Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.10.2012, Az. 20 W (pat) 37/08

20. Senat | REWIS RS 2012, 2320

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – "Digitales Hoch- und Tiefpaßfilter" – zur Streichung einer Merkmalsgruppe in einem Patentanspruch, die als zwingend zur Erfindung gehörend offenbart ist – unzulässige Erweiterung des Gegenstandes der Anmeldung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 44 18 164.7-35

hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden [X.]. Dr. [X.], die Richterin [X.] sowie [X.] und Dipl.-Ing. Kleinschmidt

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 25. Mai 1994 eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Digitales Hoch- und Tiefpaßfilter" ist im Verfahren vor dem [X.] von der Prüfungsstelle für [X.] durch Beschluss vom 22. April 2008 zurückgewiesen worden. Die Prüfungsstelle hat ihre Entscheidung damit begründet, dass die beanspruchte Erfindung in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne (§ 48 Abs. 1 i. V. m. § 45 Abs. 1 und § 34 Abs. 4 PatG).

2

Der Zurückweisung lagen die ursprünglich eingereichten Unterlagen und insbesondere die ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1 bis 4 zugrunde.

3

Die selbständige Anspruch 1 lautet:

4

dadurch gekennzeichnet,o)+b1(w+wo) aufweist, wobei b1(w-wo) aus [X.]) gebildet ist und [X.]) die Phasenfunktion eines [X.] eines approximativ linearphasigen bireziproken Brückenwellendigitalfilters, w die Kreisfrequenz und wo eine festgelegte Kreisfrequenz darstellt."

5

Wegen des Wortlauts der [X.] wird auf die ursprüngliche Anmeldung in der Amtsakte verwiesen.

6

Die Prüfungsstelle verweist in ihrem Zurückweisungsbeschluss zum Stand der Technik auf die Druckschriften:

7

[X.]] [X.], [X.]: Dämpfungsentzerrung von Audiokanälen mit Brücken-Wellendigitalfiltern. Dissertation, Universität Paderborn, 1989, Seiten 81 bis 125;

8

D2] SCHÜSSLER, [X.]: Digitale Signalverarbeitung, Band I, 2. Auflage, [X.] [u. a.] : [X.], 1988, Seiten 266 bis 300;

9

D3] [X.], [X.]: Optimierungsverfahren, [X.]: Hüthig-Verlag, 1976, Seiten 84 bis 86;

[X.]] [X.] 36 27 676 A1.

Gegen den ihr am 10. Mai 2008 zugestellten Zurückweisungsbeschluss hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 16. Mai 2008, eingegangen im [X.] am 21. Mai 2008, Beschwerde eingelegt, ohne diese näher zu begründen.

Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2012 hat die Beschwerdeführerin ihre auf die Patenterteilung in der ursprünglich eingereichten Fassung gerichteten Anträge aus dem Prüfungsverfahren unverändert aufrechterhalten (Hauptantrag) und die Anmeldung hilfsweise mit einer Anspruchsfassung weiterverfolgt, in der die von der Prüfungsstelle als nicht nacharbeitbar bezeichneten Merkmale sowie die abhängigen Ansprüche gestrichen worden seien.

Zur mündlichen Verhandlung ist die ordnungsgemäß geladene Beschwerdeführerin - wie zuvor von ihr in ihrem Schriftsatz vom 12. Oktober 2012 angekündigt - nicht erschienen.

Sinngemäß beantragt die Anmelderin und Beschwerdeführerin,

den Beschluss der Prüfungsstelle für [X.] des [X.]s vom 22. April 2008 aufzuheben und das nachgesuchte Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche:

Patentansprüche 1 bis 4 vom Anmeldetag (25. Mai 1994)

Beschreibung:

Beschreibungsseiten 1 bis 15 vom Anmeldetag (25. Mai 1994)

Zeichnungen:

Figuren 1 bis 3 vom Anmeldetag (25. Mai 1994).

Patentanspruch:

Einziger Patentanspruch vom 12. Oktober 2012

Beschreibung und Zeichnungen wie Hauptantrag.

Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist in rechter Frist und Form unter Zahlung der Beschwerdegebühr eingelegt worden.

Die Beschwerde ist aber unbegründet. Sie ist zurückzuweisen, da sich der Gegenstand der Anmeldung in keiner der beanspruchten Fassungen als patentfähig erweist.

1. Mit dem [X.] wird ein Hoch- und Tiefpassfilter bereitgestellt, das gegenüber dem Stand der Technik den Vorteil haben soll, dass die Grenzfrequenz des Tief- und Hochpassfilters über eine einfache Änderung von Filterkoeffizienten einstellbar sei und die Phase im [X.] ein lineares Verhalten aufweise. Zudem sei die Breite des Übergangsbereichs unabhängig von der Grenzfrequenz (Beschreibung Seite 1, Zeile 32 bis Seite 2, Zeile 1).

Der [X.] richtet sich seinem technischen Inhalt nach an einen universitär ausgebildeten Elektrotechniker mit besonderen Kenntnissen auf dem Gebiet der digitalen Signalverarbeitung.

2. zum Hauptantrag

a) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 weist die folgenden Merkmale auf:

[X.] Digitales Hoch- und Tiefpaßfilter

M2 mit einem Eingang, der mit einem Zeitverzögerungsglied (2) und mit einem Allpaß (1) verbunden ist,

[X.] wobei ein Ausgang des [X.] (1) mit einem ersten [X.] (3) und einem zweiten [X.] (5) verbunden ist, wobei

M4 der Ausgang des Zeitverzögerungsgliedes (2) mit dem zweiten Eingang des ersten [X.]s (3) und mit einem Eingang eines [X.] (4) verbunden ist, wobei

M5 ein Ausgang des [X.] (4) mit einem zweiten Eingang des zweiten [X.]s (5) verbunden ist, wobei

M6 der Ausgang des ersten [X.]s (3) ein Tiefpaßsignal ausgibt und

[X.] der Ausgang des zweiten [X.]s (5) ein Hochpaßsignal ausgibt,

dadurch gekennzeichnet, daß

[X.] das Zeitverzögerungsglied eine Zeitverzögerung um (2n-1) [X.] eines digitalen Eingangssignales durchführt, daß

[X.] der Allpaß eine Phasenfunktion [X.])=b1(w-wo)+b1(w+wo) aufweist, wobei

[X.].1 b1(w-wo) aus [X.]) gebildet ist und

[X.] [X.]) die Phasenfunktion eines [X.] eines approximativ linearphasigen bireziproken Brückenwellendigitalfilters,

[X.].3 w die Kreisfrequenz und

[X.].4 wo eine festgelegte Kreisfrequenz darstellt.

b) Der Senat legt den Anspruch 1 und seine Merkmale wie folgt aus:

[X.] entspricht (Merkmale [X.], [X.] bis [X.]),

Abbildung

1(Y) und S2(Y) der beiden Allpassschaltungen konkretisiert. Insbesondere tritt an die Stelle der allgemeinen Funktion S2(Y) ein Zeitverzögerungsglied (Merkmal M2) mit einer Zeitverzögerung von (2n-1) [X.] (Merkmal [X.]). Anmeldungsgemäß wird außerdem für die andere Funktion S1(Y) die Phasenfunktion "[X.])" näher definiert (Merkmale [X.] bis [X.].4). Die [X.] wird nicht näher betrachtet.

[X.] die Variable "n" verwendet wird, ohne dass diese im Anspruch näher definiert ist, so handelt es sich gemäß der Beschreibung bei dem Wert "2n" um den Grad des [X.] (Seite 3, Zeilen 29-32). Eine breitere Auslegung des Sinngehalts der Variable "n", insbesondere dahingehend, dass die Größe "n" jeden beliebigen Wert annehmen kann, kommt angesichts der insoweit zugrunde zu legenden "Lexikonfunktion" der Beschreibung nicht in Betracht.

[X.].4 "wo eine festgelegte Kreisfrequenz darstellt", geht der Senat davon aus, dass die Größe wo nicht als beliebig festgelegte Kreisfrequenz aufgefasst werden kann, sondern einschränkend zu berücksichtigen ist, dass es sich um eine reelle Konstante in dem Intervall zwischen 0 und p handelt, die durch die Grenzfrequenz wc des Filters über die Beziehung wc = p - wo festgelegt ist (vgl. Beschreibung Seite 3, Zeilen 20-23).

c) Ein Hoch- und Tiefpassfilter mit allen Merkmalen des Patentanspruchs 1 konnte im Stand der Technik nicht nachgewiesen werden. Jedenfalls unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 vom Stand der Technik durch die Merkmalsgruppe [X.].

[X.].3 und [X.].4 zwar noch klar, die Lehre der Merkmale [X.], [X.].1 und [X.] kann vom Fachmann jedoch nicht umgesetzt werden.

An keiner Stelle der Anmeldeunterlagen als Ganzes ist erläutert, wie die Phasenfunktion [X.]) gebildet wird. Insbesondere ist nicht offenbart, wie die Funktion auf der Grundlage der Phasenfunktion [X.]) eines [X.] eines approximativ linearphasigen bireziproken [X.] gebildet wird oder gebildet werden kann. Schon die Angabe "Phasenfunktion eines [X.] eines approximativ linearphasigen bireziproken [X.]", die die Grundlage für die Phasenfunktion [X.]) bilden soll, gibt dem Fachmann keine hinreichenden Hinweise darauf, welcher Art die Funktion ist und welche Eigenschaften sie hat. Folglich ist er durch die Anmeldung nicht in die Lage versetzt, die Erfindung auszuführen.

d) Da die Anmelderin die Erteilung des Patents im Umfang des ursprünglichen Anspruchssatzes begehrt und sich der Patentanspruch 1 als nicht patentfähig erweist, ist die Zurückweisung der gesamten Anmeldung zu Recht ergangen. Die Unteransprüche 2 bis 4 rechtfertigen keine andere Beurteilung, da sie durch den direkten oder indirekten Rückbezug auf den Patentanspruch 1 an dessen Mangel teilhaben.

3. zum Hilfsantrag

a) Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet unter Hinzufügung einer Merkmalsgliederung wie folgt:

[X.] Digitales Hoch- und Tiefpaßfilter

M2 mit einem Eingang, der mit einem Zeitverzögerungsglied (2) und mit einem Allpaß (1) verbunden ist,

[X.] wobei ein Ausgang des [X.] (1) mit einem ersten [X.] (3) und einem zweiten [X.] (5) verbunden ist, wobei

M4 der Ausgang des Zeitverzögerungsgliedes (2) mit dem zweiten Eingang des ersten [X.]s (3) und mit einem Eingang eines [X.] (4) verbunden ist, wobei

M5 ein Ausgang des [X.] (4) mit einem zweiten Eingang des zweiten [X.]s (5) verbunden ist, wobei

M6 der Ausgang des ersten [X.]s (3) ein Tiefpaßsignal ausgibt und

[X.] der Ausgang des zweiten [X.]s (5) ein Hochpaßsignal ausgibt,

dadurch gekennzeichnet, daß

[X.] das Zeitverzögerungsglied eine Zeitverzögerung um (2n-1) [X.] eines digitalen Eingangssignales durchführt.

b) Der Anspruch 1 umfasst mithin lediglich die Merkmale [X.] bis [X.] des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag. Mit der Streichung der Merkmalsgruppe [X.] (Merkmale [X.] bis [X.].4) wurden aber Merkmale aus dem Anspruch gestrichen, die den ursprünglichen Unterlagen als zwingend zur Erfindung gehörend offenbart waren. Die Angabe der Phasenfunktion "[X.])" des [X.] war für die Erfindung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung essentiell. Ausgehend von der bekannten Grundstruktur des Brückenwellendigitalfilters war es nämlich gerade Gegenstand der Erfindung, wie die Phasenfunktion konkret ausgestalte sein soll. Die nunmehrige Streichung hat zur Folge, dass der Gegenstand der Anmeldung erweitert wird, was den Anforderungen des § 38 PatG zuwiderläuft.

[X.], [X.].1 und [X.] in den ursprünglichen Unterlagen lediglich in einer Weise offenbart waren, die eine Ausführung durch den Fachmann nicht ermöglichten. Es war den ursprünglichen Unterlagen nämlich eindeutig zu entnehmen, dass in der beschriebenen Phasenfunktion gerade [X.] der Erfindung liegen sollte. Dieses Kerns ist der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag beraubt.

c) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag erweist sich aber auch deshalb als nicht patentfähig, weil er dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt ist.

[X.] ist ein digitales Hoch- und Tiefpassfilter in Form eines Brückenwellenfilters bekannt (Seite 81, Bild 5.1.1), das die Grundschaltung mit den Merkmalen [X.] bis [X.] aufweist. Auf die abweichende Anordnung des [X.] "1/2" in Bild 5.1.1 kommt es dabei nicht an. Beim Stand der Technik ([X.]: Bilder 5.1.1, 5.3.4) ist der [X.] am Eingang vorgesehen, bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 der hier zu beurteilenden Anmeldung am Ausgang bzw. an den Ausgängen des Filters. Funktionelle Unterschiede ergeben sich daraus für den Fachmann jedoch nicht. Zu berücksichtigen ist auch, dass der [X.] selbst nicht Teil der hier beanspruchten Lehre ist und in keinem der Merkmale Niederschlag gefunden hat.

M4 ausdrücklich ein Inverter angegeben ist, so liest der Fachmann auch diesen aus dem Bild 5.1.1 ohne Weiteres mit, da dort der Ausgang des [X.] mit der Funktion S2(Y) mit negativem Vorzeichen dem [X.] b2 zugeführt wird, was eine Invertierung des Ausgangssignal dieses [X.] verlangt.

D1 ist zudem bekannt, dass einer der Allpässe durch ein Zeitverzögerungsglied ersetzt werden kann, der eine Verzögerung um [X.] realisiert (Seite 93, 1. Absatz; Merkmal [X.] teilweise ).

[X.] Rest ).

[X.] umfasst, dort in Form des Falles m = 1. Sie wird aber auch durch die Druckschrift [X.] gelehrt (Spalte 4, Zeilen 37-40). Der Fachmann wird die so bekannte Ausgestaltung auch im Zusammenhang mit der Lehre der Druckschrift [X.] anwenden, da er bei einer möglichen praktischen Realisierung der Lehre der Druckschrift [X.] ohnehin gezwungen ist, das allgemeine Merkmal der Druckschrift [X.], dass nämlich die Verzögerung [X.] beträgt, dadurch zu konkretisieren, dass der Wert für die Größe "m" festgelegt wird. Die Druckschrift [X.] liefert hierzu eine passende Lösung. Die Anwendung der Lehre der Druckschrift [X.] auf den Gegenstand der Druckschrift [X.] führt unmittelbar zu einer Lösung, die vom Gegenstand des Patentanspruchs gemäß Hilfsantrag umfasst ist.

[X.] unmittelbar und eindeutig offenbart ist und ob dann der Fall 2n 1 = 1 der beanspruchten Lehre neuheitsschädlich vorweggenommen ist.

Meta

20 W (pat) 37/08

15.10.2012

Bundespatentgericht 20. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.10.2012, Az. 20 W (pat) 37/08 (REWIS RS 2012, 2320)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2320

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