft oder andauern lässt, die Pflicht hat, alle ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädi-gung anderer zu verhindern (vgl. z.B. Senatsurteile vom 17. März 1983 - [X.] - [X.], 639, 640 und [X.] 121, 367, 375 ). Dieser Grundsatz greift im Streitfall Platz. 12 a) Das [X.] des beklagten [X.] schuf eine Gefahrenquelle. Es hatte das Bauunternehmen [X.] beauftragt, unter anderem die in der [X.] verlaufenden Entwässerungsrohre zu sanieren. Nach Be-endigung der Bauarbeiten war die Tragfähigkeit der [X.] nicht fachgerecht geprüft worden. Dennoch wurde die [X.] von [X.]- in Abstimmung mit dem [X.] - für den Verkehr freigegeben. Die letztere Feststellung des Berufungsgerichts wird von der Revision zwar in Frage gestellt; die Rüge bleibt aber erfolglos, weil die Revision gegenteiligen Parteivortrag nicht aufzeigt. 13 - 6 - b) Das [X.] hätte die Wiedereröffnung des Verkehrs nicht ohne sachgerechte Standfestigkeitsprüfung an der früheren Baustelle zulassen [X.]. Im Zuge der Sielbauarbeiten war in der [X.] ein Rohrgraben ausgehoben und wieder verfüllt worden. Bei einem solchen erheblichen Eingriff in den [X.]nkörper konnten sich erfahrungsgemäß durch ein natürliches Nachsacken der Verfüllmassen [X.]ohlräume unter der Fahrbahn bilden. Mit einer solchen verborgenen Gefahr hätten die - sachkundigen - Bediensteten des [X.] rechnen, ihr durch geeignete Prüfungen begegnen und [X.] schaffen müssen (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1972 - [X.] - [X.], 126, 127); solche Maßnahmen sind fahrlässig unter-blieben. 14 2. Die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des beklagten [X.] für die vorbeschriebene Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Bedienste-ten seines [X.] (§ 823 Abs. 1 i.V.m. §§ 31, 89 Abs. 1 BGB oder § 831 Abs. 1 BGB) entfällt - entgegen der Auffassung der Revision - nicht des-halb, weil das [X.] hier an die [X.] entliehe-nes Organ war. 15 a) Baumaßnahmen zur Deckung des Bedarfs der ausländischen Truppen und eines zivilen Gefolges - wie hier die Sanierung der Entwässerung auf dem Gelände der [X.] - werden in der Regel durch die für [X.]esbau-aufgaben zuständigen [X.] Behörden (und nicht durch die Behörden der Truppen und eines zivilen Gefolges) - nach Maßgabe der geltenden [X.] Rechts- und Verwaltungsvorschriften und besonderer Verwaltungsabkommen - durchgeführt (vgl. Art. 49 Abs. 2 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut, Art. 2.1 und 4.1 des deutsch-[X.] Verwaltungsabkommens - [X.] 1975 - über die Durchführung der Baumaßnahmen für und durch die in der 16 - 7 - [X.] stationierten [X.] vom 1. Oktober 1982 BGBl. [X.]). Durch gemäß § 8 Abs. 7 Satz 1 Finanzverwaltungsgesetz ([X.]) zulässige Verwaltungsvereinbarung mit dem jeweiligen Land hat der [X.] die Erledigung seiner Bauaufgaben den örtlichen [X.]behörden und die Leitung dieser Aufgaben einer [X.]vermögens- und Bauabteilung der [X.] übertragen; dabei handelt es sich, wie inzwischen durch § 8 Abs. 7 Satz 1 [X.] in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Finanzver-waltungsgesetzes und anderer Gesetze vom 14. Dezember 2001 ([X.]) klargestellt worden ist, um die Vereinbarung einer Organleihe (vgl. Stellungnahme des [X.]esrates zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Finanzverwaltungsgesetzes und anderer Gesetze sowie Gegenäußerung der [X.]esregierung [X.]. 14/6140 S. 16 und 20; [X.], Rechtsfragen der Organleihe im [X.]-Länder-Verhältnis unter besonderer Berücksichtigung der [X.]esbauverwaltung, Dissertation [X.] 1990 S. 93 ff, 111 f; siehe auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]nrecht 6. Aufl. 1999 [X.]. 15 Rn. 29). [X.] erledigte hier das [X.] des beklagten [X.] bei der Vergabe und Überwachung der Sielbauarbeiten auf dem Gelände der [X.] im Wege der Organleihe Bauaufgaben des [X.]es. b) [X.]) Das [X.] ist dadurch gekennzeichnet, dass das Organ eines Rechtsträgers ermächtigt und beauftragt wird, einen Aufgabenbe-reich eines anderen Rechtsträgers wahrzunehmen. Das entliehene Organ wird als Organ des Entleihers tätig, dessen Weisungen es unterworfen ist und dem die von diesem Organ getroffenen Maßnahmen und Entscheidungen zugerech-net werden. Der Begriff "Organleihe" hat freilich keine festen Umrisse. Unter ihn werden verschiedenartige organisatorische Erscheinungsformen eingeordnet. Wesentlich für die als Organleihe bezeichneten verwaltungsorganisatorischen Erscheinungsformen ist das Merkmal der Amtshilfe (in einem weiteren Sinne): 17 - 8 - Ein Verwaltungsträger hilft einem anderen mit seinen personellen und sächli-chen Mitteln aus, weil dieser aus [X.] entsprechende Ein-richtungen nicht schaffen will. Kennzeichnend für die Organleihe ist weiterhin, dass die "entliehene" Einrichtung Verwaltung für die "entleihende" ausübt (vgl. [X.] 63, 1, 31 f; BVerwG NJW 1976, 1468, 1469). [X.]) Die vorgenannten organisationsrechtlichen Erwägungen, die vor-nehmlich die verfassungsrechtliche Beurteilung der Organleihe, die öffentlich-rechtliche Zuordnung des Verwaltungshandelns und das Innenverhältnis der an der Organleihe mitwirkenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften betreffen, können nicht ohne weiteres auf das haftungsrechtliche Außenverhältnis (§ 823 Abs. 1 i.V.m. § 31, § 89 Abs. 1 oder § 823 Abs. 1 i.V.m. § 831 BGB) gegenüber dem durch eine Pflichtverletzung Geschädigten übertragen werden (vgl. BVerwG [X.]O S. 1470). Insoweit ist vielmehr eine Differenzierung geboten, die auf die Vielfalt der als Organleihe aufgefassten organisatorischen Ausgestal-tungen Bedacht nimmt. 18 Besteht die Organleihe darin, dass einzelne Beamte oder sonstige Be-dienstete unter (teilweiser) [X.]erauslösung aus der Organisation ihrer "[X.]" ([X.] in den "Betrieb" der "entleihenden" [X.] eingegliedert werden, so haftet bei Pflichtverletzungen eines dieser Be-diensteten, die er bei Wahrnehmung der der "entleihenden" Körperschaft oblie-genden Aufgabe begangen hat, die "entleihende" Körperschaft (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 1989 - [X.]/87 - [X.], 477 und BG[X.], Urteil vom 31. Mai 1988 - [X.] - [X.], 957, 958 ). 19 - 9 - Demgegenüber hat der Senat durch Urteil vom 2. Dezember 2004 ([X.] 161, 224, 231 f) entschieden, dass die [X.] bei der Wahrnehmung der ihr nach § 6 Abs. 1 [X.] zugewiesenen Aufgaben des [X.]es nach § 1 Nr. 4 [X.] für Amtspflichtverletzungen ihrer Mitarbei-ter haftungsrechtlich verantwortlich ist. Den Einwand der [X.], ihre Mitarbeiter hätten keine körperschaftlichen Selbstverwaltungs-aufgaben, sondern im Wege der Organleihe Aufgaben des [X.]es wahrge-nommen, hat der Senat zurückgewiesen und ausgesprochen, entscheidend sei, dass nicht zu erkennen sei, dass der [X.] - von der Wahrnehmung der [X.] abgesehen - den Einsatz der Mitarbeiter gesteuert, sie kontrolliert oder ihnen Weisungen erteilt habe. 20 cc) Bezüglich der - hier allein einschlägigen - [X.]aftung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kommt es für die haftungsrechtliche Zurechnung vor allem darauf an, wer in der Lage gewesen ist, die zur Gefahrenabwehr er-forderlichen Maßnahmen zu treffen (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 1989 [X.]O und BG[X.], Urteil vom 31. Mai 1988 [X.]O). Die Verkehrssicherungspflicht hin-sichtlich eines öffentlichen Weges beruht darauf, dass durch die Zulassung des öffentlichen Verkehrs über das [X.] von diesem Weg eine Gefahr für Dritte ausgeht. Demzufolge ist für die Beseitigung der von einem öffentlichen Weg ausgehenden Gefahr derjenige verantwortlich, der den gefährlichen Zu-stand "geschaffen" hat, indem er den Verkehr tatsächlich zugelassen hat oder hat andauern lassen, und dieser Gefahrenlage zu begegnen im Stande gewe-sen ist (vgl. Senatsurteil [X.] 16, 95 ff ). 21 - 10 - Dementsprechend trifft im Streitfall das beklagte Land die haftungsrecht-liche Verantwortlichkeit. Es ist nicht ersichtlich, dass der [X.] die Bediensteten des [X.]s - über die Fachaufsicht hinaus - steuerte, kontrollierte und ihnen Weisungen erteilte. Solche Umstände hat das Berufungsgericht, wie die Revision nicht durch Verweis auf entgegenstehenden Tatsachenvortrag entkräf-tet hat, nicht festzustellen vermocht. Vielmehr ist davon auszugehen und die Verkehrssicherungspflicht des beklagten [X.] dadurch begründet, dass des-sen [X.] die tatsächliche Verfügungsmacht über die fragliche [X.] innehatte und imstande war, der von der früheren Baustelle ausgehenden Ge-fahr für den Verkehr zu steuern. Denn es ließ nach der Beendigung der Bauar-beiten die Wiedereröffnung des Verkehrs an der fraglichen Stelle zu. [X.] ist nicht entscheidend, dass es diese tatsächliche Verfügungsmacht nicht als Träger der [X.]nbaulast oder auf der Grundlage einer gesetzlichen Aufgabenzuweisung, sondern aufgrund einer (freiwillig eingegange- 22 - 11 - nen) Verwaltungsvereinbarung mit dem [X.] erlangt hatte (vgl. BG[X.], Urteil vom 17. Januar 1989 - [X.] - NJW-RR 1989, 394, 395). [X.] [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.][X.], Entscheidung vom 30.06.2005 - 1 U 65/05 -

Meta

III ZR 159/05

02.02.2006

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.02.2006, Az. III ZR 159/05 (REWIS RS 2006, 5211)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5211

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