Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.05.2016, Az. XI ZR 46/14

11. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 11702

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Gegenstand

Befugnis des Klägers zur Aufnahme eines durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen unterbrochenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens


Leitsatz

Zu der Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Kläger befugt ist, ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren aufzunehmen, das durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen unterbrochen worden ist und mit dem sich der Kläger gegen die Abweisung einer Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde wendet, die sowohl eine Grundschuldbestellung als auch die Übernahme der persönlichen Haftung für die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe der Grundschuld, jeweils nebst Vollstreckungsunterwerfungserklärung, enthält.

Tenor

Das Verfahren ist weiterhin unterbrochen.

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich mit der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde.

2

In dieser Urkunde vom 21. November 1995 bestellte der Kläger zur Besicherung eines von der Beklagten gewährten Darlehens zu deren Gunsten eine Grundschuld in Höhe von 2.300.000 DM nebst Zinsen und Nebenleistung an einem in seinem Eigentum stehenden Grundstück und unterwarf sich wegen des Anspruchs aus der Grundschuld nebst Zinsen und Nebenleistung der sofortigen Zwangsvollstreckung in das Grundeigentum. Ferner übernahm der Kläger in der Urkunde die persönliche Haftung für die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe der Grundschuld und unterwarf sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.

3

[X.] erklärte die Beklagte die außerordentliche und fristlose Kündigung sämtlicher Darlehen, die sie dem Kläger gewährt hatte. Ferner erwirkte sie auf der Grundlage der notariellen Urkunde vom 21. November 1995 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem die Ansprüche des [X.] aus seinen Geschäftsverbindungen zu vier Kreditinstituten gepfändet wurden.

4

Mit der Klage begehrt der Kläger, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 21. November 1995 für unzulässig zu erklären. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.

5

Das beim Senat anhängige Verfahren über die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden, da das [X.] (Oder) durch Beschluss vom 29. Oktober 2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.] eröffnet hat.

6

Die Insolvenzverwalterin hat unter dem 14. April 2015 mitgeteilt, dass sie den Rechtsstreit nicht aufnehme. Mit Schriftsatz vom 22. April 2015 hat der Kläger die Aufnahme des Rechtsstreits erklärt.

II.

7

Das Verfahren ist durch die Erklärung des [X.] nicht wirksam aufgenommen worden und daher weiterhin unterbrochen.

8

1. Über einen Zwischenstreit über die Wirksamkeit der von dem Kläger erklärten Aufnahme ist im Beschwerdeverfahren entsprechend § 303 ZPO durch Beschluss zu entscheiden (vgl. [X.], Beschluss vom 31. Oktober 2012 - [X.], [X.]Z 195, 233 Rn. 5 mwN). Hier ist eine solche Entscheidung erforderlich, da der Kläger an seiner Auffassung, er habe das Verfahren wirksam aufgenommen, festhält, obwohl er darauf hingewiesen worden ist, dass dies nicht der Fall sei (vgl. [X.] ZPO/[X.], ZPO, Stand 1. März 2016, § 239 Rn. 20).

9

2. Das Verfahren ist mit der Erklärung des [X.] vom 22. April 2015 nicht wirksam aufgenommen worden.

a) Der Kläger konnte den Rechtsstreit nicht gemäß § 85 Abs. 2 [X.] aufnehmen, da es sich bei der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 21. November 1995 nicht um eine Rechtsstreitigkeit über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen handelt, die für den Kläger anhängig ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. Oktober 1973 - [X.], NJW 1973, 2065 und vom 14. August 2008 - [X.], [X.], 1941 Rn. 14; [X.]/Windel, [X.], 2007, § 85 Rn. 117). Für die Einordnung als Aktivprozess im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 1 [X.] kommt es nicht auf die Parteirolle des Schuldners, sondern auf das materielle Begehren an, also darauf, ob ein Vermögensrecht für den Schuldner und damit zu Gunsten der späteren Teilungsmasse in Anspruch genommen wird (vgl. [X.], Urteil vom 27. März 1995 - [X.], [X.], 643 f.; [X.], Beschlüsse vom 14. August 2008 - [X.], [X.], 1941 Rn. 14 und vom 4. April 2012 - [X.], BeckRS 2012, 09227 Rn. 2; [X.]/Windel, [X.], 2007, § 85 Rn. 113; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 85 Rn. 135 ff.).

b) Soweit sich der Kläger mit seiner Klage gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen der von ihm in der Grundschuldbestellungsurkunde übernommenen persönlichen Haftung wendet, ist auch eine teilweise Aufnahme nach § 86 [X.] schon deshalb nicht möglich, weil es sich insoweit nicht um einen Rechtsstreit im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 [X.] handelt. Gegenstand des Rechtsstreits ist insoweit vielmehr eine Insolvenzforderung, so dass eine Fortsetzung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nur nach §§ 174 ff., 179, 180 Abs. 2, § 184 [X.] in Betracht kommt (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juli 2014 - [X.], [X.], 1487 Rn. 9 f.; [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 240 Rn. 13 - 13b). Obwohl der Kläger darauf hingewiesen worden ist, fehlt hierzu jegliches Vorbringen. Insbesondere hat der Kläger nicht dazu vorgetragen, ob die Beklagte ihre Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet hat und - falls dies der Fall gewesen sein sollte - ob die Forderung im nachfolgenden Prüfungstermin bestritten worden ist.

c) Soweit sich der Kläger mit seinem - nicht auf den persönlichen Anspruch beschränkten - Klageantrag auch gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung wegen des dinglichen Anspruchs aus der Grundschuld wendet, liegt zwar ein Rechtsstreit im Sinne von § 86 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vor (vgl. § 49 [X.]; [X.]/Kuleisa, 5. Aufl., § 86 [X.] Rn. 9 mwN; MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., § 86 Rn. 9; [X.]/Windel, [X.], 2007, § 86 Rn. 9 mwN). Der Kläger ist diesbezüglich aber nicht zur Aufnahme befugt.

aa) Zur Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits nach § 86 Abs. 1 [X.] sind allein der Insolvenzverwalter und der [X.] befugt. Der Insolvenzschuldner ist nur dann aufnahmebefugt, wenn der Verwalter den streitbefangenen Gegenstand aus der Masse freigibt mit der Folge, dass dieser wieder in die Verwaltungs- und Verfügungsgewalt des Schuldners fällt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. Oktober 1973 - [X.], NJW 1973, 2065 und vom 27. Oktober 2003 - [X.], [X.], 2429; [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 86 Rn. 8; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 86 Rn. 22; MünchKomm[X.]/[X.], 3. Aufl., § 86 Rn. 19; [X.]/Windel, [X.], 2007, § 86 Rn. 21 f.). Liegt ein Rechtsstreit um eine Grundschuld vor, ist eine Aufnahme durch den Schuldner nur dann möglich, wenn der Insolvenzverwalter das betroffene Grundstück freigibt; allein die Freigabe des Prozesses oder der Grundschuld reicht nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Oktober 1973 - [X.], NJW 1973, 2065; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 86 Rn. 22). Eine solche Freigabeerklärung hat die Insolvenzverwalterin vorliegend nicht abgegeben. Sie hat nur mitgeteilt, dass sie den Rechtsstreit nicht aufnehme.

bb) Eine Ausnahme von der Notwendigkeit einer Freigabeerklärung der Insolvenzverwalterin folgt hier auch nicht daraus, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Februar 2016 behauptet hat, das belastete Grundstück sei mit Beschluss des Amtsgerichts vom 20. August 2014 - und damit noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens - "im Wege der Zwangsversteigerung verwertet" worden. Daraus ergibt sich nicht, dass das Zwangsversteigerungsverfahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig abgeschlossen war. Denn mit der Erteilung des Zuschlags im Versteigerungstermin ist das Zwangsvollstreckungsverfahren nicht beendet. Vielmehr ist noch die Verteilung des Erlöses notwendig (§§ 105 ff. [X.]), die die Bestimmung eines Verteilungstermins (§ 105 [X.]), die Aufstellung eines Teilungsplans (§ 113 [X.]) und dessen Ausführung voraussetzt. Bis zur Verteilung des Erlöses setzt sich ein dingliches Recht an dem versteigerten Grundstück, das nach § 91 Abs. 1 [X.] durch den Zuschlag erloschen ist, an dem Erlös als Recht auf Befriedigung aus dem [X.] fort (vgl. [X.], Urteil vom 19. September 1991 - [X.], [X.], 2117, 2118; [X.], [X.], 6. Aufl., § 91 Rn. 2, 4; [X.] in Kindl/[X.]Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 91 [X.] Rn. 2, 6). Sofern das von der Beklagten als Grundschuldgläubigerin betriebene Vollstreckungsverfahren im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des [X.] noch nicht durch Verteilung des Erlöses abgeschlossen war, ist es nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen worden, sondern konnte gegenüber der Insolvenzverwalterin fortgeführt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 14. April 2005 - [X.], [X.], 1324, 1326; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 165 [X.] Rn. 26; MünchKomm[X.]/Tetzlaff, 3. Aufl., § 165 Rn. 42 f., 46; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 165 Rn. 3).

Ellenberger                       [X.]

                     Derstadt                           [X.]

Meta

XI ZR 46/14

10.05.2016

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 16. Januar 2014, Az: 5 U 45/12

§ 240 ZPO, § 767 ZPO, § 794 Abs 1 Nr 5 ZPO, § 797 ZPO, § 85 InsO, § 86 InsO, § 180 Abs 2 InsO, § 184 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.05.2016, Az. XI ZR 46/14 (REWIS RS 2016, 11702)

Papier­fundstellen: WM 2016, 1070 REWIS RS 2016, 11702

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