Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2005, Az. IV ZR 200/02

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 5428

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL IV ZR 200/02

Verkündet am:

19. Januar 2005

[X.]

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

- 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2005

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 16. Mai 2002 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der [X.] eine höhere Zusatzrente mit Wirkung ab 1. Januar 2001.

Er ist am 29. November 1937 geboren und war wegen seiner Tä-tigkeit im öffentlichen Dienst bei der beklagten Versorgungsanstalt versi-chert. Seit 1. April 1999 bezieht der Kläger eine Versorgungsrente für Versicherte von der [X.]. Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Dop-pelbuchst. [X.] ihrer Satzung (im folgenden: [X.]) in der für die Berech-nung der Rentenhöhe des [X.] maßgebenden Fassung [X.] die Beklagte für den Faktor der gesamtversorgungsfähigen [X.], von dem die Höhe ihrer Zusatzrente abhängt, außer den [X.], in denen ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Umlagezahlungen - 3 -

an die Beklagte für die Altersversorgung des bei ihm beschäftigten [X.] beigetragen hat, darüber hinaus andere [X.]en, die (über die [X.] hinaus) der gesetzlichen Rente des [X.] zugrunde liegen, nur zur Hälfte (sog. Halbanrechnungsgrundsatz). Dementsprechend hat die Beklagte von den Monaten, die der Kläger in der gesetzlichen Ren-tenversicherung zurückgelegt hat, zunächst die Monate abgezogen, in denen sein Arbeitgeber Umlagen an die Beklagte gezahlt hat; aus der Hälfte der verbleibenden Monate sowie den [X.] setzt sich danach die gesamtversorgungsfähige [X.] zusammen.

Andererseits war nach der seinerzeit geltenden Satzung bei der Berechnung der Versorgungsrente grundsätzlich von der vollen Höhe der an den Kläger gezahlten gesetzlichen Rente auszugehen; diese wurde durch die von der [X.] gewährte Zusatzversorgung lediglich inso-weit aufgestockt, wie die gesetzliche Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamtversorgung zurückblieb (§ 40 Abs. 1 [X.] a.F.). Das [X.] hat in dieser vollen Berücksichtigung der gesetzlichen Rente trotz einer nur hälftigen Anrechnung von [X.] einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne ([X.], 835 = NJW 2000, 3341).

Der Kläger hat daher beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihm ab 1. Januar 2001 eine Versorgungsrente für [X.] auf der Grundlage einer auch sämtliche Vordienstzeiten voll be-rücksichtigenden gesamtversorgungsfähigen [X.] zu gewähren, bis eine neue, die Regelung der Vordienstzeiten ändernde Satzung in [X.] trete. - 4 -

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der [X.] erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts gehören Berechtigte, die - wie der Kläger - am 31. Dezember 2000 schon Renten von der [X.] bezogen haben, nicht zu dem Personenkreis, für den das [X.] die streitige Regelung beanstandet hat. Selbst wenn man aber annehme, daß auch für diese Gruppe von [X.] die Halbanrechnung unzulässig und die Satzung insoweit [X.] sei, könne die Klage keinen Erfolg haben. Denn es stehe eine Grundentscheidung der beteiligten [X.] in Frage, die jedenfalls hier nicht vom Gericht im Wege ergänzender Auslegung eines lückenhaft gewordenen Vertrages geschlossen werden könne. Die Beklagte könne ihr Grundleistungsangebot nicht selbst gestalten, sondern müsse ein von den [X.] ausgehandeltes Ergebnis umsetzen, das notwendig kompromißhafte Züge trage und deshalb einer Auslegung unter dem Ge-sichtspunkt der Systemgerechtigkeit kaum zugänglich sei. Die vom Klä-ger geforderte zusätzliche Leistung sei, wenn man ihre finanziellen [X.] auf die Beklagte abschätze, nicht etwa nur als Abrundung ih-res Angebots zu werten, sondern erschüttere die Beklagte in ihrer wirt-schaftlichen Substanz. Deshalb müsse als mögliche Neuregelung auch in - 5 -

Betracht gezogen werden, daß Vordienstzeiten bei der Berechnung der von der [X.] gezahlten Zusatzrente überhaupt nicht mehr berück-sichtigt werden könnten.

Im [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.] lag der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 vor, der das bisherige Gesamtversorgungssystem der [X.] durch ein an den Grundsatz der Betriebstreue anknüpfendes Punktemodell ersetzt; Vor-dienstzeiten werden - abgesehen vom Bestandsschutz - nicht mehr [X.] (vgl. [X.], [X.], 37. Ergänzungslieferung August 2002 Teil [X.]. 5). Im Hinblick darauf hat das Berufungsgericht keinen Anlaß gesehen, die Satzung etwa wegen Untätigkeit der [X.] [X.] auszulegen.

2. Dem ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen, wie der Senat be-reits in seinem Urteil vom 26. November 2003 ([X.]/02 - [X.], 183) entschieden hat.

a) Am 19. September 2002 hat die Beklagte ihre Satzung mit [X.] ab 1. Januar 2001 geändert. Nach der Übergangsregelung in § 75 Abs. 2 der Neufassung werden die nach bisherigem Satzungsrecht ge-zahlten Versorgungsrenten grundsätzlich als Besitzstandsrenten weiter-gezahlt und entsprechend § 39 der [X.] an [X.] zum 1. Juli um 1% erhöht. Die vom Kläger geforderte volle Anrech-nung der Vordienstzeiten ist nach wie vor nicht vorgesehen. - 6 -

b) Das [X.] hat in seinem Beschluß vom 22. März 2000, auf den sich der Kläger stützt, die Verfassungsbeschwer-de einer 1921 geborenen Rentnerin, die seit Anfang 1983 Leistungen von der [X.] erhielt und im Ausgangsverfahren erfolglos deren Er-höhung wegen Unwirksamkeit von Satzungsbestimmungen verlangt [X.], nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit sich die Beschwerde-führerin gegen die volle Berücksichtigung ihrer Sozialversicherungsrente bei der Bestimmung der Höhe der Zusatzversorgung einerseits, aber die nur halbe Berücksichtigung von [X.]en vor Aufnahme ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst andererseits gewandt hatte, hat das Bundesverfas-sungsgericht die Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppel-buchst. [X.] [X.] a.F. zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG beanstandet, eine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin aber "(noch) nicht" festgestellt. Die Ungleichbehandlung sei zwar gravierend, halte sich derzeit jedoch noch im Rahmen einer zulässigen Generalisierung. Der [X.] sei wegen der hochkomplizierten Materie zu gewis-sen Vereinfachungen gezwungen. Dabei dürfe er Ungleichbehandlungen in Kauf nehmen, solange davon nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen sei. Das treffe auf die Rentnergeneration der Be-schwerdeführerin zu, wie das [X.] feststellt.

Für die jüngeren Versichertengenerationen sei ein bruchloser Ver-lauf der [X.] im öffentlichen Dienst angesichts stark [X.] Teilzeitarbeit und einer stärkeren Diskontinuität des [X.] allerdings nicht mehr in hinreichender Weise typisch. Angesichts dieser Entwicklung könne die Benachteiligung der Rentner durch volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei nur hälftiger Berücksichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit im Rah-- 7 -

men der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht länger als bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden. Zu diesem [X.]punkt sei die Beklagte durch die Entscheidung [X.] 98, 365 = [X.], 600 ohnehin zu einer grundlegenden Änderung ihrer Satzung gezwungen.

c) Dieser Beschluß des [X.]s mag bei den Rentenempfängern der [X.] die Erwartung geweckt haben, ihnen stehe vom [X.] an eine höhere Rente zu, wie sie sich bei voller Be-rücksichtigung der Vordienstzeiten aus der früher geltenden Fassung der [X.] ergeben würde. Der Kläger des vorliegenden Verfahrens gehört jedoch nicht zu jenen jüngeren Versichertengenerationen, für die die [X.] Halbanrechnung nach Auffassung des Bundesverfassungsge-richts nicht mehr hinnehmbar ist. Das [X.] hat die Halbanrechnung trotz verfassungsrechtlicher Bedenken noch als zuläs-sige Typisierung und Generalisierung im Rahmen einer komplizierten Materie angesehen, weil ein bruchloser Verlauf der [X.] im öffentlichen Dienst erst für die jüngeren Versichertengenerationen nicht mehr hinreichend typisch sei. Bis zum Ablauf des Jahres 2000 kön-ne die Halbanrechnung aber noch hingenommen werden. Mithin ist das [X.] davon ausgegangen, daß alle Versicherten, die vor Ablauf des Jahres 2000 Rentner bei der [X.] geworden sind, noch zu denjenigen Generationen zählen, für die ein bruchloser Verlauf der (bei Rentenbeginn abgeschlossenen) [X.] als typisch angesehen werden kann. Soweit die Versicherten im Revisions-verfahren diese Annahme des [X.]s mittels stati-stischen Materials und unter Berufung auf ein einzuholendes Sachver-ständigengutachten in Zweifel gezogen haben, ist dies in bezug auf die - 8 -

rein wertende Abgrenzung der Versichertengenerationen durch das [X.] unerheblich. Der Kläger bezieht seit 1. April 1999 eine Zusatzrente von der [X.]. Für ihn und für die Generation, der er angehört, ist die Halbanrechnung der Vordienstzeiten also noch hin-zunehmen.

Die Unterscheidung, die das [X.] zwischen der Rentnergeneration der dortigen Beschwerdeführerin einerseits und den jüngeren Versichertengenerationen andererseits trifft, verlöre ihren Sinn, wenn auch Personen, die vor dem Stichtag schon Rentner bei der [X.] waren, nach dem Stichtag als Angehörige der jüngeren [X.]ngenerationen hätten gelten sollen. Daß auch die Beschwerdefüh-rerin (und nicht nur die am Verfahren vor dem [X.] nicht beteiligten jüngeren Versichertengenerationen) vom Stichtag an ei-nen Anspruch auf Änderung der sie benachteiligenden, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Satzungsbestimmungen gehabt hätte, ist nicht ersichtlich.

d) Der Senat folgt dem [X.] darin, daß die Anwendung des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] [X.] a.F. bei der Berechnung der Versorgungsrente für solche Versicherte, die - wie der Kläger - bis zum 31. Dezember 2000 rentenberechtigt ge-worden sind, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Auch ein Verstoß gegen §§ 9 [X.], 307 BGB liegt nicht vor. Dabei kann auf sich beru-hen, ob den Erwägungen des [X.]s zur Ungleich-behandlung der von der Halbanrechnung betroffenen Versichertengruppe trotz der Kritik der [X.] in jedem Punkt zu folgen ist (vgl. auch Heb-ler, [X.], 337 ff. und [X.], [X.], 1226, 1230 ff.). Denn - 9 -

mit dem [X.] ist der Senat der Auffassung, daß - ist mit der Halbanrechnung eine Ungleichbehandlung gegenüber denje-nigen Versicherten verbunden, die ihr ganzes Berufsleben im öffentli-chen Dienst verbracht haben - sich die Ungleichbehandlung jedenfalls im Rahmen einer zulässigen Typisierung und Generalisierung einer kompli-zierten, eine sehr große Gruppe von Versicherten betreffenden Materie hielt. Diese Ungleichbehandlung hat ein Versicherter, der bis zum Ablauf des Jahres 2000 [X.] geworden ist, nicht zuletzt auch im Interesse der Erhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versorgungsträgers hinzunehmen, selbst wenn für die Zukunft eine an-dere, die Ungleichbehandlung für zukünftige Rentenempfänger vermei-dende Regelung zu treffen ist.

e) Der Kläger wird auch gegenüber Versicherten, deren Rente sich nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Neufassung der [X.] richtet, nicht in rechtlich erheblicher Weise benachteiligt. Das Niveau der von der [X.] in Zukunft aufgrund ihrer neuen Satzung zu leistenden Renten ist generell niedriger als bisher; den Berechtigten wird daneben eine ergänzende Altersvorsorge angeboten, die aus eigenen Beiträgen aufgebaut werden muß. Daß der Kläger trotz der dynamisierten Besitz-standsrente, die er nach § 75 Abs. 2 [X.] n.F. erhält, wirtschaftlich im Ergebnis schlechter stehe als Berechtigte, deren Rente nach neuem Satzungsrecht ohne Rücksicht auf Vordienstzeiten außerhalb des [X.] Dienstes berechnet wird, ist von ihm weder dargetan noch ersicht-lich. Der in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten vom Bundesverfas-sungsgericht gesehene Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz ist für die Zukunft ausgeräumt. Im Hinblick darauf stehen Rentenempfängern alten Rechts wie etwa dem Kläger über die Wahrung ihres Besitzstandes - 10 -

hinaus auch in der Übergangszeit nach dem 31. Dezember 2000 keine weitergehenden Ansprüche aus Gründen der Gleichbehandlung zu.

f) Entgegen der Ansicht der Revision haben sich die [X.] schließlich auch nicht durch die Vereinbarung, eine bundesge-richtliche Entscheidung zugunsten einer höheren als der in der Über-gangsregelung der neuen Satzung vorgesehenen Rente zugunsten aller davon Betroffenen umzusetzen, darauf verständigt, die Entscheidung über Halb- oder Vollanrechnung den Gerichten vorzubehalten. Damit wird lediglich zum Ausdruck gebracht, daß einer solchen Entscheidung sogar rückwirkend Folge geleistet werden soll.

[X.] [X.] [X.]

Dr. [X.]

[X.]

Meta

IV ZR 200/02

19.01.2005

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2005, Az. IV ZR 200/02 (REWIS RS 2005, 5428)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5428

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