Bundespatentgericht, Beschluss vom 05.11.2012, Az. 28 W (pat) 591/11

28. Senat | REWIS RS 2012, 1732

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "MR. DYNAMITE" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 024 115.2

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 5. November 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] und des Richters am [X.]

beschlossen:

Der Beschluss des [X.] vom 10. August 2011, Markenstelle für Klasse 13, wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen 30 2010 024 115.2

2

[X.]. [X.]

3

ist am 22. April 2010 zur Eintragung als Marke - nach einer Beschränkung im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2012 - für die Waren der

4

[X.]: pyrotechnische Erzeugnisse, nämlich Feuerwerksraketen,

5

Leuchtmittel, Leuchtfeuerwerk und [X.]

6

in das beim [X.] ([X.]) geführte Register angemeldet worden.

7

Die Markenstelle für [X.] hat die Anmeldung mit Beschluss vom 10. August 2011 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei dem Anmeldezeichen handele es sich um eine personalisierende Begriffsbildung. Das mit "Mr." eine Begriffseinheit bildende Wort "[X.]" (englisch für "Dynamit") werde von den angesprochenen Verkehrskreisen in Verbindung mit den beanspruchten Produkten der Pyrotechnik als allgemeiner Hinweis auf diesen Warenbereich, diese Branche oder eine entsprechende pyrotechnische Spezialisierung verstanden. [X.] weise der Zusatz "Mr." auf einen Repräsentanten oder eine sich in sonstiger Weise hervortuende Persönlichkeit des hier in Rede stehenden Sachgebiets hin. Hier stehe das Wort "[X.]" für eine bestimmte Art von Sprengstoff. Die beanspruchten Produkte stünden damit im engsten Zusammenhang. Das Wort "[X.]" im Kontext mit dem weiteren [X.] "Mr." werde von den angesprochenen Verkehrskreisen regelmäßig auch nicht im konkreten Wortsinne als Bezeichnung einer bestimmten Art von Sprengstoff verstanden. Vielmehr stehe das Wort "[X.]" im Zusammenhang mit pyrotechnischen Produkten stellvertretend für jegliche Pyrotechnik, deren Zweck und Bestimmung insbesondere die Erzeugung von Knall- und Sprengeffekten sei. Damit handele es sich bei dem Anmeldezeichen lediglich um die Bezeichnung einer sich auf dem Gebiet der Pyrotechnik hervortuenden Person, die werbe- und auch [X.] sei. Diese Personifizierung könne dabei situationsbezogen einerseits als Hinweis auf den Hersteller, andererseits als Hinweis auch auf den Verwender (als Kunde oder als Vorführer) verstanden werden. Eine derartige Doppelbeschreibung sei [X.]. Ob neben der fehlenden Unterscheidungskraft ein Freihaltebedürfnis gegeben ist, hat die Markenstelle offengelassen.

8

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung trägt sie vor, das Anmeldezeichen sei unterscheidungskräftig. Der Begriff "[X.]" könne nicht einfach mit "Pyrotechnik" gleichgesetzt werden. So werde auch unter www.wikipedia.org in dem dortigen Eintrag zu dem Begriff "Pyrotechnik" darauf hingewiesen, dass sich die in der Pyrotechnik verwendeten explosionsgefährlichen Stoffe von typischen Sprengstoffen (wie z. B. Dynamit) unterschieden. Durch das Anmeldezeichen "[X.]. [X.]" werde damit keines der beanspruchten Produkte beschrieben. Eine Bezeichnungsgewohnheit dahingehend, die eindeutig eine Person beschreibende Verwendung des Begriffs "[X.]." allein oder zusammen mit weiteren (beschreibenden) Begriffen als Qualitätsangabe für Waren aufzufassen, sei auf dem hier maßgeblichen Gebiet nicht erkennbar. Daher bestehe auch kein Freihaltebedürfnis.

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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des [X.]s vom 10. August 2011, Markenstelle für [X.], aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses im Beschwerdeverfahren in der Sache Erfolg.

Der Eintragung des [X.] "[X.]. [X.]" steht für die noch beanspruchten Waren nicht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] oder eines bestehenden Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen.

1. Dem Anmeldezeichen kann zunächst nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] I ZB 22/11, Beschluss vom 4. April 2012 - [X.]; [X.] 2012, 19, Rdnr. 8 -Link economy; [X.], 1100, Rdnr. 10 - [X.]!; [X.], 825, 826, Rdnr. 13 - [X.]; [X.], 850, 854, Rdnr. 18 - [X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411, 412, Rdnr. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944, Rdnr. 24 – [X.] 2; [X.] - [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. [X.] [X.], 428, 431 Rdnr. 53 - [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. [X.] [X.], 674, 678 Rdnr. 86 - Postkantoor; [X.], 952, 953 Rdnr. 10 - [X.]; a. a. [X.]. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; a. a. [X.] - marktfrisch; [X.], 1153 - anti [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] - [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten).

b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die Unterscheidungskraft des [X.] zu bejahen; denn "[X.]. [X.]" weist für die noch bean-spruchten Waren der [X.] "pyrotechnische Erzeugnisse, nämlich Feuerwerksraketen, Leuchtmittel, Leuchtfeuerwerk und [X.]" weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt werden kann.

Die Buchstabenfolge "[X.]. ist in der [X.] die Kurzform für die Anrede "Herr" ([X.]-Oxford - Großwörterbuch [X.], 3. Auflage, [X.], 2005, CD-ROM). "Mister" wird auch in der [X.] als Titel für [X.] verwendet, der die Verkörperung von Etwas darstellt, wie z. B. [X.] ([X.] - [X.], 6. Auflage, [X.], 2006, CD-ROM). Als weitere Beispiele für diese Art der Verwendung sind die von der Markenstelle belegten Bezeichnungen "[X.]", "[X.]", "[X.]", "[X.]", "[X.]", "[X.]", "Mister Bundesliga", "[X.]" oder "Mister Sportschau" zu nennen.

"[X.]" ist das [X.] Substantiv für "Dynamit" ([X.]-Oxford - Großwörterbuch [X.], a.a.[X.]). Bei "Dynamit" handelt es sich um einen auf der Grundlage von Nitroglyzerin hergestellten Sprengstoff. "Sprengstoff" ist eine Substanz, bei der durch Zündung große Gasmengen mit starker Explosivkraft gebildet werden ([X.] - [X.], a. a. [X.]). Außerhalb ihres militärischen Anwendungsbereichs werden Sprengstoffe zur Gewinnung von Gestein in Tagebauen (Steinbruch: Basalt, [X.], Diabas, Kalk etc.), zur [X.] und im Bergbau (Steinkohle, Kali & Salz, Gips, Erzabbau etc.) eingesetzt. Daneben werden Sprengstoffe im Verkehrswegebau, im Tunnelbau, bei [X.], in der Sprengseismik, aber auch in der "Pyrotechnik" (Feuerwerk) verwendet ([X.], [X.], zum Eintrag "Sprengstoff"). Der als Adjektiv auch im [X.] verwendete Begriff "Pyrotechnik" (von griechisch ττυρ pyr "Feuer") weist auf eine Technik in Verbindung mit einer - meist explosiv ablaufenden - Verbrennung hin. "Pyrotechnisches Erzeugnis" ist die Bezeichnung für ein Produkt, in dem pyrotechnische Sätze enthalten sind. "Pyrotechnische Sätze" sind nach der in § 3 Abs. 1 Nr. 1a [X.] enthaltenen Legaldefinition explosionsgefährliche Stoffe oder Stoffgemische, die zur Verwendung in pyrotechnischen Gegenständen oder zur Erzeugung pyrotechnischer Effekte bestimmt sind. "Pyrotechnische Gegenstände" sind nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 [X.] Gegenstände, die Vergnügungs- oder technischen Zwecken dienen und in denen explosionsgefährliche Stoffe oder Stoffgemische enthalten sind, die dazu bestimmt sind, unter Ausnutzung der in diesen enthaltenen Energie Licht-, Schall-, Rauch-, Nebel-, Heiz-, Druck- oder Bewegungswirkungen zu erzeugen. "Pyrotechnische Erzeugnisse" sind also insbesondere Produkte der Feuerwerkerei (vgl. [X.], [X.] zum Eintrag "Pyrotechnik"). Entsprechend setzt der [X.] den Begriff "Pyrotechnik" mit "Feuerwerkerei" gleich ([X.] - [X.], a. a. [X.]). Als "Feuerwerk" wird eine Darstellung oder Darbietung bezeichnet, bei der pyrotechnische Gegenstände und Feuerwerkskörper koordiniert gezündet werden ([X.], [X.] zum Eintrag "Feuerwerk").

Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse teilt der Senat nicht die Auffassung der Markenstelle, der von den beanspruchten "pyrotechnischen Erzeugnissen" angesprochene Durchschnittsverbraucher sehe das Wort "[X.]" im Zusammenhang mit pyrotechnischen Waren generell als Synonym für jegliche "Pyrotechnik". Die explosionsgefährlichen Stoffe, die in einem pyrotechnischen Satz verwendet werden, unterscheiden sich nämlich von den typischen Sprengstoffen dadurch, dass pyrotechnische Erzeugnisse - physikalisch gesehen - meist nur schnell abbrennen, aber nicht - wie typische Sprengstoffe - detonieren ([X.], a. a. [X.], zum Eintrag "Pyrotechnik").

Von den "pyrotechnischen Erzeugnissen" beansprucht die Anmelderin auch nur noch "Feuerwerksraketen, Leuchtmittel, Leuchtfeuerwerk und [X.]", mithin Waren, die pyrotechnische Erzeugnisse enthalten, die lediglich schnell abbrennen, jedoch nicht detonieren. Wegen dieser bei bestimmungsgemäßen Gebrauch eingeschränkten Eigenschaften geht der angesprochene Durchschnittsverbraucher nicht davon aus, dass die noch beanspruchten Waren "Dynamit" enthalten oder wie "Dynamit" wirken.

Im Übrigen lässt sich eine Kennzeichnungsgewohnheit auf dem [X.] Markt für "Feuerwerksraketen, Leuchtmittel, Leuchtfeuerwerk und [X.]" dahingehend, dass die Begriffe "[X.]." und ein beschreibender Begriff kombiniert und in diesem Sinne personifiziert warenbeschreibend verwendet werden, nicht feststellen. Die Recherchen des Senats haben ergeben, dass auf diesem Markt insoweit allein die ansatzweise in diese Richtung weisende eingetragene Wortmarke [X.] 2010 024 098.9 der Anmelderin "[X.]. [X.]" für eine Feuerwerksbatterie tatsächlich verwendet wird.

Das Anmeldezeichen "[X.]. [X.]" weist damit für die beanspruchten Waren weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihnen hergestellt werden kann.

2. Wegen der fehlenden Eignung zur Beschreibung dieser Waren steht dem Anmeldezeichen auch kein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen.

Meta

28 W (pat) 591/11

05.11.2012

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 05.11.2012, Az. 28 W (pat) 591/11 (REWIS RS 2012, 1732)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1732

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I ZB 22/11

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