Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.07.2019, Az. B 13 R 3/18 B

13. Senat | REWIS RS 2019, 5484

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Gegenstand

(Sozialgerichtsverfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung prozessualer Fragen - keine Umgehung von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 22. November 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

[X.] In dem der Beschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit hat das [X.] mit Urteil vom 22.11.2017 einen Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen Erwerbsminderung wie auch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf Verfahrensmängel sowie auf die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits (Zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 [X.] und [X.] [X.]).

3

I[X.] Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 [X.] [X.] keinen [X.] hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

4

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 [X.] die Revision gegen eine Entscheidung des [X.] nur dann zulassen, wenn

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]) oder

-       

die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht ([X.]) oder

-       

bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden ([X.]).

5

Dass die Klägerin das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]2 RdNr 4; [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 96/10 - [X.] 4-1500 § 178a [X.]1 Rd[X.]8 mwN).

6

1. Die Klägerin macht zunächst geltend, das [X.]-Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 [X.] [X.]), weil das [X.] Beweisanträge zu Unrecht übergangen habe.

7

Die Geltendmachung eines solchen Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 103 [X.] ([X.]) kann gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] nur darauf gestützt werden, dass das [X.] einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zudem kann ein in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich oder - wie hier - durch einen Rentenberater vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl BSG Beschluss vom [X.] - [X.]a [X.]/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]3 Rd[X.]1 mwN; ferner [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 160 Rd[X.]8c mwN). Daran fehlt es.

8

Zwar behauptet die Klägerin unter Verweis auf die Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 22.11.2017 einen Beweisantrag auf Einholung eines kardiologischen Gutachtens gestellt zu haben. Sie legt jedoch nicht dar, wie dieser Beweisantrag genau formuliert worden ist. Dies ist allerdings erforderlich, denn nur aufgrund der genauen Formulierung des Antrags kann das Beschwerdegericht überprüfen, ob es sich um einen ordnungsgemäßen Beweisantrag iS der § 118 Abs 1 S 1 [X.], § 403 ZPO handelt. Ein zu einer Zulassung der Revision führender Beweisantrag kann grundsätzlich nur ein solcher sein, der das Beweisthema möglichst konkret angibt und insoweit wenigstens umreißt, was die Beweisaufnahme ergeben soll ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 160 Rd[X.]8a mwN). Entsprechende Angaben fehlen in der Beschwerdebegründung. Insoweit genügt es nicht, wenn die Klägerin ausführt, die Beweisanträge hinsichtlich der Spiroergometrie und der [X.] seien ausdrücklich aufrechterhalten worden. Ebenso wenig legt die Klägerin dar, dass die mit Schriftsatz ihres damaligen Bevollmächtigten vom 21.11.2017 beantragte Einholung ergänzender Stellungnahmen von [X.] und [X.]. bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten worden ist und sich dies in einem Hinweis zu Protokoll oder im Urteil des [X.] wiederspiegelt.

9

2. Unzulässig ist die Beschwerde auch, soweit die Klägerin sie auf Verfahrensfehler des [X.] in Form des Verstoßes "gegen elementare Erfahrungssätze" ([X.]-22 der Beschwerdebegründung) stützt. Zwar können durch Verstöße gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze die Grenzen der freien Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 S 1 [X.] überschritten sein, was zur Aufhebung des Urteils in der Revision führen kann (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 128 Rd[X.]0 ff). Jedoch übersieht die Klägerin, dass gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision - anders als die Revision selbst - nicht auf einen solchen Verfahrensmangel wegen Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 [X.] gestützt werden kann.

3. Schließlich genügt die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen aus § 160a Abs 2 [X.] [X.], soweit sich die Klägerin auf die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) beruft.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.], wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit ([X.]keit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom [X.] - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN).

a) Die unter den Punkten [X.] bis V. ([X.] bis 33 der Beschwerdebegründung) formulierten Fragen erfüllen die Zulässigkeitsanforderungen schon deshalb nicht, weil sie sich alle auf den Umfang der Amtsermittlungspflicht und deren Grenzen, insbesondere im Zusammenhang mit seltenen Erkrankungen beziehen. [X.] wären diese Fragen nur, wenn das [X.] den im Revisionsverfahren festzustellenden Maßstäben nicht genügt hätte und das angegriffene Urteil somit wegen Verletzung des § 103 [X.] verfahrensfehlerhaft wäre. Zwar können prinzipiell auch prozessuale Fragen grundsätzliche Bedeutung haben und eine Rechtsfortbildung im Verfahrensrecht erfordern. Dies darf aber nicht zur Umgehung von § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] führen, soweit dieser die Nachprüfbarkeit von Verfahrensmängeln einschränkt (BSG Beschluss vom [X.] KR 83/11 B - Juris Rd[X.]4; BSG Beschluss vom 12.10.2017 - [X.] V 32/17 B - Juris Rd[X.]2). Die Klägerin hat indes keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnet (siehe oben unter 1.). Damit ist ihr gleichzeitig der Weg versperrt, die damit zusammenhängenden prozessualen Fragen erfolgreich zum Gegenstand einer Grundsatzrüge zu machen.

b) In Bezug auf die unter V[X.] formulierte Frage kann dahinstehen, ob sie bereits deshalb den Zulässigkeitsanforderungen nicht genügt, weil mit ihr möglicherweise die Beschränkung bzw der Ausschluss der Rüge einer Verletzung der §§ 103, 128 Abs 1 S 1 [X.] durch § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] umgangen würde. Jedenfalls hat die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage entgegen § 160a Abs 2 [X.] [X.] nicht dargelegt.

Die Klägerin misst folgender Frage grundsätzliche Bedeutung zu:

"Können sich qualitative Einschränkungen der Leistungsfähigkeit im Einzelfall so aufsummieren und kumulieren, das quantitative Einschränkungen daraus entstehen?"

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 [X.]) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den folgenden Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat. Jedenfalls versäumt sie es, überhaupt auf die umfangreiche und aktuelle Rechtsprechung des BSG zur Summierung von Leistungseinschränkungen (zB BSG Urteil vom [X.] - B 5 R 68/11 R - [X.] 4-2600 § 43 [X.]8; BSG Urteil vom 19.10.2011 - [X.] R 78/09 R - [X.], 189 = [X.] 4-2600 § 43 [X.]6; BSG Beschluss vom 19.10.2011 - [X.] R 135/11 B - Juris Rd[X.]2 ff, jeweils mwN) einzugehen. Daher arbeitet sie - anders als erforderlich - nicht heraus, dass die von ihr formulierte Frage hierdurch noch nicht beantwortet wäre. Allein die Behauptung, es sei "eine Klärung in neuerer Rechtsprechung" nötig, genügt nicht zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Auch die erneute Klärungsbedürftigkeit einer bereits geklärten Rechtsfrage kann so nicht dargetan werden (vgl zu den diesbezüglichen Anforderungen BSG Beschluss vom 2.8.2018 - [X.] ÜG 7/18 B - Juris RdNr 8 mwN).

4. An einer zulässigen Begründung der Beschwerde fehlt es zudem, wenn sich die Klägerin auf der letzten Seite der Begründung vom [X.] auf eine "Verfassungsrechtliche Argumentation" stützt. Sie lässt schon nicht erkennen, welchen der Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 [X.] sie damit geltend machen will. Allenfalls käme erneut der [X.] der grundsätzlichen Bedeutung in Betracht. Allerdings gilt insoweit, dass sich die Beschwerdebegründung nicht auf die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit beschränken darf, wenn mit ihr ein Verfassungsverstoß geltend gemacht wird. Vielmehr ist unter Berücksichtigung und Auswertung der Rechtsprechung des [X.] und des BSG zu der oder den als verletzt erachteten Verfassungsnormen in substanzieller Argumentation darzulegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - [X.], 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]1; ferner zB BSG Beschluss vom 24.7.2018 - [X.] R 23/18 B - Juris RdNr 8 mwN). Daran mangelt es vorliegend.

5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 [X.] durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.].

Meta

B 13 R 3/18 B

15.07.2019

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Bayreuth, 11. April 2014, Az: S 16 R 1048/10, Gerichtsbescheid

§ 103 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.07.2019, Az. B 13 R 3/18 B (REWIS RS 2019, 5484)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5484

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1 BvR 96/10

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